The Project Gutenberg EBook of Drei Gaugoettinnen, by E. L. Rochholz This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.net Title: Drei Gaugoettinnen Author: E. L. Rochholz Release Date: April 13, 2004 [EBook #12012] Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DREI GAUGOeTTINNEN *** Produced by Delphine Lettau and PG Distributed Proofreaders Drei Gaugoettinnen Walburg, Verena und Gertrud als deutsche Kirchenheilige. Sittenbilder aus dem germanischen Frauenleben von E.L. Rochholz. 1870 * * * * * Vorwort. Den ersten fruehzeitigen Anlass, in den drei heiligen Frauen, deren Namen die nachfolgende Schrift am Titel traegt, drei naechstverwandte Wesen aus der deutschen Goetterlehre zu erblicken, hat der Verfasser in den Perioden seines akademischen Juenglingsalters und waehrend der ersten Jahre seines Berufslebens empfangen, als er noch auf Jagdgaengen, Ferienreisen und Abteibesuchen der Erkundung oertlicher Alterthuemer nachzog und in andauerndem Verkehre mit der Natur und der Bevoelkerung den damals herrschend gewesnen Glauben theilte, das Volksgedaechtniss sei ein Archiv, welches dem Forscher den Mangel an Urkunden ergaenzen helfe. Waehrend sich ihm letzteres bald als eine gemuethliche Taeuschung erweisen musste, war ihm darueber doch das Glueck beschert, reichliche, nachhaltige Anschauungen in sich anzusammeln, deren freundlich fesselnde Gewalt einen einmal in uns erwachten Plan auch unter unerwartet eintretenden Lebensaenderungen nicht mehr veralten laesst. Und so erklaert sich der Ursprung unseres Buches als eine frueh erworbene, in langer Zeitdauer gereifte und hier erst spaet zur Mittheilung gebrachte Lebensanschauung der Art, von welcher bei Goethe (Bd. 44, 193) das runde Wort steht: "Was man nicht gesehen hat, gehoert uns nicht und geht uns eigentlich nichts an." Als uns vor nun bald vierzig Jahren in den heimatlichen Thaelern der Altmuehl und des Mains der hier sesshafte Cultus der hl. Walburgis und Gertrud begegnete und nicht lange hernach in den schweizerischen der Aare und des Oberrheins uns ebenso derjenige der hl. Verena naeher bekannt wurde, zeigten schon die bestimmt abgegrenzten Landschaftsmarken, innerhalb deren der Cult jeder dieser drei Heiligen seit aeltester Zeit bis auf die Gegenwart herrschend geblieben ist, dass diese Drei hier nicht etwa die Patrone oder Lieblingsheiligen ihres Bisthums, sondern die Schutzheiligen ihres politischen Gaues in einer Periode gewesen waren, als dessen politische Grenzen noch keineswegs mit denen des Kirchensprengels zusammenfielen. Waren die Heiligen aber dieses und also zeitgenoessisch gewesen mit der aeltesten Gaueintheilung dieser Landstriche selbst, so war hier ihr Bestand ueberhaupt ein aelterer, als der durch die Kirche veranlasste je hatte sein koennen. Und also fuehrte uns die _Gauheilige_ in rueckschreitender Metamorphose auf die _Gaugoettin_. Gegen diese Folgerung, die selbst von der kirchlich approbirten Gestalt der Legende mit historischen Angaben unterstuetzt wird, laesst sich mit ferner versuchten Einwaenden nicht weiter mehr aufkommen. Auch fuehrt ja die Gaugoettin ihre bei uns verblasste Herrschaft ueber Christenmenschen anderwaerts immer noch ungeschwaecht und persoenlich fort, so z.B. in der Normandie, wo nach dem Zeugnisse von Amelie Bosquet die Aufsicht ueber das Land den Feen gehoert, jede einen einzelnen Kanton, hier jeden einzelnen Einwohner beaufsichtigt und dessen Loos bei der allabendlichen Versammlung in dem gemeinsamen Schicksalsbuche je mit einem weissen oder schwarzen Punkte bezeichnet. Jede Gottheit war, ein vom Heidenglauben verwirklicht gedachtes Idealbild menschlicher Thaetigkeitgewesen. Wie der Mensch, so sein Gott. Die dem Germanen eigenthuemliche Auffassung des Eherechtes, welche ihn vor allen Kulturvoelkern des Alterthums auszeichnet, der von ihm dem Weibe beigelegte ahnungsreiche; auf das Heilige gerichtete Sinn (Tac. Germ. c. 8) hatte bei ihm solcherlei weibliche Gottheiten bedingt, welche Waechterinnen der zuechtigen Geschlechterliebe, der haeuslichen Ordnung, des Fleisses und Friedens waren. Eine naechste Folge hievon war es, dass die Frau in ihrem Hause das Amt der Herrin (dies besagt das Wort frowa, frauja), in ihrem Stamme dasjenige der Itis oder weisen Frau bekleiden und als solche die Geschaefte der Tempeljungfrau, Priesterin, Heilraethin oder Aerztin verwalten konnte. Auf diesem Bildungswege einer langen Selbsterziehung wurde die Nation erst politisch gehemmt durch furchtbare Eroberungskriege, die sie erlitt und vergalt, dann geistig ueberrascht durch das in barbarischer Form ueberlieferte roemische Kirchenthum. Durch den ersten Vorgang wurden die Germanengoettinnen kriegerisch umgewandelt, militarisirt, durch den zweiten aber vollends satanisirt, zwei Umgestaltungen des Glaubens und Mythus, von denen unser Buch in allen Abschnitten sittengeschichtliche Zeugnisse bietet. Und nicht bloss die Richtschnur des oeffentlichen Glaubens, sondern ebenso die des Privatlebens wurde dabei mit in die tiefste Erniedrigung herabgezogen. Zwar blieben echtmenschliche Tugenden der Heidin ein allerdings noethigender Grund, sie spaeter einmal zu Christentugenden zu subtilisiren und eine Walburg, eine Verena oder Gertrud zu Kirchenheiligen zu erheben; allein diese Vereinbarung war und blieb eine erzwungene, innerlich unwahre, und verfaelschte den sittlichen Kern des Mythus bis zu dem Grade, dass es den irrigen Anschein gewann, als ob hier die Legende aus dem Christencultus entsprungen waere, anstatt dass umgekehrt dieser bloss entlehnend dem Mythus nachfolgte und ihn legendarisch einkleidete. Ihm selbst aber durfte ein ehefeindlicher Klerus, der dem Coelibat den uebertriebnen Werth einer vollkommnen Tugend zuschrieb und nur ein einziges Weib als solches anerkannte, die Himmelsherrin, auf das ganze uebrige Geschlecht aber die Ursache des Suendenfalles zu waelzen fortfuhr, einem solchen, die Frauenwuerde verkuendenden Mythus durfte der Moench kein Recht belassen, sondern musste ihn so weit und so unablaessig herabwuerdigen, dass die Folgen davon bis heute den Aberglauben aufzureizen vermoegen. Wenn daher zwar auf einer Seite die Jungfrau, welche schmerzenstillendes Oel unter Segensspruechen bereitete, als oelschwitzende Heilige kanonisirt worden ist, so ist sie auf der andern Seite zugleich zur Hexenmutter satanisirt: Zaubertraenke brauend, Seuchen und Misswachs herabbeschwoerend, Besen salbend, das aller Zeugung feindselige Kebsweib des Teufels in der Walburgisnacht. Dorten war sie die ehestiftende Liebesgoettin gewesen, hier eine Frau Mutter des Frauenhauses (S. 82. 154). Dorten trank der Mensch auf ihren Namen die Minne, sie selbst reichte dem in den Himmel eingehenden Helden den Unsterblichkeitstrank; hier wird sie zwar auch eine Himmlische, aber nur weil sie vorher als "Wirthskellnerin" tugendhaft geblieben war (S. 149). So urspruenglich schon steckt in dem Legenden erzaehlenden Moench ein Blumauer, der die Aeneide travestirt. Ihm haust da ein spukender Waldteufel, wo in der fraenkischen Waldeinsamkeit des Hahnenkamms und Spessarts die Haingoettin an ihren Maibronnen gewaltet hatte; die Fruehlingsgoettin Walburg wird ihm zum Blocksbergsgespenste, die Seelenherrin Gertrud zur Leichenfrau, und zur landverwuestenden Riesin wird die im Firnengolde des unerreichten Gletschers thronende Verena --auf des gefuerchteten Gipfels Schneebehangener Scheitel, Den mit Geisterreigen Kraenzten ahnende Voelker. Wie sonderbar doch dieser Lohn ist, der dem deutschen Weibe dafuer ertheilt wurde, dass es in unserem Volke zuerst, unter dem Widerstreite der Maennerwelt, rein aus Froemmigkeitsbeduerfniss und Kinderliebe sich an die neue Kirche ergab! Fuer treues Ausharren in den Pruefungen des Lebens, fuer opferbereites, demuethiges Dulden zum Wohle der Mitmenschen war ihm einst der Himmel zugesagt gewesen, es hatte ihn durch eigne Seelengroesse erobert und sogar den Preis der Vergoetterung sich erworben. Dieser Himmelsgenuss hiess der Kirchenlegende ein unverdienter, das heroische Streben des Weibes, sich zur Wuerde der Gottheit empor zu heben, ein frevelhaftes. Es wurde daher noch einmal in die Leidensschule der gemeinen Leiblichkeit zurueckversetzt, um nun erst durch ein Mirakel erloest zu werden. Denn von nun an sollte es nicht mehr auf das persoenliche Verdienst, sondern auf das Geheimniss der Gnade angewiesen bleiben. Diesen zweimaligen Bildungsweg, den das deutsche Weib in der Vorzeit einzuschlagen hatte, haben wir als "Sittenbilder aus dem germanischen Frauenleben" bezeichnet und nach dem doppelten Material der Mythe und der Legende von drei heiligen Frauen zur Darstellung gebracht. Dies ist der wissenschaftliche und patriotische Zweck unsrer Schrift, die sich hiemit dem Antheil vorurtheilsfreier Landsleute empfiehlt. Aarau 1. Mai, Walburgistag 1870. E.L.R. * * * * * Inhalt. Vorwort. I. Walburg mit drei Aehren, die Ackergoettin. Erster Abschnitt. _Quellen und Inhaltsangabe der Walburgislegende_. Walburgs und ihrer drei Brueder Taufbrunnen, Klosterstiftungen, Grabstaetten und Reliquien.--Oel, aus Stein und Bein der Walburgisgruft fliessend; aehnliches kirchlich verehrtes Wunderoel. Abbildungen und Embleme Walburgis. Zweiter Abschnitt. _Walburgis Hunde, Walburgis Aehren in kirchlichen Abbildungen und Hymnen_. Der Hund, ein Geleitsthier etlicher Fruchtbarkeitsgoettinnen und Heiligen; verehrt als saatenfressender Sturmwind und als breigefuettertes Windspiel der Wilden Jagd, genannt Nahrungshund. Nackte und suesse Huendlein als Zweckspeisen beim Dreschermahl.--Walburgis Emblem der Aehre und der Garbe, ihre Erscheinungsweise in den Sagen, ihre Verduesterung in dem Elbenglauben. Das Rechtssymbol der drei Aehren. Walburgs Eulogienbrode. Dritter Abschnitt. _Walburgistag, des Meien hochgezit_. Scenischer Zweikampf des Sommers und Winters, genannt den Tod austragen, den Sommer ins Land reiten. Maienfahrt, Laubeinkleidung und Ruthenzug.--Maigraf und Maigraefin. Das Mailehen ausrufen. Nachtsprueche und Liebesorakel beim Maiensetzen. Feier des Valentinstages: saemmtliches als Abbilder eines goettlichen Werbungs- und Vermaehlungsmythus, welcher im Fruehlings- und Erntevorgang spielt. Vierter Abschnitt. _Maiengeding und Walbernzins_. Walburgis und Martini, die beiden Jahresgedinge der ungebotenen Gerichte, gezeigt aus den Weisthuemern.--Urkundliche Berechnung der Gerichtskosten eines oberdeutschen Maiengedings.--Der Rutscherzins, die Walpersmaennchen und Walperherren.--Aus der mit der Zinspflichtigkeit verbundnen Nutzniessung bildet sich die Sage von einer auf den Zinstag fallenden Befreiungsgeschichte der Landschaft. Fuenfter Abschnitt. _Der Mythus vom Maienthau_. Landwirthschaftliche Erbsaetze ueber den Maienthau. Thau als Quelle von Leben, Lebensdauer und Koerperschoenheit, angewendet als Heilbad, Staerke- und Minnetrunk.--Bannbeschreitung, Oeschprozession um die Flurzelgen und Mairitt durch die Saat. Der Mythus vom Thau-abstreifen in seiner naturgeschichtlichen Begruendung. Thauschlepper und Thaustreicher als zaubernde Butter- und Milchgewinner. Walburg in den Riesen- und Hexensagen. Sechster Abschnitt. _Walburg, die Goettin der Zeugung und Ernaehrung_. Die westfaelische Walburg. Die phallischen Goetzenbilder zu Antwerpen und Emmetsheim, um Kindersegen angerufen. Naive Arglosigkeit der bildlichen Darstellung der Lebens- und Zeugungssymbole, deren Wiederanwendung in den Gebildbroden zur Mittwinter- und Fruehlingszeit. Etymologische Erklaerung des Namens Walburg nach dessen freundlicher und feindlicher Anwendung.--Schluss: die Goetterjungfrau kredenzt den aus Thau, Honig, Meth, Ael und Oel gewuerzten Unsterblichkeitstrank. II. Verena mit dem Kamme, die Kindsmutter. Erster Abschnitt. _Verena, eine alemannische Gauheilige_. Kirchliche Gestaltung und geographische Ausbreitung der Verenalegende; ersteres bedingt durch die Legende von der thebaischen Legion, letzteres durch die Ausdehnung des Konstanzer Bisthums. Verenas Weihkirchen und Altaere in der Schweiz, ihr Doppelgrab und ihre Reliquien in Zurzach. Mittelhochdeutsches Gedicht: Von sand Verene. Zweiter Abschnitt. _Verena, die Muellerpatronin_. Ihre Attribute: der schwimmende Muehlstein; ihre oertlichen Kleinkindersteine. Die Muellerpatronin als Ehegoettin. Der in Stein verwandelte Brodkipf und die unerschoepflichen Mehlsaecke. Wirthschaftsregeln am Verenentage. Dritter Abschnitt. _Verena, die Geburtshelferin_. Ihre oertlichen Kleinkinderbrunnen, Taufbrunnen und Wasserkirchen; die ihr geopferten Maedchen- und Brautkraenze; ihr Geburtsguertel, Haarkamm und Waschkrug; ihre landschaftlichen und kirchlichen Heilquellen. Gesundheitsregeln am Verenentage. Mythische Nachklaenge von der Gewitterriesin: das Vrenelisgaertli am Glaernischgletscher. Vierter Abschnitt. _Verena als Frau Venus_. Das Tannhaeuserlied in aargauischer Version; die Frau Venus-Vrene des Volksliedes. Die Venus-, Feens- und Vrenenberge, sowie die Venus- und Vrenenhaeuser, zurueckgefuehrt aus ihrer gegenseitigen Namensvertauschung auf den urspruenglichen Mythus. III. Gertrud mit der Maus, die Allerseelenherrin. 1) Die hl. Gertrud, heidnisch nach Namen, Legende und Attributen. Ihre altkirchlichen Abbildungen mit der Beigabe des Wagens, Schiffes, Stabes, der Spindel und der Maeuse. 2) Der Gertrudentag mit seinen Kalenderregeln und Zeitthieren: Specht, Kukuk und Schnecke; letztere tragen zu dritt den Namen der Heiligen und werden in deren Namen berufen als Lebens- und Todesboten. 3) Gertrud als Seelenherrin. Die Abgeschiedenen werden wieder zu Elben und erscheinen in Thiergestalt. Die Maus als ausfahrende, umwandernde Menschenseele, sowie als Rachegeist Abgeschiedner; der ihr geopferte Wechselzahn. Einschlaegige volksmedicinische Braeuche. 4) Die Rolle der Maus bei den Erntebraeuchen, die in Mausform gebackenen Zweckbrode. Gertrudens Maeusegespann, wiederkehrend in den Ortssagen. Das Trinken der Gertruden-Minne, Gertrud als Fylgja und Walkuere. _Symbole_. Die Terracotta-Maus aus dem Grabfelde zu Rheinzabern. Das Oxforder Weihnachtsbrod. Die Schnitternudel der Suessen Maeuschen. Das Kalenderzeichen des Gertrudentages. Nachtraege Wortregister * * * * * I. Walburg mit drei Aehren, die Ackergoettin. * * * * * Erster Abschnitt. Quellen und Inhaltsangabe der Walburgislegende. Dem allgefeierten ersten Mai geht die Walburgisnacht unmittelbar voraus, der heitersten Naturfreude die verderbenbringende Hexennacht. Hier eine jungfraeuliche Maikoenigin, aus dem frischen Gruen der Haine ueber den thauigen Anger her in unser Dorf einziehend, empfangen und umjubelt von der maientragenden Kinderschaar; dorten aber auf finsterer Berghoehe die entsetzliche Nachtkoenigin, Hagel und Schlossensturm, Misswachs und Seuche brauend, unkeusche Satanstaenze abhaltend, eine Feindin des Wachsthums und der Zeugung: welch ein Contrast binnen vierundzwanzig Stunden, welche Paarung der Brokenhexe und der Kirchenheiligen unter einem und demselben Namen! Die nachfolgende Untersuchung strebt den Zusammenhang dieser zwei getrennten, so hart sich widersprechenden Haelften eines urspruenglich einheitlichen Wesens aufzuweisen und dieselben zur wuerdigen Gesammtheit eines germanischen Goetterbildes zu vereinbaren. Zu diesem Zwecke wird hier eine Skizze der Walburgislegende nach deren aeltester Aufzeichnung, unter Weglassung der ausschmueckenden kirchlichen Zuthaten, vorangestellt. Quelle und Schauplatz der Legende ist baierisch Franken, zugleich die Heimat des Verfassers vorliegender Ausarbeitung. Die Quellen, auf weiche sich die Untersuchung wiederholt zu berufen hat, sind nachfolgende. Das Hodoeporicon oder Itinerarium (so benannt, weil es Wilibalds Reise nach Jerusalem enthaelt) schrieb eine Landsmaennin und Zeitgenossin Wilibalds aus ihrer eignen und der Diakone Erinnerung. Sie heisst die Heidenheimer ungenannte Nonne, und war 762 ins Heidenheimer Kloster eingetreten, also noch zu Walburgis Lebzeiten. Das Original ist erst seit Canisius und Mabillon bekannt geworden und steht gedruckt bei Falkenstein Cod. dipl. 447. Bei der franz. Invasion des Bisthums commandirte der zu Marschal Ney's Armee gehoerende General Dominik Joba etliche Wochen in Eichstaedt, beruechtigt als Inkunabeln- und Gemaeldedieb; er liess durch seinen Sohn am 16. Juli 1800 die Handschrift im Chorherrenstifte Rebdorf stehlen, seitdem ist sie verloren. Sax, Gesch. des Hochstifts Eichstaedt, S. 365. Dies ist die Hauptquelle fuer alle uebrigen Aufzeichnungen der Walburgislegende. Die naechstfolgende Biographie Walburgis verfasste zu Ende des 9. Jahrhunderts der Moench Wolfhard zu Hasenried, das spaetere Herrieden a.d. Altmuehl, einer im J. 888 durch Kaiser Arnulf an das Eichstaedter Bisthum vergabten Abtei. Im J. 1309 schrieb der Bischof von Eichstaedt Philipp von Rathsamhausen Wilibalds und 1313 auch Walburgs Legende, um deren Abfassung ihn Koenigin Agnes, des ermordeten Albrecht Tochter, von ihrem Stifte Koenigsfelden aus brieflich angegangen hatte. Der Bischof ueberschickt ihr und ihrem Convente das verlangte Werk, betitelt: Leben, Thaten, Tod und Wunderwerke der _seligen_ Jungfrau Walburg; die Zuschrift steht gedruckt in der Ztschr. Argovia 5, 25. Dies Werk ist zwar schon die fuenfte, aber die erste _umfassendere_ Erzaehlung der Legende, sagt Gretser X, 906b. Der bischoefliche Verfasser war von Kolmar im Elsass gebuertig und starb 1322. Bolland. 25. Febr., tom. III, 512b. Sein Werk uebersetzte der Eichstaedter Stadtschreiber David Woerlein und dedicirte es dem damaligen Bischof Konrad von Gemmingen; gedruckt zu Ingolstadt 1608 bei Andrae Angermayer. Auf diese beiden Schriften stuetzen sich nachfolgende, von uns gleichfalls benutzte Sammelwerke: Acta Sanctorum, saec. 3, pars secunda 287.--Bollandisten tom. 3., 25 Febr.--Gretser, Vitae Sanctor. tom. X.--Matth. Rader, Bavaria sancta, 1704.--Alle nennenswerthe weitere Literatur ueber die Walburgislegende ist verzeichnet in Rettbergs Kirchengesch. 2, 347 und 356. Winfrid-Bonifacius, der Apostel der Deutschen, geb. 680 zu Cirton oder Krediton in der englischen Grafschaft Devonshire, hatte bereits bei Friesen, Sachsen und Franken das Evangelium gepredigt, als er im Auftrage des Pabstes Gregor II. nach Thueringen und Baiern kam und in diesem letzteren Lande zu dem damals schon vorhandenen Bisthum Passau diejenigen zu Regensburg, Freising, Wuerzburg und Eichstaedt gruendete. Eine Schaar gebildeter Maenner und Frauen aus dem Angelsachsenvolke begleitete ihn dahin und uebernahm die Leitung der neuen Stiftungen. Kunigild und ihre Tochter Bertgit verwendete er als Abtissinnen in Thueringen, Kunitrud und Tekla setzte er ins Kloster nach Kissingen, Lioba nach Bischofsheim an der Tauber, Walburg nach Heidenheim am Hahnenkamm. Walburg, die Tochter des angelsaechsischen Fuerstenpaares Richard und Wunna, die Schwester von Oswald, Wunnibald und Wilibald, war auf ihres Oheims Winfrid Rath durch Thueringen nach Baiern gereist und hier im Sualafelder Gau mit den drei Bruedern zusammengetroffen. Dieser Gau, in dem sie sich nun zusammen niederliessen, reichte vom Bergzuge des Hahnenkamms in das Altmuehlthal nach dem jetzigen Eichstaedt, schloss auf einer Seite das Weissenburger Gebiet mit Gunzenhausen und Eschenbach in sich, auf der andern Seite die Pappenheimer Mark im Ries. Hier hatte Bruder Wilibald schon vorher im J. 740 bei Eichstaedt ein Kloesterlein in der Regel des hl. Benedict gegruendet und war fuenf Jahre nachher auf der Mainzer Synode (nach Rettberg 1, 353 schon im J. 741) zum ersten Bischof von Eichstaedt eingesetzt worden. Zusammen mit Bruder Wunnibald erbaute er dann am Hahnenkamm zu Heidenheim ein gleiches Kloster, fuegte demselben 760 einen Frauenkonvent in der Benedictinerregel bei und uebergab dessen Leitung an Walburg. Die Stellen zu den neuen Kirchenbauten pflegten die Geschwister sich da auszuwaehlen, wo ihr Reiseross jeweilen stetig wurde oder eine Quelle fand. Solcher jetzt noch fuer heilkraeftig gehaltener Quellen zaehlt man in der Eichstaedter Landschaft sechse. Ein Wilibaldsbrunnen liegt ob dem Eichstaedter Forellenweiher an der Landstrasse im Weissenburger Walde und heisst Roemleins- oder Rimleinsbrunnen, weil der glaubenseifrige Bischof hier Roemer getauft haben soll. Der Waldberg, aus dem die Quelle fliesst, ist in der Fronte bis zur Hoehe aufgemauert und mit Quadern, einem Thore gleich, eingefasst; eine Abbildung giebt Falkenstein, Nordgau. Alterth. 1, cap. 1, S. 14. Der zweite Wilibaldsbrunnen liegt zunaechst dem Kloster Bergen; als der Heilige hier heranritt, sprudelte der Quell unter dem Tritt des Rosses aus einem Felsen von 16 F. Umfang auf und versiegt seitdem bei keiner Sommerduerre. Der dritte liegt ob der Wilibaldsburg auf einem der zwei gruenen Hoehenzuege, die den Eichstaedter Thalkessel umgeben. Dazu kommt noch am Wege nach dem Dorfe Titing die Wilibaldsruhe, wo eine neuerlich abgegangene Feldkapelle mit des Heiligen Bildnisse stand. Ferner erbaute er das Stift Heilsbronn, nach jener maechtigen "Hails- oder auch Hagelsquelle" zubenannt, die hier in einen dreikaestigen Brunnen gefasst wurde und aus 32 Roehren sprang; sie stand im vorderen Kreuzgange und wurde im Schwedenkriege zerstoert. Eben so liess sich die Schwester Walburg im mittelfraenkischen Staedtchen Heidenheim beim Ortsbrunnen nieder, welcher der Schoen- und Heidenbrunnen heisst. Als aber Wunnibald hieher auf Besuch kam, entsprang im Klostergarten (jetziges Rentamt) auch der Kaesbrunnen, ein Hungerquell, an welchem die Heidentaufen vorgenommen wurden. Bruder Oswald erbaute sich beim Schlosse Hohentruedingen das Stift Auhausen; seine Wunderbrunnen liegen jedoch nicht hier, dagegen ist ihm in Tirol beim Dorfe Oswald am Ifinger einer der drei "Jungbrunnen" dieses Landes geweiht und er selbst gilt dorten als ein gewaltiger Wetterherr. Zingerle, tirol. Sitt. no. 794. 936. Ueber Jahr und Tag des Todes der Geschwister widersprechen sich die Kirchenhistoriker Gretser, Rader, Falkenstein und Pater Luidl. Nach den neuesten und scharfsinnigen Untersuchungen von D. Popp, Errichtung der Dioecese Eichstaedt, wird von nun an Folgendes zu gelten haben. Wunnibald stirbt 18. Dec. 761; Walburg 25. Febr. 779; Wilibald 7. Juli 781. Letzterer wurde in der Eichstaedter Kathedrale, die beiden ersteren im Kloster Heidenheim beigesetzt. Hier liess nachmals Abt Otkar Walburgis Erdgrab eroeffnen und erblickte drinnen die Leiche unverwest und thaufrisch: "totum corpus rore perfusum cernebatur". Am 21. Sept. 870 tragen zwei zusammen gebundene Rosse den Sarg nach Eichstaedt und bleiben hier freiwillig vor der Kirche zum hl. Kreuz stehen. Also liess Otkar die Leiche hier bestatten und den Tempel Walburgiskirche benennen. Schon auf dem Wege hieher hatten zwei Epileptische den Sarg beruehrt und wurden dadurch geheilt. Ein Lahmer geht auf Kruecken voran in die Kirche zu Wilibalds Grab und ruft da: Wilibald, gib mir das Botenbrod, deine Schwester kommt! Darueber laesst er die Kruecken fallen und ist geheilt. Gretser 739. Gegen das eben genannte Jahr dieser Versetzungsgeschichte streitet indess die weiter gehende Erzaehlung von der Theilung der Walburg-Reliquien. Als naemlich Walburg gestorben war, hatte ihre Gefaehrtin Lioba kein Gefallen mehr an Heidenheim, sondern gruendete aus ihren reichen Mitteln im J. 870 zu Monheim ein Frauenstift in der Benedictinerregel, und die von ihr nach Eichstaedt abgegebenen Walburgisreliquien mussten nun mit dem neuen Stifte Monheim getheilt werden. Als man sie desshalb im J. 893 zu Eichstaedt wiederum aufgrub, zeigten sie sich mit einer wundersamen Fluessigkeit ueberzogen, die bei Beruehrung nicht an den Fingern kleben blieb: cineres lympha tenui madefactos, ut quasi guttatim ab eis roris stillae extorqueri valerent (A. SS. 11, 293). Beide eben citirte Stellen sind in so ferne von Belang, weil sie die ersten Andeutungen des nachmals so beruehmt gewordnen Oelflusses enthalten. So blieb also ein Theil der Reliquien zu Eichstaedt, der andere kam nach Monheim und wurde hier an jedem Jahrestage durch vier Stadtraethe in einem silberueberzogenen Saerglein in gewohnter Prozession umhergetragen. Als aber durch die Reformation die Kloester des Sprengels der Reihe nach aufgehoben wurden: Solenhofen, Wuelzburg, Baring, Heidenheim, Monheim, zerstoerte der Bildersturm (haereticorum furor, sagt Rader 3, 48) auch die hl. Gruefte, so dass Wunnibalds Sarg in Heidenheim und die silberbeschlagne Arche in Monheim spurlos verloren giengen. Letzteres geschah erst 1542. Man sagt, Walburgis dort verwahrt gewesener bischoeflicher Stab, auf dessen Beruehrung Blinde das Augenlicht wieder erhielten, sei spaeter auf dem Walpersberge bei Koeln von den Jesuiten verwahrt worden und alljaehrlich am 1. Mai im Flurumgang durch die Felder getragen worden. A. SS. pg. 302. Wir werden spaeter darauf noch zurueckkommen. Von den Koerpertheilen Walburgis ist in ihrer Gruft zu Eichstaedt nichts anderes mehr als nur das Brustbein vorhanden. Dasselbe liegt dorten im Altar der Gruftkapelle der schon 1040 renovirten und 1631 neugebauten Walburgiskirche. Dieser Altar, ein laenglichter Steinwuerfel, ist in seinem Fundament nach aussen viereckig ausgehauen, so dass er als ein auf seine Breitseite umgelegter aelterer Steinsarg erscheint. Sein Material ist Sandstein, wie ihn die Brueche vom benachbarten Pleinfelden ergeben. Durch seine Hoehlung geht der Laenge nach eine ebne ungeschliffene Kalksteinplatte von der Art des naechsten Eichstaedterbruches, aufgesetzt auf zwei kurze Traeger aus Sandstein. Diese Bank heisst der Gnadenstein, denn auf ihrer nackten Flaeche liegt Walburgis Brustbein. Anfangs Oktober faerbt sie sich blaulicht und ueberlaeuft mit dunstigem Stoff, der zu erbsengrossen Perlen gerinnt und tropfenweise ehedem in einem viereckig ausgehauenen Mittelraume sich sammelte. So beschreibt es Gretser X, 907 (gestorben 1625); der spaetere Falkenstein, Nordgau. Alterth. 1, 31 sagt, dass diejenigen Tropfen, die nicht von oben her, sondern von der Seite der Steinbank hervordringen, durch silberne Abzugsrinnen in eine darunter stehende Goldschale geleitet werden, und so schildert es auch die Bavaria (3, Abth. 2, 979) als heute noch bestehend. Der Innenraum des Gruftsteins ist durchweg mit Silberblech ueberzogen, die Vorderseite wird mit einer von innen silberbeschlagenen Eisenthuere verschlossen. Dies ist das Mirakel des Oelthauens, von der Kirche das stillicidium genannt. Das Oel ist weiss und hell, geruch- und geschmacklos und schnell verfluechtigend; unaufgesammelt soll es am Gruftstein wie griesiges Schmalz in sich selber verstocken: Es wird von den Klosterfrauen in kleine, langhalsige; mit Wachs verschlossne Glasflaeschlein zum Verkauf umgeleert: An Ort und Stelle hat der Verfasser dieses in seiner Jugend eine messingene Eichel, vergoldet und am Napfdeckel aufzuschrauben, den Klosterfrauen abgekauft; sie enthielt wohlriechende, in dies Oel getauchte Baumwolle nebst einem gedruckten Gebrauchszettelchen, wornach man unter bestimmten Gebeten diese Wolle in schmerzende Zaehne und Ohren steckt. Frauen tragen derlei geweihte Metalleicheln an dem silbernen Schnuerwerk des Mieders. Der erste Mai galt durchgehends als der Tag, da das Stillicidium begann. Joh. Georg Keysler, ein kirchlich unbetheiligter, in seinen Forschungen sehr genauer Autor, weiss in seinen Antiquitates Septentr. (Hannoverae 1720) S. 88 noch nicht anders, als dass dieser Oelfluss erfolge cum die prima Maji. Allein dieser Termin behagte den kirchlichen Skribenten nicht, vielmehr scheint seit dem 17. Jahrhundert, da Gretser die Geschichte der Eichstaedter Bischoefe und dieses Mirakels schrieb, folgende Zeit dafuer zur Geltung gebracht worden zu sein: Mit dem 12. Oktober, als dem Tage, da Walburgis Gebeine von Heidenheim in die Gruft nach Eichstaedt uebertragen wurden, beginnt das Oel zu fliessen und fliesst fort bis 25. Februar, als der Heiligen Todestag; alle uebrigen Monate, heisst es, bleibe der Gnadenstein unter jedem Witterungswechsel trocken. Allein im Widerspruche mit dieser Berechnung sagt die aelteste Aufzeichnung der Legende ausdruecklich: die apostolorum Philippi et Jacobi celebratur usque hodie festum canonizationis Walpurgae; eodem die omni anno stillicidium ejusdem sanctae virginis ad potandum administratur (Gretser X, 898b). Philipp und Jacobi fallen bekanntlich auf 1. Mai, dessen altheidnische Feier gildenweise mit dem Aeltrinken begangen wurde. Um nun diesen paganen Brauch vollends hier aus der Kirche zu entfernen, suchte man zu erweisen, dass der 1. Mai weder Geburts- noch Todestag, sondern nur der Canonisationstag Walburgis sei, und kuemmerte sich nicht weiter darum, dass das Walburgisfest in verschiednen Gegenden Deutschlands schon seit alter Zeit zu fuenf verschiednen Monaten und Tagen kirchlich begangen wurde[1]. Ein fernerer Grund, der hier verschiedene Male noethigte, den solennen Beginn des Oelflusses auf andere Termine anzusetzen, liegt in der Eichstaedter Oelquelle selbst, die eine intermittirende ist und ausserdem in frueheren Jahrhunderten viel reichlicher floss als heute. Oftmals bleibt sie sogar ganz aus. So schon unter Bischof Friedrich II., welcher 1237 sammt seinem Domkapitel von der Buergerschaft verjagt wurde. Die versperrte Domsakristei wurde aufgesprengt und verwuestet, das Walburgisoel hoerte auf zu fliessen. Sicherer jedoch ist derselbe Fall, da 1713 zum groessten Schrecken des Klosters vom 15. Februar bis 9. Maerz fast kein Tropfen Fluessigkeit an dem Gnadensteine bemerkbar war; nach einer alten Tradition schob man die Schuld auf die im Convent der Schwestern ausgebrochne Uneinigkeit. Sax, Gesch. des Hochstifts Eichstaedt, S. 283. In der Leichenrede, die der Jesuite Jos. Giggenbach beim Tode der dortigen Abtissin Maria Anna Barbara hielt (gedruckt zu Eichstaedt 1730, 4 deg.), heisst es S. 27: Walburg lasse das Oel in solchem Masse aus ihrem Brustbeine entquellen, dass man damals ein hohes grosses Glas voll davon im Kloster zurueck gestellt hatte; zur Haelfte trank es die erkrankte Abtissin weg und sprach: Deine Kinder, o Heilige, haben sich so stark vermehrt, dass sie entweder dursten und hungern muessen, oder du ihnen die Muttermilch vermehren musst! worauf jenes halbgeleerte Gefaess sich sogleich wieder ganz mit Oel anfuellte.--Der Eichstaedter Bischof Philipp von Rathsamhausen, Verfasser der drittaeltesten Walburgislegende, erzaehlt, wie er es selbst becherweise gegen seine Krankheit getrunken: praecepimus nobis copiosius (de oleo) adferri, et desiderabili haustu phialam plenam ebibimus. A. SS. saec. III. P. II, 306. Als es einst ein ganzes Jahr nicht mehr geflossen war und die darob verzagten Eichstaedter ihren Sittenwandel besserten, brach es so reichlich los, dass man ein Weinlaegel von einer halben Pinte, also ein wirkliches Fass, damit anfuellen konnte. Ibid. pag. 307. So verwundert sich auch "das Buch vom Aberglauben" (von H.L. Fischer) Hannover 1794, Bd. 3, 118 ueber "die ungeheure Menge" Walburgisoel zu Eichstaedt, die in alle Gegenden verschickt und in schweren Krankheiten statt Arzenei verbraucht wird; es soll, sagt der Verf., wirkliches Bergoel von grosser Durchsichtigkeit und sehr fluechtig sein; wer es bei sich trage, behaupten die Moenche, muesse sich im Stande der Gnaden befinden, damit es nicht sogleich verfliege. Dass das Oel hier nicht aus der Reliquie, sondern aus dem Tragsteine derselben quillt, hatte die Kirche urspruenglich nicht verheimlicht. Schon Gregor von Nazianz sagt, nicht nur der Maertyrer Asche und Gebein, sondern auch andere den Reliquien nahegebrachte Dinge sind heilkraeftig, und so auch das Oel, das aus den Heiligengebeinen "oder aus ihren Grabsteinen herausfliesst." Vom Grabe der hl. Katharina erzaehlt Reinfrit von Braunschweig (Grimm, Altd. Waelder 2, 185), wie ole von irme libe vloz; und das Gedicht von Katharinens Marter (Pfeiffer, Germania 8, 179) fuegt erklaerend bei: uz dem sarksteine, da inne lit diu reine, vil heilic ol vluzet, des diu werlt vil genuzet. der iht siecheite hat, des wirt al ze hant rat, als man ez dar an strichet. In Tirol kennt man kirchlich zwei solcher oelspendenden Steine; der eine lag ehmals in der alten Kirche zu Niedervintl und trug die Inschrift: Brunnen des Oels, 1500; der andere ist noch im Kirchlein St. Kosmas und Damian, bei Bozen. Aus einer Eintiefe an seiner Oberflaeche quoll Heiloel und wurde von zahlreichen Pilgern begehrt, doch es vertrocknete fuer immer, als der Eigenthuemer der Kapelle damit Wucher zu treiben begann. Zingerle, Tirol. Sag. no. 624. 625. Als zu Eichstaedt 1309 die Gebeine des hl. Gundacar erhoben wurden, ergaben sowohl sie wie der Deckel des Steinsarges eine so reichliche Menge fliessenden Oeles, dass der damalige Bischof Philipp von Rathsamhausen hievon zwei Gefaesse fuer die Kranken anfuellen liess. Sax, Eichstaedt. Hochstift S. 101. Die von Rom nach Tegernsee gebrachten Gebeine des hl. Quirinus ergaben in dortiger Quirinuskapelle ein Heiloel, das in kleinen Flaeschlein an die Glaeubigen verkauft wurde. Heute steht diese "Oelkapelle" noch; einige Quellen olivengruenes Naphta entspringen unter ihrem Dache; man sammelt jaehrlich davon gegen 40 Mass. Steub, Bair. Hochland, 196. Die im Reliquiencultus so unenthaltsam gewesne Kirche hat sich indessen auf solcherlei Steinoel allein nicht beschraenken moegen. Schon zu Justinians Zeit fliesst Oel aus Heiligenknochen (Grimm, GDS. 140); von Orosius an meldet eine Reihe mittelalterlicher Schriftsteller, welche in Massmanns Kaiserchronik 3, 556 aufgefuehrt sind, zu Rom sei bei Christi Geburt ein Oelbrunnen entsprungen und habe sich in die Tiber ergossen. Zugleich faellt damals auch ein Honigregen. Sechzehn Heilige und achterlei heilige Jungfrauen zaehlt Matth. Rader, Bavaria sancta 3, 49 auf, aus deren Gebeinen nunmehr wunderthaetiges Oel fliesst. Kaspar Lang, Histor. theolog. Grundriss 1692. 1, 84 und Abraham a Sta Clara (im Judas der Erzschelm 4, 42) setzen diese Zaehlung noch weiter fort. Mit dem Oel der hl. Helena einen Kristall zu betraeufen, um damit den Dieb zu entdecken, raeth Felix Hemmerlin (1454) in seiner Schrift de exorcismo. Gretser X, 907 nennt ferner die hl. Elisabeth in Thueringen, die Martyrknaben zu Novara und noch andere, deren Gebein, in Kirchenaltaeren ausgesetzt, Oel giebt, und Rader 3, 41 fuegt bei, Gleiches stehe der Walburgis um so mehr zu, als sie eine im Dienste Gottes streitende Jungfrau gewesen sei und also in diesem taeglichen Faustkampfe Oel habe schwitzen muessen: Cur oleae stillat Walpurgis ab artubus humor? In cavea Martis num pugil illa fuit? Im Stil der Kirchenvaeter wird der mit dem Satan ringende Christ mit dem Athleten in der Arena verglichen, dessen Leib mit dem Oele des Gebetes gesalbt ist, damit der Feind ihn nicht fassen koenne. So sagt Pseudo-Ambrosius (de sacram. I, 2): Venimus ad fontem--Unctus es quasi athleta Christi. Denselben Gedanken aeussert auch Chrysostomus in seiner 6. Homilie ueber den Brief an die Coloss.--Nork, Realwoertb. 3, 301. Von der Wunderwirkung des zu Eichstaedt fliessenden Oeles sagen die Acta SS. 1. c. pg. 306, dass es Blinde, Taube und besonders haeufig Lahme geheilt habe; Gretser fuegt bei, X, 917, es foerdere die Geburten, auch lutherische Frauen haetten in Kindesnoethen damit den Versuch gemacht und seien darueber wieder der alten Kirche beigetreten. Medibards Hymnen (bei Gretser 801, dritte Reihe) wissen, dass es besonders den Wolfshunger heilt: Hinc quendam fastidiosum Fame paene mortuum Alloquens per visionem Monet, ut de calice Ejus biberet; quo facto Esuriit solito. Der Monheimer Knabe Beretgis, seit 3 Jahren an beiden Fuessen lahm, wurde von seiner Mutter Ratila zum Walburgisgrabe in Monheim getragen und da auf ihr Gebet sogleich hergestellt; worauf sie ihn der Kirche, durch die er seine Koerperkraft wieder erlangt hatte, zu lebenslaenglicher Leibeigenschaft uebergab. A. SS. ibid. pag. 304. Die mystische Kraft, welche dem Walburgisoel beigelegt wurde, erklaert sich Jac. 5, 14: Ist einer unter euch krank, so rufe er die Aeltesten der Gemeinde herbei, dieselben sollen ueber ihn beten, nachdem sie ihn mit Oel gesalbt im Namen des Herrn--und der Herr wird ihn aufrichten. Da Walburgs Reliquien in vielerlei Kirchen zerstreut worden sind (per totum mundum, ad diversas Francorum provincias S. Walpurgis reliquiae dispersae sunt. A. SS. l.c. 306), so ist auch in vielen Provinzen das Wunderoel zu haben gewesen. Oel, Knochen, fuenf Zaehne und ein Gewandrest Walburgis wurden zu Wittenberg jaehrlich am Montag nach Misericordias ausgestellt, wobei ein Glas voll von demjenigen Oele mit hergezeigt wurde, das aus den Gebeinen der hl. Elisabeth, Landgraefin von Hessen, geflossen war. Das Glas ging an Luther ueber, der wie J. Mathesius erzaehlt, es einst seinen Joachimsthaler Gaesten zu einem andaechtigen Tischtrunk aufstellte. Karl der Kahle hatte in der Kaiserpfalz zu Attigny (Champagne) eine Walburgiskirche erbaut; noch im J. 1720 kamen daselbst die Geistlichen von mehr als vierzig Pfarreien am 1. Mai zusammen, um das Walburgisoel auszuspenden. Odo, Abt zu Clugny, (Burgund) kannte in seiner Nachbarschaft eine Walburgiskirche, in welcher die dortigen Partikeln etliche Tage des Jahres Oel schwitzten; die Heilige hiess dorten Sainte Vaubourg und Gualbourg. Gretser pg. 906. Bolland. 518b. 519a. A. SS. II, pg. 307. 308. Von altkirchlichen Abbildungen Walburgis sind folgende zu nennen. Im Schiff der Heidenheimer Klosterkirche, die waehrend der Reformation verwuestet wurde (more Lutheranae sectae, quae omnia sacra polluit, sagt Rader 3, 45) liegt gegen das Chor zu ein 2-1/2 F. hoher Grabstein, auf welchem Walburg in ganzer Figur ausgehauen ist, in der rechten Hand einen Stab haltend, auf dessen Wirbel ein kleines Kreuz sitzt, in der linken ein Buch, zu Fuessen ein Wappenschild. Dieser saeulengeschmueckte Aufbau mit Perlenfries gehoert den Werken der romanischen Periode an (Bavaria 3, 863). Auf einem gegenueber liegenden aehnlichen Grabstein ist Wunnibald ausgehauen; drunter steht die Inschrift: sepulcrum stae Walburgis 1484. Eine Abbildung davon erschien bei Bruegel in Ansbach und im Jahresberichte des histor. Vereins fuer Mittelfranken 1843. Der hl. Wilibald mit seiner ganzen Verwandtschaft ist dargestellt auf einem Teppich, welcher urspruenglich in der Eichstaedter Kirche aufbewahrt wurde und nun im Muenchner Nationalmuseum ist.--Auf folgenden Stichen erscheint die Heilige als Abtissin mit dem Stab, das Oelflaeschlein in der Hand haltend: Fons olei Walpurg. a Jacobo Gretser, S.J. Ingolst. 1629.--P. Emil de Novara, capuccino. Breve ristretto della Sta. principessa Walpurga. Eichst. 1722.--Matth. Rader, Bavaria sancta. Muenchen 1704 (wiederholt das Grabmal).--P. Goudin, Unerschoepflicher Gnadenbrunnen der hl. Walburgis. Regensb. 1708. Besondere Weihkirchen und Kapellen besitzt die hl. Walburg auf dem Gebiete der Baiern, Alemannen, Franken, Burgundionen, Niedersachsen und Friesen; soweit durch dieselben der hier zu behandelnde Stoff vervollstaendigt wird, wird von ihnen im Einzelnen ferner hier die Rede sein. Eben dieselbe Bemerkung hat auch von den an vielfachen Orten aufbewahrten und verehrten Walburgsreliquien zu gelten. Auf dem bairischen Lechfelde liegt in der Gemeindeflur von Kaufering eine sehr alte Walburgskapelle, auf ihrem eignen Huegel stehend, von Linden beschattet, von einer Mauer eingefriedet. Der Eintritt fuehrt drei Stufen abwaerts, die Wand ist schwarz, das Innere finster. Im Anbau steht der Pestkarren, die Raeder sind mit Filz beschlagen, um die zur Pestzeit gehaeuften Leichen geraeuschlos abzufuehren. Walburg hat jener Pest gewehrt. Diese Kirche, sagt das Volk, sei heidnischen Ursprungs, man habe hier noch den Goetzen geopfert. Schoeppner, Bair. Sagb. no. 889. Bairische Ortschaften, vom Namen Walburg ableitend, zaehlt das topographisch-statistische Handbuch des Koenigreichs (Muenchen 1868) folgende auf: Walbenhof, Einoede bei Neustadt a.d. Waldnab; Walbenreuth, Dorf bei Tirschenreuth; Dorf Walberngruen bei Stadtsteinach; Walbertsberg bei Kunreut; hier wird neben der Walburgskapelle unter den Linden ein Maimarkt abgehalten, zu welchem die Landleute bis auf zehn Stunden weit zusammen kommen. (Reynitzsch, Truhtensteine 187.) Walburgskirchen, Dorf bei Pfarrkirchen; Walburgsreut, Weiler bei der Stadt Hof; Walburgswinden, Einoede bei Neustadt a.d. Aisch; Walpenreuth, Dorf bei Berneck; Walpersberg, Dorf bei Bogen; Walpersdorf, ein Weiler bei Rosenheim, und zwei gleichnamige Doerfer bei Rottenburg und bei Schwabach; Walpershof, Dorf bei Eschenbach; Walpersreuth, Weiler bei Neustadt a.d.W.; Walperstetten, Dorf bei Dingolfing; Walperstorf, bei Landshut; Walpertshofen, Weiler bei Dachau; Walpertskirchen, Pfarrdorf bei Erding; Woelbersbach, Dorf bei der Stadt Hof; Wolpersreut, Dorf bei Kulmbach; Wolperstetten, Dorf bei Dillingen; Wolpertsau, Einoede bei Neuburg an der Donau. Diese Liste laesst sich jedoch noch um vieles vermehren, wenn man dabei die mundartlichen Formen des Namens Walburg mitverwerthet. Er lautet im Altmuehlthale Buergli, in altbairisch-oberpfaelzischer Mundart Walberl (nicht zu verwechseln mit Waberl, Wawl, Wabm, was in Altbaiern und Mittelfranken Barbara ist), im tiroler Zillerthal Purgel u.s.w. Einer der Hauptberge am oberbaierischen Tegernsee wird 1420 in einem Lateingedichte des Peter v. Rosenheim als Walber foecundissimus begruesst. Schneller Woertb. 4, 61. Das schwaebische Rittergeschlecht von Waldburg, einst Truchsessen, nunmehr wuertembergische Standesherren, theilt sich in die Linien Hohenlohe-Wb., Waldburg-Zeil, Wb.-Wurzach, Wb.-Wolfegg. Ihr Stammschloss ist die beim gleichnamigen Pfarrdorf gelegne Veste Waldburg, suedoestlich von Ravensburg. Vier Treppen hoch in dieser Burg liegt die Walburgiskapelle. Von den zu Koeln bei den Jesuiten aufbewahrten Wb.-Reliquien hatten sich die Grafen Einiges erbeten, jedoch erfolglos. Bolland. 3, 518. Im Elsass hat Walburg drei Kirchen: 1) diejenige bei Leimen mit der Wallfahrt zum Helgenbronn, von welcher weiter unten die Rede sein wird; 2) zu Knoersheim bei Maurmuenster; 3) bei Biblisheim, unfern der Stadt Hagenau; sie wird im J. 1085 als Kloster genannt (Trithem. Chron. Hirsaug. 1, 280) und 1102 vom Schwabenherzog Friedrich I. zur Abtei erhoben. Neugart, Episc. Const. 2, 8. Auf einer Halbinsel der Seine stand in der Normandie eine Walburgskapelle, diejenige Stelle bezeichnend, wo die Heilige auf ihrem Wege aus England nach Deutschland ausgeruht hat. Gretser, 906. Der groessere Theil der aeltesten Kirchen Niederdeutschlands ist derselben Heiligen geweiht, so zu Groeningen, Veurne, Utrecht, Antwerpen, Arnheim, Aldenaerde, Bruegge, Zuetphen, Harlem; von ihnen wird im Einzelnen spaeter noch zu handeln sein. Reliquienpartikeln von der hl. Walburgis lagen laut Falkenstein, Nordgau. Alterth. 1, 29 im vorigen Jahrhundert in folgenden Kirchen. In Baiern zu Augsburg, zu Monheim und im Kloster Andechs. Ferner zu Mainz in der Gereonskirche zu Koeln ein Finger, in der Jesuitenkirche daselbst die Hirnschale, welche dahin kam vom benachbarten Walpersberg, einem vormaligen Kloster. In Frankreich zu Attigny und Clugny. Die Acta fundationis monasterii Murensis (Kloster Muri im Aargau ist 1027 gegruendet) nennen bei Herzaehlung der daselbst verwahrten Reliquien zu dreien malen Knochen und Asche vom Leib der hl. Walburg. Reliquienpartikeln des hl. Wilibald und Wunnibald und Richardis uebersendete 1482 der Eichstaedter Bischof Wilhelm von Reichenau an Koenig Heinrich VII. von England, der sie in Canterbury verwahren liess. Ueber diese Reliquien und die der Walburg gewidmeten Kirchen hat der Jesuite Godefredus Henschenius in Actis SS. ausfuehrlich berichtet. * * * * * FUSSNOTEN: [1] Die folgenden nennt Gretser, Vitae SS. tom. X. 25. Febr., Walburgis Todestag, wird begangen zu Eichstaedt in der Kathedrale, und zu Antwerpen in der Basilica.--20. Maerz: Gretser l.c. pag. 907. 1. Mai, Walburgis Translation von Heidenheim nach Eichstaedt; gefeiert in der Eichstaedt. Kathedrale und zu Antwerpen in der Basilica. Bollandisten, 25. Febr., tom. III, 513a. Das Martyrologium des schweiz. Klosters Rheinau stammt aus dem X. Jahrh. und setzt auf 1. Mai die Feier: Philippi et Jacobi et S. Waldp. uir(go). Marzohl-Schneller, Liturgia 4, 768. 4. Aug.: exitus Walburgis ex Anglia, gefeiert zu Eichstaedt (Bollandisten ibid. 514b); zu Tornacum, Gandanum, Antwerpen und Aldenaerde: Bolland. 522; zu Veurne, in der flandr. Dioecese Ypern: Gretser X, 912. 12. Okt.: Antwerpner Basilica und Eichstaedter Walb.kloster. * * * * * Zweiter Abschnitt. Walburgis Hunde, Walburgis Aehren. Unter den kirchlich sehr korrekt gehaltenen Abbildungen, mit denen die bairischen Hofmaler und Kupferstecher Sadler, Vater und Sohn, des Matthaeus Rader Bavaria Sancta (1615) ausgeschmueckt haben, ist Bd. 3 auch das Eichstaedter Grabmal Walburgis dargestellt; wunderlich aber liegt da zwischen den Andaechtigen neben den Stufen des Steinsarges ein grosser Hofhund, ruhig schlafend. Dass der Hund das Geleitsthier unsrer Jungfrau gewesen, ist kirchlich in Vergessenheit gerathen; die Acta SS. (saec. 3, tom. II, 291) und die Bollandisten, (tom. 3, 560a) wissen jedoch noch davon. Walburga nuncupor, spricht die Heilige, die Nachts an die Thuere des reichen Hofbauern kommend, von den scharfen Rueden angefallen wird; auf dieses Wort werden sie zahm; und darum, erzaehlt Bischof Philipp (gestorben 1320), habe man seiner Zeit Walburg gegen den Biss toller Hunde angerufen. Es laesst sich indess dieses Attributthier der Heiligen als anderen Ursprunges und aus einer viel frueheren Zeit nachweisen. Die Vorgeschichte des Bisthums Eichstaedt spielt nicht in dieser Stadt, sondern in einem Orte, welcher roemisch Aureatum heisst und schon seit Aventins Zeiten, der 1519 diese Gegenden im historischen Interesse mit einem Empfehlungsbriefe seines bair. Herzogs bereiste, zwischen den beiden Doerfern Rothenfels und Nassenfels an der Neuburger Heerstrasse gesucht wird. Nach diesem Aureatum benannten sich die Eichstaedter Bischoefe Aureatensis ecclesiae episcopi, und Walburg wird ebenso von Celtes im 2. Buche seiner Oden die Zierde der Aureatensischen Landschaft geheissen. An den beiden Umfangsmauern des Kirchhofs zu Nassenfels sind Votivsteine des Mars und der Victoria eingemauert und ein dritter der Fortuna geweihter ebendaselbst wurde 1866 in das Antiquarium nach Muenchen gebracht. Die dortigen Feldbreiten liegen voll roem. Geschirrtruemmer und Reste von Brennoefen, deutlich unterscheidet man noch den Lauf der Roemerstrasse. Als nun der gelehrte Jesuite Gretser 1620 von der Universitaet Ingolstadt aus Nassenfels besuchte, fand er an dortiger Dorfkirche ein im Boden steckendes Standbild, das eine Frau vorstellte, zu deren Fuessen, von Erde ueberschuettet, angeblich ein Hund liegen sollte. Gretser schloss auf ein Dianenbild. Solcherlei Steinbilder, eine Frau darstellend mit dem Hunde zu deren Fuessen, sind seit dem J. 1647 bis auf die Neuzeit in niederrhein. Gegenden viele entdeckt worden und tragen dorten in ihren Inschriften den Namen der Nehalennia, eines zwar von Roemerhaenden gemeisselten, aber deutschen Goetterbildes der Fruchtbarkeit. In Keyslers Antiquitat. Septentr. 236, und in Wolfs Beitraegen 1, 149 sind diese Bildwerke beschrieben. Aber derselbe typische Hund fehlt nun auch in der Krypta der Heidenheimer Kirche nicht, wo Walburgis fruehestes Grab gewesen war. Panzer, bair. Sag. 1, S. 132 beschreibt diese Krypta als einen Bau, dessen Formen auf den fruehesten romanischen Stil hinweisen. Eine in der Wand der Gruft angebrachte steinerne Console, die ehedem ein Steinbild getragen haben musste, zeigt einen Wappenhelm mit der Helmzier des Brackenhauptes, dessen herabhaengende Ohren von zwei Jungfrauen mit den Haenden beruehrt werden. Man sagt, hier seien die Abkoemmlinge des Rittergeschlechtes Hund begraben. Die benachbart sesshaften Grafen von Oettingen-Spielberg fuehren dasselbe Brackenhaupt im Wappen, schwarz und weiss quadrirt, also genau in Form und Farbe des Hohenzollerschen Helmkleinods: caput et collum molossi genannt in Speners Wappenwerk. Lepsius, Kl. Schrift. 3, 164. War hier nun wirklich die Erbgruft der adeligen Hund gewesen, so leitete bei der Wahl derselben jedenfalls die Verwandtschaft zwischen dem Wappenthiere jenes Geschlechtes und dem Gefolgsthiere Walburgis. Denn Heidengoettinnen und hl. Jungfrauen sehen wir stabil vom Hunde gefolgt. Aller Hunde erster ist Garmr, besagt die Edda von Odhinns Hund. Grauhunde begleiten die drei Nornen. Die Fruchtbarkeitsgoettinnen Frau Harke, Frau Gode und Frau Frick haben stets den Hund bei sich; die zu Weihnachten bescherend umziehende Frau Berchte heisst davon in Steiermark die Pudelmutter (Weinhold, Weihnachts-Sp. S. 11). Die 24 Toechter der Fru Gauden umbellen den Jagdwagen ihrer Mutter als eben so viele Huendinnen. Colshorn, Maerch. u. Sag. no. 75. Das Huendchen der hl. drei Schwestern zu Schlehdorf war daselbst auf einem alten Altarbilde mitgemalt zu sehen, und die drei _steinernen_ Jungfrauen zu Velburg erschienen gefolgt von einem Hunde, welcher gleich ihnen zu Stein geworden war. Panzer, Bair. Sag. 1, S. 25. 289. 290. Es ist daher kein Absprung, wenn die Sage das ueberirdische Huendchen auch der Jungfrau Maria zum Gesellschafter giebt; Belege hiefuer: Schmitz Eiflersagen vom J. 1847, 43. Hocker, Moselsag. 168. Das hoelzerne Altarbild Marias in der Kapelle Marienbrunn zu Baden-Baden steht gerade ueber der daselbst sprudelnden Quelle, neben demselben ist der Hund in Stein gehauen, der das Bild aus dem Brunnen gescharrt hat. Baader, Bad. Sag. 131. Aus diesem Grunde ist der Hund nicht bloss das Wahrzeichen der Burgen gewesen (so am Schlosse Hornberg: Schnezler, Bad. Sagb. 2, 591), sondern steht auch an Kirchen ausgehauen, wie an der Laurentiuskirche zu badisch Bretten und an der eben erwaehnten Kapelle zu Marienbrunn; derselbe galt da von so alter Abkunft, dass man, z.B. von der Hundskapelle bei Innsbruck sagt, sie sei ein Heidentempel gewesen. Zingerle, Tirol. Sitt. no. 950. Ueber die Farbe dieses Huendchens belehrt uns die Farbensymbolik; als das freundlich-wohlthaetige Geleitsthier der schoenen Weissen Frau ist es gleichfalls ein weisses, aber die Hunde der Sturmnacht sind schwarz, die des Gewitters feuerroth. So erklaert es sich in Mythe und Opfer. Der Rost, der waehrend der Hitze der Hundstage das Getreide befaellt, war dem Roemer versinnlicht durch das Goetterpaar des Robigus und der Robigo, die beide den Namen des Kornbrandes tragen und in der umbrisch-etruskischen Goetterlehre Rupinie und Hunta hiessen. Ihnen war das Fest der Rubigalien geweiht, indem man in den Tagen vom Entstehen des Getreidekorns in seiner Huelse bis zu seinem Heraustreten aus der Fruchtscheide durch den Priester zu Rom am Hundsthore (Catularia porta) rothe Huendchen schlachten und verbrennen liess. Damit suchte man den Brand in Rebe und Kornaehre abzuwehren, weil man den gluehenden Hundsstern fuer die Ursache des Getreidebrandes hielt. Erklaerend sagt daher Ovid. Fast. 4, 941: Fuer den Hund des Gestirns wird Dieser geopfert am Altar, Und erleidet den Tod wegen des Namens allein. Aus aehnlichem Grunde musste in Deutschland der Frohnknecht alljaehrlich zur Zeit der Hundstage die ueberalten Hunde todtschlagen, zu Leipzig im April und August, in Norddeutschland zur Fasnacht. J.P. Schmidt, Fastelabendgebraeuche. Rostock 1793, 150. 153. Waren diese fuer die Landwirthschaft gefaehrlichen Fristen vorueber, so vergoetterte man das Thier als den Vermittler der Fruchtbarkeit (Cicero I de nat. Deor.), oder man streute ihm Brod und Mehl. Zu Niederoesterreich wird am 28. Dec. (Kindleinstag) Mehl und Salz gemengt zur Dachfirst hinausgestellt; das wird das Wind- und Feuerfuettern genannt. Zerfuehrt der Wind dies Opfer, so sind im naechsten Jahre keine schaedlichen Stuerme zu befuerchten. Ein Weib in Munderkingen setzte schwarzes Mus zum Dache hinaus: "man muesse die Windhunde fuettern." Birlinger, Schwaeb. Sag. 1, 191 und no. 301. Das eben angefuehrte Beispiel zeigt, dass man dies den Winden gebrachte Spendopfer sprachlich missverstehend auf die Windhunde anwendete, da das Wort Wind in unsrer Sprache beides bezeichnet ventus und velter. War der erste Schnee gefallen, ehe Frost und Sturm die keimende Saat beschaedigen konnten, so sagte unsre Vorzeit: gib den winden brot, ez hat gesniget. Grimm RA. 256. Hatte man den Hund (Sturmwind) des W. Jaegers Hackelberg in ein Haus herein gelassen, so lag er da den Winter ueber an der Herdstelle und frass nichts als Asche; zum Ersatz aber war ein so mildherziges Haus im Fruehjahr drauf mit Milch und Butter reichlich gesegnet. Haupt, Ztschr. 6, 117. Kuhn Nordd. Sag. no. 2. Dazu galten noch bestimmte Pflichtigkeiten der Lehensleute. Moscherosch im Phil. von Sittewald (Strassburg 1665) 2, 167 schreibt: Die Eylff Hunde (erhalten) jeder 4 Mietschen (franzoes. miche). Eine Offnung von 1469 verpflichtet die Lehensleute gegen den aufreitenden Vogt: vnd haet er zwen wind mit jm traben, denen soellent sy geben ain huslaib. So bildet sich aus der Vorstellung vom Windhund der W. Jagd der Begriff des sogenannten Nahrungshundes, ein Name, der am Ober- und Mittelrhein fuer jeden geheimnissvollen Haussegen gilt. Hat man ausgedroschen, so erhalten die oberdeutschen Drescher zum Schlussmahl gekochte Mehlspaetzlein, die man in Baiern Nackete Huendlein heisst; wer aber bei der Arbeit einen Toelpelstreich gemacht hat, bekommt eine Strohpuppe, die Hundsfud; beiderlei Namen sind Sinnbilder der Fruchtbarkeit. Gebackene Huendlein wirft man zur Abwehr der Feuersbrunst in die Flammen. Panzer, Bair. Sag. 2, 516. Von den die Saaten zerwuehlenden Hunden des Windes sprang die Vorstellung ueber auf den Biss der wuethenden Hunde, hielt aber in beiden Faellen die Kornaehre und das Brod noch immer als Bindemittel fest. Sieht man im Felde zum ersten Male Roggen bluehen (dies faellt auf Walburgistag), so nimmt man drei bluehende Aehren und streicht sie stillschweigend durch den Mund, dann wird man nie von tollen Hunden gebissen. Curtze, Waldeck. Volksueberlief. S. 402. Ein latein. Gebetbuechlein: Cultus divae Walburgae, Augsb. 1751, bringt S. 23 einen also beginnenden Hymnus: Walburga venit: cedite vesane grex, molossi! Cedunt, pavent, obmutuit os impotens latrandum. Um Amberg sagt man zu den Kindern, die ausgehen: Nehmt Brod mit, dass euch kein Hund anbellt (Bavaria 2, 305); in Schwaben lautet dieselbe Formel: Ich will Brod mitnehmen, damit mich kein Hund beisst. Birlinger, Schwaeb. Sag. 1, no. 706. So pflegten schon die phigalischen Arkadier nach dem Festessen die Hand an den Brodresten abzuwischen und diese beim Heimgehen einzustecken, damit ihnen auf dem naechsten Kreuzwege die Hekate mit ihren Hunden nichts anhaben konnte (Athenaeus 4, 149 C.). Denn auch dieser Hekate fielen Hundeopfer, von denen sie Dea canicida, canivora genannt war. Coleri Oeconomia, Mainz 1645, lib. XI, pg. 403. 410 schreibt vor: Um thoerichter Hunde Biss an Menschen und Vieh zu kuriren, gieb meyische Butter auf ein Stueck Brod gestrichen. Item, schneide einen Meywurm entzwei, mach ein Loechlein ins Brod, steck ihn hinein, kleib es oben mit Brod zu, schmiere Meyenbutter drueber, lass es aufessen. Dies ist ao. 1591 zweimal probiert worden an Hunden. Bisweilen werden die Kuehe toll; reissen an den Straengen, zittern und beben, als ob einer mit der Axt vor ihnen staende und sie erschlagen wollte. Da gebe man ihnen eine Butterschnitte zu essen und lasse sie im Namen Gottes immerhin laufen. Die Mecklenburger Bauern, bemerkt Coler ebenda, lib. XII, 479, geben den Hunden geschabet Silber (Abschabsel einer Silbermuenze) auf Butterbrod, so sollen sie nicht toll werden.--Die Fortdauer dieses Brauches in Sueddeutschland besteht darin, dass man am 1. Mai das Festmahl der Ankenschnitten, sg. Ankebruet bereitet, Schnitten mit Butter und Honig reichlich bestrichen, und auch dem Vieh beim ersten Austrieb davon verabreicht, damit es in keinen boesen Wind komme. Wir werden hievon im fuenften Kapitel unter der Form der berittenen Ankenschnittenprozession von Beromuenster noch einmal zu handeln haben. Unter den von Walburg gewirkten Mirakeln wird eines in Lateinversen von einem unbekannten Bruder Medinbard besungen; diese Rhythmen "ex pervetusto codice" stehen abgedruckt bei Gretser (tom. X, pg. 803) und erzaehlen von einem am Wolfshunger leidenden Maedchen, das an Walburgs Grab zu Monheim mittelst eines Bissens Brodes so geheilt wird, dass sie fortan keine andere Nahrung mehr geniesst als Kaese und Milch. Sualaveldico in pago Fuit quaedam faemina, Quae languore fortissimo Aegrotare coeperat. Namque tam intemperata Edendi ingluvies Incessit semisanatam, Ut nulla edulii Abundantia valeret A suis saturari, Exhaustis jam parentibus, Sed fame accrescente Anxiata hinc dolore Hinc pudore maximo. Tandem divinitus tale Occurrit consilium. Rogat suos se deferri Ad Walpurgae gratiam. Quo delata, biduanis Incumbebat precibus, Quibus exorata virgo Gradiendi miserae, Qua privata diu fuit, Sospitatem reddidit. Bona quaedam monialis, Vocato preabytero, Benedici panem fecit Redditque famelicae. Quo gustato nequam illa Fames voracissima, Virgine sacra favente, Coepit se subtrahere, Sic paulatim decrescendo, Ut prius accreverat. Sic crescente fastidio, Pro mira esurie, Tandem nil aliud cibi Praeter solum caseum, Nihil de potu gustare Nisi tantum lac poterat. Dieses Wunder des geheilten Wolfshungers und die Baendigung der Hundswuth gab Anlass, Walburgis Haupt-Emblem, das der Aehre, dahin misszuverstehen, als ob dasselbe sich nur auf diesen Einzelfall beziehe. So behauptet es die Schrift Christliche Kunstsymbolik, Frankf. 1839. Allein die den winterlichen Sturmwinden wehrende Maigoettin muss nothwendig auch die Korngoettin selbst sein und als solche ist sie kirchlich wirklich dargestellt worden. "Der Heiligen Leben, das Summerteil" (Augsb. 1482) bildet Bl. 51 Walburgis ab mit einem Bueschel in der Hand, welcher Kornaehren bezeichnet. Ebenso verzeichnet M. Hubers Hdb. d. Kupferstecher VII, 79, no. 5 die Abbildung Mariae als "Nostre Dame de trois epis", mit drei Aehren in der Hand einem Landmanne erscheinend. Die Bedeutung dieses Attributes liegt in folgenden Saetzen der Landwirthschaft ausgesprochen: "Korn wird gesaeet auf Mariae Geburt und schosset vmb Waldpurgi" Koenig, Schweiz. Haussbuch, Basel 1706, 142. "Wenn der Roggen vor Walburgis schosset und vor Pfingsten blueht, so wird er vor Jacobi nicht reif." Praetorius, Blockesberg S. 558. Betrachte man diese Erbsaetze nun auch in den nachfolgenden Legenden. Maria bittet ihren ueber das suendige Menschengeschlecht erzuernten Sohn, nicht alle Feldfrucht zumal zerstoeren zu wollen, sondern doch noch so viel an den Aehren stehen zu lassen, als genug ist fuer Hund und Katze, d.h. fuer ein ganzes Hausgesinde. Der Heiland thuts, und seitdem wallfahrtet man zur Muttergotteskirche von Dreienaehren, die beim elsaess. Stifte Katzenthal gelegen ist. Ebenso laesst Maria da, w sie sich die Stelle zu ihrer Wallfahrt im Pinzgauer Kirchthale erwaehlt, mitten aus dem Winterschnee drei Aehrenhalme hervorwachsen, welche nun ihr dortiges Altarbild in der Hand traegt. Kaltenbaeck, Mariensag. no. 122. Den Halm einer Kornaehre brachen und vereinigten die roemischen Brautpaare und benannten nach demselben den Eheabschluss stipulatio. Traeumt man von geschnittnem Korn, so bedeutet es, dass man die Liebste verlieren werde. Denselben Doppelsinn des ehelichen und des Ackersegens hat nun auch der Aehrenbueschel in Walburgis Hand. Wenn sie in der Walburgisnacht vom reitenden W. Jaeger verfolgt wird, sie, der Fruehlings-Genius der aufkeimenden Pflanzenwelt, von dem noch einmal losbrechenden Frostriesen verfolgt, so verbirgt sie sich in den innersten Fruchtkeim des jungen Saatfeldes. Denn, sagt der Volksglaube, man kann der W. Jagd nur entgehen, wenn man in ein Kornfeld fluechtet. So birgt nach dem faeroeischen Volksliede auch Wodan den Bauernsohn vor des Riesen Verfolgung ins Fruchtkorn: Ein Kornfeld liess da Wodans Macht Geschwind erwachsen in einer Nacht. In des Ackers Mitte verbarg alsbald Wodan den Knaben in Aehrengestalt. Als Aehre ward er mitten ins Feld, In die Aehren mitten als Korn gestellt: "Nun steh hier ohne Furcht und Graus, Wenn du mich rufst, fuehr ich dich nach Haus!" Neun Naechte vor dem 1. Mai (erzaehlt Grohmann, Boehm. Sagb. 1, 44) ist die hl. Walburgis auf der Flucht, unaufhoerlich verfolgt von wilden Geistern und von Dorf zu Dorf ein Versteck suchend. Man laesst ihr daher im Hause einen Fensterschalter offen, hinter dessen Fensterkreuz, sie vor den daher brausenden Feinden gesichert ist. Dafuer legt sie ein kleines Goldstueck auf das Gesimse und flieht weiter. Ein Bauer, der sie einst auf ihrer Flucht im Walde traf, beschreibt sie als eine Weisse Frau mit langwallendem Haare, eine Krone auf dem Haupte, ihre Schuhe sind feurig (golden), in den Haenden traegt sie einen dreieckigen Spiegel (der alles Zukuenftige zeigt) und eine Spindel (wie Berchta). Ein Trupp weisser Reiter (Schimmelreiter) strengte sich an, sie einzuholen. So sah sie auch ein anderer Bauer, welcher Regen fuerchtend Nachts noch sein Getreide einfuehrte (das mandelweise aufgeschobert noch draussen lag). Die Heilige bat ihn, sie in eine Garbe zu verstecken. Kaum hatte ihr der Bauer willfahrt, als die Reiter vorueber brausten. Des andern Morgens fand er in den heimgefuehrten Aehren statt Roggen Goldkoerner. Daher wird die Heilige auch abgebildet mit einer Garbe. So sieht man ferner, erzaehlt Vernaleken, Alpensag. S. 75, zwischen den Orten Strass und Lind in Untersteiermark neben einem Tannenwalde zur Zeit des Vollmondes eine Gestalt gehen, die statt des Kopfes eine feurige (goldne) Garbe traegt. Diese Erscheinungsweise war in den kleinen Staedten des bair. Frankenwaldes am Walburgistag Anlass zu einer gemeinsamen Volksbelustigung gewesen. Plaetze, Strassen und Haeuser waren da mit Birkenreisern besteckt: Den Festumzug eroeffnete der Walber, ein vom Scheitel bis zur Zehe in Stroh gewickelter Mann, dem die Aehren in Form einer Krone ueber dem Kopfe zusammengebunden waren. Alle Gewerksleute mit den Emblemen ihres Handwerkes begleiteten ihn, zu Spott und Trutz (gegen den hinter den Ofen treibenden Winter) ihre Hantierung ausuebend. Heute gilt dorten nur noch der vor dem Wirthshause aufgepflanzte Walberbaum, den der zum Spassmacher herabgesunkene Stroh-Walber umtanzt: Bavaria III, 1, 357. In Niederoesterreich sind besonders die Erntetage der hl. Walburg geweiht, sie durchgeht da alle Aecker, Matten und Gaerten und traegt die schon vorhin erwaehnte Spindel mit sich, die mit einem sehr feinen Faden vollgeweift ist. Nachdem sie auch hier auf ihrer Flucht vor dem Schimmelreiter vom erntenden Bauern in eine Garbe gebunden und auf den Wagen geladen ist, bekommt dieser des andern Tages statt Korn Gold auszudreschen. Vernaleken, Alpensag. S. 110. 371. Der den Lohjungfern und Moosfraeulein nachsetzende Schimmelreiter, der sie quer ueber sein Ross legt und die sich Straeubenden in Stuecke reisst, hat sich in der franzoesischen Legende zweimal verkoerpert und kirchlich lokalisirt. Um die Liebe Solangia's, einer Winzerstochter aus dem suedfranzoes. Dorfe Villemont, hatte der Oberherr der Provence vergebens geworben, er jagte ihr daher zu Pferde nach, holte sie ein, warf sie auf sein Ross und sprengte mit seiner Beute der Stadt zu. Als sie sich beim Uebersetzen eines Fluesschens herabschwang und entfloh, wurde sie, abermals ereilt und mit einem Schwerthiebe enthauptet. Nunmehr werden zweimal jaehrlich im Fruehling ihre Reliquien prozessionsweise um die Fluren getragen in der Voraussetzung, dass sie Unwetter und Wind stillt und dem Flachs- und Reblande Gedeihen gibt. Godefrid. Henschenius, Acta SS. tom. II, ad diem 10. Maii. Ein gleiches Prozessionsfest begeht am 1. Mai das Pfarrdorf Mazorit in der Auvergne zu Ehren der hl. Jungfrau Florina. (Rom feierte vom 28. April bis 1. Mai das Floralienfest zur Erinnerung an die vergoetterte sabinische Nymphe Flora, die einst im Fruehling umherirrend sich dem Zephyr ergab und daher die Macht ueber die Bluethen der Baeume und Blumen bekam). Florina, ein Bauernmaedchen aus dem Weiler Estourgoux, verbarg sich, um den ihr nachstellenden Buhlern zu entrinnen, in der Felseinoede des dortigen Cousathaelchens, und als ein Versucher sie hier aufspuerte, schwang sie sich von einem der Felsen auf den gegenueberstehenden des rechten Cousa-Ufers durch die Luft und liess in beiden ihre Fusstapfen zurueck, die nun mit Kreuzen gekroent sind. Unter grossem Zudrange des Volkes werden jaehrlich am 1. Mai die Gebeine der Heiligen aus der Kirche zu Mazorit bis zur Einsiedelei dieses Thaelchens getragen, und mag der Himmel an diesem Tage noch so regendrohend aussehen, so hat noch stets ein guenstiger Wind das Gewoelk vertrieben, sobald jener Umgang von Mazorit heran zu ruecken pflegt. A. SS. Henschenii tom. I, ad diem 1. Maii, de S. Florina, Virg. et Mart. Die in der Walburgisnacht auf den Wiesen tanzenden und auf den Blocksberg fahrenden Hexen sind arge Truebungen einer urspruenglich edleren Vorstellung von guetig gesinnten und fuer den Erntewachsthum bemueht gewesenen Geistern. Sie alle theilen, bei naeherer Untersuchung, emsig das Geschaeft ihrer Herrin Walburgis. In einer siebenbuergner Sage bei Mueller, S. 382, stoesst ein Bauer, der seinen Sack Mehl aus der Muehle heimtraegt, auf einen Trupp Truden, die auf dem Erlenanger tanzen. Er gruesst sie: Gott vermir ich iren danz, Gott vermir ich iren kranz! Freundlich antworten sie: Gott segne euch den Sack, dass er nie des Mehles ledig wird! Der Volksglaube sagt zwar, die Trud nehme die unholden Gestalten an von Kehrwisch, Flederwisch und Besenreis (Schoenwerth, Oberpfalz 1, 209); allein damit verbuergt er nur, dass man der Fruehlingsgoettin nach ueberstandenem Winter Besen, Kehrwisch und Ofengabel als abgebraucht beim Freudenfeuer verbrannte und noch verbrennt. Auf der Stelle, wo die Nachtmahr ausruht, heisst es ferner, da waechst im Korn schwarzer Raden, am Baume der Maerentakken (Mistel) und der Hopfen wird brandig (Wolf, Ndl. Sag. S. 689). Aber gerade damit wird nur in aberglaeubischer Verduesterung wiederholt, was sonst von dem segensreichen Charakter des Alb und der Elbin gilt, dass sie unter verschiedenen Namen als Mittagsgespenst (Meridiana), Roggenmuhme, Tremsemutter, Alte, Kornbaby, Kornkind und Kornengel, Preinscheuche im wogenden Kornfelde umgehen, geisterhaft auf der Spitze der Aehren ausruhen, oder in Liebe des Schutzgeistes reinen Juenglingen und Jungfrauen sich zugesellen. Nur etwas braucht man von ihnen zu haben, um sie festzuhalten; der im Bette Erwachende findet dann statt des von ihm ergriffnen Strohhalms oder Federflaums eine schoene, bis auf den Schleier splitternackte Jungfrau bei sich im Schlafgemache. Spricht der Aberglaube vom Trudenfuss, Flederwisch und Federkiel der Mahr, von der Schmetterlingsgestalt des Toggeli, nennt man in Augsburger Mundart den Schmetterling Kohlweissling _Milchtrut_, anderwaerts Molkendieb (Weinhold, Schles. Woertb. 62): so wird damit einbekannt, dass statt des Gespenstes einst eine Valkuere galt, die in Schwanenhemd und Vogelgewand allueberall ihren Schuetzling umflog, wesshalb noch der Fuenfort, Alpfuss oder Trudenfuss, ndl. marevoet, an die Stubenthueren gekreidet wird, zwei in umgekehrter Richtung der Winkel stehende Dreiecke. So tummelt das Nachtschraettelein die Stallrosse und zoepft ihnen Schweif und Maehne, dass sie schwitzen; denn es ist gleichfalls nur die laecherliche Verschrumpfung jener himmlischen Valkuere, die auf den Thaurossen des Morgens heranritt, Helden Hilfe bringend und dem Felde die Frucht. Solcher Abkunft dunkel noch eingedenk, schreibt der Volksglaube vor, gegen den Besuch der Nachtmahr _zwei Sicheln_ gekreuzt vors Bette zu legen. Die Rechtsformel Drei Halme bedeutete drei Jahre und drei Jahresernten; das Sinnbild dreier Aehren ebenso das Obereigenthum und Erbgut. Die zu Lucca Erblehen vom dortigen Waisenhause hatten, mussten dahin am 1. Mai einen reichlich geschmueckten Maibaum ueberbringen und verloren ihr Lehen, wenn daran die drei vorgeschriebnen Kornaehren mangelten: Grimm, RA. 128. 205. 361. Der oberpfaelzer Bilmesschnitter pflueckt _drei_ Aehren vom fremden Acker, damit fliegt ihm dessen Ernte in seine eigne Scheune. Schoenwerth 1, 432. Hier zum Schlusse dieses Abschnittes ein Kirchenwunder von Walburgis Eulogienbroden. Eulogia nannte man beim Gottesdienste der ersten Christengemeinden jede zur Kirche mitgebrachte Brod- und Weinration, die man hier priesterlich einsegnete und zum Schlusse mit allen Anwesenden gemeinsam verzehrte. Es war ein Liebesmahl zu dem Zwecke, die Ungleichheit vor dem weltlichen Gesetze und den Unterschied von Arm und Reich mindestens bei den religioesen Zusammenkuenften aufzuheben und zu bekennen, dass Alle vor ihrem gemeinsamen Gotte gleich seien. Ein aehnlicher Brauch war nun auch dem deutschen Heidenthum gelaeufig gewesen und dauerte noch lange fort in dem Bruderschaftswesen der Geldonien, deren angelsaechsischer Name Friedensbuergschaft hiess. In ihnen stand Einer fuer Alle; Gott, auf dessen Namen jede Geldonie beschworen war, sollte Alle bei ihrem Rechte bewahren. Eine natuerliche Folge hievon war die Pflege und Versorgung derjenigen Vereinsmitglieder, die unverschuldet in Duerftigkeit geriethen. Die reichlichen Brod- und Fleischvertheilungen, die mit den Germanenopfern nachweisbar verbunden waren, verbuergen dies, und ausserdem war es eine Sache der Nothwendigkeit, fuer die Mahlzeit derjenigen reichlich zu sorgen, welche in unwirthlichen, gering bevoelkerten Landstrichen und unter der Ungunst der Witterung weite Maersche auf sich nehmen mussten, um sich bei den allgemeinen Versammlungen rechtzeitig einfinden zu koennen. Das Christenthum vermochte daher diese religioesen Mahlzeiten der Germanen nicht abzuschaffen, sondern suchte sie dem kirchlichen Cultus nur anzupassen: "Es ist durchaus nothwendig," schreibt Pabst Gregor d. Gr. an die angelsaechsischen Bischoefe (Beda Ven., hist. Angl. lib. 1, c. 30), "dass man diese Feier der Heiden bestehen laesst, nur muss man ihr einen andern Grund unterschieben, sie auf die Kirchweihen verlegen, den Festplatz mit gruenen Maien umstecken, Thiere schlachten und ein kirchliches Gastmahl veranstalten. Doch soll man nicht ferner zu Ehren des Satans Thieropfer bringen, sondern das Geschlachtete zum Lobe Gottes und um der Saettigung willen geniessen." An die Stelle solcher Gesammtmahlzeiten trat spaeter vorzugsweise das blosse Brod, so wie es heute noch in den Kirchen der romanischen Laender an den Gedaechtniss- und Festtagen unter dem Namen Eulogienbrod (deutsch Oblei, franz. pain beni) ueberreichlich an Jedermann ausgetheilt wird. Bevor diese Reduction allgemein durchgesetzt war, gab die Kirche ihren Beduerftigen jeglicherlei Gattung von Speise. So wurde in der Monheimer Kirche unmittelbar nach dem daselbst erfolgten Begraebnisse Walburgis Fleisch, Brod, Kaese, Fische, und Bier unter die Wallfahrer _als Eulogie_ ausgetheilt (A. SS. saec. 3. II, pg. 302), und ebenso wurden von den Letzteren Esswaare und Getraenk jeder Art in die dortige Kirche getragen, um daselbst theils aufgeopfert, theils zum eignen Genusse in Gesellschaft der Andaechtigen gebraucht zu werden. Rinder, Schweine, Brodsaecke und Trinkgeschirre werden genannt, die den Wallfahrern hier entwendet, dann aber unter der Patronin Beistand wunderbar wieder aufgefunden wurden. Der Nachdruck der hievon handelnden Erzaehlungen verbleibt jedoch immer auf dem geweihten Brode. Hierueber hat der unbekannte Bruder Medinbard verschiedene Lieder gesungen, von denen ein kuerzeres hier nachfolgt. Die Begebenheit ist diese. Ein blindgebornes Maedchen zu Kempten hoert Nachts im Traume sagen: Willst du den Wucher der Himmelswolke einmal erblicken und die gruene Breite der Gefilde, so back weisse Spendbrode und trage sie zum Walburgisgrab in Monheim. Das Maedchen thats, ueberbrachte dahin die Brode und liess sie auf den Altar legen. Da erschienen zwei Klosterhuehner am Altare, "duae gallinae, id est Sanctimoniales geminae", welche sie bereits in ihrem Traume erblickt hatte, frassen die Brode weg, untersuchten den Grund des Erscheinens der Blinden somit angelegentlich und das Maedchen war darueber sehend geworden (ibid. pag. 300). Verwunderlich bleiben hier diese auf dem Altar weidenden Huehner. Sie lassen nicht auf die gewoehnlichen Zinshuehner schliessen, von denen in der lex Alam. 22 gesagt ist, dass die Leibeignen regelmaessig fuenfe der Kirche zu entrichten haben (Grimm RA. 374), denn deren Weideplatz ist nicht der Altar; es muessen vielmehr heilige gewesen sein, und als solche galten einst die weissen (Troll, Gesch. von Winterthur 7, 183) und gelten noch die schwarzen. Letztere werden noch fuer heilsame Thiere gehalten (Schoenwerth, Oberpf. Saga 1, 346), der Gefahr entgangen sein und ein schwarzes Huhn kirchlich geopfert haben ist altbairisch synonym. Schmeller Wtb. 2, 199. Im Uebrigen ist das Huhn, sowie das Ei, allgemeines Symbol der Fruchtbarkeit, besonders der ehelichen. Des Morgens nach der Brautnacht wurde dem Ehepaar das gebratene Braeutel- und Minnehuhn vors Bette gebracht. RA. 441. Puella quaedam ab ipsis Heu caeca cunabulis, Audita opinione Virginis eximiae, Desiderio flagravit Veniendi maximo. Quam quidam in visione Nocturna submonuit, Oratorium adiret Tanti desiderii, Oblatas mundas offerret, Altari imponeret. Quas illatas statim binae Gallinae comederent; Quibus pastae deservirent Matris excubiis. Venit, attulit, imponit, Preces fudit intimas. Astant duae moniales Gallinae videlicet, Praevisae in visione, Quae oblatas colligunt, Et requirunt diligenter Quae, unde, cur venerit. Quibus illa dum exponit Singula veraciter, Domino propitiante Et beata Virgine, Incognitum lumen coeli Novis hausit oculis. * * * * * Dritter Abschnitt. Walburgistag, des Meien hochgezit. Der meie der ist riche, er fueeret sicherliche den walt an siner hende, der ist nu niuwes loubes vol: der winter hat ein ende. Neidhart von Reuenthal (1234). Sommer und Winter waren einstmals unter die Zahl der goettlichen Wesen unsrer Vorzeit gerechnet gewesen; die Volkssitte im Verein mit unsrer aelteren Sprachweise laesst hierueber keinen Zweifel uebrig. Die Edda nennt den Sumar den Sohn des selig freundlichen Mannes Svasudhr; der Winter dagegen (Vetr) hat den Vindloni und Vindsvalr zum Vater, den Windkuehl und Windschweller, der selbst wieder vom feuchten und nassen Vasadhr abstammt. Koberstein, Weimar. Jahrb. 5. Sommer und Winter messen sich in einem Zweikampfe, und dessen scenische Auffuehrungen waren ein Brauch, welcher sich von Schweden und Gothland an bis nach Suedbaiern und der Schweiz erstreckt hat. Der Mai wird aus dem Walde in den Heimatsort herein abgeholt; dies geschieht jedoch nicht ohne heftigen Widerspruch des Winters, der es erst auf einen foermlichen Kampf ankommen laesst. Deshalb muss der knabenhafte Mai bewaffnet und unter kriegerischem Laerm die Landschaft betreten. Er entbietet ein grosses Turnier und kommt gewappnet auf den Plan: sein panzer was ein grueenes graz, sein koller darauf ein weisser klee, sein halsperg was veyolvar, sein bugler wag von rosenbluet. er fueert in seiner hende ein sper, was michel lanc vnd was eitel voegelingesang. A. Keller, Altd. Erzaehlungen, pg. 85. Dieser Aufzug des in Laub gekleideten, zu Rosse einziehenden Maikoenigs geschah auf Walburgis oder 1. Mai und hiess: _den Sommer in das Land reiten_.[Nachtrag 1] In Daenemark war er der Maigraf genannt, der sich aus den Jungfrauen des Ortes seine Maigraefin, die Majinde, erwaehlte, indem er seinen Blumenkranz von der Schulter ihr zuwarf; in Thueringen war es der in Pappellaub eingebundne Graskoenig, der im Dorfe vom Rosse stieg, sein Laubgewand aufschnitt und dessen befruchtende Zweige auf die Saatfelder steckte. Oder es kam da, wo Pfingsten den Anfang des Lenzes bezeichnet, der Pfingstkoenig auf die Brautwerbung geritten und fuehrte die im Busche versteckt, gehaltene Prinzessin im Triumphe heim; sie heisst in Flandern Pfingstblume, Pinxterbloem, in England the queen of the May, in der Provence Rosenmaedchen, Mayo, zu Thann im Elsass Maienroeslein. An diesem letzteren Orte traegt am Walburgistage ein Kind einen baendergeschmueckten Maien um, ein anderes mit einem Korbe nimmt die Gaben in Empfang, und das Gefolge singt vor den Haeusern: Maienroeslein, kehr dich dreimal 'rum, Lass dich beschauen 'rum und 'num. Maienroeslein, komm in gruenen Wald hinein, Wir wollen alle lustig sein; So fahren wir vom Maien in die Rosen. Im Verlaufe des Liedchens wird den Leuten, die nicht Eier, Brod, Wein, Oel spenden wollen, angewuenscht, dass der Marder die Huehner nehme, der Stock keine Trauben, der Baum keine Nuesse, der Acker keine Frucht mehr trage; denn das Ertraegniss des Jahres haengt von dem kleinen Fruehlingsopfer ab. Stoeber, Elsaess. Volksb. 1842, 56. Faellt der Nachdruck der scenischen Festauffuehrung auf das Vertreiben des Winters, so nennt man dasselbe den Tod austragen, oder wie im boehmischen Saazer Kreise, mit dem Baendertod herumgehen, weil der Zug der Knaben Hut und Brust mit Baendern geschmueckt hat. Dabei traegt der Koenig einen mit Goldpapier beklebten Rockenstiel als Scepter, zwischen zwei Brauthuetern folgt ihm sein Toechterlein. Letztere melden, dass der Tod um die Koenigstochter werben lasse. Hierauf erscheint dieser selbst, statt der Waffe ein Buendel Lichtspaene (Schleissen) in der Hand tragend, und wird vom erzuernten Vater niedergestochen. In Suedschweden rueckten am 1. Mai zwei Reiterschaaren von verschiednen Seiten in die Staedte, die eine angefuehrt vom Winter, der in Pelze gehuellt, mit Handspiessen bewaffnet, Schneeballen und Eisschollen auswarf, die andere vom Blumengrafen, der mit Laub und Erstlingsblumen bekleidet war; sie hielten ein Speerstechen, worin der Sommer den Winter ueberwand und durch Ausspruch des umstehenden Volkes fuer den Sieger erklaert wurde. War die Witterung des Tages recht rauh, so legte der Winter den Spiess ab, streute gluehende Asche aus einem Eimer und liess von seiner Rotte Feuerkugeln unter die Zuschauer werfen. War Sonnenschein, so nahm dies der Blumengraf auf seine Ehre und rueckte mit frischen Birken- und Lindenzweigen hervor, die man lange zuvor in den warmen Stuben mit Muehe zum Gruenen gebracht hatte. Ein Gastmahl und Trinkgelage, glaenzender als es durch Speerkaempfe errungen wird, schloss das Turnier. So die Beschreibung bei Olaus Magnus, Bischof von Upsala, Schwed. Chronik (verdeutscht 1560) 15 Buch, Kap. 4. Geschichtlich denkwuerdig (schreibt Uhland, Pfeiffer's Germania 5, 276. 279) ist ein westfaelischer Mairitt, welchen die Buerger von Soest im J. 1446 waehrend ihrer Fehde gegen den Bischof von Koeln ausfuehrten. Auf Walburgistag, "da man nach alter Sitte in den Maien zu reiten pflegte", wollten die Soester dies nicht unterlassen; wiewohl sie sich vor ihren Feinden zu wahren hatten. Sie zogen mit grosser Kriegsmacht aus der Stadt in den Arnsberger Wald, wo sie ihre Schaaren ordneten, fielen dann mit Raub und Brand in die Grafschaft Arnsberg, zerstoerten Doerfer und Vesten, fuehrten Heerden, Gueterwagen, selbst aufgefangene Frauen, die jedoch vor der Stadt wieder frei gelassen wurden, mit hinweg und kamen, nachdem sie der verfolgenden Feinde sich erwehrt, mit Frieden und Freude "unter dem gruenen Maien" nach Hause. Wie hier der gruene Mai, unter welchem das Kriegsheer einreitet, im Arnsberger Walde gehauen wird, so ruecken am Fruehlingsfeste die Knabenschaften an zahlreichen Orten Oberdeutschlands in ihre Gemeindewaelder bewaffnet aus und hauen sich zum Feste die Ruthen und Staebe, wornach dorten das Maifest der Stabtag oder Ruthenzug heisst. Diese Kadettenzuege sind beschrieben im _Alemann. Kinderlied_ und _Kinderspiel_, pg. 490. Haeufig knuepft sich eine Ortssage daran von einem zu derselben Zeit einst gegen den Feind erfochtenen Siege, wornach der mit Uebermacht eingedrungene Gewalts- und Zwingherr erschlagen und ihm die schon erbeutete Rinderheerde wieder abgejagt worden, oder wornach seine Zwingburg listig erstiegen, er sammt seiner Mannschaft niedergemacht und so Landschaft und Ort in einem Wurfe befreit worden sein sollen. Hievon wird im Abschnitte _Maiengeding_ noch besonders die Rede sein. Der Brauch des Mailehen-Ausrufens ist bis auf die Gegenwart in der Eifel, Rheinpfalz und Hessen ein Innungsrecht der oertlichen Knabenschaften gewesen. Um Kirchheimbolanden, Stetten u.s.w. in der Pfalz werden in der ersten Mainacht, die heiratsfaehigen Maedchen in oeffentlicher Versammlung zur "Versteigerung" einzeln ausgerufen und dem Hoechstbietenden zugeschlagen. Der Erloes ist kein unbedeutender (Bavaria IV. 2, 364). Ebenso werden sie in der Gegend der Ahr zum "Mailehen" ausgeboten und den Kaeufern einzeln zugetheilt. Die fuer beide Theile daraus entspringende Verpflichtung ist gegenseitige Zucht; eigene Hueter "Schuetzen" sind beauftragt, Uebertretungen beim Sittengerichte der Knabenschaft zur Anzeige und Bestrafung zu bringen, ein Sittengesetz, das ehmals im ganzen Eifellande ueblich gewesen war (Schmitz, Eifl. Sag. 1, 32). In der Hessischen Lahn- und Schwalmgegend werden die Maedchen unter Peitschenknall, Freudenfeuern und Pistolenschuessen gleichfalls ins Mailehen gegeben und in der Walburgisnacht einzeln ausgerufen. Lynker, Hess. Sag. no. 317[2]. Den Brauch, die Jungfrauen ins Mailehen zu geben und die Wittwen mit zum Brautkauf auszurufen, kann man nunmehr aus dem Leben der hl. Bilihildis nachweisen, ueber deren Zeitalter freilich sich nur das mit Bestimmtheit sagen laesst, dass ihr Name in den Martyrologien des 10. Jahrhunderts genannt wird. Rettberg, Kirchengesch. 2, 303. Sie war als Heidenmaedchen einer Adelsfamilie aus Veitshochheim in die Klosterschule nach Wuerzburg gethan worden und sah hier das beruehmte Maispiel mit an, das die gleichfalls noch heidnischen Mainfranken alljaehrlich zu begehen pflegten. Dasselbe findet sich beschrieben in der von Herbelo metrisch verfassten Vita S. Bilihildis (Ignaz Gropp, Collectio Scriptor. Wirceburg. 1741, 791). Statt dieses breiten unbeholfenen Berichtes, der ohnedies wie ein Polizeibericht des vorigen Jahrhunderts ueber unsre Volkssitten lautet, folgt hier bloss ein sachgetreuer Auszug. Nach altem Herkommen, das wie eine religioese Satzung galt, hielt das Frauengeschlecht der Mainfranken alljaehrlich im Fruehling zu Ehren der Venus und der Vesta ein Spiel ab, wobei ohne Mann und nackt getanzt wurde. Saemmtliche Wittwen unter fuenfzig Jahren und alle mannbaren Maedchen traten mit auf, nackt, in bunten Farben schimmernd, Blumen- und Laubgewinde in den Haenden tragend. Waehrend eine Schaar den Reihen fuehrte, ergoetzte sich die andere am Anblick der Gespielinnen und fuehlte sich zu frischem Beginne angespornt. Das Maennervolk machte dabei den Zuschauer. Den Vornehmen ergoetzte die vornehme Haltung, den Bauern die laendliche oder volksthuemliche. Ein Jeder erlas sich unter ihnen die kuenftige Gattin, und wenn auch noch nicht vertraut mit ihrem Gemuethe, traf er hier nach ihrer Wohlgestalt bereits im voraus seine Wahl. Alle bei diesem Feste geschlossnen Ehevertraege hatten das Jahr ueber ihre Geltung bis zum Herbstfeste, das man unter abermaligem Tanze in einer Scheune begieng. Indem so der Mann sich eine Frau erwaehlte, die er noch nicht naeher als vom blossen Anblick kennen gelernt hatte, beobachtete er ein heidnisches Herkommen, fuer dessen Gesetzgeber und "_Koenig_" er sich selber hielt. Jedoch keineswegs mit dem gleichen Erfolg konnten diese Maedchen sich den Titel der "_Koenigin_" beilegen, wenn eben diejenigen Maenner, welche hier beim Tanze mit der Brautfackel der Venus gefangen worden waren, ueber dieses Spiel als ueber einen blossen Scherz nachher tausendmal gelacht haben. Ganz anders that daher die selige Bilihildis, die nicht spielend, sondern allein kirchlich die Verlobte eines Mannes werden wollte: unter Thraenen bewog sie ihren Vater, beim Koenig Chlodwig Anzeige zu machen von diesem sittenwidrigen Frauentanze, worauf alsdann der Regent durch ein Edikt dem deutschen Venusspiel ein Ende machte. So weit Herbelo's Nachricht. Der Ehemann, welcher, hier _Koenig_ genannt wird, ist im heutigen Fruehlingsspiele der Maigraf oder Lauchkoenig, die von ihm erwaehlte Braut die Maikoenigin oder Prinzessin. Die Jungfrauen und Wittwen versammeln sich zum vorbestimmten Festtanze, um unter die zuschauenden Maenner ins Mailehen vertheilt zu werden. Sie sind bemalt und bekraenzt, tragen Laubguirlanden, Abends Fackeln: lauter Einzelzuege unsrer heutigen Fruehlingsbraeuche. Damit erledigt sich auch die von Herbelo wiederholt genannte nuda cohors muliebris in ludo nudo ludens; denn diese besteht keineswegs aus nackten, sondern aus entbloessten Taenzerinnen, d.i. aus solchen, die als Botinnen des Fruehlings Frauenmantel und Haube abgelegt haben, hochgeschuerzt, blossarmig und baarhaeuptig in den Reihen treten, ums fliegende Haar den Kranz aus Walburgiskraut geflochten (Osmunda lunaria und Botrychium lun.). Ist hier von der Moenchsphantasie ein zuechtiger Fruehlingstanz schon zum nackten Ball gemacht, gegen den der angebliche Frankenkoenig Chlodwig einschreiten muss, so haben auch die Orgien der nackten Weiber am Blocksberge keine andere Entstehungsquelle, als eben dieses grausame Missverstaendniss von Seite des Klerus. Doch wir kehren zurueck zu den ferneren Volksbraeuchen der Walburgisfeier. In derselben Mainacht werden glattgeschaelte, schmuckbehangene Baeumchen auf die Dorfbrunnen und der Liebsten vors Fenster gesteckt, damit jene das Jahr ueber klar fliessen, und diese eben so lange wieder frisch und schoen bleibt. Man waehlt dazu besonders die Zweige der Eberesche mit ihren rothen Beeren, davon heisst sie selber der Wolbermay (Praetorius, Blockesberg, 460). Die Reime, die man an den Baum haengt oder vor dem Kammerfenster des Maedchens hersagt, ergehen sich in den gleichen Sinnbildern: Gruess dich Gott durch eine Hand voll Seiden, Alle frischen Herzen will ich deiner wegen meiden. Gruess dich Gott durch einen Seidenfaden, Gott bewahre dich im finstern Gaden. I loss sie grueessen durh e hoechi Tanne, die Zit isch cho zum Wiben--und zum Manne, I loss sie grueessen durh es Haempfeli Thau: i woett, mi Holdi waer mi Frau. Rosmeri und Zypresse, ass i de nit vergesse; Rosmeri und Naegeli dri, g'hoersch, i moecht gern bi der si! bi der si, wie's Roesli hockt am-ene einige Stengel: Der Herr ist schoen, si Frau ist schoen und s' Chind ist wie ne Engel. Aber dieser Maibaum wird nur der Getreuen gesetzt, "ein duerrer Walberbaum" kommt zur schmerzlichen und entehrenden Ueberraschung vor das Fenster der Verfuehrten (Bavaria II, 269), oder ein Strohpopanz, Namens Walburg, wird der Faulen aufgesteckt, die zu dieser Zeit ihr Land noch nicht umgegraben hat. Kuhn, Nordd. Sag. S. 376. Inzwischen erforscht zur selbigen Nacht das Maedchen ihre Zukunft aus mehrfachen von Walburg selbst herruehrenden Liebesorakeln. Die Heilige traegt eine aufgeweifte Spindel. Auf diese bezieht sich der oesterreichische Brauch des Fadenziehens, welchen Vernaleken, Alpensag. no. 92. 93 meldet. Die Maedchen, welche Lust haben, ihres Zukuenftigen Beschaffenheit vorauszuwissen, setzen sich Mitternachts in einen Kreis und nehmen einen feinen Gespinnstfaden ihrer eignen Arbeit, der jedoch drei Tage vorher hinter einem Mariabilde gehangen hat. Waehrend er im Kreise herum durch die Finger laeuft, spricht man stille und mit geschlossnen Augen: Voaten, i ziech di, Walpurga, i bid di, zag von main Man alle Seiten an. Wie dabei der Faden sich anfuehlt, weich und glatt, hart und fest, so werden des einstigen Mannes Eigenschaften sein. Das oberpfaelzer Bauernmaedchen schleudert ungesehen ihren Schuh ueber den Peuntbaum und horcht, aus welcher Gegend her wiederholtes Hundegebell herueberschallt; eben daher wird einst der Werber zu ihr kommen. Ihr Spruch lautet: Hunderl, ball, ball, ball ueber neunmal, ball ueber's Land, wau mein feins Liab wahnd. Schoenwerth, Oberpf. Sag. 1, 139. So verhilft hier der Hund, Walburgs Geleitsthier, und dorten Walburgs Flachsfaden zum Gelingen des Liebeszaubers. Das vorhin geschilderte Mailehen, die Vertheilung der mannbaren Maedchen an die jungen Ortsburschen, fand bei den Moselfranken nicht am 1. Mai, sondern am ersten Sonntag in Fastnachten statt und hiess daselbst der _Valentinstag_; es wurde 1799 polizeilich verboten (Hocker, Moselthal 24). Eine Waldhoehle bei Ebersberg in Oberbaiern mit einer dabei stehenden Linde hatte dem umwohnenden Volke zum Versammlungsorte gedient, um hier den Teufel (Valant) heidnisch zu verehren. Ein heiliger Mann, Konrad von Heuwa, zerstoerte beide von Grund aus und liess an der Stelle ein _Valentins_kirchlein erbauen. Schoeppner, B. Sagb. no. 70. Dies fuehrt uns auf den am 14. Febr. in England gefeierten Valentinstag, das eigentl. Fest, der Jugend und der Liebe hier, wie im noerdlichen Frankreich, in Belgien und den Niederlanden. Es ist ein vorausbegangner, vordatierter Maitag oder Walburgistag. Eine alte Stadtsage Londons erklaert, dass sich am 14. Febr. die Voegel zu paaren beginnen, und ein gleichfalls alter Sprachgebrauch nennt darum das Maennchen Valentin, das Weibchen Valentinne, sprich Wallen-tein. Dies trifft genau zusammen mit dem von Russwurm veroeffentlichten Holzkalender der Inselschweden, in welchem der 1. Mai mit folgender Kalenderrune verzeichnet steht: ein nach oben gekehrter Halbring, in dessen Mitte ein kleinerer liegt, ist das Sinnbild des Eies im Neste der zu dieser Zeit wieder bruetenden Voegel. Alles ueberschickt sich in England an diesem Tage kleine Geschenke und anonyme Liebeserklaerungen. Es liegt uns ein Bericht des Londoner Postamtes vom Valentinstag 1857 vor. Um 9 Uhr Morgens wurden 150,000 Briefe aufgegeben; um 10 Uhr 25,000; um 11 Uhr 175,000; Mittag 12,000--bis zum Abend noch einmal weitere 60,000, so dass an diesem Tage (ausser den vielen bezueglichen Inseraten der 145,000 Zeitungsnummern) 422,000 Briefe ausgetragen wurden, d.h. zwei- bis dreimalhunderttausend mehr, als an allen uebrigen Tagen des Jahres. Dafuer zum Entgelt erhalten dieses Tages die Brieftraeger eine besondere Mahlzeit, bestehend aus Rostbraten und Ale (Schweizerbote, Zugabe no. 6, 11. Febr. 1860). Auch dabei galt ehemals die Sitte, Liebsten und Liebste durchs Loos zu ziehen und daran die Verpflichtung gegenseitigen Wohlwollens oder sogar bleibender Treue zu knuepfen. Allbekannt ist das dahin zielende Liebeslied der Hamletischen Ophelia: Guten Morgen, es ist St. Valentinstag so frueh vor Sonnenschein, ich junge Maid am Fensterschlag will euer Valentin sein. Noch heute, berichtet Reinsberg (Festl. Jahr, 34) sind Landmaedchen des festen Glaubens, der erste Mann, den sie am Morgen dieses Tages erblicken, werde ihr Valentin und einst ihr Ehemann, vorausgesetzt, dass er nicht mit ihnen im gleichen Hause wohne, nicht ihr Anverwandter und kein Verheirateter sei. Daher stellen sich junge Maenner oft schon vor Sonnenaufgang in der Naehe des Hauses oder an der Strasse auf, wo ihre Geliebten vorueber kommen muessen, und diese wiederum gehen bei ihren Gaengen lieber eine halbe Stunde um, wenn sie dadurch einem Nichtersehnten aus dem Wege gehen koennen, oder sitzen mit zugemachten Augen den halben Morgen hinter dem Fenster, bis sie die Stimme desjenigen hoeren, den sie gern moechten. Suchen wir die Erklaerung und den Zusammenhang des also gefeierten Valentintages sammt den vorausgeschilderten Maibraeuchen, so finden wir dafuer den nordischen Natur-Mythus von der Brautwerbung der Goetter. Das in zwei Haelften getrennte Sonnenjahr wird gelenkt von zwei Mit-Odhinen. Erst hat sich der winterliche Uller-Odhin zum Alleinherrscher der Erde aufgeworfen. Vergebens will ihn Wali-Odhin verdraengen, er ist noch kinderlos. Da wirbt er um Rinda (die hart gefrorne Wintererde), sproede straeubt sie sich gegen seine Liebe, bis er sie mit dem Zauberstab des Lichtpfeils geruehrt hat. Als sie ihm darauf den gleichnamigen Sohn Wali gebiert, entflieht Uller-Odhin, gehuellt in Pelze und dahinschreitend auf Schlittschuhen, in den Hochnorden zurueck. Dies der aeusserlichste Umriss der Mythe; volle Gestalt gewinnt sie erst durch unsere altdeutschen Gottheiten und Stammhelden, und alle Einzelzuege der spaeteren Sagen und Braeuche finden dabei ihr ueberraschendes Verstaendniss. Mit der aufsteigenden Fruehlingssonne wird Wuotans, und Frouwas Hochzeitsfest gefeiert, wird Gerda von Freyr, Brunhilde von Gunther und Sigfried durch Wettspiele erworben, in dieser wonnigsten Zeit des Jahres gruenen und schimmern dann alle Hoehen von den bei der Goetterhochzeit abgehaltenen Festtaenzen. Dann sagen sich die Menschen, das sei der Zug aller Zauberweiber zum Broken, an diesem ersten Maitage muessten die Hexen den letzten Schnee vom Blocksberge wegtanzen (Kuhn, Nordd. Sag. 376), oder ebenso an Mariae Lichtmess muessten unsre Frauen im Sonnenschein tanzen, damit die Schneeflocken am Pilatusberge vergehen und der Flachs so hoch wachse wie die Spruenge der Taenzer sind. Ob dabei das Fest auf 14. Februar, oder auf Walburgis und 1. Mai, oder auf 12. Mai, oder gar erst auf Pfingsten angesetzt wird, verschlaegt nichts und ist eine blosse Folge spaeterer Zeiteintheilung. In den Volksbraeuchen ist noch vielfach die Rechnung nach dem alten Kalender beibehalten und folglich wird da der 12. Mai als der fruehere erste begangen und der Tag Pancratius hat uebernommen, was sonst vom Tage Walburgis galt. Da muss man Lein saeen und dabei recht lange Schritte machen (Thueringen, Hessen); oder die aelteste Jungfrau des Hauses muss am Fasnachtstage (Harz), oder an Lichtmess (Meklenburg) rueckwaerts vom Tische springen; oder die Hausfrau muss einige Stuecke tanzen und dabei recht hoch springen (Schlesien, Mark); oder man steckt beim Saeen die Harke oder grosse Hollunderzweige senkrecht in die Erde (Meklenburg, Thueringen)--alles, damit der Flachs gut gerathe und eben so hoch wachse. Wuttke, Volksabergl. Aufl. 1, S. 184. Hauptgehalt aller dieser Braeuche aber bleibt in gleicher Wiederkehr der erneute Wucher des Erdreiches und die Fruchtbarkeit der neuen Liebesbuendnisse. Von der deutschen Heldensage an bis hinab in das Kindermaerchen vom Dornroeschen wird hievon gesungen und gesagt. Denn wenn die in der Waberlohe schlummernde Brunhilde von Sigfried aus dem Zauberschlafe geweckt und zum Weibe erworben wird, so ist diese Waberlohe das im Mittagsstrahle flimmernde, traeumerisch nickende Aehrenfeld, Brunhilde ist die darin ruhende Naehrkraft. Sigfried, von dem gesagt ist, dass wenn er durchs Kornfeld schritt, die Aehren nur an den Thauschuh seiner Schwertspitze reichten, ist die grosse Gestalt des Schnitters. Voranschreitend zertheilt er die Halme, hinter ihm schlagen sie wieder zusammen, bis seine Sichel alle gefaellt hat. Dies heisst in der Edda: Sigfried sprengt zu Ross in die von Feuer umgebne Burg, nimmt der Schlafenden den Helm vom Haupte, schneidet ihr mit seinem Schwerte den Panzer, der weder Haken noch Nesteln hat, von Brust und Armen, worauf sie erwacht, ein Trinkhorn mit Meth fuellt, dem Befreier ueberreicht und ihn die Runen gebrauchen lehrt, die Sieg-, Meth-, Sturm-, Rechts- und Machtrunen. Solche Weisheit bewundernd ruft Sigfried: Keine andere als dich will ich zum Weibe haben! Wohin aber in diesem sagenhaften Goettergewimmel mit Walburgis? Auch sie, obschon sie unter dem Einflusse der Kirche eine ehelos lebende Heilige geworden ist, war einst eine Schoenheitsgoettin gewiesen, von welcher das Glueck der ehelichen Liebe und das Gedeihen der laendlichen Arbeiten ausgieng. Von ihrer Frauenschoenheit berichtet noch eine oberpfaelzische Sage (Schoenwerth 1, 389), die alle Spuren hohen Alterthums an sich traegt. Bekanntlich pflegten sich Heiden- und Christenpriester gegenseitig in Religionsdisputationen ueber die Vorzuege ihrer Himmel und Himmlischen zu messen, und der Streit endete manchmal damit, dass beide Theile es auf einen Augenschein, auf ein visum repertum ankommen liessen. So kommt es zwischen einem Priester und einem Heidenweibe (Hexe) denn auch einmal zur Frage, wer schoener sei, die Heidengoettin Walburg oder die Himmelsjungfrau Maria. Der Vorgang ist folgender. Eine Hexe beichtet ihren Stand einem Geistlichen, erklaert aber auf dessen Abmahnen, ihren Versammlungen wohne die Mutter Gottes leibhaftig bei, er moege sie nur bei der naechsten Ausfahrt begleiten und sich selber ueberzeugen. Am bestimmten Tage setzt sich der Mann mit der Hexe in einen Wagen und faehrt durch die Luefte, bis man Glocken laeuten hoert. Da senkt sich der Wagen und man steht in der Mitte einer prachtvollen, mit einer zahllosen Menge angefuellten Kirche: In der That wandelte auch die Mutter Gottes leibhaftig auf dein Altar herum, voll Glanz und Schoenheit. Doch dem Priester schien sie zu ueppig und verfuehrerisch, er sprang auf den Altar und hob ihr ein verborgen gehaltenes Crucifix mit den Worten unter die Augen: Bist du die Mutter des Herrn, so sieh hier deinen Sohn! Da erloschen mit einem mal saemmtliche Lichter, dichte Finsterniss und Stille herrschte, der Pater stiess sich an rauhen Steinen und als es gegen Tag gieng, befand er sich im Gemaeuer eines Galgens.--Wir werden dieselbe hl. Walburg ebenso noch als heidnisch verehrte Venus von der Kirche selbst angeben hoeren; denn allerdings sind schon die bisher von ihr gemeldeten Zuege unkirchlich genug: der Hund an der Kette und der Flachsfaden auf der Spindel sind ihre Orakel; ihre naechtlichen Hoehenfeuer leuchtendem Reihentanze der Liebenden und diese werden ohne Priester zusammen gegeben; ihr Heilbad ist der Maienthau, ihr Keiltrunk der Maibrunnen und das frische Oel des Feldes; statt eines Marterwerkzeuges traegt sie Garbe und Aehre, gleich ihrem Bruder Oswald. Sie wandelt das Saatkorn in Gold, sie geht in goldnem Schuh und traegt eine goldne Krone, sie ist selber das reifende Aehrenfeld. Ihr antikes Abbild ist Pindars "roethlichfuessige Demeter" (Olymp. 6, 94) und die roemische Ceres rubicunda, die in rothgelben Grannen reifende Gerstensaat. * * * * * FUSSNOTEN: [2] Der immer gleichlautende Auskuendungsspruch: Heut zum Lehen, Morgen zur Ehe, Ueber ein Jahr zu einem Paar-- steht schon in Lersners Frankf. Chronik 3 B. 6 K. und wird dorten dem von den Kaisern ausgeuebten Ehezwangsrechte unterschoben, welches von Heinrich VII. 1232 aufgehoben worden sein soll. * * * * * Vierter Abschnitt. Maiengeding und Walbernzins. Je nach der Eintheilung des Jahres in zwei, drei oder vier Jahreszeiten waren eben so viele Volksversammlungen (Allding), allgemeine Opferfeste und Gerichtszeiten des Jahres anberaumt. Zu zweit auf Sommer und Winter verlegt, hiessen die Gerichte Maigeding und Herbstgeding, nach spaeterer christlicher Benennungsweise Walburgis und Martini. Seit den karolingischen Kapitularien werden drei ungebotene Gerichte durchgehends ueblich (tria generalia placita) und fallen auf Sommer (Walburgis), Herbst (Martini), und Winter (Weihnachten). Ungebotene Gerichte hiessen sie im Gegensatze der vom Gerichtsherrn den Unterthanen gebotenen, weil erstere in ihrem Zusammentreffen mit gleichmaessig vorausbestimmten Fristtagen allgemein gewusst waren und keiner vorgaengigen Ansagung bedurften. Sie entschieden nicht bloss ueber Mein und Dein, sondern auch ueber die Idealgueter von Freiheit und Ehre, somit ueber Krieg und Frieden, und ihre Aussprueche waren die allgiltigen der Volkssouveraenetaet, wie sie unsre Zeit in ihren Landsgemeinden, Staendeversammlungen und Parlamenten anerkennt. Sie benannten sich nach Naechten, weil der Tag sich aus der Nacht gebiert und daher der landwirthschaftliche Kalender nach Neumond und Mondabnahme rechnet. Die Zeit der Zwoelften (Weihnachten bis Dreikoenig) nennt man in Schwaben und dem angrenzenden Theile der Schweiz Kloepfleinsnaechte und Nidelnaechte; in Baiern Rauch-, Loeselnaechte und Gennachten; in Deutschboehmen Undernaechte; bei den heidnischen Angelsachsen hiessen sie Mutternaechte. In gleicher Analogie spricht man von Fasnacht, Rumpelnacht und der durch die Ortspolizei gewaehrten Freinacht. So hiess denn auch das Maigericht Walburgisnacht, daenisch noch Valdborg aften (Abend). "An sant Walipurg abent ze ingaende maien" pflegt die Zeitbestimmung zu lauten in den Klingnauer Urkunden aus dem 14. Jahrhundert. Anfaenglich steht das Walburgsgericht noch zu Zweit mit dem Wintergerichte zusammen, erst spaeter auch mit dem Herbstgerichte zu Dritt. Die Offnung des Dorfgerichtes zu Sondernau von 1615 setzt zweimaliges Jahresgericht fest, das Mertensgericht (11. Nov.) und das Welbermael, Walburgismahlzeit am 1. Mai. Zoepfl, Alterth. des Deutsch. Reichs und Rechts 1, 306. Dagegen sagt die Offnung des Dorfes Wettingen (gedruckt im Wetting. Archiv 125): "Wir soellend ouch dry rechte geding da haben, der soll eines sin vff Sannt Waldpurgen tag in Meyen acht tag vor oder meh, das andere vff Sannt Martinstag, das dritt vff sannt Hilarien." Dieselbe Bestimmung in dem Dinggerichte zu Dietikon und Schlieren v.J. 1259 steht verzeichnet: Argovia 1, 78. Dabei blieb Walburgis auch spaeter in den Staedten ein Termin der Aemter-Erneuerung; "jerlichen zu Meyen, wann Statt und Ampt Raeth zusammen schwerend", heisst es im Zuger Recht 1566. Hds. Sammlung der Aargau. Histor. Gesellsch. Die Tagloehner-Ordnung von Oppenheim von 1523 bestimmt nach derselben Frist den Beginn der Zwischenrast bei der taeglichen Handarbeiten: "dass sich die tagloner ein stund schlafens underziehen an iren tagarbeiten und das anheben, so der stock ein blatt ueberkompt, dass einer ein aug domit bedecken muege, nemlich von Philipp Jacobi (1. Mai) bis uf Margaretha (13. Juli)." Mone, Oberrhein. Ztschr. 1, 196. Im Alterthum hatten die Gerichtsversammlungen mit Fest- und Trinkgelagen geendet, die fuer die Verkoestigung der weither gekommenen Mannschaft nicht zu umgehen waren. Daraus entsprang der Brauch bei den spaeteren Land- und Markgerichten, den Gerichtsherrn und seine Leute zu bekoestigen, den Schoeffen Trank und Speise zu verabreichen und ihnen einen Zinskuchen mit dem hineingebackenen Trinkpfenning auf den Heimweg zu verehren. Die Kosten wurden aus den eingezogenen Bussen bestritten. Hier folgt eine Kostenberechnung des Maiengerichtes im Fronhof zu Wolen in den Freienaemtern, v.J. 1620, handschriftl. im Archiv Muri, Scrin. L, I. Das Stift Muri war zu Wolen Lebens- und Untergerichtsherr; der obergerichtliche Entscheid stand beim Landvogt zu Baden, der daher nebst Landschreiber, Weibel und Substituten mit anwesend sein musste. Das Stift hatte ausser in Wolen auch noch in den Doerfern Muri, Boswil und Buenzen dieselbe Judicatur. Wie hoch sich nun die Kosten dieser hier jaehrlich _achtmal_ wiederholten Gerichtstage fuer den Lehensherrn beliefen, zeigt folgendes Aktenstueck. Rechnung was Ao. 1620 im Meyengricht zu Wollen verzert und verbrucht worden. Dass mal vnd Abentrunk 23 Gld. 38 Sch.--Ueberzehrung ob Ihr Herren verritten 2 Gld. 10 Sch.--Durch die HHn. Landvogt, Landschryber, ire Diener, Pfarer vnd Weibel am Nachtmal verzert 3 Gld. 10 Sch.--fuer Hoeuw vnd Haber ueber Nacht 1 Gld. 8 Sch.--Hrn. Landvogt Braemen v. Zuerich verehrt an einem Goldstuck 14 Gld. 2 Pf.--Sinem Diener 1 Kronen.--Hn. Landschryber Zur Louben an einer Spanischen Dublon 7 Gld. 1 Pf.--Sinem Substituten 1 Gld.--In die Kuchj 1 Gld. Summa 55 Gld. 36 Sch. Alterthuemlich und von naiver Umstaendlichkeit waren die Braeuche, unter denen die Ortschaften jeweilen ihren Zins zu ueberbringen hatten. Der Walpertszins musste vom hessischen Dorfe Salzberg am Knuetl alljaehrlich am Walburgistag zu Buchenau in Betrag von sechs Hellern alter hessischer Muenze bezahlt werden. Der Gemeindemann, der ihn ueberbrachte, hiess das Walpertsmaennlein. Er musste des Morgens frueh Schlag sechs Uhr in Buchenau eintreffen und auf einem besondern Stein an der Schlossbruecke sich niedersetzen. Verspaetete er sich, so verdoppelte sich progressiv mit jeder Stunde der Zins, am Abend haette ihn die ganze Gemeinde nicht mehr zu zahlen vermocht. Vorsichtshalber schickte daher die Gemeinde stets zwei Abgeordnete zusammen ab. Hatte das Walpertsmaennchen seine sechs Heller im Schloss bezahlt, so wurde es nach Vorschrift hier drei Tage lang bewirthet. Schlief es waehrend dieser Zeit nicht ein, so waren die Zinsherren verpflichtet, es lebenslaenglich zu verpflegen; geschah jedoch das Gegentheil, so wurde es augenblicklich aus dem Schlosse hinausgeschafft. Schon an dreihundert Jahre war diese Zinszahlung im Gebrauche und bestand noch im Anfange dieses Jahrhunderts. Lynker, Hess. Sag. no. 338. Grimm RA. 388. Dies war der sg. Rutscherzins, welcher, wenn an vorbestimmter Tages- und Stundenfrist abzutragen verabsaeumt, nach Tagen und Stunden wuchs. Blieb der Braunschweigische Maigassenzins, der nur 3 Mgr. 2 Pf. betrug, am Zinstage aus, so verdoppelte er sich von Tag zu Tag. Im Dorfe Schernberg hatte man ihn auf Philipp-Jacobi Mann fuer Mann auf einen breiten Stein unter freiem Himmel zu erlegen, wer sich hier um eine weitere Stunde zu spaet einstellte, bezahlte ihn je doppelt und dreifach. (Grimm ibid.). Aber auch dabei kamen dem Verspaeteten noch mancherlei kleine Hilfsmittel zu gut, welche gesetzlich erlaubt waren und ihn der drohenden Busse wieder enthoben. Dass der Zinsende nach Herkommen ein Gegengeschenk erhielt, welches mit der Zeit fuer ganze Gemeinden zu nicht unbetraechtlichen Nutzniessungen sich gestaltete, lehren folgende Braeuche und Sagen. Walperherren hiessen vormals die vier Rathsmeister Erfurts, die jaehrlich an Walburgis nach altem Rechte hinaus in den Wald Wagweide zogen, welcher dem Churfuersten von Mainz zugehoerte, und sich 4 Eichen schlugen. Gleichzeitig kam dann saemmtliche Buergerschaft ihnen dahin nach und hielt in dem fuerstlichen Schlosse ein dreitaegiges Einlager bei Musik, Tanz und Schmauss. Heut zu Tage begeben sich schon an Walburgis Vormittag alle hammerfuehrenden Gewerke der Stadt in jenen Wald und halten da bei Tanz und Gesang bis tief in die Nacht aus, Bier wird faesserweise mitgefahren. Mit Eichlaub bekraenzt singt der heimkehrende Zug: Willst du mit nach Walpern gehn, Willst du mit, so komm! Dies nannte man den Gruenenmaitag. Aehnlich begeht daselbst die Schusterzunft den gruenen Montag, welcher der erste ist nach Jacobi. Sie bekraenzt nebst ihren Wohnhaeusern die Strassen zum Paul, zu den Predigern und die Schuhgasse. Dies Ehrenrecht soll ihnen von Kaiser Rudolf fuer die Tapferkeit ertheilt worden sein, mit der sie und die uebrigen hammerfuehrenden Gewerke ein Raubschloss im Steigerwalde zerstoerten, von dem aus die Orte des Thueringerwaldes lange belaestigt worden waren. Zwei Knaben, mit Goldketten und anderem Geschmeide geschmueckt, pflegte man sonst zu Pferde in der Stadt herum zu fuehren, es sollen die zwei Soehnlein der Edelfrau jenes Schlosses gewesen sein (man benennt es wechselnd bald Dienstberg, bald Greifenberg), die mit all ihren Kostbarkeiten behaengt die Sieger fussfaellig um Schonung ihres Lebens anflehten und Gnade fanden. So die Sage. Allein was in dieser die angeblichen Raubritter geworden sind, waren urspruenglich die Winterunholde, denen der Sommer abgewonnen wird. Denn die staedtischen Urkunden, so sagt der Erfurt. Stadt- und Landbote v. 1846, enthalten nichts, was dieser Geschichte einer zerstoerten Raubburg aufhelfen koennte, wohl aber dass der Gruenenmaitag ein Ueberrest des sg. Schwoertages ist, an welchem die Handwerker jaehrlich der vom Mainzer Bischof neugesetzten Obrigkeit huldigen mussten. Der Bischof bestaetigte ihnen dagegen neuerdings ihre Rechte, wofuer die Schuster dem Schultheissen zwei Paar bunte Schuhe ueberreichten, gemacht aus dem Filz, den die Hutmacher gleicherweise abzuliefern hatten. Berlepsch, Chron. d. Gewerke 4, 157. Der Sinn solcher pseudohistorischer Sagen von einem gelungenen Kriegszuge der Buerger und Bauern gegen das Herrenschloss, oder einer militaerischen Execution gegen den Herrschaftswald ist einfach der, dass mit dem Entrichten des Walburgiszinses oertliche Holzrechte verbunden waren. In einem niederl. Volksliede (Uhland in Pfeiffers Germania V.) bringt der Zinsbauer (wahrscheinlich fuer die Nutzung ueberlassener Laendereien) seinem Lehensherrn ein Fuder Holz und zugleich der Frau "den kuehlen Mai". Wie sich der Sieg Gideons ueber die Midianiter (Richter 6, 37) an den Thau knuepft, der auf Gideons ausgebreitetes Fell so reichlich faellt, dass man des Morgens eine Schale Wassers daraus zu fuellen vermag, so ist auch in den deutschen Lokalgeschichten aus dem Glauben an die Wunderkraeftigkeit des Maienthaues, und aus dem Brauche, beim Maigerichte bewaffnet zu erscheinen, den Walburgiszins Mann fuer Mann gemeindeweise zu entrichten, die haeufig sich wiederholende Tradition entstanden, dass an eben diesem Zinstage die politische Unabhaengigkeit der Landschaft durch einen gluecklichen Waffenstreich errungen worden sei. Die Maifahrt wird zur Kriegsfahrt umgestempelt. Die Friesen- und die Schweizersage trifft hier zusammen. Den Unterwaldnern werden die "Walperkuehe" (Grimm, RA. 822), die sie dem Zwingherrn zinsen, der Anlass, die Voegte auf Sarnen und Rozberg zu vertreiben und deren Burgen zu brechen; die Ditmarschen datiren ihren Freiheitstag von dem Zinskorn, das sie nicht laenger auf das Schloss der Walburgsaue liefern wollen. Die Unterwaldnersage ist allbekannt, noch unbeachtet aber folgende ditmarsische, die in Neocorus Chronik steht, Ausgabe von Dahlmann. Das aelteste und festete Gebaeu im Ditmarschenlande war die Grafenburg Bocklenburg in der Wolberaue gelegen. Ihr aelterer Name war Walburg, sagt Dahlmann im Neocorus 1, 565; ein Eigenthum der Grafen von Stade, in unmittelbarer Naehe des jetzigen Kirchdorfes Burg; ihre Zerstoerung durch die aufstaendischen Bauern faellt 15. Maerz 1145. Muellenhoff, Glossar zum Quickborn 1856, S. 315. Der Graf hatte den reichen Bauern Heine zu Gast geladen, ihn reichlich bewirthen und mit Saitenspiel ergoetzen lassen, wofuer der Bauer nun wiederum den Grafen zu sich bat. Aber statt auf die Polsterbank setzte er ihn auf strotzende Kornsaecke, statt der Tafelmusik musste Schwein, Schaf, Kuh und Ross den Hof durchlaermen. Solcher Wohlstand reizte die habsuechtige Graefin Walburg und sie beredete ihren Gemahl, dass er die Schatzung, die er den Bauern schon seit Jahren nachgesehen hatte, gerade jetzt zur Zeit einer Theuerung in allen Rueckstaenden einforderte. Am Martinsabend fuehrten denn die Bauern eine lange Reihe von Kornwagen zum Schlosse hinauf. Auf dem ersten sass eine schoene Dirne, dem Grafen zu Willen bestimmt; allein in den Saecken des zweiten Wagens lagen Bewaffnete eingenaeht. Als der Zug das Schlossthor erreicht und gesperrt hatte, ertoente das Losungswort: Ruehret die Haende, Zerschneidet die Gebaende! Damit schnitten die Verborgnen sich aus den Kornsaecken, zuckten die Waffen und nahmen das Schloss ein. Der Graf war in das innerste Gemach entsprungen, allein seine zahme Elster kam schreiend ihm nachgeflogen und verrieth ihn, er wurde aus dem Verstecke gerissen und erstochen. Die Graefin sprang aus dem Fenster in die vorbeifliessende Aue hinab und hat mit ihrem Tode dieser Trift den Namen Wolbersaue gegeben. Und dieses Landstueck, fuegt Neocorus bei 1, 264, ist von solcher Fruchtbarkeit gewesen, dass man einmal 14 Tonnen Buchweizen darauf erntete. Auch eine Wallfahrt zum Haupte St. Peters war daselbst. Ein kupfernes Kreuz, das dorten ein Bauer aus dem Boden gepfluegt und daheim aufbewahrt hatte, entsprang ihm wieder und stellte sich in die Wallfahrtskirche, wo es heilkraeftige Wirkungen that: it wolde in de Kerken unnd S. Peter sterken. So wird Walburgs Goettermythe zur Kirchenlegende, ihre Burg zur Wallfahrtskirche, sie selbst zur hartherzigen Gaugraefin und Burgfrau, mit deren Untergang die Steuer der Leibeignen aufhoert und die politische Selbstaendigkeit des Gaues beginnt. Noch ein kleiner Schritt weiter, und die hartherzig Zins eintreibende Graefin Walburg verwandelt sich an einem oder jedem der drei altgebotenen Zinstage zur saatenvertilgenden Walburgishexe, aus der Tagfahrt zu Gericht wird eine Nachtfahrt auf den Broken. _Dreimal_ des Jahres muessen die Hexen ihre drei hohen Tagsatzungen abhalten, sagt Praetorius Blockesberg (1668) 499, und zergruebelt sich ueber die Frage, warum doch dieser Heiligen Kirchtag so sehr vom Teufel entweiht werde; darum wohl, meint er, weil diese Heilige dem Satan so viel Abbruch gethan; nun halte er alle Jahre Abrechnung mit ihr und lasse von seiner Burse ihren Feiertag verschimpfiren. Eine aehnliche Fruehlingssage, bei welcher jedoch noch deutlicher der Nachdruck auf das Walburgisfeuer und die Maibraut faellt, theilt W. Menzel (Vorchristl. Unsterblichkeitslehre 1, 128) mit aus Curickens Beschreibung von Danzig 1688 S. 39, und aus Temme-Tettau's Ostpreuss. Sag. no. 208. 209. Auf dem Hagelsberge, an dessen Fusse nun Danzig liegt, hatte der boese Koenig Hagel eine Burg erbaut, von wo aus er die Fischer an der Weichselmuendung brandschatzte und ihre Weiber und Toechter entehrte. Dazu hatte er seine eigne Tochter Berchta dem Sohne des Schultheissen Hulda verlobt, weigerte sich aber nachher, sie ihm zu geben. Da kam der Abend, an welchem der Sitte gemaess ein grosses Feuer auf dem Berge angezuendet und der uebliche Reigentanz um das Feuer gehalten wurde. Diesen unschuldigen Vorwand benutzte Hulda mit andern Juenglingen, sich der Burg zu naehern und dieselbe ploetzlich zu ueberfallen. Koenig Hagel, der dem Tanze des Volkes mit Vergnuegen zugesehen hatte, wurde ermordet und rief sterbend: O Tanz, o Tanz, wie hast du mich verrathen! Und davon soll das nachmals erbaute Danzig seinen Namen erhalten haben. Der Name der Fruehlingsgoettin Holda-Berchta ist hier in der Sage zwischen Braeutigam und Braut getheilt. Damit diese Beiden, nachdem sie bereits ins Mailehen gegeben sind, ein Paar werden koennen, wird der winterliche Tyrann, Koenig Hagel, vertrieben und seine Burg beim Walburgisfeuer zerstoert. An ihre Stelle tritt eine gewerbfleissige grosse Stadt. * * * * * Fuenfter Abschnitt. Der Mythus vom Maienthau. Von der Adventzeit bis zu Ostern laesst die katholische Kirche taeglich die Rorate-Messe singen, die ihren Namen traegt von der Stelle Jesaia's 45, 8: Rorate, coeli, desuper et nubes pluant justum; thauet, Himmel, den Gerechten! Wolken, regnet ihn herab! Diesen vom Himmel fallenden Segen erhoffte das Heidenthum von der Thaugoettin selbst und sah ihn erfuellt mit deren Ankunft in der Walburgis- und Johannisnacht. Nur von der ersteren ist hier die Rede. Mit banger Erwartung geht unser Landmann in der Walburgisnacht zu Bette und beim ersten Tageslicht tritt er vor sein Haus; ist da kein reichlicher Thau zu sehen oder hat es gereift, so ist seine Hoffnung auf eine erkleckliche Jahresernte schon halb dahin. Selbst wenn ihm im Heumonat darauf noch soviel Futter waechst, er traut demselben keine Nahrungskraft zu, es hat ja keinen Maithau bekommen; es ist ohne Salz und Schmalz. Lieber ist er daher nur mit halb so viel Heu zufrieden, als mit einem doppelten Heuertraegniss ohne Maienthau oder ohne Regen an Walburgis. "Regen auf Walburgisnacht hat stets ein gutes, Jahr gebracht. Walburgisfrost ist schlimme Post". In Meklenburg heisst es vom Walburgisregen, er bringe ein unfruchtbares Jahr, weil mit ihm (vgl. Wolf, Beitr. 2,367) von den goettlichen Maechten die Festfeuer zurueckgewiesen werden. Wenn es dagegen an den drei ersten Maitagen reichlich thauet, so braucht es den ganzen Monat ueber keinen mehr. Maienthau macht gruene Au. Oder, der Bauer rechnet auch in arithmetischer Progression also: Thaut es im Mai fuenfmal, so erwartet man eine Viertelsernte; zehnmal, so giebts eine halbe; fuenfzehnmal, so giebts eine volle Ernte. Thau auf der Wiese ist Geld in der Truhe. Als Koenig Gustav III. von Schweden einem ostgothlaender Bauern, der ihm vorgestellt wurde, einen kostbaren Ring zeigte und ihn ueber dessen muthmasslichen Werth befragte, meinte der Landmann laechelnd: doch wohl nicht so viel, wie ein Schauer Regen im Mai. Kann man, sagt der Aargauer, am ersten Mai genugsam Thau gewinnen, so kann man daraus Gold laeutern. Daher traegt die hl. Walburg feurige (goldne) Schuhe (Vernaleken, Alpensag. S. 92); daher traegt bei den Hexenversammlungen eine der Frauen am rechten Fusse den Goldschuh (Grimm, Myth. 1025); daher redet das Kindermaerchen (Grimm 3, no. 99) von der Lebenstinctur des Goldwassers; daher taucht in der Walburgisnacht im Gewaesser der Bode die goldne Krone der Prinzessin Brunhilde hervor und schwimmt bis zum Morgen obenauf. Kuhn, Nordd. Sag. no. 193; "daher sammeln die Alchimisten im Majo Regenwasser in grosse Kruege, dass sie sich das ganze Jahr durch nach Beduerfniss damit behelfen koennen." Coler, Almanach (Mainz 1645, 59). Den Slaven ist in einem einzigen Tropfen Thau eine Wunderwelt enthalten, er soll des Menschen ganze Lebensgeschichte enthuellen, wenn man ernstlich hineinschaut. Haupt-Schmaler, Wend. Volksl: 1, S. 381. Die Perlenmuschel hat ihre Perlen nicht vom Meer, sondern vom Himmel selbst, schreibt Konrad von Megenberg im Buch der Natur (Augsb. bei H. Schoensperger 1499, Bl. pj und piij): sy begeret des hymeltawes, recht als ein fraw jres liebes begert. das ist, da das taw allermeyst fellt, so trinken sie das begeret taw in sich und werdent schwanger. ist das taw klar vnd lauter, so werdent die margariten gar fein. Aehnlich in Fr. Rueckerts Vierzeilen: Die Rose stand in Thau, Es waren Perlen grau; Als Sonne sie beschienen, Da wurden sie Rubinen. Aus Erde und Thau formte der Schoepfer Adams Fleisch und Blut; so sagen die Evangelien der Vorauer Handschrift (ed. Diemer, Deutsche Ged. S. 319-330): uon dem leime gab er ime daz fleisch, der tow becechenit den sweihc. uebereinstimmend mit der Bibelstelle: Ich will Israel wie ein Thau sein, dass es soll bluehen wie eine Rose. In das Fruchtholz des Waldes fluechten beim Weltuntergange die beiden letzten Menschen Lif und Lifthrasir, Leben und Lebenskraft, und fristen sich da vom Morgenthau, bis neue Menschengeschlechter aus ihnen hervorgehen. Das Fruchtholz, die Oesch, kann ohne Thau nicht tragen; kein Maienthau, kein Holzwuchs, heisst es; wenn man einen Baum im Maienthau schuettelt, so stirbt er ab. Der Ritter, der die drei letzten Baeume bei seinem Hause faellen will, sieht des Morgens unter ihnen drei Jungfrauen sitzen, die ueber den Untergang des Waldes klagen und mit den zerrinnenden Thautropfen verschwinden. Er liess hierauf die Baeume stehen und sein Geschlecht blieb in Wohlstand. Wenn die Engel im Himmel weinen, um Gottes Erbarmen fuer die Menschen rege zu halten, so entsteht daraus unser Thau; dies lautet in Grieshabers Deutsch. Pred. 1, S. 42: wer sint diu wazzer ob dem firmamente? daz sint die erwelten und die behaltenen. sieh und merke ain groz wunder. diu wazzer ob dem himmel, der kumet ain zeher niemer noch niemer her ab, wan daz, sumeliche maister wen, daz daz tov daruz werde. Ein unbethaut bleibender Ort ist ein verwuenschter, wie hier hernach noch des Weiteren zu berichten sein wird. Da Jonathan und Saul in der Schlacht gefallen sind, wehklagt David: Ihr Berge zu Gilboa, es muesse weder thauen noch regnen auf euch, Jonathan ist auf deinen Hoehen erschlagen! 2 Sam. 1, 21. Wo Gespenster und Hexen umgehen, waechst kein Gras; daher in G. Buergers Romanze: Im Garten des Pfarrers von Taubenheim, Da ist ein Plaetzchen, da waechst kein Gras, Das wird von Thau und von Regen nicht nass. Wo neun Tage hinter einander kein Thau liegt, da liegt ein Schatz (verzaubert) vergraben. Coler, Oeconomia. Auf dem Wiesenweg, welcher der Sibilla Weiss Kirchgang gewesen, bleibt kein Thau und Reif behangen. Panzer, BS. 2, pg. 54. Maienthau ist eine Quelle der Koerperschoenheit, des Liebreizes und der Langlebigkeit. Daher der Kinderspruch: Wenns thaut, wirds groen, werden alle Jungfern schoen. Mairegen, mach mich gross! pflegen die im Regen laufenden Knaben auf der Gasse zu rufen. Eos hat taeglich ihren altersgrauen Gatten Titon mit Thau neu zu beleben. Hellfunkelnder Thau trieft perlend hernieder und frischgruenende Hyacinthen sprossen empor, wo auf dem Ida Zeus die Hera umarmt. Mit dem Wasser aus dem Paradiese, erzaehlt Konrad v. Wuerzburg in seinem Trojan. Krieg--verjuengt Medea Jasons alten Vater. Die drei Marien gehen zu des Herren Grab durch den Thau (Uhland, Volksl. 832, 3): Es giengen drei heilige Frawen zu Morgens in dem Tawe. So schoen ist die Geliebte, dass der Minnesaenger Christian von Hameln dem bethauten Anger keine hellere Zier zu schenken weiss als ihren nackten Fuss darauf: Her Anger, bitet, daz mir swaere sul buozen ein wip, nach der min herze ste; so wuensche ich, daz si mit blozen fueezen noch hiure mueeze uf iu ge. Man bereitete daher im Mittelalter aus dem Thau der Blumen verschiedene kosmetische Mittel, z.B. aus der Pflanze Sonnnenthau einen nach ihr genannten Liqueur Ros solis, nun Rossoglio genannt. Der Zierbaum, den man im bair. Lechrain in der Mainacht der Liebsten vors Kammerfenster setzt, muss nebst Aepfeln und Baendern stets mit einer vollen Rosogliflasche behangen sein. Leoprechting, Lechrain 177. Ans den Blumen der zum Johannisfeste geflochtnen Johanniskronen kocht man in Sachsen einen heilkraeftigen Thee. Sommer, Thuering. Sag. 148. 156. Die Alchemilla vulgaris, Thaumantel, Thauschuessel, Parasol und Frauenmaentelchen genannt, bietet dem Sennen nicht nur das milchergiebigste Gras, man destillirt das in ihrem Kelche sich sammelnde Wasser als Heilmittel; zehn solcher Blumenkelche voll Thau stillen Jedem den Durst. Schoenwerth, Oberpfalz 2, 132. Die Salbe Oli-ronge wird zu Saintes Maries in der Provence bereitet, indem man an Johannis zwischen Morgenroethe und Sonnenaufgang aromatische Kraeuter sammelt und sie in Olivenoelflaschen verschliesst. Wolf, Beitr. 2, 394. Um das ganze Jahr frische Rosen im Zimmer zu haben, legt man Rosenknospen in einen mit Wein gefuellten und verschlossnen "Walburgischen Krauss." Kunst- und Wunderbuechlein, S. 233. Um seltne Kuechenkraeuter jahrelang frisch und schmackhaft zu haben, verordnet die Kuchemaistrey (Incunabel o.O.D.u.J.) Blatt 22: vach tawwasser mit einem reinen neugewaschnen leinentuch, das keg auf einer wisen hin vnd her, druck es auz in ein sauber kandel vnd bayz (beize) die kreueter darinnen. Eben diese Gewinnungsweise schreibt Konr. v. Megenberg, Bl. e'3 gegen Ausschlag vor: so (der mensch) sich denn wescht mit dem taw vnd darinn waltz des morgens, ee die Sunn den taw benimpt, so wirt er rein an seiner haut. o Maria, hilf vnd taw mit genaden auf vns reuedige menschen! Eine Bernersage aus dem Habkerenthal wird mir also mitgetheilt. In einer Hoehle des Berges Harder, die vom Pfarrhause des Dorfes Habchen aus erblickt wird, lebten ehemals Zwerge. Die Bauernschaft im Thale stand mit diesen Erdmaennlein in gutem Einvernehmen und nach altem Brauch stellte man ihnen jedes Fruehjahr einen Krug Maienthau an einen bestimmten Ort, wo ihn die Zwerge abholten und in die Hoehle trugen. Sie badeten damit ihre neugebornen Kinder und wuschen sich Windeln und Weisszeug; zum Entgelt dafuer ueberschickten sie den Bauern Honigthau, worauf die Bienenzucht im Thale besonders gedieh. Nun, nachdem die Zwerge ausgewandert oder gestorben sind, haengt ihre Hoehle voll milchweisser Steinzapfen, lauter im Bad verspritzter Maienthau, der sich zu Milch versteinert hat, und heisst davon das Mondmilchloch. In der Normandie, der Bretagne und den Pyrenaeen badet das Volk die Fieber ab, indem es sich am Johannistage nackt im Thau des Haberfeldes waelzt: se rouler ce jour-la le matin dans la rosee, ou se baigner dans une fontaine guerit de la gale et de toutes maladies cutanees. De Nore, Coutumes, mythes et traditions. 127. 231. 262. Dasselbe thun die Saalfeldischen Maedchen Nachts in den Flachsfeldern. Grimm, Myth. Abgl. no. 519. "Ich werde," schreibt Coler, Almanach 62, "von erfahrnen Leuten berichtet, dass der Maienthau grindichten, scherbichten Leuten gesund sein soll, wenn sie sich frueh nacket drein waelzen. Die Medici nennen solchen Thau rorem matutinum in vere, S. Walpurgisthau."--Islaender und Schweden pflegten in Thau zu baden, um damit Krankheiten wundersam zu heilen: Finn Magnusen, Lexikon mythol. 72. Die Englaender setzten eine Metze Haber oder eine Korngarbe unter den Nachthimmel und wuschen sich mit dem darauf gefallnen. Thau gegen Pestansteckung. Liebrecht, Gervas. Tilbur. pg. 2. Der Altbaier waescht sich im Maienthau, dazu sprechend: Das hilft fuer's Gah, fuer's Blaeh, fuer'n U'flat. Das Gah ist gaeher Tod und fallendes Uebel; Blaeh die Rinderaufgelaufenheit, Stillfuelli; Unflat der Aussatz. Panzer, BS. 2, 30. "Morgenthau ist gut fuer abgehauene Fuesse, gut fuer abgehauene Arme, fuer ausgestochene Augen", so sprechen die drei himmlischen Jungfrauen, bestreichen den Verstuemmelten und alsbald ist er wieder ganz und heil. "Benetze deine Augenhoehlen mit Morgenthau, der auf den Baumblaettern liegt", sprechen die drei Schwaene zu dem von der Stiefmutter geblendeten Maedchen. Haltrich, Siebenbuerg. Maerch. S. 36. 216. "Heute Nacht faellt ein Thau, sagt die Kraehe, so wunderheilsam: wer blind ist und bestreicht seine Augen damit, der erhaelt sein Gesicht wieder." Grimm, KM. no. 107. Dies ist der im boehmischen Maerchen "Nachttraum der hl. Walburgis" allen Geblendeten verkuendete Heilthau (bei Gerle 1, no. 7, citiert in Grimms KM. 3, 342). So geschah es nach Ostern in der Weissen Woche in Beisein des Frankengrafen Adalbert zu Monheim, dass ein Blinder am dortigen Grabe Walburgis ploetzlich wieder sehend geworden war. Act. SS. saec. 3, pars 2, pag. 305. Alle schwer Genesenden pflegt man gemeinlich auf den naeher rueckenden Mai zu vertroesten als auf die Zeit ihrer gaenzlichen Herstellung. Stillschweigend ist also vorausgesetzt, dass dieser Termin die besonderen Mittel gewaehre, welche bislang dem Kranken gemangelt haben. Da bereitet man folgende Nervensalbe. Man schneidet am 1. Maimorgen Halme und Blaetter aus dem Kornacker, zerwiegt sie und presst sie mit heisser Maibutter zu einem Pflaster. Gegen Augenentzuendung blickt man eine halbe Stunde unbeschrieen in den Maithau. Gegen den Wolf (fratte Schenkel) sitzt man nackt ins Feld hinein. Das Rind, das an der Blutschwine, Abzehrung, leidet, wird in den Thau gestellt, das Zugvieh und das Ross hineingetrieben, wenn es einen "Hauptfehler" hat. Die Sommersprossen, Leberflecken und Merzensprickeln, die einem der Merz ins Gesicht gespieen hat, reibt man am Maimorgen mit einem thaugetraenkten Tuechlein wieder weg. Vom Dorfe Leimen, im elsaess. Sundgau, eine halbe Stunde entfernt, fliesst im Orte Helgenbronn neben der dortigen Walburgiskapelle ein kraeftiger Wasserquell, Helgenbronn und Kinderbrunnen genannt. Am 1. Mai kommen die Muetter mit ihren siechen Kindern hieher, um sie zu baden; haeufiger noch geschieht es auch an Johannis, 24. Juni, dass man hier die durch Sommersprossen verunstaltete Haut waescht. A. Stoebers briefl. Mittheil. Kaspar Scheidt, Mayenlob (abgedruckt in Hubs Volksbb. des XVI. Jahrh. S. 316) beschreibt die allgemeine Sitte ausfuehrlich und anmuthig, ins Maienbad zu reisen; die Bresthaften, die ihre Haeuser nicht verlassen koennen, lassen sich im Mai daheim warme Baeder zurichten, es fahren die jungen Weiber darein, wenn sie noch keine Frucht zu erlangen vermochten, und wenn man daher ein Bild des Maien malt, so pflegt man zwei Eheleute beisammen im Wasserbade abzubilden, oder ein mit froehlichen Leuten unter Trommel- und Pfeifenklang dahin ziehendes Schiff, oder junge wettschwimmende Gesellen.--Koenig Albrecht hatte 1308 gerade seine Badefahrt beendet, im Staedtchen Baden das Maifest abgehalten und war auf dem Wege, seine Gemahlin Elisabeth im benachbarten Rheinfelden abzuholen, als er am linken Reussufer von seinem Neffen und dessen Mitverschwornen meuchlings erschlagen wurde. Nicht lange, so ergieng gegen die Moerder die Blutrache. Ihre Burgen wurden gebrochen, ihre Burgmannschaften enthauptet, auch nicht die Kinder verschont. Agnes, des Ermordeten Tochter, so erzaehlt die Sage, soll dazumal durch das Blut der drei und sechzig Mann der Besatzung von Farwangen geschritten sein unter den grausigen Worten: "Jetzt im Blute derer gehend, die mir meinen frommen Herrn ermordet haben, bade ich in Maienthau". Die typisch gewesene allgemeine Redensart, aus welcher diese Sage entstanden, wiederholt sich z.B. in dem Liede vom baier. Krieg: die Teutschen wurden wohlgemut, sie giengen in der ketzer plut, als wer's ain mayentawe. Uhland, Schriften: "Sommer und Winter". Auch symbolische Maibaeder gab es, sowohl kirchlicher als buergerlicher Art. Noch vor etlichen Jahren giengen Schulmeister und Chorknaben in der Kolmarer Gegend mit Weihwasser, genannt Heilwag, von Haus zu Haus, und besprengten damit dreimal die Bewohner unter den Worten: Heiliwog, Gottesgob, Glueck ins Hus, Unglueck drus! Stoeber, Elsaess. Sag. no. 231. In der Oberpfalz lautet dieser Spruch, nach Panzers BS. 2, 301: O du guter Walbernthau, Bringe mir, so weit ich schau, In jedem Haelmlein Gras ein Troepflein Schmalz! Im Vinschgau werden am 1. Mai die "Madlen gebadet". Jedes Maedchen, das sich am Wege zeigt, wird von den Burschen gegen ein Baechlein gejagt und da begossen oder getaucht. Beim Schemenlaufen in der Perchtenmaskerade darf die Kuebelmarie, "Kuebele-Maja", nicht fehlen, eine Maske, die in den Brunnen springt und die Zuschauer begiesst. Zingerle, Tirol. Sitt. no. 747. 986. Wer zuerst vom Pfluegen oder Aussaeen heimkehrt, wird in der Oberpfalz aus einem Verstecke heimlich mit einer Schuessel Wasser begossen. Schoenwerth 1, 400. Zu Wall in Boehmen blaest am 1. Mai der Dorfhirte alle uebrigen Hirtenjungen zusammen, die dann eiligst dem Sammelplatze zulaufen. Wer zuletzt kommt, wird begossen. Reinsberg, Festl. Jahr 138. In Marseille begiesst man sich zu Johannis gegenseitig mit wohlriechenden Wassern. Simrock, Myth. 587. Am Himmelfahrts- und Pfingsttage wurde durch jenes Loch des Kirchengewoelbes, durch das die hoelzernen Figuren des Salvators und der Taube emporschwebten, angezuendetes Werg auf die Zuschauer herabgeworfen und Wasser gegossen. Wiedemanns Chronik d. St. Hof. Diese Zuege fuehren ueber zum Thau- und Minnetrinken. Gervasius von Tilbury (ed. Liebrecht, Otia imperialia, pg. 2) meldet aus dem 13. Jahrh., wie zu seiner Zeit in England der Morgenthau selbst bei Vornehmen als Pfingsttrank galt, und zugleich hat A. Kuhn (Nordd. Sag. S. 512) nachgewiesen, dass dieser Brauch noch heutigen Tages in Edinburg auf dem oeffentl. Platze des Arthurssitzes begangen wird. In dasselbe 13. Jahrh. faellt die Meldung von der Waldprozession, welche das Domkapitel zu Evreux am 1. Mai abhielt und sich da Zweige hieb zur Ausschmueckung des Doms. Je zwei Tage vorher hatte es seit 1270 die Seelmesse fuer den Cleriker Bouteille zu begehen. Hiebei war im Kirchenchor ein Leichentuch aufs Pflaster ausgebreitet, an dessen vier Enden vier gefuellte Weinflaschen mit der fuenften in der Mitte standen, die den Chorsaengern preisgegeben wurden. Floegel, Gesch. des Groteskkomischen 170. 233. Vielleicht, dass man diesen welschen Moenchsbrauch aus dem altroemischen Feste der Anna Perenna (Ovid. Fast. 3, 523) ableiten moechte, wo an den Merz-Iden das Volk aus der Stadt an die laendlichen Ufer des Tiber zog und hier Laub- und Schilfhuetten errichtete. So manchen Schluck da der Trinker nach einander aus dem Weinbecher thun konnte, auf so viele Lebensjahre hoffte er es zu bringen. Allein das vom Roemerthum unberuehrt gebliebne Skandinavien kennt gleichwohl eine aehnliche Sitte. Die Bewohner Stockholms feiern den 1. Mai mit einer Art Auswanderung in den Thiergarten, wo man sich in den vielfachen Wirthschaften "Mark in die Knochen trinkt". Den Ursprung des Brauches kennt man dorten nicht mehr und schiebt ihn auf den Befreier Gustav Wasa, der am 1. Mai seinen Einzug in die Stadt hielt und sie von den Bedraengnissen einer langen Belagerung rettete. Allg. Augsb. Ztg. 1858, no. 132. Die deutschen Landschaften kennen aehnliche Wasser- und Weingelage, die altherkoemmlich auf dieselben Tage fallen. In der Gemarkung von hessisch Gambach fliesst der Ehlborn (Oel lautet in dortiger Mundart Ehl), der ein so besonders gutes Wasser hat, dass die zu Gambach Sterbenden darnach zu verlangen pflegen. Wenn darum Kranke Wasser aus dem Ehlborn fordern, so gilt dies als ein Zeichen ihres nahen Todes, denn ein solcher Trunk, sagen die Leute, ist gleichsam die letzte Oelung. Wolf, Hess. Sag. no. 206. Dem Pfingstborn bei der Hanauischen Stadt Steinau schrieb man besondere Heilkraft zu, sammelte auf der dortigen Pfingstwiese den Maienthau, trank denselben und wusch sich damit, und wenn alljaehrlich die Steinauer Kinder mit ihren Eltern hier heraus zum Fruehlingsfeste zogen, so trugen sie eine Menge irdener kleiner Kruege mit, die ihnen als Trinkgefaesse dienten, Pfingstinseln genannt. Lynker, Hess. Sag. no. 329. Zum Rimleinsbrunnen im Weissenburger Walde, wo Wilibald die Heiden taufte, macht alljaehrlich die Eichstaedter Schuljugend ihren Waldmarsch und geniesst daselbst die fuer dies Jugendfest altgestifteten Ergoetzlichkeiten. Die Quelle, die an der alten Walburgskirche zu hollaendisch Groeningen entspringt, ist unversiegbar und der Schatz der Stadt. Bolland. 522. Des Jungbrunnens, welchen Walburgs anderer Bruder Oswald am Ifinger in Tirol entspringen liess, ist schon im Vorhergehenden gedacht worden. Damit der Ordelbach zu Eichstaedt, der ueber eine achtzig Fuss hohe Bergwand gegen das Walburgiskloster, niedergeht, beim Anschwellen im Fruehlinge sein Felsenbette nicht sprenge, wird von den Nonnen heiliges Oel durch eine Felsenspalte in sein Wasser hinab gegossen. Schoeppner, Bair. Sagb. no. 1136. Beim Brunnenkranzfeste zu Bacherach tragen Knaben und Maedchen die Symbole der kuenftigen Ernte im Orte umher, Semmel und Speck an Saebel gespiesst, und Eier und Butter in Koerbchen. Die darauf gesammelten Gaben werden folgenden Tages beim Brunnenmeister verzehrt "in dickem Brei mit gelben Schnitten". Allverbreitet ist heute der dem Birkenbaume abgezapfte Maitrank und der mit Waldmeister angesetzte Maiwein; jedoch wohin sie beide und die vorhin genannten Maigetraenke zielen, sagen uns einige im Erblassen begriffene Traditionen. Auf dem Walpersberge bei Dresden sitzt in der Walburgisnacht und zu beiden Sonnenwenden der Teufel auf hohem Stuhle und vertheilt an die Anwesenden Schwerter, um zu kaempfen. Dieser Teufel ist Odhin, die Versammelten sind die Einheriar, welche nach beendigtem Schwertkampfe von den methschenkenden Schlachtjungfrauen bedient werden. Menzel, Odin 240. Daher tritt an die Stelle Walburgis zu dieser Festzeit oft auch die huldreiche Frau Holle und bietet den Verjuengungstrank. Bei thueringisch Arnstadt liegt der kraeuterreiche Bergwald Walperholz, der einst auf seiner Hoehe ein Walburgiskloster getragen haben soll. An einer Waldecke, genannt zur Hohenbuche und Jagdbuche, ist ein Rundplatz, wo niemals Gras und Kraut waechst, denn dahin ist der Geist einer betruegerischen Bierzapferin gebannt. Sie heisst Frau Holle, in altvaeterischer Tracht umgeht sie jene Buche und ruft: Vollmass, Vollmass! Bechstein, DSagb. no. 587. Damit ist die oel-und aelschenkende Walburg als eine thauspendende Walkuere angedeutet; noch dazu waltet sie in jenem durch das schon erwaehnte, hier abgehaltene Maifest der Arnstaedter bedeutsam gemachten Walde. Reynitzsch, Truhtensteine 187, hat hievon geschrieben. Ausdruecklich erzaehlt die Walburgislegende (Act. SS. tom. 2, pg. 301, cap. V), wie Fuerstentoechter an Walburgis Grabe zu Monheim den ankommenden Pilgern Trank und Speise darreichen. Dabei kommt ein kostbares, im Kreise herum gebotenes Trinkgefaess (hanapp) ploetzlich abhanden und kann weder wieder zum Vorschein gebracht, noch die Art seines Verschwindens ermittelt werden. Doch als die Wallfahrer, wieder auf der Heimreise begriffen, sich ueber jenen Verlust besprachen, stand es ploetzlich unversehrt vor ihnen in Mitte ihres Weges. Es wurde ins Kloster zurueckgeschickt und hier als ein neues Wunderzeichen aufbewahrt. Walburg heisst ferner ein runder Steinthurm hohen Alters bei der unterfraenkischen Stadt Eltmann, er war von drei reichen Nonnen erbaut und konnte nicht anders eingenommen werden als durch ein blindes Ross, das man drei Tage hatte dursten lassen; alsdann verrieth es durch Stampfen den Belagerern die geheime Wasserleitung. Im benachbarten Hahnenwalde ist die Sigfrieds- und Drachensage lokalisirt. Panzer, BS. 1, no. 186. Walbele, Walberles- und Walburgisberg sind die volksthuemlichen Namen der Erenbuerg, eines hohen sattelfoermigen Berges beim oberfraenkischen Dorfe Wiesentau; das urkundlich 1062 genannt wird und ein Bestandtheil des karolinger Koenigshofes Forchheim gewesen war. Des Berges Gipfel ist mit Steinwaellen abgegrenzt, an seinem Fusse liegen Grabhuegel, aus denen man antiquarisch beruehmtgewordene kupferne Streitaexte erhoben hat. Hier war das Schloss von drei schoenen Fraeulein, die beim Trocknen die Waesche nur in die Luft warfen, so blieb sie haengen. Panzer, BS. 1, no. 157. Auf dem Giebel steht eine Walburgiskapelle, bei der am 1. Mai Wallfahrt und Jahrmarkt abgehalten wird; Tausende kommen von allen Seiten herauf, schon vor Sonnenaufgang zieht man den Berg hinan. Die Aussicht ueber die bluethenreiche Landschaft ist reizend; zahlreiche Wirthe sorgen fuer unerschoepfliche Libationen bei den gleichzeitigen Brandopfern der duftenden Bratwuerste. So erfuellt sich der alttestamentliche Segensspruch 1. Mos. 27, 28, in allen Theilen: Gott geb dir des Himmels Thau Und die Fettigkeit der Au Und die Fuelle der Halmen Und den Most der Palmen. Die Festbraeuche beim Sommerempfang, da man zu den wieder fliessenden Brunnquellen in hellen Haufen hinausrueckte, die darauf gegruendeten oertlichen Wasserrechte in Scheingefechten vertheidigte, mit Waldzweigen geschmueckt wie ein wandelnder Wald heimkehrte und die frischen Maien um den Ortsbrunnen steckte--haben sich als das Fest der Bannbeschreitung, der Oeschprozession und des Mairittes hier und da noch gefristet, und vervollstaendigen diesen vorliegenden Abschnitt vom Maienthau nicht nur, sondern schliessen ihn erst wirklich nachdrucksam ab. Vom 1. Mai an werden in oberdeutschen Landgemeinden die Grenzbesichtigungen des Bannkreises unter den verschiednen Benennungen der Bereisung, Landleite, Bannbeschreitung, des Flur- und Fohrumganges vorgenommen. Die ganze maennliche Bevoelkerung des Ortes, Jung und Alt, ist verpflichtet daran Theil zu nehmen und wird den Tag ueber auf Gemeindekosten verpflegt. Die dabei vorkommende symbolische Gedaechtnisschaerfung, die an der mitziehenden Jugend bei jedem neuen Marksteine mit Ohrenzupfen, Ohrfeigen und Einstutzen (auf den Stein stossen) vorgenommen wird, ist hinlaenglich bekannt; eben so wenig bedarf es einer Beschreibung, wie viel Pulver dabei aus den Knabenpistolen verknallt und welches Weinquantum vom Maennerdurst weggetrunken wird, um dann nach lustigem Tagwerke dem Kuechleinbackwerk entgegen zu ziehen, dessen wuerziger Duft vom Vaterorte her entgegen dampft. Die staedtischen Buergerschaften pfluegten ebenso unter grossem militaerischen Aufwande ihr Gebiet zu umgehen, haben jedoch seit dem Schlusse des vorigen Jahrhunderts der Kosten wegen es in Vergessenheit gerathen lassen. Dagegen haben sich katholischer Seits zu Stadt und Land die Oeschprozessionen reichlich noch behauptet. So nennt man den auf 1. Mai fallenden kirchlichen Flurumgang, bei welchem an vier in den verschiednen Zelgen der Dorfflur errichteten Altaeren die vier Evangelien abgelesen werden; der Priester besprengt die Flur mit geweihtem Wasser und besegnet sie mit dem Wetter- oder Schauerkreuz. Unter den bei diesem Bittgange durch Bischof Wessenberg seit 1805 vorgeschriebnen Versikeln und Liedern schliesst ein von der ganzen Gemeinde gesungenes: Deine milde Hand giebt Segen, Giebt uns Sonnenschein und Regen. So wird der Umgang im aargauer Frickthal und im jenseitigen Schwarzwalde abgehalten. Anderwaerts geschieht dies schon am Markustage, 25. Apr. In Tirol glaubt man, diese Prozession sei aelter als das Christenthum selbst, denn schon der Heiland habe derselben beigewohnt. Zingerle, Tirol. Sitt. no. 720; und allerdings findet sie sich unter dem Namen Rogationes schon unter den Karolingern kirchlich eingefuehrt (Rettberg, Kirchgesch. 2, 791) und war eine Fortsetzung der alten Robigalien; zur Abwehr des Rostes im Getreide veranstaltet. Diese Bittgaenge waren unter dem Namen der Hagelfeier-Predigten selbst bei der protestantischen Bevoelkerung an der Elbe ueblich und durch ein besonderes Volksgeluebde daselbst gestiftet gewesen. Die dortigen Lutheraner ruhten jaehrlich drei halbe Werktage von aller Arbeit und begaben sich zur Anhoerung einer Predigt, durch die man zugleich dem Hagelschlag wehrte. Eine solche Rede findet sich in Zerrenners Ackerpredigten, Magdeburg 1783, 282. Ein sehr alter und imponirender Zweig dieser Feste war der Mairitt; schon die Reimchronik von der Soester Fehde (bei Emminghaus, Memorabil. Susat. 1749, 660) nennt ihn einen Brauch aus alter Zeit: Up Walpurgis, als men in den meien plach tho riden na alter zede und gewonte. Die Ankenschnittenprozession zu luzernisch Beromuenster wird bereits in der Urkunde von 1223 erwaehnt bei Neugart, cod. diplom. no. 190. Sie wird am Himmelfahrtstage von den Stiftsherrn, den Rathsgliedern des Ortes, der Dragonermannschaft und den sich anschliessenden Wallfahrern zu Pferde abgehalten, Kreuz, Fahnen und Monstranz folgen zu Rosse mit, vom Rosse herab wird gepredigt. Der Ritt geht vom Staedtlein weg auf aargauisches Gebiet nach Maihausen, wo der Hofbauer nach alter, auf dem Gute haftender Verpflichtung jedem beritten Mitkommenden eine frische Ankenschnitte bereit halten muss, die dieser seinem Reitpferde ins Maul stoesst. Diese und aehnliche berittene Prozessionen sind bereits ausfuehrlich beschrieben in den _Naturmythen_ (Leipzig 1862) S. 17; nur das mittlerweile neu gefundene Material wird hier nachgetragen. Der Blutritt in Schwaebisch-Weingarten wird am sg. Wetterfreitag, am Tage nach Himmelfahrt abgehalten. Mit Ausschluss der Wallfahrer zu Fusse hat man dabei schon ueber siebentausend Reiter gezaehlt. Franz Sauter, Kloster Weingarten 1857, 35. In den oberschwaebischen Doerfern findet der Maithauritt am 1. Mai Morgens um 1 Uhr statt und kehrt mit Sonnenaufgang wieder heim. Man lagert in einem Walde, ist guter Dinge und laesst am Rueckwege die bequem gelegnen Wirthshaeuser nicht unbesucht. Birlinger, Schwaeb. Sag. 2, no. 123. Bei den Vlamingen heissen die am 1. Mai veranstalteten kirchlichen Umritte Marienprozessionen, doch faellt derjenige zu Anderlecht bei Bruessel auf Pfingsten, der in Haeckendover bei Tirlemont auf Ostern. Bei letzterem wird unter zahlreichen Pistolenschuessen dreimal die Kirche umritten, dann gehts mit verhaengtem Zuegel quer ueber die Felder, indem man annimmt, dadurch werde die Ernte eine gesegnetere. Ein Bauer, der sich diesem Herumtraben auf seinem Felde widersetzte, fand nachher alle Aehren leer. Wolf, Ndl. Saga no. 345. In Anderlecht ward ehemals derjenige, welcher nach dreimaligem Wettjagen der erste am Kirchenportal anlangte, zu Ross und mit dem Baenderhut auf dem Haupte von dem ganzen Kapitel in die Kirche gefuehrt, da mit einem Rosenkranz geschmueckt und feierlich wieder hinaus geleitet. Reinsberg, Festl. Jahr. 140. Beim sg. Koenigsreiten in oesterreich. Schlesien, wobei Dorfrichter, Geschworene und alle Pferdebesitzer der Gemeinde, geistliche Lieder singend, die Ackerzelgen umreiten, wird der beste Wettrenner Koenig. In Sachsen gilt um Pfingsten das Kranzreiten nach einem geschmueckten Baum, ist aber in Nietleben bereits zum "Betteln reiten" herabgesunken. Sommer, Thuering. Saga S. 154. Unsre rechtglaeubigen Bauern, bemerkt ueber die fraenkische Bevoelkerung in der Ansbacher Gegend Reynitzsch (Truhtensteine 143), reiten ihre Pferde am Ostertage ins Osterbad, gleichwie wir an demselben Tage uns neue Kleider anschaffen und die Zimmer ausweissen lassen. Johannes Boem, genannt Aubanus, von seiner Geburtsstadt Aub in Unterfranken, schrieb 1530 De moribus, legibus et ritibus gentium, woraus Ign. Gropp (Collectio Scriptor. Wirceburg.) den Abschnitt mittheilt, welcher das Frankenland betrifft; hier ist der wuerzburgische Pfingstritt also beschrieben: Pentecostes tempore ubique fere hoc agitur. Conveniunt quicunque equos habent aut mutuare possunt, et cum Dominico corpore, quod sacerdotum unus, etiam equo insidens, collo in bursa suspensum defert, totius agri sui limites obequitant, cantantes supplicantesque, ut segetes Deus ab omni injuria et calamitate conservare velit. Alljaehrlich zweimal, am 10. Mai und am zweiten Pfingsttage, begeht das suedfranzoesische Dorf Villemont das Kirchenfest seiner Ortsheiligen Solangia und traegt deren Reliquien in Prozession hinaus auf die Almende, welche Solangiafeld heisst und den von der Heiligen gegangenen Pfad noch aufweist, auf welchem das Gras stets schoener und dichter steht als auf dem angrenzenden Weideland. Da dieser Pfad die Zahl der Andaechtigen, die oft bis auf Fuenftausend anwaechst, nicht zu fassen vermag und folglich da und dorten in die Saat hinausgeschritten wird, die um Pfingsten schon ziemlich hoch steht, so nimmt diese dabei gleichwohl keinen Schaden, sondern richtet sich schon zwei Tage nachher wieder selbst auf; ein Wunder, von welchem sich Prinz Heinrich von Bourbon im J. 1637 mit eignen Augen ueberzeugt haben soll. Das Gegentheil aber erfolgte an dem Flachsacker eines Geizigen, als der Eigenthuemer hier der Prozession den Durchgang verweigerte; es fiel Mehlthau, der Sonnenstrahl schlug zu und die Anpflanzung wurde brandig. Godefr. Henschenius in Actis SS. tom. II, ad diem 10. Maii. Solcherlei Fruehlingsbraeuche, die jungen Saaten prozessionsweise zu umreiten und zu durchreiten, stuetzen sich auf heidnischen und auf alttestamentlichen Glauben und wollen Abbilder sein eines den Goettern selbst beigelegten gleichen Thuns. Die Psalmenstelle 65, 12--Du kroenest das Jahr mit deinem Gut und deine Fusstapfen triefen von Fett--liess eine Gottheit erblicken, welche das reifende Kornfeld persoenlich beschreitet und mit ihrer Fussspur ertragsfaehig macht, weshalb das Kirchenlied von Nikolaus Hermann "Um gut Gewitter und Regen" Strophe 9 jene Worte nachdruecklich wiederholt: Umkroen das Jahr mit deiner Hand, Mit deinen Fussstapfen dueng das Land. Hier ist der hl. Benno durchgegangen, sagen die preussischen Wenden von besonders gesegneten Feldern (Preusker, Vaterl. Vorzeit); von dem auf den Bergwiesen striemenweise fetter und ueppiger wachsenden Grase sagt der Tiroler, hier ist der fromme Graf Leonhard geritten, hier ist der Alpgeist mit schmalzigen Fuessen drueber gegangen (Zingerle, Tirol. Sag. no. 963. Tirol. Sitt. no. 314); hier ist der Kornweg des ausreitenden Rodensteiners, sagt der Hesse von den durch die noch gruene Frucht hinziehenden gelben Streifen vorreifender Kornaehren. Wolf, Hess. Sag. no. 31. 56. Von den ueber die Spitzen des Aehrenfeldes hinschwebenden Hufen des Goetterrosses versprach sich die Landwirthschaft vormals denselben Vortheil, den sie heute von den Merzwinden erwartet, diese haben nemlich dem jungen Halme Widerstandskraft gegen die sommerlichen Strichregen und Windstoesse zu geben, dann wird er sich weniger lagern und die Aehre weniger ins giftige Mutterkorn schiessen. Auf eine ganz nahverwandte landwirthschaftliche Erfahrung stuetzt sich auch der Ritt in den Maienthau. Bekanntlich haengt die Befruchtung der Kornaehren vom Samenstaub ab, den der Wind durch die Bewegung der Bluethen ausschuettelt und verbreitet. Diese Verbreitung geschieht aber bei der Unregelmaessigkeit der Bewegung nur unregelmaessig, daher bleiben viele Huelsen der Aehren taub. Der aargauer Bauer im Freienamte uebt nun seit alter Zeit folgende Methode zur kuenstlichen Unterstuetzung der Befruchtung aus. Von beiden Breitseiten des Kornackers ziehen zwei Maenner ein Seil ueber der Hoehe des bluehenden Getreides hin und streifen damit gelinde den Morgenthau ab. Dadurch werden nun einige der Aehren zwar "ringrostig", nemlich etwas brandig gemacht, die uebrigen aber gegen das Sichlagern gestaerkt und der ausfallende Samenstaub wird in ihnen gleichfoermig vertheilt. So wird also Brand und Mutterkorn verhuetet, die aus einer und derselben Ursache, aus nicht stattgefundner Befruchtung entstehen. Dieser Naturvorgang ist von den Griechen vergoettert, in Kunstgebilden dargestellt und bis auf die Athene uebertragen worden. Unterhalb der Akropolis zu Athen stand der Thurm der Winde, unter dessen acht Relieffiguren auf einer seiner acht Seiten der Ostwind (Apeliotes), der den gedeihlichen Saatregen mit sich fuehrt, dargestellt war als ein Genius mit heitrer Miene, gefluegelt, mit flatterndem Gewande einherschwebend, in den Falten seines Mantels einen Bienenkorb tragend und neben reifenden Fruechten eine Kornaehre. Droben auf der Akropolis stand die Athenestatue, die den Beinamen Pandrosos (Allesbethauende) fuehrte, als eine andere Demeter verehrt wurde und Aehren in der Hand trug (Welcker, Griech. Goetterl. 1, 313). Diesen ihren Beinamen hatte sie nach demjenigen der drei Toechter des Cekrops, welche Aglauros (Schimmernde), Herse (Thau) und Pandrosos (Allthauig) hiessen und den Erysichthon (Ackermann) zum Bruder hatten, der auch Aithon (Brand und Mehlthau) hiess. Die Thaufeste, Ersephorien, sollten dem Mehlthau steuern und waren der Athene gewidmet. Betrachten wir dieselben Anschauungen, wie sie in Sprache und Mythe unsrer deutschen Vorzeit sich ausgedrueckt haben. Thau, goth. daggvus, ahd. touwi, gehoert nach Kuhns Vermuthung (Weber, Ind. Stud. 1; 327) zu sanskrit. doha Milch, ableitend, von duh, ziehen, ducere, so dass also im Vorgange des Thauens das Geschaeft des Melkens und Milchausdrueckens erblickt wurde. Friesisch thavan, anglisch ton heisst waschen. Hundertfaeltig stimmen nun Mythen und Braeuche in der Annahme ueberein, aus dem rechtzeitigen Abstreifen des am Halme haengenden Morgenthaues lasse sich Milch und Butter gewinnen, als gediegenes Produkt fertig herauspressen, und das in diesen Thau getriebene Milchthier ergebe doppeltes Milchquantum. Die Synode zu Ferrara 1612 verbietet, Tuecher in der Nacht vor Johannis Baptistae unter den Himmel zu breiten in der Absicht, den Thau aufzufangen. Liebrecht, Gervas. Tilb. S. 230; gleichwohl ertheilt Schnurr im Oekonom. Kalender besonderen Unterricht, wie man den Himmelsthau vom schossenden Getreide mit subtilen Tuechern aufzufangen und diese in Gefaesse auszuwinden habe, denn solcher Thau sei unsres Landes Manna. Praetorius, Blockesberg S. 559. Grohmann, Boehm. Abergl. S. 132 berichtet Folgendes von einem nun verstorbenen Simanek aus Kaurim. Er schmueckte in der Walburgisnacht seine Kuh mit gruenen Zweigen und einer Decke, zog sich selbst nackt aus und fuehrte das Thier durch den Thau. Heimgekehrt drueckte er die thaubenetzte Decke in ein Gefaess aus, indem er dabei mit den vier Zipfeln umgieng wie beim Melken, und gab das gewonnene Wasser den Thieren unter die Traenke. Sie waren dann das ganze Jahr milchreich. Es ist eine von Sachsen bis nach Ostfriesland nachgewiesne Sitte, abwechselnd um Mai, Ostern oder Pfingsten, den Fruehthau zu gewinnen, indem man die Heerde hineintreibt oder ihn mit Wettritt und Wettlauf feierlich abstreift. Die am fruehesten ausgetriebene Weidekuh bekommt einen langen Maibusch an den Schwanz gebunden, erhaelt den Preisnamen Daufaejer, Dauschloepper, das wettrennende Ross den Namen Thaustrauch, weil sie den ersten Thau erfolgreich weggefegt haben, und werden mit dem am Rennziel auf der Stange steckenden Blumenmaien oder Brodweck beschenkt. Kuhn, Nordd. Sag. S. 380-88. Westfael. Sag. 2, S. 165. Ebenso gilt in Holland das Daauwtrappen und Daauwslaan. Allein die egoistische Natur des Menschen, die bei jedem Begegnisse den Neid des Andern voraussetzt, verkehrt den heiligen Thau zum Zaubermittel; darum gehen denn auch die Hexen um Weihnachten in die Wintersaat und erhorchen die Zukunft, auf Walburgis in das gruene Korn, auf Pfingsten ins Roggenfeld, um in Thau zu baden, mit den hinter sich her gezogenen Tuechern ihn aufzusammeln, daheim auszupressen und so die Milch jeder fremden Weidekuh fuer sich zu gewinnen. Schoenwerth, Oberpf. 3, 172. Daher heissen die Hexen in Holstein Daustriker. Die ao. 794 zu Frankfurt versammelten Bischoefe erklaerten eine letztjaehrige Hungersnoth daraus, dass der Teufel den Leuten, welche den Zehnten nicht entrichten, damals die Aehren ausgefressen habe: experimento enim didicimus in anno, quo illa valida fames irrepsit, ebullire vacuas annonas a daemonibus devoratas et voces exprobriationis auditas. Schmidt, Gesch. d. Deutsch. 1, 575. Niedlich lauten die Histoerchen von den Zwergen, die sich des gleichen Vortheils zu bedienen suchen und darueber klaeglich entdeckt werden. Wenn die Zwerge im Harz in die Erbsenfelder giengen, hatten sie ihre unsichtbar machenden Nebelkappen auf. Allein die Leute nahmen einen Pflugstrick oder eine lange Stange und fuhren damit oben ueber das Feld hin. Damit fielen den Zwergen die Nebelkappen vom Kopfe, sie wurden sichtbar und konnten tuechtig durchgepruegelt werden. Proehle, Harzsag. 1, 199. 210. Um sich nun gegen die Nachstellungen der Hexen sicher zu stellen, kommt man ihnen auf folgende Weise zuvor. Man breitet in der Walburgisnacht ein weisses Tischtuch im Hofe aus, auf dem neunerlei Arten Kornes durch einander geschuettelt liegen, laesst sie vom Nachtthau benetzt werden und fuettert damit saemmtliche Hausthiere vom Stier bis zum Huhn hinab. Darstellungen aus dem Gebiet des Abgl., Graetz bei Kienreich 1801, S. 9. Da auf aehnlich magische Weise auch der Butterraub ausgeuebt wird, so ist das Gegenmittel hier wiederum ein gleiches: am 1. Mai alle Speisen recht stark zu schmalzen, Ankenschnitten, in der Schweiz eine dickgestrichene _Ankenbruet_, am Familientische zu essen, allen Hausthieren davon zukommen zu lassen und dem Weidevieh beim ersten Austrieb ein solches Stueck zu geben. Vom hexenhaften Buttergewinn erzaehlt Jac. Sprenger im Hexenhammer, pars 2, quaest. 1, cap. 14 folgende Begebenheit. An einem Maitag empfanden mehrere zusammen ueber Feld Spazierende grosse Lust, frische Maibutter zu geniessen. Sie standen zufaellig an einem Flusse. Ich will euch solche besorgen, sprach einer von ihnen, wartet nur ein wenig. Er gieng in den Fluss, setzte sich mit dem Ruecken gegen den Lauf, ruehrte mit den Haenden rueckwaerts und es dauerte nicht lange, so brachte er eine foermliche Butterballe zum Vorschein, wie sie die Bauern im Mai machen. Die Gesellen fanden sie beim Verkosten ganz trefflich schmeckend.--Ein aargauer Bauernsprichwort sagt rationalisirend: Wer am Maitag Gras haeufelt, der kann an der Auffahrt schon eine Ankenballe in seiner Matte bergen. Der gelehrte Abt Trithemius dagegen versichert in seinem fuer Kaiser Max I. verfassten Liber octo questionum (gedruckt bei Joh. Hasselberger 1515) alles Ernstes in der sechsten Frage: Exploratum habemus, maleficas in fluminibus concitatis hausisse butyrum temporibus. Daher heisst es, in der Walburgisnacht fliege der Drache um und trage seinen Glaeubigen Butter und Schmalz aus fremden Haeusern zu. Was er nicht weiter schleppen kann, speit er auf die Schwindgruben; die gelbweissen Algen in Tellergroesse, die man auf dem Duengerhaufen zuweilen erblickt, heissen daher Drachenschmalz. Schoenwerth, Oberpfalz 1, 394. 396. Mit demselben Morgenthau erwartet man auch den Honigregen; denn, sagt Carrichter, des Kaisers Maximilian II. Leibarzt, in der Teutschen Speisskammer (Strassburg 1614) S. 69: "Da die Bienen im Herbste, obschon dann noch immer Blumen vorhanden sind, keinen Honig mehr eintragen koennen, so ist daraus zu ersehen, dass der Honig nicht aus den Blumen, sondern aus dem Thau bereitet wird, der zur Zeit des Siebengestirns auf die Blumen faellt;" und daher erzaehle Galenus, 3. B. de alimentis, die Bauern haetten am Morgen, wenn sie Honig auf den Baeumen kleben gesehen, ein Freudenlied gesungen: "der grosse Jupiter im Himmel droben regnet uns Honig auf das Feld!" Unsre Bauernregel besagt: Viel Honigthau im Mai giebt starke Bienenschwaerme. Thau und Honigfall wird von einem Engel uns zugebracht, er liefert, nach Hebels Alemann. Gedichten: Mengmol e Haempfeli Bluememehl, Mengmol e Troepfli Morgethau. Da beides die ausschliessliche Nahrung der Unsterblichen ist, so ist sie darum auch so suessschmeckend; denn, sagt Hebel: Doert oben wachst kei Gras, doert wachse numme Rosinli. Die boehmische Haingoettin Medulina hat ihren Namen vom Honigtranke Meth. Sie ist eine Weisse Frau, die in der einen Hand ein Koerbchen mit Pflanzen, in der andern einen Strauss traegt. Im Fruehlinge traegt das Volk Honig in die Waelder, stellt ihn auf die Baumstoecke und spricht: Medulina, da hast du, du giebst es uebers Jahr wieder! Grohmann, Boehm. Sagb. 1, 134. Im finnischen Epos Kalewala, 15. Gesang, wird erzaehlt, wie der ertrunkene Lemminkaeinen von der Mutter wieder ins Leben gebracht wird. Alle Besegnungen und Heilmittel wollen ihm aber nicht wieder zum Sprachvermoegen verhelfen. Da fleht die Mutter ein Honigbienchen an, es moechte hinauf in den neunten Himmel fliegen, wo Gott aus seinem Honigkeller die zu Schaden gekommenen Kinder salbt. Das Bienchen bringt von dieser Salbe herbei, die Mutter stillt des Sohnes Schmerzen und die Sprache kehrt auf seine Zunge zurueck. Das grosse Kapitel des Hexenglaubens liegt nun zwar mit der Walburgisnacht hier nahe genug zusammen; gleichwohl soll es nur so weit beruehrt werden, als dadurch der innerliche Grund seiner missgestalteten Meinungen an der Hand der bisher vorgetragnen Angaben zur Verdeutlichung gebracht werden kann. Fuellt der Koenigssohn im Zauberschlosse drei Flaschen mit dem Wasser des Lebens und heilt damit den alten kranken Koenig (Grimm KM. 3, S. 178), so taucht dagegen die Hexe am Walpernabend ihren Finger in sieben Bouteillen, beschmiert sich damit und faehrt so auf den Blocksberg. Kuhn, Nordd. Sag. S. 192. Dies aber sind urspruenglich jene Zinnkannen und silbernen Kannen, die beim Bergquell Salibrunnen an der Waldwohnung der Erdmaennchen stehen (Aargau. Sag. 1, S. 198), oder die naechtlicher Weile vom Ritterschloss Breuerberg in der Wetterau zum zerstoerten Nonnenkloster Erlesberg hinueber wandern. Wolf DMS. no. 454.--Das Horn, aus welchem zum Maienfest Minne getrunken wird, ist golden, wird in verschiedenen Kirchen aufbewahrt und als Altarkelch gebraucht; selbst das Bestehen ganzer Geschlechter ist an seine Erhaltung geknuepft (Menzel, Odin 250-53); das Trinkhorn aber am Blocksberg ist ein Kuhfuss und sein Inhalt ein seuchentraechtiger Satanstrank. Mit Fackeln wird Saat und Gras aus dem Boden gezuendet, unter Glockenklang mit Musik und Gesang der Lenz geweckt, doch auch dieser dichterisch erfundene Brauch verkehrt sich ins Daemonische und wird sein eignes Gegentheil. Dann heisst das Entzuenden der naechtlichen Freudenfeuer ueberall das Hexenbrennen, und aus dem lustigen Fruehlingsbrauch, die nun endlich in Ruhe kommenden Besen und Schuergabeln in Flammen aufgehen zu lassen, macht der Unverstand einen Luftritt der Zauberer auf dem Besenstiel und ein sich selbst Verbrennen des Satans in Bocksgestalt. Waehrend noch im J. 1839 das Maerzfest im Bergell unter Trommelschlag und Hoernerklang begangen wurde, wobei ein jeder im Zuge Kuhschellen umgebunden trug und laeutete, "_damit das Gras waechst_" (Leonhardi, Rhaetische Sitt. 1844), gilt im kathol. Frickthal und in dem benachbarten badischen Schwarzwald kirchlich das Reiflaeuten im Mai, wie das Gewitterlaeuten im Sommer. Im tiroler Innthale umgeht am Joergentage, 24. April, die russige Prozession die Felder. Mit Kuh- und Hausglocken, mit Hafen und Pfannen laermend, im unflaetigsten Sennenhemde und mit berusstem Gesichte, Kroeten und Eidechsen zur Schau tragend, durchstreifen die Bursche das Gemeindefeld und werden bei ihrer Rueckkehr ins Dorf dafuer beschenkt. Und damit alle sittlichen Vorstellungen so recht vom Gaul auf den Esel kommen, tritt an die Stelle der rossetummelnden Saatenreiter die haessliche Bocksreiterei und der teufelsverschworene Bilmesschnitter. Auf einem schwarzen Bocke, am Fusse die Sichel angeschnallt, durchreitet und durchschneidet er den Aufwuchs ganzer Ackerbreiten. J. Feifalik hat in der oesterreich. Gymnas. Ztschr. 1858, 410 aus einer Hds. des Olmuezer Archivs einen Segensspruch veroeffentlicht gegen "die Pylweisse om sent Wolbrygh-obent"; der Besegner giebt dabei dem Stallthiere eine geweihte Kerze zu verschlucken. "Es wor am Walburgisobende geschahn, wenn de Puelewesen osfaren", schreibt hievon der Schlesier A. Gryphius, Dornrose 51 (nach Weinholds Schles. Woertb. 1855, 10). Mit Heiloel salbt die Schlachtenjungfrau den wundgewordnen Krieger; mit dem aus ihrem Brustbein fliessenden Oel heilt Walburg die Kranken; aber die zum Tanze ausfahrende Walburgishexe bestreicht sich mit einem in den Oberpfaelzer Sagen Schoenwerths 1, 372 ausfuehrlich besprochnen Hexenoel, und wenn sie darueber im fremden Stalle betroffen wird, "streicht ihr der Bauer dafuer den Buckel, dass sie Oel giebt". Alpenburg, Tirol. Sag. 1, 290. Thors Tochter heisst Thrudhr, d.h. die Tretende; denn nachdem der Ackergott, ihr Vater, das Korn hat reifen lassen, laesst sie die vollen Garben in der Tenne austreten. Hierauf aber wird die Trud zum Alp, welcher den Schlafenden auf die Brust tritt, dass er erstickt, oder, wenn ihr dieser mangelt, die neubelaubten Baeume reitet, dass man alle Verkrueppelungen an Eschen und Fichten Trudenpfoetschen nennt. Das Stallthier wurde des Milch- und Buttergewinnes wegen in den Maienthau hinaus getrieben, dass es zuletzt dem thaumaehnigen Rosse der jungfraeulichen Walkueren glich; statt ihrer aber liess hierauf der grobe Aberglaube die Trude Nachts in den Stall schleichen und die Thiere reiten, dass sie des Morgens abgehetzt und voll Schweiss dastehen, nur Maehne und Schweif ist von unbekannter Hand in zierliche Frauenzoepfchen geflochten. Statt die Haeuser mit Maien zu schmuecken und den Walbernbaum aufzupflanzen, werden so viele Ruthen auf den Duengerhaufen gesteckt, als man Rinder hat, die Kinder machen sich aus Weiden kleine Galgen und ueberspringen sie in die Wette; wer dabei nicht anstoesst, in dessen Hause werden die Milchkuehe ergiebig. Haupt-Schmaler, Wend. Volksl. 2, 224. Ein foermliches Treibjagen wird gegen die Hexen angestellt; mit knallenden Peitschen werden sie aus der Dorfflur hinausgehauen, dies ist das Hexen-Tuschen, Hexen-Auspletschen in der Oberpfalz (Schoenwerth 1, 312), das Maibutter-Ausschnellen in Tirol (Zingerle, Sitt. no. 783), das Hinausblitzen in Deutschboehmen (Reinsberg, Festl. Jahr 137). Mit einem tuechtigen Schuss Pulver schiesst man in die auf die Hausschwelle gesetzte Milchschuessel, dass kein Tropfen davon drinnen bleibt; dann hoert die Kuh auf, blaue Milch zu geben. Darstell. aus d. Gebiet des Abgl. (Graetz 1801) S. 126. So weit erstreckt sich die Umwandlung alles Natuerlichen ins Zauberhafte, so weit gieng die Gesunkenheit des urspruenglich so gesunden Volksbegriffs. Aller lebensfrohe ruestige Volksbrauch ist in Boshaftigkeit verkehrt. Wird im 13. Jahrhundert vielfach gegen den Volksglauben an sg. Nymphen gepredigt, so heissen diese doch immer noch schoene Jungfrauen, die mit brennenden Wachslichtern in den Staellen die Thiere besorgen, dass des Morgens Wachstropfen in den Maehnen der Rosse kleben; sie erscheinen unter schattigen Waldbaeumen, verbinden sich dem Getreuen in Liebe, stillen dem Armen Hunger und Durst, ihre Herrin ist nach dem gelehrten Ausdrucke jener Zeit latein. Abundantia, die romanische dame Abonde, die Koenigin Habundia, unsre deutsche Goettin Fulla. Wo sie erscheinen, da bringt es dem Hause Glueck und Vorsput. So anfangs als Allguetige verehrt, sind sie nun feindselig und gefuerchtet; erst eine ueberirdisch schoene Holda, dann eine triefaeugige Unholdin; erst eine thaufrische Walburgis, unter deren Schritt der Acker von Oel trieft, zuletzt eine Anna Walper von Wertheim, die im peinlichen Protokoll v.J. 1644 bekennt, den Teufel beim Hexentanze in einer eisernen Schellenkappe mitgesehen zu haben. Wolf, Ztschr. f. Myth. 4, 23. Sogar zu der finnisch-ehstnischen Bevoelkerung ist dieser Name gedrungen, vermittelt durch die Schweden; der Heiligen Festtag heisst Wolpripaeaew (Russwurm, Eibofolke 2, 263. 1, 74. 98). Die Serben nennen den Hexenritt na Walporu. Haupt-Schmaler, Wend. Volksl. 2, 265. Noch bevor diese Satanisierung der deutschen Goetter durch die Kirche genugsam durchgefuehrt werden konnte, verwandelten sie sich mit ihrer im Volksglauben nicht bezweifelten Macht erst ins Riesenhafte. In rueckwaertsschreitender Betrachtung unseres Gegenstandes zeigen wir nun die Joeten- und dann die Walkuerennatur Walburgis und sind damit am Schlusse. * * * * * Sechster Abschnitt. Walburg, die Goettin der Zeugung und Ernaehrung. Der Ordensneid der Jesuiten gegen die von ihnen unabhaengigen Dioecesen und Stifte gab den ersten Anlass, die Walburgislegende in ihrem Gesammtzusammenhang zu betrachten, waehrend man sie bis dahin fast nur in ihrer lokalen vereinzelten Tradition aufgefasst und dargestellt hatte. Die Ingolstaedter Jesuiten, unter ihnen Gretser voran, wollten der niederdeutschen Walburg nicht die kirchliche Geltung der oberdeutschen zuerkennen. Jene, behaupteten sie, sei die sg. Walburga Westfalica, eine gewesene Nienheerser oder Herswender Nonne im Kloster bei Paderborn, die Schwester des dortigen Bischofs Liuthard, die um 840 gelebt habe und nebst ihrem Bruder 877 von den Vandalen erschlagen worden sei. Sie sei nur selig gesprochen worden, dagegen die Eichstaedter Walburg sei bereits im J. 779 gestorben und canonisirt; erst ihr Ruhm habe jener westfaelischen Namensschwester zu einigem kirchlichen Ansehen verholfen. Diesem Vorgeben steht indess in der Kirchengeschichte Niederdeutschlands alles Moegliche entgegen. Der groessere Theil der dortigen alten Stiftskirchen ist der hl. Walburg schon seit so alter Zeit geweiht, dass man daselbst von der Walburgiskirche zu Groeningen behauptet, sie sei ein Heidentempel der _Goettin_ Walburg gewesen, und dass man in der Walburgiskirche zu Veurne (Dioecese Ypern) sogar noch die Stelle zeigt, wo dieser Goettin Menschenopfer gebracht worden sein sollen. Wolf, Ndl. Sag. no. 309, S. 696. Bollandisten l.c. 522. Die Annahme eines sehr hohen Alters dieser Kirchen wird zugleich durch ihren Baustil unterstuetzt; die zu Groeningen ist eine Rotunde mit thurmaehnlichen Mauern und steht auf einem Gange, welcher unterirdisch bis zum Nachbardorfe Helgen fuehren soll. Diejenige zu Antwerpen, in der dortigen Altstadt gelegen, heisst Burg (castrum), in ihrer Krypta soll Walburgis auf ihrer Herreise aus England gewohnt und die Gastfreundschaft der Stadt genossen haben. Je weiter man nun den Walburgiscult nordwaerts verfolgt, um so mehr tritt seine heidnische Abkunft hervor, und Walburg nimmt da nebst ihrem bischoeflichen Bruder die vergroeberte Gestalt der Riesen an. Schon im Harz wird _Wilibald_ ein Huene genannt (Proehle, Harzsag. 1, 275); um Harlem aber gilt Walburg als die Heerden weidende und Strandraeuber vertilgende Riesin Walberech. Seeraeuber ersaeuft sie, Viehdiebe frisst sie lebendig auf; dann nimmt sie ihre Ochsen unter den rechten Arm, ihre Rosse unter den linken, steckt die Schafe zusammen in die Haare ihres Hauptes und geht so in einem Schritte von Holland nach England hinueber. Wolf, Ndl. Sag. no. 28. Als eine gleich ungestueme Heidenfrau, menschliches Mass ueberschreitend, gilt Walburg in Schweden, wovon in Wedderkop's Bildd. a.d. Norden, 2. Th. die Rede ist. Nicht anders erzaehlt die, irische Legende von der Hexe Moll Wallbee in Beeckmakshire, sie habe das Schloss Hao in einer Nacht erbaut und die Steine dazu von Dollgellen in der Schuerze hergetragen. Als ihr dabei im Laufen ein Kiesel in den Schuh kam, schleuderte sie ihn heraus; er fiel auf den Kirchhof von Clowes, drei Meilen von Dollgellen, da liegt er noch, neun Fuss lang und einen dick. (Vulpius) Curiositaeten Bd. 8, 240. Endlich hat sich jene Walburga Westfalica sogar als eine Antwerpner Venus herausgestellt, deren Abbildung in Wolfs Beitraegen 1, Tafel II, Figur 1, lehrt, dass sie keineswegs die antike Venus gewesen ist, sondern ein deren antiken Namen tragendes deutsches Goetterbild. Es ist ein ueber dem Antwerpner Steenport in die Mauer eingelassenes, halb erhaben gehauenes Steinbild, das noch in seinen urspruenglichen Umrissen zu erkennen, in seinen Besonderheiten aber abgemeisselt ist; dasselbe hat langes Haar, hebt beide Arme bis zur Kopfhoehe anbetend empor und zieht die aus einander gespreizten Beine herauf. Dass es ein Goetterbild war, urtheilt Wolf, l.c. 107, darin stimmen alle aelteren Geschichtschreiber Antwerpens ueberein, unter denen auch der beruehmte Bollandist Papebrochius; dafuer spricht ferner die allgemeine Verehrung, deren es genoss, dafuer zeugt auch, dass unfruchtbare Frauen ihm Kraenze und Blumen opferten, die Manneszeichen, die es phallisch trug, abschabten und als Heilpulver tranken, um bald des Mutterglueckes theilhaftig zu werden. Davon berichten Mart. Zeiller, Itin. Gall. Bl. 527; Goropius Becanus, Origin. Antverp. pg. 26; J.B. Gramaye, Antiquitt. Antverp. lib. II, pg. 13, und selbst die Bollandisten III, 521. Bei dem geringsten Zufalle, sagt Becanus, welcher Antwerpner Frauen begegnet, ob sie ein Kuechengeschirr zerbrechen, oder sich die Zehe verstauchen, rufen sie ohne weiteres dieses priapische Bild laut an, und selbst bei den Anstaendigsten ist solche alte Unsitte noch im Schwange. Die Ortslegende, deren Gramaye erwaehnt, erzaehlt, dass der hl. Willibrord, als er hier die Bekehrung begann, die heidnische Anbetung dieser steinernen Walburgis schon vorgefunden und an ihrer Stelle den Dienst der hl. Walburgis eingefuehrt habe. Die Heiden haetten jedoch von diesem Idol ihrer Venus nur sehr zaehe abgelassen, und daher ruehre denn der bei den dortigen Weibern andauernde schmutzige Brauch, deren Hartnaeckigkeit in Sachen des Aberglaubens allbekannt sei. Somit steht der Cult einer vorchristlichen, norddeutschen Walburgis fest, welche in der Moenchsprache Venus und, da sie phallische Abzeichen trug, Priapus genannt worden ist. Ihre Hermaphroditengestaltung entspringt aus den urspruenglichen Grundbegriffen der eddischen Goetterlehre, zu Folge welcher die Gottheit doppelgeschlechtig ist, um sich selbst ins Unendliche fort zu erzeugen. Dem Urriesen Ymir erwuchs unter dem linken Arme Mann und Weib. Tuisco, der vaterlose Stammgott, erzeugt aus sich selbst den Sohn Mannus. Die Ackergoettin Walburg musste doppelgeschlechtig sein, wie die Pflanze und das Samenkorn ein Zwitter ist. Als weiblicher Liebesgott erscheint sie priapisch, gleich dem maennlichen Liebesgotte Freyr, (ahd. Fro), welchen Adam von Bremen Fricco unter der ausdruecklichen Beifuegung benennt, er werde phallisch abgebildet, walte ueber Regen und Sonnenschein und stehe den Werken des Friedens und der Ehe vor: cujus simulachrum fingunt ingenti priapo; si nuptiae celebrandae sunt, sacrificia offerunt Fricconi. Sein Name gruendet in der Wurzel pri = freien, woraus auch Priapos, selbst stammt. Freyrs Schwester Freyja (gleich der altslavischen Prija = Venus) ist daher die Ehefrau ausschliesslich. Es ist nun gewiss ausserordentlich bedeutsam, dass sich ganz dieselbe Verehrung heidnisch-phallischer Bildwerke im Eichstaedter Gebiete, als dem sueddeutschen Schauplatze der Wirksamkeit der hl. Walburg, wieder findet. In dem zwischen den Staedten Eichstaedt und Weissenburg am Ausgaenge des grossen Weissenburger Waldes gelegnen Dorfe Emmetsheim findet sich unter mehrfachem roemischem Grundgemaeuer im Garten des dortigen Wirthshauses ein antiker Steinwuerfel, dessen eine Seite die Grabinschrift einer roemischen Ehefrau, die andere die eines Merkuraltares traegt. Letztere zeigt die Herme einer stark gebruesteten Frau; auf der andern ist eine nackte Figur sitzend dargestellt mit aus einander gespreizten Beinen, beide Haende am Phallus haltend. Beide Figuren sind an den Einzeltheilen vorsaetzlich verstuemmelt. Noch im vorigen Jahrhundert setzten sich unfruchtbare Weiber auf dieses Steinbild, um dadurch zum Kindersegen befaehigt zu werden, und als der Markgraf von Ansbach am 7. April 1721 hier durchreisend den Stein besah und um ihn fuer seine Kunstsammlung anzukaufen, sich an den Eichstaedter Bischof wendete, wurde ihm die Antwort, dass diese Gruppe als _Nahrung des Wirthes_ in statu quo zu belassen sei. Sax, Gesch. v. Eichst. 1857, S. 287. Von der Moenchsweisheit wurde dieses Bild abwechselnd bald der Goetze Miplezeth (1 Koenige 15, 13), bald Priapus genannt. Falkenstein, Nordgau. Alterth. 86. "Der Phallusdienst, sagt Grimm, Myth. 1209, entspringt in der Kindheit der Voelker aus einer schuldlosen Verehrung des zeugenden Prinzips, die eine spaetere, ihrer Suende bewusste Zeit aengstlich mied." Voltaire war der Urheber der tiefen Bemerkung, dass schluepfrige religioese Ceremonien nichts gemeinsam haben mit schluepfrigen nationalen Sitten. In dem Essar sur les moeurs ch. 143, Oeuv. 17, 341 sagt er: "Unsre Vorstellungen ueber Wohlanstaendigkeit veranlassen uns zu glauben, ein uns schamlos erscheinender Brauch koenne nichts anderes als eine Erfindung der Zuegellosigkeit sein. Allein es ist unglaublich, dass Sittenverderbniss jemals bei irgend einem Volke die Stifterin religioeser Ceremonien gewesen waere. Im Gegentheile ist es verbuergt, dass dergleichen Braeuche bereits in den Zeiten der Sitteneinfalt entstanden und dass man dabei keinen andern Gedanken hatte, als die Gottheit in dem uns von ihr gegebnen Lebenssymbole zu verehren. Ein derartiger Feierbrauch hatte den Zweck, die Jugend fuer ihre Reife zu begeistern und kann nur einem ergreisten Gehirne in abgeklaerten, abgefeimten oder moralisch ruinirten Epochen laecherlich erscheinen." Folgerichtig wurde nun die Goettin der Fruchtbarkeit nicht nur in ihrer Koerpergestalt priapisch gedacht, sondern auch die von ihr kommende Frucht, in gleicher Weise kuenstlich geformt, zum Genusse dargeboten. Daher weihte man den Gottheiten des Ackerbaues phallisch geformte Kuchen. Priape, aus Weizenmehl gebacken, erwaehnen Martial (XIV, 61: Priapus siligneus; IX, 3: siligneus cunnus) und der Scholiast zu Juvenal II, 53: membra virilia, de melle et fermento composita. Unseren eignen Vorfahren war diese Sitte keineswegs fremd. Joh. Campegius De re cibaria 1560 schreibt: aliae placentae repraesentant virilia (si diis placet); adeo degeneravere boni mores, ut etiam christianis obscoena et pudenda in cibis placeant. Sunt etiam quos cunnos saccharatos appellent. Dass solcherlei Kuchen (miches), die weiblichen Theile darstellend, vorzugsweise in der Auvergne gebacken wurden, bemerkt Dulaur De divinites generatrices 226 und fuegt noch hinzu: dans plusieurs parties de la France on fabrique des pains, qui ont la figure du Phallus. Aehnliche Landesbraeuche umgeben uns noch ringsum, man braucht nur die Augen zu oeffnen. Das Milchbrod der fraenkischen Eierweckchen, in bekannter zweideutiger Form gebacken, heisst in Ansbach Klaerungsweck; dieser Name wird daselbst nicht etwa von Eierklar abgeleitet, sondern von der Clairon (gestorben 1803 zu Paris), des letzten Ansbacher Markgrafen Hofmaitresse, deren Lieblingsspeise diese feine Brodgattung gewesen sein soll. Archiv f. Oberfranken V. 2, 93. Das altbairische breite Eierweckel wird als Geschenk nur an Maedchen gegeben, dagegen das stangenartige Weissbrod des Kipferl nur an Bursche. Dass man in den oberbair. Gegenden beiden Brodformen sexuelle Bedeutung unterlegt, beweisen die um Rosenheim und im Chiemgau hierueber gesungenen Schnaderhuepfeln, in denen das stuprum variirt wird. Aehnlich ist das obscoene Gebildbrod der Meissner Fummeln, ueber welche Schaefer im ersten Theil der deutschen Staedtewahrzeichen 1858 gehandelt hat, und dasjenige der verschiedenartig, stets schimpflich zubenannten Nonnenkraepflein. Deutsche Festbrode, gebacken in Gestalt der in den Cannstatter Grabhuegeln aufgefundenen Frobildchen, welche das gleiche Symbol des Belebens und Wiedererweckens an sich tragen (Memminger, Beschreib. des OA. Cannstatt, 18), heissen in Oberdeutschland Mannoggel, Nikolause, Klausmaenner, Hanselmaenner, Grittebenze; in Niederdeutschland Sengterklas, Klaskerlchen u.s.w. Die weibliche aehnlich gestaltete Brodfigur wird gewoehnlich nur die Frau genannt. Beiden ist gemeinsam, dass ihnen Augen, Brueste, Rockknoepfe aus Korinthen eingesetzt sind, dass sie beide Arme in die Seite einstemmen und ihre Beine weit aus einander spreizen; daher auch ihr Name Gritte, Grittebenz, altbair. Beingrattel, varus oder valgus. Es ist in ihnen, also die Stellung der beiden vorhin beschriebenen Steinbilder zu Antwerpen und Emmetsheim typisch wiederholt. Alle diese Formen sind symbolische, dem mythischen Zeitalter und den Urvorstellungen der Menschheit angehoerende, und muessen eben darum gegen unser Sittengesetz verstossen, weil dieses im Bewusstsein des Naturmenschen noch gaenzlich schlummert. Bis hieher ist verspart geblieben, den Namen Walburg zu erklaeren und mit den Hauptzuegen seines Mythus in Verbindung zu bringen. Wie der bisher vorgetragene Sagenkreis in zwei Haelften sich scheidet, in ein lichtes Fruehlingsgebiet und in ein daemonisches Nachtreich, so fuehrt auch die Etymologie des Namens in diese Doppelwelt. Die schoenere Seite mache hier den Beginn, weil sie sprachlich die ergiebigere ist. Wenn der liebende Wuotan im Fruehlingsbeginne seine Vermaehlung mit der Himmelsherrin (Freyja, Frouwa) feiert, so traegt er den ahd. Beinamen des Liebesgottes Wunscio, nordisch Oski, und ist begleitet von einem Liebesheere von Brautjungfern, welche die schwanenweissen Wuenschelfrauen, Schwanenjungfrauen sind, nord. oskmeyjar, Wunschmaedchen. Das Wort Wunsch stammt aus wunia, bedeutet Lust und Liebe, und fuehrt uns sogleich 1) auf Walburgis Mutter _Wunna_, aus deren Namen die Lateinlegende eine Bona mater, und die niederdeutsche Legende eine _Frau Guta_ bildete (Gretser 749), eine in der deutschen Heldensage vielgenannte Ahnfrau der Heldengeschlechter. Sodann fuehrt Wunsch 2) auf den Namen eines der Brueder Walburgis, Wunnibald: der den Wonnewunsch Gewaehrende. Als Wunnas Oheim sodann wird in dem von Othlon verfassten Leben des Bonifacius dieser Bekehrer Winfrid genannt (der Frieden Gewinnende); diese beiden Namen alliteriren zum Namen Wunnibald und stellen also durch gleichen Wortstamm und gleichen Anlaut, auch sprachlich eine Sippe dar. Des andern Bruders Wilibald Name knuepft sich an den eddischen Beinamen Odhins, Vili, opes und felicitas bedeutend. Dem Namen Winfried entspricht der ahd. Frauenname Winburc, demjenigen Wilibalds eine ahd. Wiliburc und Willahild; und vorgreifend sei bemerkt, dass die englische Koenigstochter Werburga auch Walburg hiess: Werburga, Wulferi, Merciorum regis et Ermenildae filia, quae saepius etiam Walpurga dicitur. Basnage bei Canisius tom. II. 3, 266. Walburgis Vater heisst Richard, d.i. dives, potens, wieder allmaechtige Gott gleicherweise der Reiche genannt wurde. Saemmtliche Namen in Walburgis' Sippschaft sind also naechstverwandt mit den hoechsten Goetternamen. Der Himmel nun, in den jenes Liebesheer gefluegelter Jungfrauen das Goetterpaar geleitet, ist Walhall, nordisch Valhoell, und der silbergedeckte Saal darin heisst Valaskialf, der Wunschhof, also eine Wahlburg, eine Burg der Auserwaehlten. In gleicher Namensbildung wie Walburg besteht der angelsaechsische Name der Friedensgilde: Fridborg, d.i. Friedensbuergschaft. Allein jenem Wonnemonat der Vermaehlung Odhins geht des Gottes stuermische Brautwerbung im Mittwinter (den Zwoelften) voraus, wo die leidenschaftlich Wuenschenden zu Verwuenschten, die Liebenden zu Wuethenden, ihre Hochzeitsreigen zu geschlechtlichen Hexentaenzen werden (Grimm, Ueber den Liebesgott). Dann aendert sich die Bedeutung des Wortes wal (von valjan, eligere). Die Gemahlin Freyja wird eine Valfreyja, die sich mit Odhin in die Leichen der auf der Walstatt Erschlagnen theilt, die Jungfrauen ihres Gefolges sind die Walkueren, welche die auf dem Wal Gefallnen auswaehlen und fuer den Himmel erkueren. Die Wolen, sonst nach der Seherin Wala genannt, werden schicksalspinnende Parzen. Nun sind es Schildjungfrauen, die unter Wetterleuchten durch den Nachthimmel niederreiten. Sie stehen unter dem Helme, ihre Bruenne ist blutbespritzt, Feuer zuckt auf ihrem Speer. Noch fliesst Thau aus den Maehnen ihrer Rosse herab und reiche Ernten traegt dann der wildbefeuchtete Boden; aber zugleich flattert das Schlachtfeld von windgebauschten weissen Kriegsmaenteln, als fiele ein dichtes Schneegestoeber, und von ihren Zaubergesaengen verwandelt sich der Nachtthau in Reif und Hagelschlag. Noch ist ihre Gestalt schwanenweiss, gefluegelt umschwebt Kara ihren im Kampfe stehenden Helgi so nahe, dass dieser zum Hiebe ausholend, sie selbst in den Fuss trifft. Allein dieser Schwanenfuss wird zugleich verkehrt in den gegen die Hexen auf die Thueren gekreideten Trudenfuss, oder es erscheint das leichenankuendende Gespenst des Holzweibleins gar in Gestalt einer weissen Gans (Schoenwerth, Oberpf. Sag. 1, 268). Der Schwanenfuss wird zum Gaensefuss verkrueppelt, aus der Koenigin Berta wird eine Koenigin Gansfuss, Reine pedauque. Wollen sich die Bollandisten III, 516b erklaeren, warum die hl. Werburg so haeufig mit der hl. Walburg verwechselt werde, so sehen sie den Grund hievon darin, dass beiden die Wildgaense gehorsam gewesen seien. Dahin gehoeren nun die vielfachen Wunder, die am Walburgisgrabe zu Monheim an Klumpfuessigen geschehen, wie z.B. eine Frau Manswind aus dem bairischen Markt Trutinga (Wassertruedingen) dorten Heilung ihres Klumpfusses gesucht und gefunden hat. A. SS. l.c. 304. Die den Thau bescheerende, schwanenfuessige Walkuere und der fuer seinen gelaehmten Fuss im Thau Heilung suchende Kranke erscheinen sachverwandt; in der L. Bajuv. 4, 10 und 5, 16 wird der Fussgelaehmte nach alemannischem Ausdrucke tautragil genannt, der Thauschlepper, wie in Friesland die Hexe daustriker heisst, weil sie in schaedigender Absicht den Maienthau mit plumpem Fusse vom Grase streicht. Grimm RA. 94. 630. An fruehzeitigen Uebergaengen des Namens Walburg in das Gebiet des Daemonischen kann es daher nicht mangeln. Walahild heisst eine der Walkueren; Walgund ist die im Hugdietrich und im Wolfdietrich besungene Koenigstochter; Walber eine nordd. Riesin; Walberan der riesig starke, kriegsgewaltige Koenig (im mhd. Gedichte Koenig Laurin), welchen Dietrich im Zweikampfe nicht zu besiegen vermag. Der Versammlungsplatz der Hexen auf Island heisst Valakirkja und liegt am Ingolfsfjall, einem hervorragenden Berge des dortigen Suedlandes. Vala wird dorten die boese Stiefmutter genannt im Maerchen von Schneewittchen. Maurer, Islaend. Sag. 107. 280. Die niederd. Hexe Valriderske ist eine Pferdemahr, die sich zu ihrem Nachtritte fremder Rosse heimlich bedient, schweissbedeckt stehen diese Morgens darauf im Stalle. Simrock, Myth. 421. So viel ueber den Namen Walburg, insoweit er der Reihe der Bedeutungen nach zuerst die in der Wuenschelburg wohnende Goetterjungfrau, dann eine steinschleudernde Riesin, eine leichensammelnde Walkuere, ein die Fruechte und Thiere zehntendes Zauberweib bezeichnet hat. Herabgesunken zur landschaftlichen Sagengestalt, hat Walburg es im Hochnorden, gleich dem uebrigen Riesengeschlechte, ausschliesslich mit der Viehzucht zu thun und wird darueber zur Goettin der W. Jagd. Bei dem 1588 zu Nuernberg abgehaltenen grossen Fasnachtszuge erschien das Wilde Heer unter Anfuehrung "der Frau Holda auf einem schwarzen wilden Rosse; als die wilde Jaegerin stiess sie ins Horn, schwang die knallende Peitsche, schuettelte ihr Haupthaar wild umher wie ein wahrer Wunderfrevel, und der mitzuschauende bamberger Bischof sprach zum Markgrafen Albrecht von Ansbach: Das ist eure Jagdgoettin; dieser aber erwiederte: Bannet das Ungethuem, aber nur heute nicht!" Vulpius, Curiositaeten, Bd. 10, S. 397. In Mitteldeutschland geht sie mit dem Geschaefte des Flachsbaues und Spinnens um; in Sueddeutschland erst erscheint sie als Ackerbauerin und siedet Bier. Bei diesem letzterwaehnten Geschaefte nimmt sie den Namen der Frau Holle (die Huldreiche) an. "Der gemeine Mann nennt sie Frau Holle und die Maegde auf den Doerfern verstecken ihre Spindeln vor ihr", sagt im J. 1812 von ihr ein thueringischer Bericht, Curiositaeten, Bd. 2, 472; und eine schon aeltere Notiz in Praetorius, Blockesberg S. 457 lautet: "Am Walburgisabend darf man weder spinnen noch auch das Garn nur auf der Spindel lassen, sonst machen die Hexen Bratwuerste daraus, d.h. ungleichfaediges Garn. Die Thueringer geben vor, dann ziehe Frau Holla herum und verwirre oder hole das Garn."-- Das schicksalwebende Wunschmaedchen webt das Eheband, darum wird am Garnfaden in der Walburgisnacht das S. 40 bereits erwaehnte Liebesorakel erforscht, und neun gesponnene Flachsknoten sind heilsam (Myth. 1182); als flachsspinnende Schwanenjungfrau erscheint es ferner sowohl im Liede von Wieland dem Schmied (Simrock, Myth. 345), als auch in der schlesischen Spillaholle (die Spindelhulda), und diese wohnt im Hollabrunn (Vernaleken, Alpensag. 121), um hier kinderlosen Eltern deren Wunschkinder herauszuschoepfen. In der Niederlausitz heisst Walburgis Holpurga (Pott, Familiennamen, 117), in der Oberpfalz nennt man die Hexenausfahrt zu Walburgis die Hullfahrt, das Hullfahren, und der bezuegliche Schimpfname ist Hullsluder. Schoenwerth 3, 177. Hier thut zugleich der Spirantenwechsel das Seinige zur Namens-Umgestaltung; wie aus Wuotan ein niederd. Wod und Hoden wurde (englisch Robin Hood), so aus Walburg eine Frau Wulle und Frau Hulle. Was in den Zwoelften gesponnen wird, das besudeln Frau Holle und Frau Wolle, Frau Hulle und Frau Wulle. Kuhn, NS. 417. Ebenda 418 heisst Frau Hilde _Verhellen_, bei Muellenhoff 178 _Ver-Wellen_. Der bierschenkenden Frau Holle, welche im Walperholz bei Arnstadt Volles Mass ausruft, ist schon im vorletzten Abschnitte gedacht worden, und mit diesem Geschaefte Walburgis als einer den Maienthau spendenden, aelschenkenden Fruehlingsgoettin werde hier abgeschlossen. Im Herzen des bairischen Fruchtlandes werden jene drei letzten Aehren oder Aehrenbueschel des Ackers, welche die Schnitter zum Opfer stehen lassen, bekraenzt, umbetet, umtanzt und eben so genannt, wie Walburgis dritter Bruder heisst, Oswald, d.i. der allwaltende Ase. Dieses Aehrenopfer ist in einer Passauer Urkunde des 13. Jahrh. Wutfutter genannt (Panzer BS. 2, 505), hat ebenso in Meklenburg unter denn Namen Wode gegolten und war also in diesen beiden, geschichtlich sich fremdgebliebnen Landstrichen ein dem Wuotan geweihtes Ernteopfer, bei welchem man das _Wodelbier_ als Trankopfer darbrachte. Eben diese heidnische Erinnerung ist christlich personificirt worden im hl. Oswald, und so hat denselben Zingerle in seiner Ausgabe der Oswaldslegende pg. 74 nachgewiesen. Diese beiden leiblichen Geschwister, Oswald und Walburg, tragen in ihrer Hand das Attribut der drei Aehren. Bruder Oswald besitzt bei dem nach ihm benannten tiroler Dorfe eine geheiligte Quelle, die als des Landes Jungbrunnen gilt (Zingerle, Sitten no. 936); die Schwester Walburg spendet nebst solchen Heilquellen das besondere Heiloel: es ist dies die Naehrkraft des unter dem Einflusse des Maienthaues sich bildenden Getreidekornes. Der Thau, der aus der Maehne des Walkuerenrosses trieft, verleiht dem Erdboden seine Lebens- und Befruchtungsquellen; aus dem Trinkhorne bietet hierauf die Walkuere Oelrun den von ihr gebrauten Seligkeitstrank dem in den Himmel Eingehenden. Wie war oder ist nun der Name dieses Trankes? Zum Meth fuehrt am Weissen Sonntag, 8 Tage nach Ostern, der altbair. Bursche sein Maedchen, es soll sich dabei schoen und stark trinken. Schmeller, Woertb. 3, 360. Der Litthauer nennt sein Hausbier, das bei keinem haeuslichen Feste fehlen darf, Alus, das Baertige, denn es wird aus der grannenreichen Gerste gebraut; der Alus hat Hoerner, sagt er von der Staerke dieses Getraenkes, ja Gerste bedeutet ihm ueberhaupt so viel wie Getraenk. Schleicher, Litthau. Maerch. 1857, S. 3. 149. 160. Von der Wirkung des Muenchner Bockbieres pflegt der Baier eben dasselbe zu sagen: der Bock hat ihn gestossen. Ob wir nun obige Walkuere Oelrun in ihrem Namen ableiten von Alarun, allwissend durch die um ihr Trinkhorn geschrieben stehenden Runen, oder von Aelrun, die den Goettern den Staerketrank kredenzende, so verschlaegt diese doppelte Etymologie hier in der Sache selbst nichts; Ael und Oel, beiderseits der Begriff der Lebensnahrung, ableitend von goth. aljan lat. alere, ist hier laengst in den Eigennamen und in die bezueglichen Symbole eingedrungen. Der Skandinavier nennt das Bier, das er im Heidenthum den Alfen opferte (alfablot), heute das Engelbier: Engeloel (Mannhardt, Mythen 326). So braut man seit Altem in England das Ale, in Rostock Oelbier (Coler, Oeconomia lib. 2, pg. 23), in Breslau Schoeps, in Wollin Bockhaenger (Klemm, Nahrung, 335), in Muenchen Bock, dessen Ausschank daselbst mit dem 1. Mai beginnt und anzudauern hat bis Pfingsten. Er haelt dorten somit dieselben Termine ein, die kalendarisch fuer das Gedeihen der Kornsaat und kirchlich fuer das Fliessen des Walburgisoeles gegolten haben. Vorahnend hat Uhlands realistische Dichterphantasie den Inhalt des hier abgeschlossnen Mythenkreises, wie folgt, umschrieben: Auf den Wald und auf die Wiese, Mit dem ersten Morgengrau, Traeuft ein Quell vom Paradiese, Leiser frischer Maienthau. Wenn den Thau die Muschel trinket, Wird in ihr ein Perlenstrauss; Wenn er in den Eichstamm sinket, Werden Honigbienen draus. Mit dem Thau der Maienglocken Waescht die Jungfrau ihr Gesicht, Badet sie die goldnen Locken Und sie glaenzt vor Himmelslicht. Selbst ein Auge rothgeweinet Labt sich mit den Tropfen gern, Bis ihm freundlich nieder scheinet Thaugetraenkt der Abendstern. * * * * * II. Verena mit dem Kamme, die Kindsmutter. * * * * * Erster Abschnitt. Verena, eine Gauheilige. Kirchliche Gestaltung und geographische Ausbreitung der Verenalegende; ersteres bedingt durch die Legende von der Thebaischen Legion, letzteres durch die Ausdehnung des Konstanzer Bisthums. Verena's Weihkirchen und Altaere in der Schweiz. Ihr Doppelgrab und ihre Reliquien in Zurzach. Mittelhochdeutsches Gedicht _von sand Verene_. Die heidnische Verenasage wurde in ihrer Vereinsamung fruehzeitig der Kirchenlegende der Thebaischen Legion einverleibt und gewann dadurch eine Verbriefung ihres eignen hohen Alters und ihren ersten Zusammenhang mit der fruehesten schweizerischen Kirchengeschichte. Bekanntlich ist die Legende von der Thebaischen Legion aus Oberitalien und Savoyen her in die Schweiz gedrungen, und hat sich von da Rhein abwaerts weiter ausgebreitet. Sie handelt von einer zu Thebae in Aegypten gestandenen roemischen Legion, welche dorten zum Christenthume uebergetreten, dann nach Italien und unter Constantius Chlorus nach Helvetien versetzt, schliesslich zu Martinach, die Theilnahme an einem heidnischen Opfer verweigernd, decimirt worden sein soll. Einzelne, diesem Blutbade entronnen, gelangten an die Aare und den Rhein und erlitten hier, unermuedlich den Christenglauben ausbreitend, gleichfalls den Martyrertod. Wo dieses in Helvetien geschah, da sind denselben die aeltesten Stifte und Kirchen geweiht worden; so dem hl. Mauritius zu Martinach in Wallis und zu Bern; dem Ursus und Victor zu Solothurn; Felix, Exuperantius und Regula zu dritt in Zuerich u.s.w. Die mit dieser Soldatengeschichte ganz aeusserlich vereinbarte Verenenlegende berichtet, entkleidet ihrer maerchenhaften Zuthaten, ungefaehr Folgendes. Verena, eine junge Christin zu Anfang des vierten Jahrhunderts, begleitete jene Thebaische Legion, in welcher sie einige Verwandte hatte, aus Afrika nach Italien und verblieb, beim Abmarsche der Truppen nach Helvetien, zu Mailand, um sich hier der Krankenpflege gefangener Christen zu widmen. Als sie jedoch die Kunde von dem gewaltsamen Tode der Ihrigen vernahm, wanderte sie, um deren Graeber zu besuchen, ueber die Alpen nach Martinach in Wallis und nach Solothurn. An diesem letzteren Orte abermals die Armen und Kranken pflegend und die christliche Lehre verbreitend, wurde sie vom roemischen Statthalter in den Kerker geworfen, jedoch wieder freigegeben, als ihr Gebet ihm Genesung von lebensgefaehrlicher Krankheit erwirkt hatte. Zu neuer Uebung werkthaetiger Menschenliebe schifft sie hierauf auf der Aare nach dem Dorfe Koblenz; begiebt sich von da in das benachbarte Zurzach, weil sie vernommen hat, dass dorten bereits eine Christengemeinde besteht, und nimmt hier ihre bleibende Wohnstatt. Sie besorgt als Dienstmagd, eines Priesters Hauswesen und widmet ihre Zwischenzeit der Pflege der ausserhalb des Ortes in einem Siechenhause sich selbst ueberlassnen Aussaetzigen; ihnen ueberbringt sie, was sie sich von ihrer eignen Nahrung abbricht, Brod und Wein. Aber der Knecht jenes Priesters verdaechtigt sie der Veruntreuung im Haushalte. Waehrend sie eines Tages sich wieder zu den Siechen begeben will, tritt ihr argwoehnischer Herr unversehens hervor und stellt sie zur Rede, der herzugeschlichene Knecht hebt den Deckel vom Krueglein, das sie traegt. Siehe, da findet sich statt des Weines nichts als Lauge und statt des Brodes ein Kamm, beides zur Reinigung der Kranken bestimmt. Fuer den Rest ihrer Tage bezog sie eine Klause neben jenem Siechenhause und setzte die Werke der Barmherzigkeit fort. Ueber ihrer Grabstaette ward erst eine kleine Kapelle gebaut, nachmals wurden ihre Gebeine erhoben und in die Zurzacher Stiftskirche versetzt. An der Hand der Thebaer-Legende, die Anfangs des vierten Jahrhunderts spielt, wird das Jahr von Verenas Ankunft zu Zurzach auf 323 und ihr Tod auf 344 mit naiver Zweifellosigkeit angesetzt. Die Thebaische Legende ist eine romanisch-katholische Sage ueber die geschichtliche Thatsache, dass und wie die arianischen Burgundionen, denen im J. 443 die Landschaft Sapaudia, d.h. die Gegend von Lyon, Genf und Hochsavoyen, von Reichs wegen eingeraeumt worden war, sich der dortigen Roemerchristen durch militaerische Massen-Niedermetzelungen zu entledigen versucht hatten. Die nachmalige Verquickung dieser Legende mit dem hebraeischen und dem antiken Sagenkreise begann der romanisch-katholische Klerus und setzte der deutsche in roemisch-kirchlichem Interesse fort. Man lokalisirte sie daher in allen denjenigen Staedten und Stiften Deutschlands besonders, in denen zuerst das politische und dann das kirchliche Roemerthum das herrschende gewesen war. Daher finden sich die Altaere, Reliquien und Historien der Thebaeer schon von Alters her vor in Bonn, Koeln, Trier, Xanten, Mainz, Augsburg, Regensburg, Sitten, Genf, Solothurn. Auch das kleine Zurzach war eine solche Legionenstadt der Roemer gewesen. Seit dem Jahre 1000 verfasst der Klerus dieser Staedte die sg. Weltchroniken, als deren Hauptwerk die deutsche "Kaiserchronik" gilt, alle von den Thebaeern entweder anhebend oder zu deren Preise endigend. Dass auch die Schweiz in ihren Stiften Tendenzchroniken dieser Art im Mittelalter besass, darueber sind Nachweise gegeben in den Mittheill. des St. Gall. geschichtsforsch. Vereines 1862, Heft 1. Von der hl. Verena ist jedoch in diesen Werken noch nirgend die Rede; nicht desshalb, weil jene urspruenglich nicht zu den Thebaeern gehoerte oder zu schwierig mit diesen zu vereinbaren gewesen waere, denn was haette die phantastische Kuehnheit dieser gelehrten Moenche nicht mit einander verschwistert! sondern desshalb, weil Verena nur auf alemannischem Boden ihre Giltigkeit gehabt hatte, hier als Gauheilige nur allmaehlich kirchliche Anerkennung fand und in den uebrigen Kirchensprengeln unbekannt, ja foermlich ausgeschlossen blieb. Die ritterlichen Thebaeer wurden, volle 6666 Mann stark, der stummen Demuth des barmherzigen Weibes vorgezogen. Recht auffallende oertliche Missverhaeltnisse stellen dies ins Licht. Der Kirchenkalender des Bisthums Sitten ist durchaus auf die zu Agaunum (angeblich St. Moritz in Wallis) geschehene Enthauptung der Thebaeer gegruendet; allein er laesst am 1. Sept., als dem kirchlichen Gedaechtnisstage, Verenas, nicht diese feiern, sondern den hl. Egidius, der als Einsiedler die Rhonemoraeste bewohnt und urbar gemacht hatte. Das gleiche Missverhaeltniss findet auch in der Dioecese Solothurn statt. Die beiden Thebaeer Ursus und Victor sind Patrone der Stadt Solothurn und werden dorten mit eignen Weihkirchen, Prozessionen und Bruderschaften verehrt; nicht aber zugleich auch Verena, die doch jenen beiden hieher nachgezogen war und hier unter Verfolgungen gelebt und gewirkt hat. Zwar traegt die dortige am linken Ufer der Aare liegende Einsiedelei noch den Namen Verenae und ist mit einer gewoelbten, von einem Eremiten gehueteten Kapelle versehen, einst der Wohnort der Jungfrau; dennoch feiert die Solothurnische Kirche den Verenentag nicht. Ja nicht einmal dasjenige Martyrologium; welches fuer die Zurzacher Stiftsherren urspruenglich das massgebende war, enthaelt Verenas Namen und Gedaechtnissfest, wie dies unzweifelhaft aus des Minoriten Paulus Schwenger Roemischem Martyrologium erhellt, verbessert von Pabst Benedictus XIV. Coeln 1753, S. 212 und Anhang S. 16. Diese Thatsachen beweisen, dass Verenas kirchlicher Cultus ueberhaupt erst spaet in Aufnahme gekommen ist, dass die Heilige auf dem Gebiete von Kleinburgund, obschon sie hier gewohnt, unbekannt geblieben und also mit der dorten einheimischen Thebaeerlegende urspruenglich gleichfalls nicht verschwistert gewesen ist. Sie ist eine Alemannin, gehoert dem Konstanzer Sprengel an und hat erst diesem ihre kirchliche Reception zu verdanken. Das Konstanzer bischoeflich approbirte Breviar vom J. 1509 (gedruckt bei Erhardtus Ratdolt, civis Augustensis, Calcographus) laesst die Heilige nicht erst auf den vorhin geschilderten Umwegen, sondern gleich anfaenglich zu den Alemannen kommen und da heftig durch den Teufel versucht werden: nam Alemanorum gens dyabolo subdita; es setzt den Verenatag, 1. Sept., als einen doppelten Feiertag an und stellt ihm jenen des hl. Egidius entweder nach oder verlegt diesen auf den Samstag voran, wenn Verenatag auf einen Sonntag fiele. Um daher zu erfahren, wie weit sich vordem der Verenacultus erstrecken konnte, muss man die Grenzen des Konstanzer Sprengels betrachten. Das Konstanzer Bisthum, das herkoemmlicher Annahme zu Folge nach gaenzlicher Zerstoerung Vindonissas, des urspruenglichen Bischofsitzes, um das Jahr 600 nach Konstanz verlegt und hier mit einer neuen Gebietsausdehnung ueber einen grossen Theil Alemanniens begabt wurde, hatte den wahrscheinlichen Zweck, die noch heidnischen Alemannen fuer den Christenglauben zu gewinnen. Es war das ausgedehnteste aller Bisthuemer. Vom Gotthard reichte es ueber den Neckar bei Marbach und zum Kloster Hirschau bei Calw, dreissig deutsche Meilen von Nord nach Sued, zwanzig von Ost nach West, von Kempten bis gegen Strassburg. Vor der Reformation zaehlte es 1760 Pfarrkirchen, 350 Kloester, 17,000 Priester und Moenche; nach der Reformation war es noch immer in 66 Archidiakonate eingetheilt. Diejenigen von letzteren, die fuer unsre lokale Frage belangreich, weil im schweizerischen Theile des Bisthums gelegen sind, finden sich in Jak. Rasslers zu Ende des 16. Jahrh. gelieferter Beschreibung genannt, es sind folgende. Thurgau, Schaffhausen, Zuerichgau, Aargau diesseits der Aare, Luzern, Zug, Unterwalden, das Bernergebiet diesseits der Aare und aufwaerts ueber die Seen ins Oberhasle bis zu den Aarequellen; Uri mit Ausnahme des Thales Urseren, das von jeher unter dem Bischof von Chur gestanden; Schwyz, Glarus, Appenzell, der noerdliche Theil des Kant. St. Gallen mit Toggenburg, der Grafschaft Rapperswil, der March und Uznach; ausgenommen waren hier Gaster, Sargans und das Rheinthal, als zu Chur gehoerend. Dazu zaehlte ferner: das Frickthal; Stadt Basel mit einem kleinen Theile der rechtsrheinischen Landschaft; die Markgrafschaft Baden mit dem Schwarzwalde; zwei Drittel des Herzogth. Wuertemberg, die beiden hohenzollerischen Lande, das baierische Algaeu, der untere Theil des oesterreich. Rheinthals nebst mehreren vorarlberg. Dekanaten und Gotteshaeusern. Dasselbe zaehlte in seinem schweizerischen Territorium noch zu Anfang dieses Jahrhunderts bei einer Viertelmillion Kommunikanten, also mit Ausschluss der Zahl der Kinder. Nuescheler, Gotteshaeuser der Schweiz, fuehrt diejenigen schweiz. Ortskirchen an, in denen die Heilige entweder Patronin war oder Altaere besass. Im Bisthum Chur folgende: zu Niederurnen und Wesen (I, 139). Im Konstanzer Bisthum: zu Kleinbasel. (II, 9), zu Gaechlingen, Kt. Schaffhausen (19), zu thurgauisch Ermatingen (52), zu Muelheim (55), Maerstaetten (57), Langrickenbach (77), Waertbuehl (169), Rickenbach (172), Nesslau (182), Wil (185), Matzingen (212), diese saemmtlich im Thurgau gelegen. Magdenau im St. Gallerlande (97), zum Hl. Geist in der Stadt St. Gallen (127), Ellikon und Staefa im Kt. Zuerich; Risch im Kt. Zug (Staub, der Kt. Zug 1869, S. 69). Von den uebrigen im Aargau, in den Kantonen und den deutschen Nachbarlaendern der Verena geweihten Kirchen, Kapellen, Wallfahrten und Taufbrunnen wird im Verlaufe dieser Kapitel besonders gehandelt werden; einige von ihnen werden des hohen Alters wegen Heidenkirchen genannt und die Volkssage (Naturmythen S. 115) berichtet von der Zurzacher, sie sei lange die einzige weitum auf beiden Ufern des Rheines gewesen, und daher haetten zu ihren entfernt wohnenden Kirchgaengern selbst die Erdmaennchen von Dangstetten im Schwarzwalde gehoert. Uebergehend auf die Gruendung und fruehesten Schicksale der Zurzacher Stiftskirche, muss voraus bemerkt werden, dass die aeltesten Stiftsurkunden in mehrfachen Feuersbruensten und Verwuestungen verloren gegangen und die noch vorhandenen immer noch nicht kritisch untersucht sind. Das Stift wird im neunten Jahrhundert eine "kleine Abtei" genannt (Neugart, C.D. 1, 427) und kommt auf folgende Weise fruehzeitig an das benachbarte Kloster Reichenau. Karl der Dicke hat auf Bitte seiner Gemahlin Richardis, die nachmals in den Stiften Andlau und Seckingen selber den Schleier nahm, in einer auf dem Schlosse Bodman am 14. Oct. 881 ausgestellten Urkunde Zurzach demjenigen Orte zur Einverleibung bestimmt, in welchem einst seine Leiche begraben wuerde; und dieses geschah nachmals zu Reichenau. Das Original dieser Urkunde ist laengst nicht mehr vorhanden und hat niemals auf seine Echtheit untersucht werden koennen. Zwischen ihr und der nachfolgenden Urkunde, die abermals nach Namen und Jahrzahl durchaus zweifelhaft bleibt, liegt eine ungemein grosse Zeitluecke. Eberhard, Truchsess von Waldburg, der 48ste Konstanzerbischof, soll im J. 1265 Stift und Marktflecken Zurzach von Reichenau um 310 Mark Silbers angekauft haben. Inzwischen verarmte das Kloster durch abermalige Feuersbrunst, so wie durch Krieg und Pluenderung dergestalt, dass es von den Moenchen verlassen wurde; des vorgenannten Bischofs Nachfolger, der Habsburgergraf Rudolf II., soll es wieder erbaut und 1279 in ein Collegiat- oder Chorherrenstift umgeaendert haben, und der auf den genannten folgende Konstanzerbischof Heinrich II. hat 1294 dem Stifte die Zurzacher Pfarrkirche incorporirt. Diese Angaben sind zusammen entnommen: Casp. Lang, Histor.-theolog. Grundriss der christl. Welt, 1692. Aber in diesem eben genannten Jahre 1294 werden Chorherrnstift, Muensterkirche und Klostergebaeude abermals in Asche gelegt. Diese bis zum Ende des 13. Jahrhunderts so duerftig fliessenden und so wenig bedeutsamen Quellen gewinnen indessen aus der aeltesten Ortslegende, deren Abfassung bis 1005 zurueckgeht, einige werthvolle Ergaenzungen, die den damaligen Ort, seine Lage und Umgebung unzweifelhaft richtig veranschaulichen. Eine dieser kleinen Erzaehlungen fuehrt sogleich auf die zwei bedeutendsten Punkte des dortigen Verenakultus, auf die Moritzenkapelle und die Muensterkirche, damit aber auf die Verena-Reliquien, auf deren Zahl, Bestand und Schicksal unsre Untersuchung hernach ueberzugehen hat. An jenem Rheinufer bei Zurzach, wo ehemals eine altroemische Stadt gestanden hatte, wurde zu Ehren Verenas und der thebaischen Legion ein Kirchlein erbaut und geweiht. Allein man liess hier aus Nachlaessigkeit das Ewige Licht ausgehen oder versaeumte an den vorgeschriebnen Tagen sogar die Messe zu singen. Da traten Warnungszeichen ein. Lichtschimmer erfuellte Nachts die Umgegend, dass selbst der im jenseitigen Dorfe wohnhafte Priester (in Rheinheim) ihn wahrnahm; Engelsstimmen erfuellten die Luft mit Gesange, und wenn die Zurzacher Waechter darueber verwundert dem Orte zueilten, fuehlten sie sich wie gebannt und vermochten keinen Schritt von der Stelle zu thun. Da kam einst der Alemannenherzog Burchard (der zweite dieses Namens stirbt 826), in Verfolgung eines kriegerischen Gegners begriffen, mit seinen Reisigen von jener Uferstelle gegen die Stadt geritten, als hinter ihm vom Flusse her des gleichen Weges strahlende Maenner, im feierlichen Schritte Lieder singend, nachrueckten, die mit Kreuzen und Lichtern einen aufgebahrten Sarg begleiteten. Ploetzlich erhob sich der Zug von der Strasse in die Luft, schwebte ueber das herzogliche Gefolge hinweg gegen den Flecken und verschwand hier in dem Fenster an der Ostseite der (Marien-)Kirche, ohne dass dasselbe offen gestanden oder nachmals eine Beschaedigung gezeigt haette. Dieses Wunder ergriff den Herzog, unter Beistimmung seiner Begleiter entzog er die Strasse, auf der er sich eben befand, dem weltlichen Besitze und uebergab sie der Ortskirche unter dem Namen Wihegazza, Heiliger Weg. Denn dies ist die Gasse gewesen, welche einst taeglich Verena gewandelt war, um den Kranken ihren Beistand zu leisten. Diese kurze Erzaehlung berichtet, dass schon im 9. Jahrhundert Verenas Reliquien von ihrer urspruenglichen Ruhestaette in der Mauritiuskapelle am Rheinufer in die Marienkirche versetzt worden sind, die dann zur Stiftskirche erhoben wurde, und gewaehrt eben damit volle Sicherheit ueber den aeltesten Ruheort der Heiligen, nemlich ueber die zehn Minuten vom Flecken entfernte, am Zurzacher Rheinufer gelegene Aufburg. Dieser unser Schluss wird unterstuetzt von dem Passionale der Wuerzburger Cartusia, das bis ins 10. Jahrhundert zurueckreicht und 1583 gedruckt worden ist; in diesem heisst es: "In der Naehe von Zurzach lag noch ein anderer Ort am Ufer des Rheines mit vielen Aussaetzigen und Armen." Die vorhin genannte _Weihegasse_ eben ist es, die von Zurzach nach diesem Orte fuehrt, da hinaus traegt Verena den Aussaetzigen Speise und Trank, dorten erbaut sie ihre Zelle und beschliesst ihr Leben. Aufburg und Kirchlibuck heisst hier eine noerdlich vom Flecken am hohen Rheinufer liegende Haeusergruppe, lauter Ruinentruemmer der Vorburg und des Brueckenkopfes der roemischen Rheinfeste Tenedo. Die Constructionen dieses Kastells hat Ferd. Keller in den Zuerch. Antiquar. Mittheill. 12, 305 beschrieben. Nebenan am Rheinufer stehen noch fuenfzehn Eichenpfaehle von der roemischen Jochbruecke, etliche davon sind beim guenstigen Wasserstand des Jahres 1857 gehoben worden, nicht ohne grosse Muehe, denn sie staken mit ihren eisernen Stiefeln in einem Gusslager von Kalkmoertel. Innerhalb des roemischen Kastellgrabens liegt der Huegel Kirchlibuck mit seiner kleinen Mauritiuskapelle, bis heute ein Eigenthum der Verena-Bruderschaft, zugleich ein Belustigungsort der Jugend, wo stabil das oesterliche Eierpicken abgehalten wird. Hieher zieht am Osterdienstage die Prozession der Stiftsherren und der religioesen Sodalitaeten; derjenige Priester, der dabei die Predigt zum Ruhme Verenas abzuhalten hat, traegt zugleich der Heiligen rechte Hand in einer Silberkapsel und stimmt die Auferstehungshymne an, und wie einst es Herzog Burchards Vision voraus erblickte, so zieht dann die Prozession psalmensingend mit dem Heilthum wieder in die Stiftskirche zurueck. Die urkundlichen Nachrichten ueber specielle, in Zurzach kirchlich verwahrte Reliquien Verenas beginnen erst mit dem J. 1347 und knuepfen sich hier an den Namen der Koenigin Agnes, Alberts Tochter und Wittwe des Ungarnkoenigs Andreas. Am 2. Sept. jenes Jahres erst wird die bis dahin seit 1294 in ihren Brandtruemmern gelegne Stiftskirche in Gegenwart der Koenigin neu geweiht. Als damals bereits vorhanden gewesne Reliquien werden genannt Verenae Leib und Haupt nebst solchen der 11,000 Jungfrauen; die Fuerstin fuegt Peters- und Georgsreliquien hinzu, selbst aber verehrt und schenkt sie nachmals dem Stifte Koenigsfelden 1357: ein geschlagen silberin hovpt mit sant Verenen heiltum. Argovia 5, S. 98 und 133. Bei dem hoechst ungeregelten Haushalte des Stiftes wurde es zu Zurzach Sitte, Verenas "Reliquiensaerglein" in Nothfaellen aus der Kirche zu nehmen und in Privathaeuser zu tragen, und der Konstanzer Bischof Heinrich III. muss diesen Missbrauch durch ein besondres Reskript verbieten. Nach einem abermaligen Stiftsbrande 1471 und abermaliger Einweihung wird ein Verzeichniss der Reliquien aufgenommen, welches nunmehr in Hubers Gesch. des Stift. Zurzach, 1869, S. 45 woertlich mitgetheilt steht; es ergiebt fuer unsere Zwecke: In der runden vergoldeten Monstranz sind damals Partikeln Verenae enthalten; in der grossen kupfervergoldeten Monstranz ein Zahn Verenae; in der kleinen silbernen Monstranz gleichfalls Partikeln, im kleinen Sarkophag (Reliquienkiste) ein Zahn Verenae; in einem Eichenkistlein Asche und Gebein derselben; im Sarge des 1465 verstorb. Probstes Lidringer eine Partikel vom Kruge Verenae. Alle diese Ueberbleibsel wurden zerstreut und vernichtet, als 1529 die Kirchenreform auch in Zurzach durchgesetzt wurde. Den Hergang schildert Heinr. Kuessenberg, seit 1521 Kaplan im benachbarten Klingnau, wir folgen hier den aus seiner Handschrift entnommenen Notizen Hubers l.c. 74-132. Stiftskirche, Pfarrkirche, Moritzkapelle und Verenagruft wurden ausgeraeumt, in letzterer jedoch die Reliquien, wie es das Mehr der Gemeinde-Abstimmung beschlossen hatte, unversehrt gelassen. Nach Eroeffnung der Verenagruft fand sich nichts anderes vor als "eine kleine Truhe, ein Stuecklein von Verenas Krug und Holztruemmer von Verenas Todtenbaum". Ihre uebrigen Reliquien lagen in der Sakristei im sg. Grossen Sarg. Dieser enthielt ein in einem hoelzernen Saerglein (Schrein) eingeschlossenes zweites aus Eisen, in welchem nebst Rueckgratstruemmern vier apfelgrosse Lehmkugeln waren, zusammengebacken mit Asche und Kohle.[Nachtrag 2] Waehrend man Sarg und Inhalt ins Feuer warf, wurden zwei dieser Kugeln durch einen Knaben aus der Flamme gezogen und nachher von der Frau Rechburgerin dem Landvogt nach Baden ueberbracht. Von den vier Reliquienbehaeltern blieben unversehrt ein kleines vergoldetes Saerglein, ein grosses und der Roehrknochen eines Armes; diese drei Stuecke wurden nachmals den Chorherren wieder zugestellt und sind noch heutigen Tages zu Zurzach, der Roehrknochen wird seitdem fuer Verenas Arm gehalten. Vom Haupte der Heiligen fand sich nichts vor. Zwar wird von katholischer Seite behauptet, der damals fluechtig gegangene, Apostat Stiftscustos Prugker habe Haupt und Arm Verenas mit sich nach Luzern genommen, und beides sei dem Stifte nachmals wieder zugestellt worden; besonders der damalige Libellist Joh. Salat zu Luzern giebt vor: "1532 kam sant Vrenen Helltum und anderes, so gefloekt worden, wider gen Zurzach." Allein in eben diesem Jahre beklagen sich die dortigen Stiftsherren bei der Tagsatzung ueber die erlittene Beraubung, deren Schaden an blossem Kirchengeraethe mindestens 5,152 Gld. betrage, und das mit eingereichte Verzeichniss der verlornen Gegenstaende schliesst mit der Betheuerung: "das hochwuerdig Helthum St. Vrenen mag mit keim gut bezalt werden, _dess wir beroubt sin worden_." Huber l.c. 93. Unverwuestet waren allein geblieben: "Eine kupferne Hand, ist verguelt, mit St. Verena strel; an St. Verena Bild ein beschlagen Guerteli; Silber von St. Verena koepfli (d.i. Stauf)". Von dem Haupte der Patronin hatte das Stift Jahrhunderte lang nur eine kleine Partikel besessen, welche in der vorhin erwaehnten Lateinurkunde von 1347 doppelsinnig genannt wird: caput, auro et lapidibus pretiose decoratum, also eben dasselbe Bruchstueck, welches der Stiftspropst Joh. Huber 1869 eine kleine "koestlich eingefasste Partikel" nennt, l.c. 131. Da erscholl im J. 1657 die Kunde, das ganze Haupt liege verwahrt im tiroler Damenstifte zu Hall. Auf die gestellte Anfrage, wie dasselbe dorthin gekommen, antwortete das Haller Pfarramt, dies koenne man bei so vielerlei Heilthuemern in specie nicht eigentlich wissen. Durch Vermittlung eines Jesuiten wurde es gegen andere Reliquien ausgetauscht und 1658 feierlich in die Zurzacher Stiftskirche uebertragen, wobei jener Jesuitenpater die Festpredigt hielt. Huber l.c. 131. Dies ist die Geschichte von den Verena-Reliquien, von welchen die Urkunde vom 1. April 1294 (Kopp, Eidgenoess. Buende 3, 279) zuerst Erwaehnung thut und also sich ausdrueckt: ecclesia Sancte Verene in Zvrcach, in qua preciosus thesaurus corporis et reliquiarum gloriose virginis Sancte Verene desiderabiliter requiescit. Hier wird sie vorfrueh eine Heilige genannt, waehrend sie 1290, als ihr der Zuercher Scholasticus Berthold in der Konstanzer Johanniskirche einen Altar stiftet, erst nur eine _selige_ Jungfrau heisst. Neugart, Episc. Const. 2, 666. Von noch andern wunderthaetigen Reliquien Verenas, die ausserhalb der Schweiz kirchlich aufbewahrt sind, wird in den folgenden Abschnitten an geeigneter Stelle die Rede sein. Ein zu Zurzach verloren gegangenes ferneres Alterthum ist Verenas Fingerring. Jener Priester, in dessen Hause sie als Magd dient, hat ihr einen goldnen gesteinten Fingerring anvertraut. Diesen stiehlt ein Boesewicht, wirft, da der Priester darnach forscht, aus Angst das Kleinod in den Rhein und zeiht die Magd der Untreue. Da ueberbringen zwei Fischer einen Salmen, in dessen Magen sich der Ring wieder findet. Diese vielen Voelkern ohnedies gemeinsame Sage erinnert hier jeden Leser an Polykrates von Samos, dessen vorsaetzlich ins Meer geschleuderter Ring gleichfalls im Bauche des Tafelfisches wieder zum Vorschein kommt. Allein in der samischen Sage wird er wettweise weggeworfen, um dadurch zu erweisen, wie das damit leichtsinnig verschleuderte Glueck nur um so gehaeufter zum Glueckskinde zurueckkehren muesse. Ein tieferer Sinn dagegen wohnt in der Verenasage. Die arme Dienstmagd ist durch einen misstrauischen Priester und durch die Tuecke eines Schalks in ihrem guten Rufe beeintraechtigt; waffenlos steht das Aschenbroedel dem sie vernichtenden Geruechte ausgesetzt. Damit trifft man eben auf den Lieblingszug der deutschen Sage: die Unschuld wird eine Zeit lang dem aeussern Elende preisgegeben, um dadurch schliesslich in ein um so hoeheres Licht empor gerueckt zu werden; schweigende Frauendemuth erweist sich am Ende staerker als die arglistigste Bosheit. Durch das bisher Vorgetragene ist nachfolgendes Ergebniss gewonnen. Die Alemannin Verena ist durch die romanische Kirchenlegende dem Heiligenkreis der fremdlaendischen Thebaeer zugesellt worden. Ueber ihrem ersten Grabe erbaute man dem hl. Moritz und seinen Legionaeren die Kapelle zur Aufburg, ueber ihrer spaeteren Gruft die der Maria geweihte Stiftskirche mit den Altaeren der Thebaeer. Ihre Reliquien sogar werden mit denjenigen der 11,000 Jungfrauen verschwistert, nur vereinbart mit deren Reihe aufbewahrt und aufgezaehlt. Deutlich verraeth sich dadurch die Bemuehung, Verenas Namen und Kult zu einem kirchlich gerechtfertigten zu stempeln, indem man sie mit dem maennlichen und dem weiblichen Aufgebote hier der 6666 Thebaeer und dorten mit dem des Frauenheeres der hl. Ursula verschmolz. Jedoch die nationale Mythe ist zaeher als dieser legendenbildende Mechanismus der Kirche. Stueckweise streift Verena den ihr geliehenen Fremdschmuck wieder ab, in dem sie umgebenden Heiligengewimmel bleibt sie isolirt, wie sie es urspruenglich gewesen, eine in der Wildheit ihrer Waldquellen und Gebirgsstroeme einsam fortwaltende Naturgoettin. Als solche macht sie sich in den nachfolgenden Abschnitten geltend. Das hier beginnende mittelhochdeutsche Gedicht Von sand Verene ist enthalten in no. 2677 der Wiener Handschriften. Dorten hatte Hoffmann v. F. es eingesehen und mit den beiden Anfangsversen citirt in seinem Berichte ueber die Wien. Hdss. no. 35. 42. Das Gedicht ist seither weder im Auszug noch sonst wie bekannt gemacht. Auf meinen Wunsch liess es Prof. Franz Pfeiffer in Wien (gestorben 29. Mai 1868) fuer vorliegende Arbeit diplomatisch getreu copieren. Von sand verene (roth) [106b] Verena diu edel meit, als, uns daz puch von ir seit. Die was ---- ---- und ez quam also, Do der cheiser maximian [106c] furt mauricium mit im dan Her gen deutschen landen, si begunde nach im belangen So ser, daz si im fuor nach, wanne vil gerne si in sach. Verena was ein christenin, und do si quam ze meilan in, Die geuangen christen die heimpt si an den vristen Vnd bechlagt mit in ir not, dar zue si in helfe pot Mit trinchen und mit ezzen. uerena, die vermezzen, Si lie durch nieman daz durch vorhte noch durch haz, Swa die christen warn erslagen und auch da si warn begraben, Die staete suocht si alle tage mit weinen vnd mit chlage. Mit reinem leben was si sus pei einem, der hiez, maximus. Nu wart ir schir alda geseit, daz mauricij schar preit Durch got wer erslagen, daz begunde die vrowe chlagen Vnd wolde nicht leng'r da bestan, si fuor ub'r die alben dan Vnd ze einem wazzer si quam, daz ist genant aram. Alda vant si einen man, der gevlohen was chomen dan Der sagt ir die rechten maere, wie ez mauricio ergangen waer. Davon wolt si nicht furbaz, in einer chlause si da saz Mit chlage und mit leide. da warn inne reine meide, Der leben was also gestalt, si waer iunc oder alt, Daz si anders lebte nicht wan chraut, arbaiz und anders nicht, Des lebte si daz gantz iar; [106d] daz quam auch von ier werch dar Vnd des tages ein lutzel brot, daz man igleicher pot. Nu was dapei ein getwerch, daz verchauft den meiden ir werch Vnd chauft in da mit ettewaz, daz die samenunge gaz Anders lebten die vrowen nicht, gab man in aber immer icht, Des enpizzen si nimmer und gabens durch got immer. Sus was gestalt ir reines leben. got hat verene den geist gegeben, Daz man vber al daz lant ir leben vil rein erchant, Daz man sei het fur heilic gar, daz auch si was furwar. Wan got durch sei tet wunder mit zeihen besunder. Auzsetzig behaft macht si slecht, plint, chrump macht si gerecht. Solcher dinge tet si vil mit got auff daz zil, Daz man sei d'r meide muet'r nant weiten uber al daz lant. Nu was in der gegent da ein richter sam anderswa, Der het got gar verchorn. dem was der meide leben zorn, Vnd daz man ier so wol sprach; mit zorn er daz an ier rach, Wan er die vrowen vie, dehein gut er ier nie geschehen lie. Doch quam zaller zeit zu ir ein liechter iungelinch fir[3], Der pot ier guten trost, si wurde schir da von erlost. Doch vragt si in, wer er wer? do sprach er offenwaer, Er waer ir mag mauricius, und mit der rede alsus Quamen zu mauricio hin in [107a] alle die gesellen sin Und gruezten die vrowen schone, damit schieden si davon. Nu wart derselbe richter vberladen mit sichtum swer, Der gedacht rechte wider, er lief hin und viel nider Chlagunde fuer die reinen meit und seinen sichtvm er ir chleit. Doch pat si got umb in, der richter gie gesunt hin Vnd mit grozzer gedult bat im vergeben sein schulde. Daz was ysa getan, die magt wart do leidich lan Vnd gie zu iern swestern wider, da si got diente sider. Nu quamen die swest'r auch in not, daz si ninder heten prot Vnd grozzen hunger liten doch mit dultichleichen siten. Ier werches acht man nicht ein har, wan ez was ein hunger iar. Do verena die not ersach, zu got von himel si do sprach: Wan du deiner geschefte gist ier leibnar zu rechter frist, Jesu christ, du waist wol, wez dein gesinde leben schol. Do si daz vollen gesprach, vor der chlause man ligen sach Viertzig sekche mit mele vol. er gedacht ir not da wol, Wan daz prot wuchs in ier munde, daz si lange vn manic stunde Heten da von ier leipnar, des lobt got die rein schar. Nu was verena, die genende, chumen an ier lebens ende, Vnd do si nu siech wart, ier andacht sich nie verchart. Da si vercheren scholt daz leben [107b] und den geist widergeben, Do quam unser vrowe dar mit der hymelischen schar; Vnd do verena sei ersach, zu gotes mueter si do sprach: Waz gernde han ich, daz gotes mueter siechet mich? Do sprach unser vrowe zu ier: verena, volge mir, Da hin, da du immer mer vreude hast ane ser. Mit der rede si verschied, got ir sele da beriet Der ewigen gnaden. die vrowe wart begraben In der chlause alda, die noch haizzet z'rzyaca[4][Nachtrag 3], Da got wol scheinen lie, daz er sei minte hie. Wand nieman wirt entwert, der rechter dinge an sei gert. Nu derhoret got dehein pet so gern, so daz wir seiner hulden gern, Dem gibt er, der die suohet, vil gern, swer ir geruhet Mit hertzen und mit andacht. daz wir ze hulden in werden pracht, Des helf uns maria und ir dirne uerena. amen. * * * * * FUSSNOTEN: [3] fier, stark und stolz. [4] zerzyaca: Zurzach. * * * * * Zweiter Abschnitt. Verena, die Muellerpatronin. Ihre Attribute: der schwimmende Muehlstein; ihre oertlichen Kleinkindersteine; die Muellerpatronin als Ehegoettin, der in Stein verwandelte Brodkipf und die unerschoepflichen Mehlsaecke. Wirthschaftsregeln am Verenentage. Alljaehrlich am Verenatage lassen die Mueller im aargauer Surbthale die Muehlsteine schaerfen und die Muehlbaeche putzen. Denn Verena, deren Wahrzeichen: Kamm und Krueglein, an allen Muehlen und Banngemarkungen des Surbthales eingehauen sind, hat einst ihre dreimalige Wohnstaette an den Stroemen zu Koblenz und Zurzach aufgeschlagen gehabt und gilt hier als die den Gang aller Wassergewerke beeinflussende Patronin der Mueller, Schiffer und Fischer. Hiefuer sei ein Einzelzug vorangestellt aus der aeltesten Aufzeichnung der Verenalegende vom J. 1005 in Pertz Mon. 6, 457. Unter den Guetern, die ein Mann zu seinem Seelenheile dem Zurzacher Stifte abzutreten gelobt hatte, befand sich eine besonders werthvolle Muehle. Als nun den Mann hinterher die gemachte Vergabung wieder reuete, suchte er wenigstens noch etwas an ihr zu schmaelern und aenderte den Lauf des Muehlebaches, indem er ihn auf seine Landstuecke zog. Allein ohne fremdes Zuthun und ohne dass es vorher einen Tropfen geregnet hatte, schwoll der Bach ploetzlich mit Macht an, riss dem Manne das Wohnhaus weg und trat dann wieder in sein urspruengliches Bette zurueck. Nun kam Jener eilends zum Altar der Heiligen und gab ihr alles treulich auf, was er ihr so unklug hatte entfremden wollen.--Ebenso baendigt sie den Glaeubigen zu lieb die verheerenden Stroeme. Beim Anschwellen der Gebirgswasser stieg einst zur Zeit der Ernte der Rhein um Zurzach zu solcher Hoehe, dass er alle Kornfluren ueberschwemmte. Man suchte Abhilfe durch Gebet und Feldprozession, allein da durfte Niemand wagen, mit Kreuz und Fahne den Fluthen zu nahen, die ueber die ganze Feldbreite hinstuerzten. Doch in dem Augenblicke, als man zur Prozession auszog, trat der Rhein in sein altes Bette zurueck, und schon in der Mittagssonne standen die Aehren wieder schoen aufgerichtet und wohlbehalten da, die am Morgen bereits entwurzelt schienen. Als eine Schnittermagd, vom Garbenbinden jenseits des Rheines heimkehrend, auf der Ueberfahrt mit dem Weidling umschlug, hielt Verena mit der einen Hand ihr den Mund zu und fuehrte sie mit der andern wie durch ein Gewoelbe unter den Wellen weg ans Zurzacher Ufer. Waehrend die Heilige noch bei Solothurn in jenem Felsenthale wohnte, das nun in den reizenden Park der Verena-Einsiedelei umgewandelt ist, war sie zweifacher Verfolgung ausgesetzt: in der Stadt durch den hier gebietenden heidnischen Praefekten Hirtacus[6] und in ihrer Klause durch den Teufel. Dieser schleuderte einen Felsen gegen ihre Wohnung, jenen ungeheuern erratischen Block, der dorten oberhalb dem Dache der Zelle zu sehen ist und die Krallen des Boesen eingedrueckt traegt. Eine friedlichere Wohnstatt aufsuchend, nahm sie einen Muehlstein, der an der Solothurner Aare zur Verladung lag, fuhr auf diesem den Fluss hinab durchs Aargau, und landete auf einer Insel beim Fischerdorfe Koblenz, in dessen Naehe die Aare in den Rhein muendet. In der Gegend wuetheten eben Seuchen, von den Ausduenstungen eines Leichenackers herruehrend, den der Strom unterwuehlt hatte; aber die Krankheit hoerte auf, indem Verena Heilquellen aus dem Boden bohrte. Das benachbarte Stift Zurzach vernahm ihre Ankunft und beeilte sich, eine so wohlthaetige Frau zu sich heim zu fuehren.[5] Auch ihren Muehlstein wollte man nicht zuruecklassen. Man lud ihn auf einen Wagen und hatte ihn bis zum Koblenzer Wegkreuz gebracht. Hier aber blieb aller Vorspann erfolglos, man war nicht im Stande Wagen oder Stein weiter zu schaffen; doch zurueck nach Koblenz zogen ihn die Rosse muehelos, wo er nun neben der Thuere der Kapelle in der Einsenkung der Mauer hinter einer Vergitterung aufgestellt ist, geschmueckt mit dem Schnitzbilde der Heiligen. Man misst ihm uebernatuerliche Kraft bei. Auch ist das Gewoelbe, das ihn verwahrt, ganz allein unversehrt geblieben, als 1795 eine Feuersbrunst Dorf und Kapelle einaescherte; es haengt voll waechserner Fuesse und Aermchen, welche die Leute opfern, wenn einem ihrer Kinder ein Schaden heilen soll. Seither ist die Kapelle erneut und erweitert worden und dabei die Inschrift verschwunden, die sonst ueber dem Steine zu lesen stand: Auf diesem Stein hier aus der Aaren Die heilig Verena ist gefahren Ohne Ruder, Schiff und Schalten, Wie solches geglaubt die frommen Alten. Die Koblenzer sind seitdem bewaehrte Fischer und Fergen, die auf den Rath der Heiligen die Stuedlerzunft gruendeten; erst vor einigen Jahren ist sie bei Aufhebung saemmtlicher Zuenfte mit eingegangen. Dieser Genossenschaft der Laufenknechte stand ein von allen Landvoegten verbrieftes Faehrrecht mit der Obliegenheit zu, saemmtliche den Rhein zwischen Zurzach und Basel befahrende Schiffe und Gueter durch die dortigen Strudel (genannt Laufen) zu fuehren. Am Gewoelbe der Zurzacher Stiftskirche haengt daher ein kunstreich geschmiedetes Votivschifflein. Eine aus Tatian von Grimm Gramm. 3, 437 angefuehrte ahd. Glosse lautet: _verenna_ cymba; was sonst ahd. verscif heisst, nhd. Faehre. Graff, Sprachschatz 3, 587 citiert aus Tatian: _mit ferennu quamun_, navigio venerunt. Allein Verena, die Muellerpatronin, uebt zugleich auch das Geschaeft der Liebesgoettin; somit ist vorerst das Einheitliche im Wesen dieses Doppelgeschaeftes hier nachzuweisen, um damit einen besondern Theil des heidnischen Cultus zu entbloessen, der im Verenacultus nachklingt. Die Ackerbau-Terminologie wird von jeher auf die geschlechtlichen Beziehungen uebertragen, die ehliche Verbindung auf die Erdbefruchtung, auf die Demeter. Des Mannes That heisst griechisch ackern, besaeen, besamen; das weibliche Saatfeld heisst sabinisch sporium, der ihm Entsprossene spurius, der Ausgesaeete (Bachofen, Graebersymbolik 204). So hat auch Mahlen und Muehle in den Sprachen erotische Bedeutung. Bei Theokrit (4, 58) ist myllos cunus; Festkuchen dieses Namens, aus Sesam und Honig gebacken, wurden bei den grossen Thesmophorien den Goettinnen zu Ehren in Syrakus umhergetragen. Athenaeus XIV, 647 A. Den Sinn des griech. myllo (coire) und des Wortspiels bei Petronius: molere mulierem, drueckt unsre eigne Sprache in gleicher Weise aus. In Simrocks Volksliedern no. 285 erwiedert die Muellerin ihrem um Einlass anpochenden Gemahl: Ich steh fuerwahr nicht aufe, Ich lass dich nicht herein; Ich hab die Nacht gemalen Mit sechs jungen Knaben. Davon bin ich so mued. Der durch die Buhlin der Kraft beraubte Samson muss den Mahlstein drehen: Richter 16, 21. Daher ist die Muehle in unsern aeltesten Sagen der Ort der Liebesabenteuer. Der Landpfleger Pilatus ist nach dem gleichnamigen ahd. Gedichte vom rheinischen Koenig ausserehelich mit der Pyla erzeugt, des Muellers Atus Tochter. Ausserehlich ist Karl der Grosse erzeugt und geboren auf der Reismuehle am bair. Wuermsee. Aretin, Bair. Sag. 1803. Schoeppner, Sagenb. no. 22. Koenig Heinrich III. erbaute Kloster Hirschau in der Naehe jener Muehle, darin er war geboren worden; sie steht noch und gilt fuer eines der aeltesten Gebaeude in Hirschau. Vgl. Schoenhuth, Burgen Wuertembergs 1, 88. Meier, Schwaeb. Sag. S. 336. Ebenso steht heute noch im wuertemberger Schussenthale die Grieslemuehle, in der die eilf ausgesetzten Welfenkinder, die Ahnherren der Hohenzollern, erzogen worden. Birlinger, Schwaeb. Sag. no. 340. Aventins Chronik berichtet, wie Herzog Ott von Baiern die Brandenburger Mark dem Kaiser verkauft und die Kaufsumme daheim mit der huebschen Muellerin auf der Gretelmuehle lustig verzehrt. Grimm DS. no. 496. Vom Ehebruch der stolzen Frau Muellerin erzaehlt alles Volkslied bis auf Goethes "Der Muellerin Verrath". Vom Jahre 1322 bis 1802 galt zu Augsburg der Name Hahnreimuehle fuer eine der staedtischen Muehlen. Im Muehlgraben liegt jener grosse Stein, hinter dem die Amme die Kinder herausholt. Wolf, Ztschr. f. Myth. 3, 31. Als alles Riesengeschlecht im Blute des erschlagnen Ymir ertrinken musste, rettete sich der einzige Bergelmir sammt seiner Frau in einem Muehlkasten. Myth. 426. Aber Mahlstein und Saatkorn gestalten sich dem fortschreitenden Begriffe zum heiligen Religions- und Rechtssymbol. Darum fuehren selbst die alles verleihenden Lichtgoetter Apollo und Zeus den Beinamen myleus, bei den eleusinischen Goettinnen wird ehliche Treue beschworen, der Ceres legifera opfert die braeutliche Dido, der roemische Cerestempel diente als Gesetzesarchiv. Auf einem Mehlfasse hat die wendische Braut zu sitzen, waehrend sie von ihren Freundinnen zur Hochzeit geschmueckt wird. Haupt, Lausitzer Sagenb. 1, 183. In diesem Sinne ist das Volkslied (bei Uhland 1, S. 76) von der Muehle zu verstehen, welche reines Gold und treue Liebe mahlt: Dort niden in jenem Holze Leit sich ein Muelen stolz, Sie malet uns alle Morgen Das Silber, das rothe Gold. Dort hoch auf jenem Berge Da geht ein Muelenrad, Das malet nichts denn Liebe Die Nacht bis an den Tag. Damit hoert denn auch jene schreiende Unsinnlichkeit der Legende auf, dass die Heiligen ihre Wasserreisen auf einem Muehlsteine machen, wie Verena auf der Aare und der Wuestenheilige Antonius auf der Wolga. Auch die Stadtpatronin Zuerichs, zugleich die angebliche Gefaehrtin der Thebaeer, die hl. Regula, muss die gleiche Wunderfahrt gemacht haben, denn ihr Muehlstein lag einst am Seeufer bei Herrliberg, da wo es urkundlich _Im steinin Rad_ heisst. Reithard, Sag. a.d. Schweiz.--St. Jakob von Compostella macht seine Meerfahrt in einem steinernen Troge und landet damit zu Ira in Galizien; der hl. Quirinus, genannt Boicus, wird mit einem Muehlstein am Halse in die Guenz gestuerzt und schwimmt damit in diesem reissenden Gewaesser. Rader, Bavaria Sancta 1, 23. Die hl. Laurentia, mit einem Stein am Halse ins Meer versenkt, gieng auf dem Wasser einher, als waere es festes Feld. Sie wird alljaehrlich am 1. Okt. in der Hauptkirche zu Ancona gefeiert, wo ihre Gebeine ruhen. Jac. Schmid, Kleine Ehehaltenlegend 1, 86. Der Muehlstein der hl. Brigida ist neben ihrer Kirche zu Kyldare in Schottland an der innern Klosterpforte aufgestellt und wird bei Krankheitsfaellen als wunderthaetiger Heilstein beruehrt. Canisius, Thesaur. Eccles. I, 414. seq. Die Fluesse und Seen sind die Adern, durch welche die aelteste Kultur in die Laender floss, und die Muehle mit ihren Werkzeugen giebt die Bilder und Symbole her, unter denen die Sprache diesen Vorgang bezeichnet. Bei dichtfallendem Schnee sagt der Schwabe: das kommt durch den groben Beutel; der Franke: Mueller und Becken schlagen sich mit Saecken; der Aargauer: sie putzed (die Himmlischen fegen das Korn), sie ritered (sieben es), der Staub fluegt (wie beim Worfeln des Ausdrusches), sie schuettid: schuetten die Frucht auf, die in dichtem Strome aus der Worfelmuehle schiesst. Nach Kaerntner Volksrede entsteht der Donner dadurch, dass unser Herrgott Getreide in den Kasten schuettet. Wolf, Ztschr. f. Myth. 3, 30. Im Liede von der Himmelsmuehle (Uhland, no. 344) knuepft Matthaeus die Kornsaecke auf, Lukas laesst reiben, Marcus schroten u.s.w. Damit steht denn auch zusammen, dass die Muehle im alten Rechte als Freistaette gilt und ein in diesem befriedeten Ort begangner Frevel mit dem Tode bestraft wird. Der Schwabenspiegel bestimmt: diu muele hat ouch bezzer reht danne ander hiuser. swer in der muele stilet korn oder mel vier phenninge wert, dem sol man hut unde har abslahen. ist ez vier schillinge wert, man sol in henken. Und eben daher stand auch dem Muehlstein eine besondere Rechtsanwendung zu, auf welche Grimm RA. 935 verwiesen hat. Es findet sich nemlich in einem alten Liede folgende Pruefung erwaehnt ueber Beschaffenheit und Abkunft eines noch ungebornen Kindes: Die Schwangere steht am Ufer des Rheins, ein Muehlstein wird gerollt; faellt er rechts, so traegt sie einen Knaben, links, ein Maedchen; geht er aber zu Grund, so ists ein Metzenkind.--Der jungfraeulichen Verena Muehlstein aber ist ein _schwimmender_; unter ihrer Obhut steht alle rechtlich erworbene Frucht: die auf dem Felde, in der Muehle und im Mutterschosse. Bereits sind in der histor. Zeitschrift Argovia 3, 15 die mehrfachen oertlichen Felsen und erratischen Bloecke des Aargaus aufgezaehlt, welche den Namen Kleinkindersteine und eine dem gemaesse Ortstradition an sich tragen. Hier kommen nur die auf Verena bezueglichen in Betracht. Jener vorhin erwaehnte Felsblock in der Solothurner Verena-Einsiedelei traegt ein ueber Faustgroesse ausgerundetes Loch, das man fuer die Spuren der Hacke der Ammenfrau ausgiebt, die hier den Bedarf an Kindern fuer die Stadt heraushackt. Wolf, Ztschr. f. Myth. 4, 1. Dasselbe gilt gleichfalls in dem eben genannten Dorfe Koblenz vom Kalchofen, einem ofenfoermig gewoelbten, isolirten Kalkfelsen am dortigen linken Rheinufer. Derselbe Glaube herscht im Schwabenlande, weil bis dahin der Verenacultus kirchlich gereicht hatte. Eine Felshoehle beim Bergschlosse Teck auf der wuertemberger Alb heisst Frena-Bubelinsloch und besitzt eine Sage ueber zwei hier im Fels erzeugte und gross gewordne Knaben. Antiquarius des Neckarstroms 1740, 46. Ein fernerer auf die Korn- und Muehlengoettin hindeutender Zug ist enthalten in dem Schicksale des Schwesternhauses, das die Heilige zu Solothurn gegruendet hatte. Es brach ein Hungerjahr ein, die Schwestern konnten ihre Handarbeiten nicht mehr verkaufen und litten bittern Mangel. Da geschah es, dass eines Morgens eine Reihe Saeckchen Mehl von unbekannter Hand vor die Thuere gestellt wurden und die aus diesem Mehl gebacknen Brode wuchsen den Essenden unter dem Kauen. Im alten Constanzer Breviar, das Erhard Ratdolt 1509 druckte, heisst es darueber: Dum panis victus solitus exhaustus fuit plenius, farris pastus positus est ad fores celitus. Aber schon Notkers Legende (bei Canisius II, 3 Th. 170) giebt wundersuechtig die bestimmte Zahl dieser Saecke an quadraginta sacci, und Christoph Greuter zu Augsburg hat sie sogar in Kupfer gestochen; ein Nachstich steht in Richters Schrift, Sigprangender Triumphwagen Verenae. Augsb. 1736, 42. Der Notkerischen Fassung scheint unser mhd. Gedicht (107a) nacherzaehlt zu sein: vor der clause man ligen sach viertzig sekche mit mele vol. er gedacht ir not da wol, wan daz prot wuchs in ier munde. Dasselbe Wunder und, unter dem gleichen Namen unsrer Verena wird durch Kuhns Nordd. Sag. no. 70 aus dem Bezirke von Halberstadt gemeldet. Wenn da der Bauer zwischen Weihnachten und Dreikoenig, zur Zeit der Zwoelften, sein Mehl von der Boitzenburger Muehle heimfaehrt, so begegnet ihm Fru Freen und verlangt, dass er die Saecke oeffne und ihren Hunden ausschuette. Thut er dies folgsam, so findet er die Saecke wohlgefuellt des andern Tages an derselben Wegstelle wieder. Hier ist Freens Name zusammengefallen in den der Heidengoettin Frea (wie Paulus Diaconus Wodans Gemahlin nennt), welche zur Zeit der Zwoelften sich an die Spitze der Wilden Jagd stellt und unter dem Namen der alten Frick (ein Diminutiv des Namens Freyja) mit ihren zwoelf Jagdhunden das Land durchstuermt. Der Name Frene wird von Kuhn l.c. S. 414 und 415 ausdruecklich als um Halberstadt bestehend bestaetigt, und der vierte Abschnitt unsres vorliegenden Berichtes wird diese auffallende Namensverwandtschaft zwischen Wodans Gemahlin und der aargauischen Gauheiligen erlaeutern. Verena ist zugleich eine der vielen Heiligen, welche abgebildet werden, Brod und Wein ueberbringend. Bereits hat der spottlustige Nachbarscherz sich dieses Zuges der Verenalegende zu seinen oertlichen Schwaenken bedient. Er erzaehlt, wie einst das kleine Staedtchen Klingnau an der Aare von einer Feuersbrunst so ganz zerstoert worden, dass auch saemmtliche Kirchenglocken mitverbrannten und man sich mit einer irdenen behelfen musste, deren Schall denn nicht weit reichte. Mit dieser musste man laeuten, als die hl. Verena auf ihrer Reise nach Zurzach hier den Strom herab gefahren kam. Kling au! rief man aergerlich zur stummen Glocke empor, in der Hoffnung, die Heilige werde dem Tone folgen und hier ihr Absteigequartier nehmen. Allein diese wusste voraus, wie hier das taegliche Brod schmeckt, und fuhr ihres Weges weiter. Seitdem gilt der Spottreim: Wenig Brod und sure Wi: ach Gott, wer moecht' au z'Klinglau si! Die Aargau. Sagen no. 491 berichten ferner, als Dienstmagd eines Priesters in Zurzach habe sich Verena die taegliche Nahrung abgebrochen, um die benachbart wohnenden Siechen damit zu speisen. Darueber der Entwendung verdaechtigt, tritt ihr der argwoehnische Priester ploetzlich in den Weg und untersucht. Doch der Wein in ihrem Krueglein ist nun in Lauge, und der mitgenommene Brodkipf in einen Kamm verwandelt, beides als zur Reinigung der Aussaetzigen dienend. Daher kommt es, dass die Bildsaeulen Verenas bald Waschkanne und Kamm, bald Weinkrug und Brodkipf in der Hand haben. Das Krueglein der Heiligen ist, wie die aelteste Aufzeichnung berichtet, urspruenglich steinern gewesen und hatte die Form einer antiken Urne; seine Bestimmung musste damit nicht nothwendig die des Wein- oder Waschnapfes sein, da auch das Trockengemaesse vor Alters steinern war. Das Zuercher Frauenmuensterstift berief sich 10. Christm. 1282 auf einen in seinem Kloster aufbewahrten Stein, in welchem der Klostergruender Koenig Ludwig das Mass eines _Kornviertels_ hatte aushauen lassen. Geschichtsfreund 8, 19. Hier ist Gelegenheit, eine Legenden-Parallele an der gleichfalls unbeachteten Gestalt einer andern deutschen Gauheiligen aufzuzeigen. Es ist dies die Kraichgauer und Tiroler Heilige Notburga, von deren Cultus Schnezler, Bad. Sagb. 2, 587, und Zingerle, Tirol. Sitt. no, 964 berichten. Auch sie zaehmte wilde Stroeme, lehrte Acker- und Weinbau, pflegte und speiste die Armen, verstand sich auf die Heilkunde, hat ihre mehrfachen Grabkirchen und Taufbrunnen und lebt, wie die hl. Verena, mehr in der stillen Volksverehrung als im theologischen Gedaechtnisse fort. Als Viehmagd diente sie im Tiroler Schlosse Rothenburg im untern Innthal und hatte die Schweine zu fuettern. Fuer jeden Armen sparte sie sich eine Schuerze voll Brod und einen Becher Weins auf; wenn aber ein geiziger Spaeher sie darueber anhielt, verwandelte sich die Gabe in Hobelscheiten und in Sautraenke. Als sie auf dem Bauernhofe Eben im Unterinnthal diente, kam dort mit ihr der alte Segen in den gesunknen Hausstand zurueck; wollte man sie jedoch ueber die Feierabendzeit im Felde fortarbeiten lassen, so machte sie das Gesinderecht geltend, hob die Sichel in die Hoehe, liess sie aus und diese blieb in der Luft haengen. Sie ist die Patronin der Dienstmaegde geworden, wie sie selbst in ihrem Geburtsdorfe Ameres als Magd gestorben ist. Vor ihren Leichenwagen spannte man zwei weisse Stiere und liess sie gehen, wohin sie wollten. Als sie an den brueckenlosen Inn kamen, wich der Fluss zurueck und liess Wagen und Leichengefolge trocknen Fusses hinueberschreiten. Jenseits auf dem Ebenberge, wo die Stiere anhielten, begrub man die Jungfrau und errichtete eine Kapelle ueber dem Grabe, die seit 1434 zur Wallfahrtskirche vergroessert wurde. Auch ihre ehemalige Magdkammer im Schlosse Rothenburg ist in eine Kapelle umgebaut worden. Panzer, BS. 2, no. 62. Als Notburga ins Kraichgau kam, ueberschwamm sie auf einem schneeweissen Hirschen den Neckar und verbarg sich in einer Hoehle, die beim wuertemberger Dorfe Hochhausen gezeigt wird. Vom Schlosse Hornberg her ueberbrachte ihr der Hirsch taeglich das Brod, ans Geweih gespiesst, und mit seinem Geweih schaufelte er der Sterbenden ihr Grab. Jetzt noch zeigen die Kraichgauer uebers Feld hin den Weg, welchen das treue Thier einschlug. Ueber die hl. Rategundis von bair. Wolfratshausen berichtet Jac. Schmid, Leben hl. Hirten und Bauern (Augsb. 1750) 3, 16, als Dienstmagd auf dem Schlosse Wellenburg bei Augsburg habe sie Milch und Butter von ihrer taeglichen Kost sich abgespart und den Aussaetzigen des naechsten Siechenhauses zugetragen; als der argwoehnische Schlossherr sie auf dem Wege dahin betraf und untersuchte, verwandelte sich Butter und Milch in ihrer Schuerze in einen Strehl und in warme Lauge. Zum Schlosse folgen einige obrigkeitliche Vorschriften und landwirthschaftliche Regeln, die sich an den 1. September als den Verenatag knuepften. Der Verenatag begann den Herbst und war damit ein allgemeiner Zins-, Frist- und Verfalltag. Das Schwyzer Landbuch (ed. Kothing, S. 76) verbietet im J. 1519, "dass man vor sant Frenentag kein Murmotten (Murmelthier), weder alt noch jung, fachen soll." Mit diesem Tage geht noch im Kanton die gebannt gewesene Jagd wieder auf. In den V Gerichtsbezirken des Altaargaus (Zofingen, Aarau, Kulm, Lenzburg und Brugg) galt die Berner Gerichtssatzung und mit ihr also auch derselbe Gerichts-Stillstand, Gerichts-Ferien. Eine dieser fuenf "geschlossnen Zeiten" dauerte acht Tage vor dem ersten Sonntag vor Verenentag bis acht Tage nach dem auf Verena naechstfolgenden Sonntag. Die Berner Obrigkeit hat im J. 1595 in Folge der Kirchenreformation vier jaehrliche Communionszeiten und darunter die letzte auf den Verenentag angesetzt. Polizeibuch der Stadt Bern, ad ann. 1655.--Das "Verzeichnuss der Statt Aarow-Ordnungen und Breuch" von 1688 (Aarau. Stadtarchiv) setzt fol. 86 die obrigkeitlichen Visitationen der Weinkeller alljaehrlich auf Verena und Martini an. Von den Bauernregeln ueber die Witterung am 1. September sind unter unserer Landbevoelkerung folgende ueblich. Wenn's Vreneli z'morndes s'Chrueegli usleert, draejet, loeset, umg'heiet, bruennelet--und z'Abig s'Chitteli wider troechnet, denn isch guet; denn solch ein richtiger Witterungswechsel ist der Aussaat des Kornes und der Keimung des Samens besonders guenstig. Wenn es an Verena schoen Wetter war, so erzaehlen die Bauern im Frickthaler Dorfe Gansingen, so sassen unsre Leute am Tische und assen ruhig ihr Vesperbrod; wenn es aber regnete, so hiengen sie den Kornsack an und standen zum Saeen hinaus. Wenns a d'Verena regnet, muess de Bu'rsma s'Brod unter de Arm neh; wenn aber nit, so chan er's froelich hinter'm Tisch esse. Der Solothurner Bauer muss, wenn Verena Regen bringt, Tag und Nacht zu Acker fahren und sein Brodsaecklein, das Zimmis-choerbli, worin der Abendimbiss ist, mit ans Kummetscheit henken, ans Jochholz am Kummetkopf. Illustrirte Schweiz 1862, 259.-- Verenatag guennt d'Stiel ab jedem Hag; denn an diesem Tage, heisst es, ist alles Obst reif und der Fruchtstiel abgetrocknet; ist es aber ein strenger Regentag, so fault das Obst hernach auf den Hurden. A d'Vrenetag got der Chabis uf e Rot; der Krautskopf berathet sich, ob er von diesem Tage an noch wachsen wolle; nimmt er nicht zu, so ist er daheim geblieben und nicht mit in Rath gegangen. Vrein am Rain traegt s' Abendbrod heim: das Vesperbrod wird von dieser Zeit an nicht mehr aufs Feld gebracht, s' Vreneli zuendt a, und s' Mareili loescht ab: die Hausarbeiten bei Licht, die Kiltabende und Liebesnaechte begannen mit 1. Sept.; mit Mariae Verkuendigung, 25. Maerz, giengen sie wieder zu Ende. Heute aber beginnen die Lichtarbeiten gewoehnlich erst mit 2. Nov. und schliessen mit dem Josephstag, 19. Maerz. * * * * * FUSSNOTEN: [5] A Solodoro igitur discedens proficiscitur, ubi Rhenus labitur, Zurziacham graditur. Verena-Hymnus im Constanzer Breviarium von 1509, gedr. bei Eberhardus Ratdolt. [6] Diabolus quendam tyrannum sub potestate Romani nominis inflammavit, sagt die Originallegende; erst spaeter wird der Name Hirtacus dazu gefuegt. Auch das mhd. Gedicht nennt ihn einfach Richter. * * * * * Dritter Abschnitt. Verena, die Geburtshelferin. Ihre oertlichen Kleinkinderbrunnen, Taufbrunnen und Wasserkirchen; die ihr geopferten Maedchen- und Brautkraenze; ihr Geburtsguertel, Haarkamm und Waschkrug; ihre oertlichen und kirchlichen Heilquellen. Gesundheitsregeln am Verenentage. Mythische Nachklaenge von der Gewitterriesin: das Vrenelisgaertli am Glaernisch u.s.w. Wir beginnen mit dem Kindersegen, welchen die Heilige verleiht, und stellen hiefuer diejenigen Erzaehlungen voran, welche der aeltesten zwischen die Jahre 1005 bis 1032 fallenden Aufzeichnung der Verenalegende (bei Pertz 6, 457) angehoeren. Diese von G. Waitz nachgewiesene Zeitbestimmung gilt namentlich auch fuer diejenigen Thatsachen, ueber welche der Verfasser jener Bruchstuecke entweder als Augenzeuge berichtet, oder die er an bekanntere Herschernamen jener Periode anknuepft. Der Burgundenherzog Konrad war mit seinem Eheweibe Machthilde lange kinderlos geblieben. Sie wallfahrteten endlich nach Zurzach ins Verenenstift, beteten hier und vertheilten reichliches Almosen, und in der ersten Nacht nach der Heimkehr empfieng die Herzogin einen Thronfolger. Heriman, der zweite Alemannenherzog dieses Namens (997), hatte Gerbirga geehlichet, des vorhin erwaehnten Burgundenherzogs Konrad Tochter, und obwohl schon mehrere Toechter, doch noch keinen Sohn bekommen. Sobald aber die Eltern zum Grabe Verenas wallten, wurden sie auch mit einem solchen beglueckt. Dieser war, wie Casp. Lang beifuegt (Histor. theol. Grundriss der christl. Welt 1692. 1, 477), Herman III., der indess nicht zu seinen Jahren kam und schon 1012 wieder starb. Reginlinda, des Alemannenherzogs Burkhard II. Wittwe, lebte in zweiter Ehe mit dem Herzog Heriman, der jenem Burkhard 826 in der Regierung nachgefolgt war. Zu gleichem Zwecke, wie die Vorigen, machten die beiden Neugetrauten einen Kirchgang nach Zurzach und uebernachteten daselbst im Stifte. Hier traeumte Reginlinda von der Empfaengniss, die sie sich wuenschte, und gebar darauf die Tochter Ida, die nachmals Liudolf, Kaiser Ottos I. Sohn, zum Weibe nahm. Eine adelige Frau im Elsass hatte frueherhin in kinderloser Ehe gelebt, hierauf sich zur hl. Odilia verlobt und dann drei Toechter bekommen. Durch die hl. Verena hingegen erhielt sie erst noch Zwillingssoehne, denn diese Heilige besonders ist es, welche die Eltern mit Maedchen und Knaben begnadet. So war ein kinderloser Frankengraf oefters von den Zurzacher Stiftsherren eingeladen worden, er moechte sich zu ihnen begeben, die Heilige anflehen und ihr einen wenn noch so geringen Theil seines Reichthums opfern, dafuer werde er seinen Wunsch nach Soehnen erfuellt sehen. Jedoch er spottete mit seiner Frau dieses Rathes. Was sollen uns diese Pfaffen helfen? pflegte er zu sagen, sind sie nicht selbst die Unvermoegenden und an Mannesart die Allerletzten? Darauf wurde sein Weib vom Blitz erschlagen und er starb hin ohne Leibeserben. Ein Hoeriger des Stiftes hatte ein an Abkunft ihm gleiches Weib geheiratet, allein von dem Erbe, das ihnen beiden mehrfach zufiel, entrichteten sie dem Stifte nicht nur keinerlei Zins, sondern sie liessen sich auch in allerlei Schmaehungen ueber derlei Pflichtigkeiten aus und machten sich sammt ihren Kindern zuletzt ganz aus der Gegend fort. Dafuer starben er und sein Weib eines jaehen Todes, und seine Nachkommenschaft, die jetzt noch unter uns lebt, leidet durchgaengig an Gliederlaehmung. So viel erzaehlen die aeltesten Aufzeichnungen der Legende ueber den durch Verena gespendeten Ehesegen; nicht besonders mit erwaehnt aber ist, dass derselbe herstammt aus der in dortiger Stiftskirche fliessenden Heilquelle. Man steigt zu ihr durch die Sakristei auf mehreren Stufen hinab und schoepft das Wasser mit einem bereit stehenden Zieheimer; es wird flaschenweise heimgetragen und als Waschmittel gegen Haut- und Augenuebel gebraucht, Kindbetterinnen soll es besonders dienlich sein; auch das Abgestandene wird noch auf das Krautfeld gesprengt und vertilgt das Ungeziefer. Von diesem Umstande scheint nachfolgende Ortssage zu handeln, die man der Mittheilung des Kandidaten E. Schmid von Zurzach, gestorben zu Heidelberg, verdankt. Eine Zurzacher Frau war Woechnerin und schickte ihren Mann bei Nacht in das Staedtchen Klingnau hinueber, um eine Ammenfrau herbeizuholen, deren es im damaligen Dorfe Zurzach noch keine gab. Der Weg dahin geht stundenweit ueber den sehr wilden, 700 F. hohen Achenberg. Auf engen Felsentreppen ersteigt man die letzte Hoehe zum Rothen Kreuz, einer einzelnen Station der hier errichteten Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes. Diese Stelle ist jedoch ein gefuerchteter Spukort. Wer seine hierher angelobte Wallfahrt zu thun versaeumt hat, muss nach dem Tode hier umgehen; davon kommen die feurigen Maenner her, die man ein knarrendes Waegelchen ueber die Waldwipfel hinfahren sieht, oder die ledig laufenden Rosse, die sich vom Begegnenden an das Halstuch binden lassen, dann aber zu einer Groesse anschwellen, dass weder Tuch noch Hand mehr zu ihnen emporreicht. Als der ausgeschickte Mann diese ihm sonst wohlbekannte Hoehe erreichte, soll, wie man berichtet, dichtes Gebuesch ihm den Durchweg versperrt haben, so dass er verirrte und statt nach Klingnau an die Aare hinab, weitab bis zu deren Muendung in den Rhein gerieth. Denn am andern Morgen fanden ihn Schiffer des Dorfes Koblenz oberhalb des dortigen Laufen, eines Rheinstrudels, todt am Ufer. Diese Erzaehlung scheint ein Fingerzeig zu sein, dass man die Geburtshuelfe zunaechst bei der Heiligen in Zurzach selbst, und nicht in dem fremden Aarthale zu Klingnau haette suchen sollen. Denn dafuer eben fliesst in der Zurzacher Stiftskirche jener heilkraeftige Brunnen. Die hier hinabsteigenden Wallfahrer duerfen sich einen Krug voll unentgeltlich schoepfen, dagegen erkaufen sie sich das Oel aus der hier brennenden Gruftlampe und wenden es daheim gegen Augenuebel an; letzteres ein Brauch aus der fruehesten Zeit des Christenthums, dem schon Gregorius von Nazianz das Wort redet. So heilte Oel, aus der Kirchenlampe zu. St. Gallen geholt, gleichfalls kranke Augen. Casp. Lang, Theol. histor. Grundriss (1692) 1, 513. 1036. Ein gleiches Mirakel ist in der Gertrudislegende erzaehlt, A. SS. sec. II, pg. 470: Ein blindes Eheweib wird von ihrem Gemahl ans Gertrudengrab in der Nivellerkirche gefuehrt und kommt hier zufaellig unter eine der Kirchenlampen zu stehen, welche trieft und des Weibes Mantel beschuettet. Die Umstehenden nehmen daraus Anlass, der Blinden Augen damit zu bestreichen, und diese wird dadurch auf der Stelle sehend. Noch einen solchen Brunnen von gleichfalls befruchtender Wirkung besitzt die Heilige in den Baedern der Stadt Baden. Dies ist das Verenabad, das von je her ein Freibad gewesen war, dessen sich Arme und Presthafte unentgeltlich bedienen konnten. Vormals lag es unter offnem Himmel; nunmehr hat es Einwandung und Bedachung; in seinem unmittelbar ueber der Quelle gebauten Bassin finden gegen hundert geduldige Menschen zusammen Platz, die aus allen Kantonen auf Staatskosten hieher geschickt werden. Der heisse Sprudel tritt unmittelbar aus dem Boden ins Bassin durch eine Oeffnung, welche das Verenenloch heisst. Daran steht eine Steinsaeule errichtet mit der holzgeschnitzten bemalten Figur der Heiligen. Junge Ehefrauen, die sich nach einem Erben sehnen, verschaffen sich hier des Nachts, wenn das verbrauchte Wasser abgeflossen ist, durch den Bademeister heimlich Zutritt; sie senken ein Bein in die Roehre hinab, durch die der Sprudel emporwallt, lassen es recht durchwaermen und sind der sicheren Hoffnung, dieses Verfahren helfe zur baldigen Erfuellung ihrer muetterlichen Wuensche. Das Alter dieses Frauenbrauches erhellt aus der 1578 zu Basel erschienenen, von Dr. Heinrich Pantaleon verfassten "Wahrhaftigen und fleissigen Beschreibung der uralten Statt und Graveschafft Baden, sampt ihren heilsamen warmen Wildbedern, so in dem Ergoew gelegen"; hier heisst es auf S. 73: "Es ist aber hie ein abergleubischer Won vorhanden. Dann es vermeinen hie jren vil, wann ein unfruchtbare Fraw darinnen bade, vn ein fuoss in dz loch stosse, da dz wasser herfuer quillet, es werde St. Verena bey Gott erwerben, dz sie fruchtbar werde."--Dass dieser Wahn vormals ein weit verbreiteter gewesen, lernt man aus Lynker, Hess. Sag. S. 17 kennen, wo es heisst vom Teich der Frau Holle: "Frauen, die zu ihr in den Brunnen steigen, macht sie gesund und fruchtbar, denn eben aus ihm kommen auch die neugebornen Kinder." Diese muetterliche Goettin Holda gleicht also vollkommen der von den Albanesen verehrten Geburtsgoettin Ora, einem Wuenschelweibe, vermoege deren Macht das Kind genau in derjenigen Gestalt geboren wird, in der es gewuenscht worden ist. Hahn, Griechisch-albanes. Maerch. 1, S. 37. Holda huetet die Seelen der Ungebornen unter dem Spiegel der Brunnen, uebergiebt sie als Froeschlein und Fischlein dem Seelenbringer Storch fuer die gebaerenden Muetter, damit sie ins leibliche Dasein eingehen koennen, und nimmt die unmuendig wieder Hinsterbenden abermals zu sich in die kristallne Tiefe. Daher stammt die allverbreitete, ueberall lokalisirte Sage von den Kinderbrunnen, wo die Kleinen um die Mutter Gottes spielend herumsitzen und mit Honig und Erdbeeren aufgenaehrt werden. Schon altdeutsche Dichter bedienten sich dieser Vorstellung zum Preise der geheimnissvollen Geburt Jesu durch die hl. Jungfrau; so um 1260 der Dominikanermoench Eberhart von Sax, der von der Mutter Gottes sagt: du bist der gezeichent brunne, darin schein diu lebendiu sunne. Und Nachklaenge solcher Gleichnisse leben im Kinderreim vom Storch fort: Storch--Storch--Steine, Mit dem langen Beine, Mit dem kurzen Knie: Jungfrau Marie Hat ein Kind gefunden In dem goldnen Brunnen. Wer solls (aus der Taufe) heben? Der Gothe und die Goethen. Am Queckbrunnen zu Dresden stand schon 1312 ein Marienbild; jetzt ziert ihn ein fliegender Storch, der sowohl im Schnabel, als auch in den Faengen und zudem auf jedem Fluegel je ein Wickelkind traegt. Dieses Wasser macht unfruchtbare Frauen zu gesegneten Kindsmuettern. Schaefer, Staedtewahrzeichen 1, 120. Zu den in den Aargau. Sagen 1, S. 17 bereits verzeichneten schweiz. Kleinkinderbrunnen lassen sich nachtraeglich noch folgende aargauische anfuehren. In der Stadt Aarau war es bis zum Jahre 1812 obrigkeitlich festgesetzt gewesen, den Stadtbach alljaehrlich am Verenatag abschlagen zu lassen. Da man der Annahme zufolge aus seinen Brunnenstuben den Saeuglingsvorrath holte, so steht dieser Kleinkinderbach noch immer in besonderer Geltung. Sobald man nun den abgestellten Bach eines Abends wieder anlaufen laesst, zieht ihm die gesammte Stadtjugend unter Fackelschein mit laubumflochtnen Staeben entgegen und ruft zum Takte der wirbelnden Knabentrommeln: Der Bach chunnt, der Bach chunnt: Sind mini Buebe-n-alli gsund? Jo jo jo! Der Bach ist cho, der Bach ist cho: Sind mini Buebe-n-alli do? Jo jo jo! In der Stadt Rheinfelden holt man das neue Schwesterlein aus der dortigen Brunnenstube; im benachbarten Laufenburg aus dem Stinkenden Bruennli (ueber Gipslager ablaufend), am Fusse des Ebenberges; in Oberfrick aus dem altverschuetteten Spagenbrunn, im Dorfe Kuettigen aus dem Stampfelgraben des dortigen Muehlbaches, im Dorfe Koblenz aus der die Gemeindegrenze bildenden Quelle. Zu den gleichbedeutenden in der uebrigen Schweiz gehoeren folgende: der Waldweiher Dreibrunnen in der toggenburgischen Stadt Wyl (Sailer, Chronik von Wyl 1, 123); der Dorfbach mit seinem Findlingsblock zu Aegeri im Kt. Zug; der Stempbach in Stans, und der Seltenbach in luzernisch Escholzmatt, der noch dadurch bemerkenswerth ist, dass er den Namen der deutschen Gluecksgoettin Frau Saelde traegt. Luetolf, Fuenfort. Sag, S, 550. Solcherlei Quellen mit altheidnischem Cultus mussten von den Bekehrern entweder diabolisirt oder, wenn es die Umstaende erlaubten, in Taufbrunnen mit Taufkirchen umgewandelt werden. Der hl. Remaclus vertrieb den Teufel aus einem Brunnen, in welchem er sich hatte huldigen lassen (Schmitz, Eiflersag. 2, pag. 114), und macht nun auch jene Weiber fruchtbar, die sich in die Fusstapfe hinein stellen, welche bei der Quelle Groossbek zu Spaa seinen Namen traegt. Wulf, Ndl. Sag. S. 227. Dass dieser vertriebne Brunnenteufel ein heidnisches Wasserweib gewesen sein musste, erklaert uns die Kirche ausdruecklich. Abt Tritheim beantwortet dem Kaiser Maximilian I. im J. 1508 achterlei Fragen ueber die Geisterwelt (Liber octo questionum. Oppenheim, Joh. Hasselberg 1515, 20. Sept.) und entwickelt dabei ueber die Wassernixen folgende Theorie. "Die in Seen und Fluessen hausenden Geister sind wie des Wassers Ungestuem truegerisch, reizbar und grausam. Wollen sie sich sichtbar machen, so erscheinen sie, wie es die Weichlichkeit des ihnen zur Wohnstatt gegebnen feuchten Elementes bedingt, in Frauengestalt. Wie daher schon das Alterthum den Najaden, Nereiden und Nymphen durchgehends weibliches Geschlecht gab, so nennt sie auch unser Volksmund _Wasserfrawen_. Diese lassen sich an Fluessen und Quellen blicken, kaemmen ihr langes Frauenhaar, reden die Menschen an und ziehen sie in ihre Spiele. Die Heiligen und die Engel jedoch, deren Gemuethszustand unwandelbar ist, nehmen insgesammt keine andere Erscheinungsweise an als die maennliche, und niemals ist davon zu lesen, dass ein reiner Geist sich in Weibesgestalt gezeigt habe."--Die gegentheilige Anschauung greift aber Platz, wenn die Kirche Ursache hat, gegen die heidnisch verehrte Quelle tolerant zu sein; alsdann heisst es: Wer in eine Quelle spuckt, speit dem lieben Gott ins Gesicht; und daher ruehrt es, dass in unsren an Quellen, Stroemen und Seen so reichen oberdeutschen Landschaften die geschichtlich aeltesten Christentempel Wasserkirchen heissen und sind. Die zuercherische dieses Namens ist rings von den Seewellen umspuelt und in ihrer Unterkirche fliesst das Heiligbruennlein. Wasserkirchen sind ferner diejenigen zu Konstanz, Lindau, Wettingen, Reichenau und Rheinau. Auf der Rheininsel zu Saeckingen siedelt sich der hl. Fridolin an, auf derjenigen bei Stein wird der hl. Otmar begraben. Alle diese Orte sind altchristliche Niederlassungen, theils schon aus der roemischen, theils aus der merowingischen Periode. Ufnau, des Zuerchersees groesste Insel, deren Kirche 1140 geweiht wurde und Mutterkirche war fuer einen grossen Theil der Weiler und Hoefe am untern See, war schon zur Zeit der irischen Apostel ein Sitz des Christenthums. Diese Kirche sowohl wie auch die am gegenueberliegenden Ufer zu Staefa war der hl. Verena geweiht. Schweiz. Anz. f. Gesch. 1859, 39. In der Stadt Zuerich bestand bis zur Reformation das kleine Nonnenkloster der Schwestern von Konstanz, welches hiess zu _St. Verena in Brunngassen_; es wurde 1551 von dem beruehmten Buchdrucker Christoph Froschauer angekauft und heisst bis heute zur Froschau. Beschert Verena die Kinder, so muss sie nothwendig auch die Schirmvoegtin der Ehebuendnisse sein, und wir sehen dies deutlich aus den ihr kirchlich geopferten Gegenstaenden, vornemlich den Brautkroenlein. Die katholischen Landmaedchen zwischen der untern Aare und dem Rheine tragen bei besondern kirchlichen oder weltlichen Festanlaessen den kroenleinartigen Kopfschmuck der Tschaeppelein, chapelet. Er besteht aus einem mit Seidenblumen und Goldflintern reich umsponnenen Drahtgeflechte, das sich sanft ueber den Scheitel hin woelbt, oder statt dessen ist es auch ein kleines Sammtkaeppchen, oben napffoermig abgerundet und mit Korallen gestickt; es ist so winzig, dass es oben mittels eines Seidenfadens ueber das Haar gebunden werden muss. Ist nun in der Landschaft von Leuggern, das Kirchspiel genannt, ein Maedchen getraut, so hat sie ans Verenagrab nach Zurzach zu wallfahrten und hier am Grabgitter ihr Tschaeppelein zum Opfer aufzuhaengen; es ist ein Dank dafuer, unter die Haube gekommen zu sein. Erscheinen dann im Herbste die Zuege der uebrigen Wallfahrerinnen, so nehmen sie ein solches Brautkraenzchen vom Gitter und setzen es waehrend ihres Gebetes selbst auf. Ein so grosser Vorrath von Kaeppchen haeuft sich hier an, dass man die veralteten darunter alljaehrlich am Charsamstag abnimmt und in dem Osterfeuer, das vor der Kirche angezuendet wird, mitverbrennt. Etwas Aehnliches besteht auch im Fischerdorfe Koblenz, in dessen Kapelle jener Muehlstein verwahrt liegt, auf dem Verena von Solothurn auf der Aare hieher gefahren sein soll. Wird nun hier nach alter Gepflogenheit alljaehrlich im Fruehling der Gemeindebann von Jung und Alt umschritten, so duerfen bei diesem Maennergeschaefte die Maedchen allein sich nicht mit anschliessen, sie sollen vielmehr die Krapfen fuer die Heimkehrenden indess fertig backen. Alsdann aber brechen sie sich Feldblumen und flechten in die Wette Kraenze daraus ins Haar, die gleichfalls Schaeppeli heissen, tragen diese zur Dorfkapelle und ueberhaengen damit die Horizontalstaebe des Eisengitters, hinter welchem Verenas Muehlstein geborgen liegt. Der Heiligen Schnitzbild, drei Fuss hoch und bemalt, steht auf diesem Stein. Zum Schlusse erscheint der Sigrist, setzt den schoensten der geopferten Kraenze der Heiligen aufs Haupt und schmueckt mit den uebrigen den Grundstein. Unter den wenigen Reliquien Verenas, von denen man ueberhaupt Kunde hat, ist es gerade ihr Guertel, der sie als eine die Ehen und Geburten beschirmende Heilige aufs deutlichste bezeichnet. Dieser war in dem ehemaligen schwaebischen Reichsstifte Roth verwahrt, einem mit regulirten Chorherrn besetzt gewesnen Gotteshause. Die Frage, wie er aus dem entlegnen Zurzach bis dahin kommen konnte, beantwortet sich aus der Groesse und Ausdehnung des ehemaligen Bisthums Konstanz, das wirklich bis ueber den Neckar bei Marbach reichte. Dieser Guertel, schreibt Richter (Sigprangender Triumphwagen Verenae, Augsburg 1736, pg. 42 und 81), wird nach allgemeinem Brauche den Frauen bei schweren Geburten gebracht. Des roemischen Kaisers Rudolf Sohn, Herzog Johannes, Landgraf in Elsass, ist so durch Verenas vielvermoegenden Beistand zur Welt geboren worden. Hier folgt eine Reihe von Heilquellen, die im Aargau und dessen Nachbarlandschaften unter Verenas Namen altverehrt sind. Der Fussweg vom Rheinflecken Zurzach in das Staedtchen Klingnau an der Aare fuehrt ueber den Achenberg. Auf der Hochebene dieses betraechtlichen Bergzuges steht umgeben von tiefen Waldungen ein Bauernhof mit alter Wirthschaftsgerechtsame, benachbart eine durch den Bischof Sigismund von Konstanz 1062 eingeweihte Kapelle sammt Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes. Jeden Samstag wird hier Messe gelesen, im Monat Mai eine Feldprozession und ein Jahrmarkt abgehalten. Die guenstige Jahreszeit, des Berges wilde Schoenheit mit seiner erstaunlichen Fernsicht ins Hegau und Klettgau hinueber, die Wunderthaetigkeit des Ortes und der den andaechtigen Besuchern gewaehrte paepstliche Ablass fuehrt alsdann zahlreiche Schaaren des Landvolkes aus dem Elsass und Schwarzwald hier zusammen. Man kocht im Freien ab und lagert des Nachts um hohe Feuer. Doch kein Wallfahrer verlaesst den Berg, ohne nicht ueber eine in Felsen gehauene Treppe zu der Schlucht beim Rothen Kreuz hinab zu steigen, wo die Wegscheide in das Aarthal hingeht. Hier trinkt er am wunderthaetigen Verenabruennlein und laesst auch fuer seine Kranken daheim ein Krueglein voll anlaufen. Ueber diese Waldquelle geht folgende Sage. Zur Zeit der ehemaligen Zurzacher Herbstmesse, die auf den 1. September als den Festtag Verenae fiel und der Schliessmarkt hiess, kam ein wenig bemittelter Mann aus dem Staedtchen Klingnau hier bergan gestiegen in der Absicht, seinen Kindern so wohlfeile Winterschuhe einzukaufen, als sie auf jener beruehmten Ledermesse Zurzachs zu haben waren. Das Geld aber, das ihm dazu nicht ausreichte, hoffte er bei ein paar gutherzigen Leuten daselbst vielleicht geliehen zu bekommen. In solchen unsichern Betrachtungen erreichte er das Verenabruennlein, traf hier einen ihn freundlich anredenden Mann und theilte ihm seine heutige Absicht mit. Der Unbekannte verwies ihn an die Bergquelle. "Schon mancher Andere, sagte er, hat in deiner Lage hier die leere Hand in den Wassersprung gesteckt und sie gefuellt herausgezogen; aber die Bedingung bleibt dabei, dass man nicht vorwitzig nach oben schaue." Mit diesen Worten gieng der Fremde seines Weges und der arme Mann hinab zur Quelle. Hier stand wirklich ein Kistchen voll Geld, und so viel er mit zwei Haenden fassen konnte, nahm er sogleich heraus. Aber jenes Unbekannten Wort, Schau nicht nach oben! kam ihm jetzt gar zu wunderlich vor; noch vor dem Kistchen knieend, wendete er mit blinzelnder Neugier das Gesicht auf, und ach! da hieng gerade ueber seinem Kopfe gewaltig sausend ein umrollender Muehlstein. Eilends entsprang der Mann den Weg zurueck nach Klingnau, hatte seine Hand voll Geld auf den Bergmatten verstreut, musste sich daheim zu Bette legen und soll bald hernach an einem Zehrfieber gestorben sein. Was soll hier dieser Muehlstein wohl besagen? Hinter ihm schwebt die Muellerpatronin Verena und will in ihrer Mildthaetigkeit nicht gesehen sein. Es ist dies zwar ein oefters sich wiederholender Sagenzug, siehe Aargau. Sag. no. 173; allein gerade auf die hl. Verena bezogen, findet er sich auch im Luzernerlande wieder. Eine Dienstmagd aus dem Dorfe Buettisholz im Entlebuch berichtet uns, dass in ihrer Pfarrkirche Verena die erwaehlte Patronin sei. Man zeigt dorten mitten im Felde der Gemeindemark eine Bodenvertiefung, in welcher sonst eine Quelle entsprang Namens Goldloch und Verenaloch. Man schrieb derselben die gleiche befruchtende Wirkung zu wie dem Verenabad der Stadt Baden, und die Ortssage fuegt bei, wer ehemals in der Abenddaemmerung mit abgewendetem Gesichte die Hand in dieses Wasser tauchte, empfieng aus einer weiblichen ein Goldstueck. Als nun Knaben von Buettisholz einst in der Verabredung hieher gekommen waren, nach empfangenem Goldstuecke schnell sich umzuschauen, erblickten sie eine schoene Jungfrau, die nach einem Augenblicke wieder verschwand; doch Tags darauf ergab es sich, dass auch die Quelle versiegt war. Faesi, der seine Helvet. Erdbeschreibung im J. 1766 herausgegeben, berichtet Bd. 2, 491, am Fusse des Aargauer Jurapasses Schafmatt sei schon in aeltester Zeit ein Bad gewesen zur Erquickung der Reisenden, die ueber diesen steilen Berg wanderten. Aber man habe die Hauptquelle, die auf des Berges Sommerseite am sg. Klopfen lag, abgegraben und in die Badstube des Dorfes Oltigen hinabgeleitet. Dieser Quelle gegenueber entspringe das Verenawasser. Ebenso hat Gabriel Walser im Kartenblatte Kanton Basel des Homannischen Atlas an der Schafmatt bei Oltigen angemerkt: _Verenaloch_; und es ist dies dasselbe, dessen die Aargauer Sag. no. 1 mit dem Beifuegen gedenken, dass die aus dem Elsass ueber den Jura nach Einsiedeln ziehenden Wallfahrer betend auf die Kniee fallen, sobald sie dieser Quelle nahen. Denselben Namen traegt, wie schon bemerkt worden, auch der Sprudel im Freibad zu Baden. Hier ist auch jene Verenakapelle zu erwaehnen in der Naehe der Stadt Zug, gelegen am Fusse des Kaminstals, einer Berghoehe an der alten Strasse, die nach Aegeri und weiter nach Einsiedeln fuehrt; auch hier ist ein herkoemmlicher Rastort der Wallfahrer. Am Altar dieses in Kreuzform gebauten Kirchleins war frueherhin eine Inschrift angebracht und meldete, der Bau sei 1661 erneuert und 1684 durch den Konstanzer Bischof Mueller in Verenas Ehren eingeweiht worden; seither ist noch zweimal eine Renovirung noethig gewesen. Anfangs des vorigen Jahrhunderts wurde der Zuger Rathsherr Merz nach Zurzach abgesendet, um im dortigen Stift einen Reliquientheil vom Arme der Heiligen nebst einem Atteste ueber der Reliquie Echtheit in Empfang zu nehmen. Nachdem die Zuger Klosterfrauen diese neu erworbne Partikel kostbar gefasst hatten, wurde sie am 15. Sept. 1709 aus der Oswaldskirche der Stadt in Prozession zur Kapelle hinausgetragen "unter dem Knallen der Moerser und Doppelhaken". Zahlreiche Votivtafeln an den Kapellenwaenden verkuendigen des Ortes Wunderthaetigkeit. Unweit des Kirchenportals stand bis zum Jahre 1810 das St. Verenabruenneli, der Brunnenstock geschmueckt mit der Figur der Heiligen, allein die Brunnenleitung scheint von einem benachbarten Hofbesitzer abgegraben worden zu sein. Gleichwohl haben damit die Wallfahrten zur Kapelle nicht aufgehoert, wie der Zugerkalender vom J. 1858, welchem diese Angaben entnommen sind, ausdruecklich berichtet: "Bist du krank und die Guetterli (Arzneiglaeschen) des Doktors wollen nicht anschlagen, so muss ich dir sagen, dass in dieser Kapelle wirksam zu beten ist, besonders am Verenentage selbst. Da hast du alljaehrlich Gelegenheit in einer Festpredigt das Lob der Heiligen zu hoeren. Auch wird dir den Sommer hindurch so ein kuehler Spaziergang in der Fruehe ueberaus gut thun. Du bekommst dadurch Appetit und findest Staerkung fuer deine schwache Leber im nahen Roethelberg, sofern dir Verena nicht eins aus ihrem Krueglein einzuschenken geruht." Die dreierlei Statuen, die der hl. Verena in Zurzach, Baden und Herznach errichtet stehen, stammen aus alter Zeit, sind zu kirchlichen Ehren gesetzt und haben uebereinstimmend die gleichen Attribute: die Heilige traegt in der einen Hand die Krause, d.i. ein langhalsiges Weinkrueglein, in der andern haelt sie einen zweireihigen Haarkamm. Das Schnitzbild auf dem Kapellenaltare zu Herznach im Frickthal[7] hat in der Rechten statt des Kruegleins zwar den langen Brodkipf, doch gleich daneben, auf der Fluegelthuere dieses Altars angemalt, ist dasselbe Bildniss wiederholt, hier aber mit Kamm und Krug. Dasselbe Abzeichen ist auch in Blunschi's Zugerkalender noch vom J. 1823 zu sehen, der fuer das nichtlesende Landvolk bestimmt gewesen war und statt der Heiligennamen deren Figuren oder Symbole in kleinen Holzschnitten giebt. Hier ist unterm 1. September eine aufrecht stehende Katze zu sehen, die in den Vorderpfoten den langgezahnten zweireihigen Haarkamm haelt und zu Fuessen ein geschnaebeltes Giesskaennlein stehen hat. Aus diesen beiden Attributen Verenas hat die aeltere Legende auf eine opferwillige menschenfreundliche Jungfrau geschlossen die ihr Leben der Pflege Anderer so weit widmete, dass sie sogar den Schmuz der verlassenen Armuth nicht scheute. Daher hebt das von uns S. 108 ff. mitgetheilte mhd. Gedicht 106a den von ihr geheilten Aussatz hervor: auzsetzig behaft macht si slecht, plint, chrump macht si gerecht. In diesem Sinne erzaehlt dann auch Richter, Sigprangender Triumphwagen Verenae, S, 51: "Sie that den Kranken die Speisen in den Mund, bereitete ihnen die Betten, kehrte den Boden, saeuberte die Kleider, wusch alte Erbschaeden aus und zwagete die mit Siechthum beladenen Haeupter." Auf solche Anschauung hin wurden nachmals die "Armenbaeder", wie dasjenige in der Stadt Baden, gegruendet, jeder Gast hatte sein Krueglein mit Lauge und seinen Kamm selber mitzubringen. Die dortige Verena-Bruderschaft, die durch Papst Urban seit 1625 neu bestaetiget worden, ist nach dem dritten Paragraphen ihrer Satzungen verpflichtet, Erkrankte heimzusuchen, Armen Almosen und bestimmte jaehrliche Spendmaehler zu verabreichen. Das Steinkrueglein Verenas wird in der aeltesten Legendenaufzeichnung gleichfalls mit einer besondern Wundergeschichte bedacht. Hirten fanden dasselbe einst an jenem Rheinufer bei Zurzach, heisst es da, wo vormals eine Roemerstadt gestanden hatte, es war eine steinerne Urne, die man hernach kirchlich aufbewahrte. Als einst eine treue Wittwe ihrem verstorbnen Gemahl so lange nachweinte, dass sie darueber erblindete, erschien ihr nachts die Heilige und sprach: "Noch ist der Steinkrug vorhanden, der mir diente den Siechen das Haupt zu baden und den Angesteckten die Kleider zu waschen, daraus wasche dich gleichfalls." Die Frau suchte und fand an jenem Uferplatze die Urne, wusch sich daraus und bekam das Augenlicht wieder. Die gleiche Hilfe gewaehrte dasselbe einem Rosshirten, der von seinem unbarmherzigen Herrn geblendet worden war. Auch auf die weibl. Fruchtbarkeit hat es Beziehung gehabt; der Abgl. (Grimm no. 440, Ehstnisch no. 22) warnt schwangere Weiber, sich auf eine Wasserkanne oder sonst auf ein Wassergefaess zu setzen, sie wuerden sonst zu viel Toechter gebaeren. Ein Stueck von diesem Verenakrueglein hat nachmals der Fuerstabt von St. Blasien erworben und dafuer den Zehnten im ganzen Amte Waldshut an das Zurzacher Stift abgetreten. Darum erhob dieses letztere den Zehnten, bis zu dessen allgemeiner Abloesung, in folgenden acht badischen Nachbargemeinden: Kadelburg, Aettwil, Gortwil, Thiengen, Rheinheim, Kuessennacht, Dangstetten und Bechtisbohl. In der Krypta der Stiftskirche steht Verenas steinernes Grabmal, ein von hohem Alter zeugendes, kunstloses Werk; obenauf liegt in Lebensgroesse gehauen ihr Bild in Matronenkleidung, doch zum Zeichen bewahrter Jungfraeulichkeit in fliegenden Haaren, es haelt in der Linken den zweireihigen Kamm, in der rechten einen Wasserkessel am eisernen Tragringe. Die den Niedrigkeitsdiensten der Bade- und Waeschermagd aus Menschenliebe sich unterziehende Heilige ist in Zurzach mehr als bloss kirchlich verehrt, sie ist dorten zum Ortsgeiste geworden und heisst die Weisse Frau. Das mitten im Marktflecken stehende Haus zum Weissen Roessli ist ihr Aufenthalt. Aus dem Vorhoeflein desselben schreitet um Mitternacht vor hohen Festtagen eine stattliche schneeweisse Frau hervor und begiebt sich zum mittleren Brunnen auf dem Marktplatze. Hier spuelt sie ihr Weisszeug aufs sorgfaeltigste, und stolzen Ganges kehrt sie auf jenen Vorhof zurueck. Dass dieser Hausname zum Weissen Ross auf die dem Verenadienste kirchlich geweiht gewesnen Rosse zu beziehen sein wird, erklaert sich auch aus nachfolgender Ortssage. Die sogenannten vier Gotteshoefe in der aargau. Gemeinde Reckingen sind ein Mannslehen, welches auf vier dortigen Bauerngeschlechtern ruht, wofuer diese verpflichtet sind, dem Stifte Zurzach Zehnten und Bodenzins von den 80 Juchart haltenden Guetern zu entrichten, die Unterhaltung der dazu gehoerenden Antoniuskapelle zu bestreiten und fuer den Messpriester den Messwein zu liefern. Seitdem nun Zehnten- und Bodenzinspflicht hier wie sonst im ganzen Lande gesetzlich abgeloest worden ist, haben diese Hoefe ein dem Stifte Zurzach schuldendes Grundzinskapital von Fr. 6259 zu verzinsen, die Verwaltung des Kapellenfonds aber ist aus geistlicher Hand an den Gemeinderath von Reckingen uebergegangen und hat seit dem Jahre 1854 die gruendliche Erneuerung der Kapelle zur Folge gehabt. Diene letztere liegt in demjenigen Hofe, der nach seinem vierstoeckigen Meierhaus das Grosse Haus genannt wird. Aus ihm, erzaehlt man, kommt zu gewissen Zeiten des Nachts ein Fuellen gelaufen, umtrabt das Gebaeude, wird darueber zusehends groesser und ist mit einem male wieder unsichtbar. Bemerkenswerth ist nun hiebei der angebliche Umstand, dass Frauen niemals das Fuellen erblicken, wohl aber statt dessen eine weissgekleidete Frau, welche gleichfalls das Haus umgeht, an dessen vier Ecken bedaechtig stehen bleibt und hierauf ihren Weg in die Antoniuskapelle nimmt, wo sie verschwindet. Da Frau Hulle, welche gleich Verenen den Geburten hilfreich beisteht, in Franken auf einem Rosse einher kommt, und Schwangere, welche naehig sind ("uebergehen"), einem Schimmel Haber aus ihrer Schuerze zu geben pflegen (Wolf, Beitr. 2, 407), so werden jene Sagen darauf deuten, dass dem im Dienste Verenas stehenden Priester ein Dienstross zu seinen Amtsverrichtungen gestellt werden musste, und dass die Neuzeit diese Stiftung aufgehoben hat. Dem Kloster Koenigsfelden wurde Ross und Harnisch geopfert (Argovia 5, 32), auf ein gleiches Ruestpferd laesst die Ortssage von Mittel-Schneisingen schliessen, wornach der dortige Dorfgeist in der Kapelle des Ortes wohnt und Kapellenthierlein heisst. Aargau. Histor. Tascheub. 1862, S. 54. Ortsgeister in Schweden heissen Kirchenzaum und Kirchenhalfter weil dieses Reitzeug, zum Dienste des Priesters bestimmt, in den dortigen Kapellen hieng. Das Ross, das Ludwig der Baier im Treffen bei Ampfing geritten, vermachte er unmittelbar darauf der Kapelle in Gruenthal bei Vilsbiburg, die davon bis jetzt Sattelkapelle heisst. Holland, Ludwig der Baier und sein Stift Ettal, 1860, 6. Mit ihrem andern Attribute, dem Kamme, zeigt die sagenhafte Verena sich in einem bei Ober-Siggenthal (Bez. Baden) liegenden Waeldchen, das nach einem tief eingeschnittenen Wasserbette das Tobelhoelzli heisst. Am suedlichen Waldrande, hart am Fusswege, der nach Kirchdorf geht, sprudelt dorten eine schoene Quelle, an der ein uraltes Weibchen sitzt und sich das Haar kaemmt. Neben ihr grast das gespenstische, aber unschaedliche Nachmittagslamm. Auch das Muetterlein ist freundlich, nur will sie in ihrem Geschaefte nicht gestoert und von den Voruebergehenden nicht etwa ausgelacht sein, sonst setzt es fuer den Spoetter gewiss einen geschwollenen Kopf ab. Das ist das Tobel-Vreneli. Anderwaerts heisst sie nach ihrem in der Sonne blitzenden Kamm das Straehl-Anneli, oder nach ihrem buschigen Grauhaar das Heuel-Muetterli, denn Heuel bezeichnet den verzausten Hollenkopf. Zu Tegerfelden erscheint sie sogar noch in vollem Liebreize nackter Jungfrauenschoenheit, zieht einen Goldkamm durch die Locken und laesst ihr gelbes Ringelhaar bis auf die Spitze der Grashalme niederfliessen. Von allen diesen Erscheinungsweisen berichten bereits die Aarg. Sag. 1, S. 131. 240 und die Naturmythen S. 139. Einen Silberkamm und eine Badstande hinterliess auch die hl. Wiborada aus Klingnau im Aargau; jener wurde in der St. Galler Stiftskirche verwahrt und gegen Kopfweh gebraucht, in dieser genasen Kranke wunderbar. Murer, Helvetia sacra. Diese Wiborada war nicht bloss Verenas Landsmaennin gewesen, sie hatte sich auch dem gleichen Geschaefte gewidmet, die Haarpflege zu leiten und den Aussatz zu heilen; somit besass also einst der Aargau zwei weibliche Schutzpatrone gleicher Art. Es widerstrebt nun zwar unsern aesthetischen Begriffen geradezu, eine so widerwaertige Krankheit, wie der Aussatz ist, der Pflege der Schoenheits- und Liebesgoettin selbst zu unterstellen; das Alterthum aber, auch das klassische, hatte Grund, hierin anders zu denken, und sprach sich darueber eben so offenherzig aus, wie die Verenasage thut. Suidas, der zum Namen Aphrodite bemerkt, dass die Roemer ihre Bildsaeule mit einem Kamme in der Hand vorstellten, erzaehlt hiebei: Als einst die roemischen Frauen die Kraetze befiel, mussten sie sich das Haar abschneiden und die Kaemme wurden ihnen entbehrlich. Darauf flehten sie zur Aphrodite, ihnen die Haare wieder wachsen zu lassen, und ehrten sie mit einer Bildsaeule, die den Kamm trug. Die landschaftlichen Gesundheitsregeln, mit welchen dieser Abschnitt schliesst, zeigen nun die Verena zweifellos und wirklich in der ihr beigeschriebenen Rolle: sie verleiht hier dem ihr folgsamen Maedchen das schoene Haupthaar und zugleich den schoenen Schatz. Am 1. September, als dem kirchlich gefeierten Verenentage, ist es in der Altgrafschaft Baden, deren Gebiet von der Limmat zum Zurzacher Rhein reicht, durchgehends katholische Sitte, die Kinder frisch zu kleiden, wie es sonst nur um Neujahr oder Ostern geschieht. Damit glaubt man die Kleinen auf ein neues vor Krankheit geschuetzt zu haben. Am gleichen Tage ist es in jener Landschaft Hausbrauch, dass die Mutter an allen Koepfen ihrer Kinder eine gruendliche Waesche abhaelt, dem juengsten Maedchen wird der erste Zopf geflochten; das behuetet vor Kopfweh und giebt einen feinen Haarwuchs. Haelt sich das Kind widerwillig unter dem Kamme, so gilt folgender Reim: Chind, bis ietz still und fin, oder es chunnt Frau Vrin, die het ne grosse Striegel und zert di kech am Riegel. Der Riegel bezeichnet in der Mundart den Haarbueschel. Die Frau Vrin ist also hier eine Drohgestalt, wie in Schoeppners Bair. Sagenb. no. 1282 die lange Agnes, welche die Leute am Bache mit Buerste und Stahlkamm behandelt, bis Haut und Haar abgeht. Man macht dem kleinen Maedchen dabei weis, der neue scharfe Kamm und ein dreimaliges Abwaschen des Kopfes sei nothwendig, wenn dereinst ein eben so saubrer Liebhaber sich anmelden solle, und hiefuer hat man folgendes Spruechlein: Ach mi liebi Jumpfere Vre', gsehst, i ha kes Schaetzeli meh, straehl und waesch mi doch au nett, dass mi Hansli Freud ab mer het! Auch in Segensformeln wird ihr Name noch genannt. Ein unter dem Namen "Albertus Magnus Egyptische Geheimnisse" noch bei unserm katholischen Landvolke verbreitetes Zauberbuechlein giebt in seinem 3. Hefte pg. 19 folgendes Mittel an, die Warzen (nicht aber die _Wanzen_, wie Simrocks Mythologie III, 377 druckt) zu vertreiben: Man haucht im Namen der Dreieinigkeit ueber die Warzen und spricht dreimal: Frene, Frene, dorra weg! In Verena veranschaulicht sich jene krankenpflegende, weise vorsorgende, geduldig ausdauernde Barmherzigkeit, die eine Eigenthuemlichkeit des weiblichen Geschlechtes ist. Schon durch seine besondere, vorempfindende Zartheit ist das Frauengemueth von hingebender Menschenliebe erfuellt. Weil es mehr aufs Einzelne und Besondere achtet, so vermag es sieh mit schneller Erkenntniss in die Schicksalslage Anderer zu versetzen; weil es eine vorherschende Anlage zu besonnener praktischer Hilfe hat, so uebernimmt es freiwillig das Geschaeft der Krankenpflege und vollzieht es im Einzelnen mit groesserem Gluecke als der Mann, da es weniger schnell als er in Dienstleistungen ermuedet, mehr und laenger als er zu dulden, zu entbehren, auszudauern vermag in Muehen und Nachtwachen. So erscheint das Weib allen Voelkern waehrend grosser allgemeiner Leiden als eine heroische, opferwillige Seele, und ist daher mit Recht im Glauben und in der Kunstdarstellung der Rettungsengel fuer die schmerzbehaftete Welt geworden. Mit Befriedigung erkennt der Forscher in diesen Charakterzuegen Verenas, wie es dem humanen Geiste der christlichen Lehre gelang, die zum Maerchen gewordne Gestalt einer heidnischen Hilfs- und Heilgoettin allmaehlich "zur demuethigstillen Erscheinungsweise einer Grauen Schwester", wie Gelpke (Schweiz. Kirchengesch. 1, 180) charakteristisch sagt, zu entgoettern und zugleich wieder empor zu heben. Aber etliche Spuren der Heidengoettin bleiben hinter dem kirchlichen Heiligenschein immer noch erkennbar, wie denn Verena noch heute zuweilen den ihr geweihten Altar verlaesst, um unter mancherlei Namen und Gestalt draussen an den gewohnten Bueschen und Quellen des Waldes einer wilden Naturfreude nachzuschweifen. Kaum wuerde man dann die Goettin oder die Heilige noch in ihr vermuthen, truege sie nicht ihren alten Namen oder ihre geweihten Abzeichen. Denn dann wird sie wieder ein "alt heidnisch Wassergoetzli", wie der Berner H.R. Grimm (Schweizer Chronica 1786, 249) sie bezeichnend genannt hat, und schon die rohe Haerte, mit der sie unglaeubigen Missethaetern die Strafe zumisst, laesst ihr und ihrer Legende hohes Alter erkennen. Als jener Knecht des Zurzacher Priesters sie faelschlich der Veruntreuung im Haushalte anklagt, muss nicht bloss er sogleich erblinden und zeitlebens vom fallenden Weh geplagt sein, sondern auch keins seiner Blutsverwandten stirbt hin ohne Siechthum, Laehmung, Blindheit und Tobsucht. Dafuer, dass ein Weib eigensinnig am Verenentag daheim bleibt und spinnt, waehrend Alles sich in die Kirche begiebt, wird sie von den Rueckkehrenden im fallenden Weh gefunden, die Kunkel noch in den Haenden festgeklammert; ebenso wuchs einem Manne, der am Festtage im Walde holzte, die Axt in der erstarrten Hand fest. Gleichfuerchterlich bestraft sie den Bauern, der an ihrem Kirchenfest sein Heu auf der Wiese schobert, und so noch Aehnliches. Dieses Uebermass barbarischer und leidenschaftlich dreingreifender Koerperstaerke herscht besonders in den mehrfach von Verena handelnden Gebirgssagen vor, wie solche sich in den deutschen und rhaetischen Alpen finden. Sie traegt in Buenden, Engadin und an der bairisch-tirolischen Grenze den Namen _Verein_, gebildet wie die rhaetischen Ortsnamen Madulein (Bez. Zutz, im Oberengadin, urkdl. 1139 Madulene), oder wie Luzein und Valzein im Praetigau (urkdl. Valzena). Eine solche Verein-Alpe liegt bei altbair. Mittenwald (Steub, Herbsttage in Tirol, S. 251), eine andere an der weitlaeufigen Eiswueste des Selvretta. Hier hat die "Fremd-Vereina" ihre zwei besondern Hoehlenwohnungen in der Col die Balma und Baretto-Balma. Die letztere ist stets reingekehrt, wie ausgeblasen, und duldet auch kein bischen Laub, Holz oder Stein in sich; es laesst nichts drinnen, sagen die Hirten und staunen das Geheimniss an (Tscharner, Statist. v. Buenden 1, 140. 258. Buendner VolksBl. 1832, 214). Am namhaftesten aber ist das bekannte Vrenelisgaertli, jenes weithin durch die Schweiz schimmernde Firnfeld des Glaernisch, 9,353 Fuss ueber Meer, das sich wegen der angeblichen Ausschweifungen des Sennenvolkes aus bluehenden Matten in ewige Gletscher verwandelt hat. Nachfolgende eigenthuemliche Sage hierueber beruht auf der schriftl. Mittheilung, die wir dem Hn. Heinr. Gessner, Lehrer in zuerch. Lunnern, zu verdanken haben. Bei letztgenanntem Orte im Bezirk Affoltern liegt am suedlichen Fusse des Albis der unheimliche Tuerlersee, der tiefste im ganzen Zuercher Lande. Seinen Namen hat er von seiner Lage, da er an des Berges Engpasse und Thore: turilin, gelegen ist. Er sammt der Umgegend gehoerte in der Vorzeit einer starken, herrischen und arbeitsruestigen Frau an, die beim Volk Frau Vrene hiess. Da begab es sich, dass die Leute von Heferschwil, einem Weiler der Gemeinde Metmenstetten, wegen einer fruchtbaren Gemarkung am Jungalbis mit dieser Frau in einen heftigen Eigenthumsstreit geriethen, der kein Ende nahm, weil sie in ihrem Stolze sich weigerte vor einem Richter des Landes zu erscheinen. Mit Huelfe fahrender Schueler zog sie in einer einzigen Nacht einen tiefen breiten Graben durch das ganze Jungalbis und schied so ihr Eigenthum fuer immer vom Gelaende der Gegner. Der Graben war gezogen bis zum Tuerlersee, es fehlte nur noch der letzte Spatenstich, so wuerden die Wasser sich ueber ganz Heferschwil ergossen haben. In diesem Augenblick aber erfasste einer der fahrenden Schueler die Frau und entfuehrte sie durch die Luefte auf die Westseite des Glaernisch, setzte sie hier auf einer weiten gruenenden Berghalde ab, wies ihr diese zum Aufenthalt an und sprach: "Hier kannst du gartnen, Vrene!" Dorten hat sie darnach so lange Zeiten gehaust, bis dieser schoene Alpengarten endlich sich in eine weite Firnstrecke verwandelte. Noch steht Frau Vrene daselbst, den Spaten in der Hand, zur Eissaeule erstarrt, mitten in dem von Felsmauern eingefassten Schneefelde, das bis ins Knonauer Amt herueberblinkt. Dieser eben erwaehnte Graben am Jungalbis ist rechtsgeschichtlich seit alter Zeit bekannt und traegt in der Offnung von Borsikon (Grimm, Weisthuemer 1, S. 51) den auffallenden Namen Kriemhiltengraben. Nach einer zweiten hievon handelnden Volkssage, mitgetheilt in Meyer's Zuerch. Ortsnamen no. 182, waren die Bewohner von Heferschwil mit jener Kriemhilt gleichfalls in Zwist gerathen, und die Erzuernte schwur, sie werde den Tuerlersee abgraben, seis nun Gott lieb oder leid. Durch einen kleinen Berg, der zwischen dem See und dem Weiler liegt, begann sie den Durchstich mit einer Schaufel, so gross wie ein Scheunenthor. Da erregte Gott einen gewaltigen Sturm, der ihre Schaufel zerbrach und sie selbst von der Erde fortriss bis auf den Glaernisch in Vrenelis Gaertli. So reicht also die Verenasage in die unorganische primitive Steinzeit zurueck. Der erratische Block, aus dem Verena die Neugebornen hervorholen laesst; der Muehlstein, auf dem sie wilde Stroeme befaehrt; die Felskluefte, Hochalpen und Gletscher, die ihren Namen tragen; die heissen Sprudel, die sie aus dem Boden stampft und mit dem Finger aus der Rheininsel hervor bohrt--verkuenden eine urspruengliche Riesenjungfrau, deren roh angelegte Gestalt spaeter ins Satanische umgeschlagen haben wuerde, haette die Kirche sie nicht fruehzeitig noch christianisirt. Statt der Heiligen besaesse man alsdann eine alles versteinernde Hexe; oder statt der demuethig dienenden Priestermagd nur eine diebische Pfaffenkellnerin, die der Unterschlagung beschuldigt entspringt, ueber die ganze Breite des Thales setzt und ihre Fussspur drueben in die Felsenplatte der jenseitigen Thalwand eindrueckt. * * * * * FUSSNOTEN: [7] In dieser Herznacher Verenakapelle, und nachmals in dortiger Pfarrkirche, waren pfarrgenoessisch die Frickthaler Dorfschaften: Ueken, Zeihen, Denspueren, Ober- und Niederasp, schliesslich auch Haener am Schwarzwald, ob Laufenburg. * * * * * Vierter Abschnitt. Verena als Frau Venus. Das Tannhaeuserlied in aargauischer Version; die Frau Venus-Vrene des Volksliedes; die Venus-, Feens- und Vrenberge, die Venus- und Vrenenhaeuser, aus ihrer gegenseitigen Namensvertauschung zurueckgefuehrt auf den urspruenglichen Mythus. Nachfolgender Liedtext wurde von einer im vorigen Jahrzehnt verstorbnen Matrone, der Frau Meyer auf dem Tromsberge, im aargau. Bezirk Baden, auf dem Siechbette ihrem Arzt Dr. Al. Minnig zu Baden in die Feder diktirt. Der Text kommt demjenigen am naechsten, welcher einst von Stalder in Entlebuch gleichfalls nach muendlicher Ueberlieferung aufgeschrieben und an Lassberg uebergeben wurde, der ihn im Anzeiger 1832, 240 veroeffentlichte. Daraus entnahm ihn Uhland fuer seine Sammlung no. 297 C., und nach dieser Fassung sind hier unten alle Einzelverse unseres Textes besonders bezeichnet, die mit jenem Stalderischen uebereinstimmen. Was die Literaturgeschichte des Tannhaeuser-Liedes betrifft, die schon von Uhland begonnen worden, so steht sie seither in Goedekes Deutsche Dichtung im Mittelalter (1854, S. 580) bis zur Vollstaendigkeit aufgefuehrt. Tannhaeuser war ein junges Bluet, Der wot gross Wunder gschaue,[8] Gieng auf Frau Vrenelis Berg Zu selbige schoene Jungfraue. Wo er auf Frau Vrenelisberg ist cho, Chlopft er an a d'Pforte: Frau Vrene, wend er mi inne loh, Will halte eu'e Orde! "Tannhaeuser, i will der mi Gspile ge Zu-m-ene ehliche Wib."[9] Diner Gspilinne begehr ich nit, Min Leben ist mer z'lieb. Diner Gspilinne darf i nuet, Es ist mir gar hoch verbotte, Sie ist ob em Guertel Milch und Bluet Und drunter wie Schlangen und Chrotte. Tannhauser sass am Figebaum, Drunter er war entschlafe. Es chunt em fuer i sinem Traum, Er mueess uf Rom wallfahrte.[11] Wo er in d'Stadt Rom inne chunt Wohl unters hoechsti Thor, Frogt er dem oberste Priester noh, Wo in der Stadt Rom waer. Wo er i d'Chille ie chunt, Vor'm Pobst thet er sich gneige: Gott grueeze eure Heilige, Pobst, Mine Suend will i eu azeige. Der Pobst het do en dueere-dueere Stab, Vo Duerri war er gspalte: "So wenig de Stab meh z'grueene chunt, So wenig magst du Ablass erhalte."[12] Und wenn i nuemme z'Gnade chum Und nuemme mag werde bihalte, So gohn i uf Frau Vrenis Berg Und leben bin ihr im Walde. Es goht nit meh als dritthalb Tag, So fieng der Stab a z'gruene, Er treit es Laub so grueen wie Gras, Darzue drei schoeni Blueme.[10] De Pobst schickt sine Botten us, Sie wuesset ehn niene meh z'gwahre; Er schickt sie us in alli Land, Der Tannhuser blibt verfahre. Sie choemmet uf Frau Vrenelis Berg, Chlopfet a d'Pforte und die ist gschlosse Tannhuser soll do usse cho, Sine Suende eigen ehm nochg'losse! "Zun-ech usse cho, das chan i nit, Do muess i bliben inne. Muess bliben bis am Juengste Tag, Dae gohts mer erst, wies cha und mag!" Tannhuser sitzet am steinige Tisch, Der Bart wachst ihm drum umme, Und wenn er druemal ummen isch, So wird der Juengst Tag bald chumme. Er frogt Frau Vreneli all Fritig spot, Oeb der Bart es drittmol umme goht Und der Juengsti Tag well chumme. Ein im Sarganserthale gegen Ragaz hin gelegner Huegel, an dessen suedlichem Fusse vormals die Gerichtsstaette des Bezirks gewesen war und wo Urkunden ausgefertigt wurden, von denen jetzt noch einige im dortigen Oberlande vorhanden sind, heisst im Munde aelterer Leute der Frau Vrenes Berg und Frau Venesberg. Er gilt als ein Schloss voll feenhafter Jungfrauen. Hier mitten unter romanischem Spracheinfluss behauptete sich bis auf die Neuzeit das oberalemannische Verena-Tannhaeuserlied, und wurde nach einem zu jenem Feenschlosse angeblich gehoerenden Thiergarten "das Thiergetlied vom Vrenesberg" genannt. Mittheill. des St. Galler histor. Vereines, Heft 4, 198. Wie aber kommt die hl. Verena an der Stelle der Venus in das Tannhaeuserlied und was ist der Sinn dieses Liedes, wenn ihm die Heilige einverleibt werden konnte? Bereits Grimm (Myth. 283. 913. 1212) hatte unter dieser doppelnamigen Frau Venus-Vrene die Goettin Freyja gemuthmasst; seine Ahnung, wird durch die seither weiter vorgerueckte Sagen- und Sprachforschung bestaetigt. Die echte Goettersage hiezu ist erhalten in dem eddischen Liede von Fioelsvinnr und erzaehlt also. Die Goettin Freyja war dem Halbgotte Odhr vermaehlt und von diesem verlassen worden. Vordem hatte sie wegen ihres beruehmten Halsgeschmeides die Schmuckfrohe geheissen, Mengloed; nun aber empfieng sie den neuen Namen die Thraenenschoene, denn um den verlornen Gemahl durchsuchte sie alle Laender und weinte ihm goldne Thraenen nach. Sie mied der Maenner Gemeinschaft; erbaute sich auf einer Waldhoehe eine Halle, ueber deren Schutzwehren Niemand einzudringen vermochte, und lebte hier mit heilkundigen Maedchen eintraechtig zusammen. "Hilfeberg heisst die Hoehe, wo sie wohnen, allen Lahmen und Siechen Hilfe schaffend; keine Krankheit ist, die sie nicht zu wenden wuessten." Da kehrte der die Welt durchreisende Odhr nachmals wieder zurueck und sprach zum Waechter des Berges: "Reiss auf die Thuere, Waechter! auf kalten Wegen komm ich her, die Schicksalsschwestern sind an meiner langen Saeumniss schuld, doch geh und frag erst Mengloed, ob sie mich noch liebt?" Da emfieng sie den Langersehnten mit Kuessen und sagte: "Lang sass ich auf dem Berge, Tag und Nacht nach dir blickend, endlich hat sich mein Sehnen erfuellt; mein lieber Freund ist gekommen, nun sind wir beide froehlich!" Die Verwandtschaftszuege zwischen diesem Mythus und dem Tannhaeuserliede sind einstweilen folgende. Odhr-Tannhaeuser wandert aus dein Waldberge der Freyja-Vrene weit in die Welt fort bis nach Rom, kehrt aber, weil bei allen Menschen verkannt und verstossen, wieder heim, wo inzwischen die verlassne Geliebte mit ihrer Jungfrauenschaar den Orden heilkundiger, hilfreicher Schwestern gestiftet hat, und pocht am Thore. Der Waechter (der getreue Eckart) erkennt seinen Herrn und fuehrt ihn in den Berg. Draussen laesst er den duerren Wanderstab liegen, der sogleich an zu gruenen faengt; drinnen ruht er am Steintische und bemisst das nun nicht mehr unterbrochne Glueck nach der Laenge des Bartes, der ihm dreimal um den Tisch herumwachsen wird. Entzueckt ueber diese doppelte Unendlichkeit ewiger Zeit- und Liebesdauer, befragt er jeden Freitag seine Freyja-Vrene, ob nun noch ein juengster Tag gedenkbar sein koenne. Zur Bekraeftigung dieser gegebnen Erklaerung sowohl als der sogleich mitzutheilenden Etymologie der bezueglichen Eigennamen, fuegen wir ein paar Sagenbruchstuecke bei, die zu dem Kostbarsten gehoeren, was in der letzten Zeit zu Tage kam. Proehle's Harzsagen 2, S. 209-211 berichten: Es war eine Frau, die wohnte im Walde auf einem koeniglichen Schloss und hiess Fru Freen und Fru Frien. Sie war einmal im Himmel gewesen und da von den Sterblichen um Rath befragt worden. Um ihren Freier aufzufinden, durchzog sie die ganze Welt, doch da er ihr immer wieder verschwand, brach sie in ein furchtbares Weinen aus. Davon hat man in Ilseburg noch folgenden Reim: Fru Frien wolle geren frien un konne keinen krien, da feng se an de schrien. Noch Anfangs Juli 1855 wurde diese weissgekleidete Frau Freen von einen Burschen aus Ilsenburg im dortigen Walde gesehen. Dieselbe um ihren verschwundnen Gemahl trauernde Goettin heisst in Wolf's Hess. Sagen no. 12 die Huldgoettin, Frau Holl: "Bei Fulda im Walde liegt ein Stein, in dem man Furchen sieht; da hat Frau Holl ueber ihren Mann so bittre Thraenen geweint, dass der harte Stein davon erweichte." Dass diese Holl die Goettin Freyja wirklich ist, wurde neuerlich durch den aufgefundenen Namen Friggaholda beurkundet (Mannhardt, Mythen 295). Freyja selbst ist die von Paulus Diaconus als Gemahlin Wodans genannte Frea (ahd. Frouwa, domina) und lebt in den niedersaechs. Sagen bald unter den diminutiven Namensformen der Frau Freke und Frick, bald besonders um Halberstadt und Druebeck als Fru Frien, Fru Freen fort. Kuhn, Nordd. Sag. no. 70 und S. 414. 519. Mit diesen niederdeutschen Namensformen und Sagen der Schoenheits- und Liebesgoettin stehen nun die oberdeutschen desselben Wortstammes in sprechender und reicher Verwandtschaft. Dem altsaechs. fri, mulier formosa, entspricht das alemann. Adverb frein, frin: pulcher, venustus. "Bis mer huebsch frin", sei mir huebsch artig, huebsch sittsam, sagt das Berner Maedchen zu einem allzu stuermischen Liebhaber; "de sim-mer jo die freinste Luet", gar allerliebste Leute, heisst es luzernerisch. Firmenich 2, 578. 594. Mit diesem Schoenheitspraedikate uebereinstimmend bezeichnet in Hebels alemann. Gedichten der Frauenname Vrene ausschliesslich die Geliebte und Schoene. Der Stamm des Wortes geht durch die indogermanischen Sprachen; gothisch frijon ist amare, sanskrit priya bedeutet angenehm und geliebt; die Pflanze Frauenhaar (capillus Veneris) heisst irlaendisch Freyjuhar, daenisch Fruehar und Venusgraes, norwegisch Mariagras, weil die Schoenheit das hoechste Epithet bleibt, das an Goettinnen hervorgehoben wird. Myth. 279. Es entgeht uns keineswegs, dass hiebei die beiden von der Edda auseinander gehaltenen Namen und Figuren der Goettinnen Freyja (Freyrs Schwester) und Frigg (Odhins Gemahlin) wieder in eins zusammen fallen; allein dieselbe Verwechslung war sogar schon den nordischen Quellen gelaeufig und hat darin ihre Berechtigung, dass beide urspruenglich nur die in zwei Seiten auseinander gegangene eine Himmels- und Herzensherrin eines aelteren Goettersystems gewesen sind, welches vor der Trennung der nordischen Goetter in Asen und Vanen bestanden hat. Aus der launenhaften Gemahlin Odhins Fricke, die mit dem Gemahl als Windsbraut einherstuermt und Leichenfelder zehntet, hat der auf die Naturreligion der Asenlehre folgende feinere Vanenglaube eine familiaere, wirthschaftlich-besorgte Freyja gestaltet; in ihr ist die fruehere Grausamkeit veredelt als Tapferkeit, Sonnenschein und Regen ist ihr unterthan, wo sie naht, trieft Segen auf Land und Menschen, zeugend und zeitigend ist sie die Gottheit der Liebe und Ehe. So urtheilt ueber die Vanengoetter ueberhaupt Weinhold D. Frauen, 30. Aus dem Vorausstehenden ergiebt sich also, dass die angefuehrten Namen der Goettin, eddisch Freyja, langobardisch Frea, niederdeutsch Freen und Frien, oberdeutsch Vren nur landschaftlich verschiedene Namensformen einer und derselben Goettin sind. Seit wann aber ist die Frau Vrene des schweiz. Tannhaeuserliedes im hochd. Liedtexte eine Frau Venus im Venusberge geworden? Seit den Ritterdichtungen des Mittelalters, in denen die Minnegoettin modisch und gelehrt die frow Venus und ihr Palast der Venusberg hiess, und seitdem dann auch die theologische Literatur dieselbe Benennungsweise nachahmend in ihre zahllosen Teufels- und Hexengeschichten uebertrug. Geiler von Keisersberg, in den Predigten von der Omeiss 36, laesst die Hexen in _Frau Fenusberg_ fahren; schon fuenfzig Jahre vor ihm nennt Joh. Nider (gestorben 1440) im Formicarius zum gleichen Zwecke den _Venusberg_, und nach hessischen Hexenakten von 1628 regiert im Venusberg _Frau Holda_. Wolf, Ztschr. f. Myth. 1, 273. "Der Teufel pflegt gemeiniglich seine Hochzeitleute auf dem Venusberg mit _Kroeten_ zu traktieren", schreibt der Arzt Lebenwaldt in seiner Hausarznei, 1695, S. 262. Eben daher ist Frau Vrene im Tannhaeuserliede selber eine Verdammte, von welcher die Strophe 4 sagt: Sie ist ob em Guertel Milch und Bluet Und drunter wie Schlangen und Chrotte. Folgerichtig wurden dann seit dem 14. Jahrhundert die oeffentlichen Frauenhaeuser Venushaeuser genannt und nach der einmal vorhandenen Namensverwechslung zugleich auch Vrenenhaeuser. Ein Stadtquartier Hamburgs mit einem besondern Huegel, das den Dirnen zum Wohnorte angewiesen war, heisst Venusberg. Antiquarius des Elbstromes 1741, 761. Zu Basel war die jetzige Malzgasse ehedem das Quartier der Malazen oder Aussaetzigen, und seit man letztere aus der Stadt wegwies, das Dirnenquartier gewesen, und das dortige Frauenhaus hiess beiderlei, Vrenen- und Venushaus. Davon sagt Pamphilus Gengenbach in der Gauchmatt (ed. K. Goedeke, S. 151): zuo Basel in der Malentz gassen do hat sich fraw Venus nider glassen. Auch dieser Umstand dient uns zur Erklaerung einer sonderbar lautenden Ueblichkeit. Der vorgeschriebne Weg, welchen die am Verenatag zu Zurzach begangene Kirchenprozession einzuhalten hat, geht vom Stift zu der ausserhalb des Ortes beim Rhein liegenden Moritzkapelle und fuehrt an einer alten Linde vorbei, deren zerkluefteter Stamm mit Ziegelsteinen ausgemauert ist. Man sagt, dahinter sei einst die Pest vermauert worden. An der Stelle dieses Baumes stand zu Verenas Lebzeiten das schon von der aeltesten Legendenaufzeichnung erwaehnte Siechenhaus, das erst in diesen fuenfziger Jahren abgebrochen worden ist; neben demselben soll das offne Frauenhaus gestanden haben, dessen Mitglieder in jenem die untersten Dienstleistungen zu besorgen gezwungen waren. So oft nun nachmals der Landvogt von Baden zur Eroeffnung der Zurzacher Dult im Flecken einritt, erwartete ihn unter dieser Linde "eine fahrende Dirne", mit der er einen Tanz um den Baum thun musste. Dafuer erhielt sie einen Gulden Zehrgeld, gestiftet von jener Koenigin Agnes, die zum Seelenheile Albrechts, ihres erschlagnen Vaters, das Kloster Koenigsfelden bei Brugg erbaut hatte. Gerbert in seiner Taphographie thut dieses also entstandenen "Metzentanzes" ebenfalls Erwaehnung, verlegt ihn aber faelschlich unter die Linde des Staedtchens Brugg, also dem Stifte Koenigsfelden zunaechst. So war Verena die Patronin der Frauenhaeuser und Metzen geworden. Die Zeit der Entstehung der Zurzacher Jahrmaerkte ist noch nicht aufgehellt; Kaiser Sigismunds Bestaetigungsbrief und Kaiser Friedrichs hernach wiederholte Approbirung nennt schon die zwei dortigen Jahresmessen, die erste mit dem Sonntag nach Pfingsten beginnend, die andre mit dem zweiten Montag nach Bartholomaeitag. Sie werden abwechselnd Dult und Messe genannt. Der erstere Name stammt keineswegs aus dem latein. indultum, der obrigkeitlichen oder kirchl. Erlaubniss, sondern aus goth. dulds, ahd. tuld, das in den Glossen als ein zur Zeit des Neumonds begangenes Fest uebersetzt wird und mithin ein im Heidenthum entsprungenes Wort ist. Grimm, GDS. 72. Somit koennte die Zurzacher Dult schon mit einem heidnischen Verenafeste zusammengefallen sein, wie sie hernach mit dem christlichen Feste daselbst wirklich und ausschliesslich zusammenhieng. Kirchen und Kloestern wurde fruehzeitig das Marktrecht verliehen; die Kirche zu Magdeburg besass dasselbe schon 929, die Elsasser Abtei Selz seit 982, und daher ruehrt der andere Marktname Messe. Er bezeichnet den kirchlich begangenen Festtag eines oertlichen Heiligen und den gleichzeitig abgehaltnen, von zahlreichen Pilgerzuegen besuchten Jahrmarkt. Alle orientalischen Karavanenzuege gehen von einer Tempelstadt aus oder enden bei einer solchen; alle Jahrmaerkte des Abendlandes tragen Kalendernamen der Heiligen; daher denn im Worte Messe der Doppelbegriff des Handelsverkehrs und des Gottesdienstes vereint liegt. Jedoch nicht hinter allen den Orts- und Geschlechtsnamen, welche haeute Venus heissen, ist urspruenglich diese wirklich zu suchen, und es ist bei unserem gegenwaertigen Zwecke keineswegs ueberfluessig zu zeigen, wie hierin das so vielfach wiederkehrende Wortmissverstaendniss sich erzeugt hat. Veni heisst der neckende Berggeist am Truedinger beim Dorfe Eib an der Rezat, naechst der Stadt Ansbach; er wohnt hier auf dem Schlossberge auf dem Venibuck im Veniloch, Die Eingebornen nennen diesen Ort Venesberg, allein auf dem lithograph. neuen Steuerblatte steht er bereits als Venusberg verzeichnet. Bavaria III, 2. S. 941. Das Adelsgeschlecht der Feniberger war sesshaft zu Bogen, unterhalb Regensburg am linken Donauufer; sein Wappenbrief aber vom J. 1662 zeigt die Venus vor einem gruenen Huegel stehend. Anz. des German. Museums 1860, 88. Das saechs. Dorf Venusberg, zwei Stunden von Wolkenstein, heisst urkundl. Fenigs- und Feinigsberg. Graesse, Sag. v. Tannhaeuser, 18. Ein Finisloch, ausserhalb Marburg gelegen, heisst gleichfalls Venusloch. Lynker, Hess. Sag. no. 152. Das Staatshandbuch des Grossherzgth. Weimar fuehrt nicht weniger als sechs Beamte des Namens Venus auf: Bechstein, Mythe 1854, Heft 1, 53. Dass nun diese Namen unmoeglich alle dem Latein abgesehen sein koennen, empfand schon Fischart, der in seiner Uebersetzung von Bodinus Daemonomanie, 1591, S. 67 vom Venusberg bei Breisach berichtet und was man von den darin, schlafenden Rittern singt und herumtraegt; allein, fuegt er bei, man pflegt im deutschen Volksliede den Namen Venus aus dem Worte Fin und dieses wiederum aus jenem abzuleiten. Hier nun ist die richtige Ableitung folgende. Aus dem romanischen Worte Fee (fatua), ein weiblicher Schutz- und Gefolgsgeist, bildet sich der mhd. Name Feine und aus diesem die Pluralform Feenesleute, wie die Erdmaennchen in Vernalekens Oesterreich. Mythen, 23 heissen. Die altfranz. Form Faye lebt noch im waatlaender Patois fort, Fayres bezeichnet da die gespenstischen Weissen Frauen und geht ins Rhaetische ueber, denn im Kt. Glarus heissen die Waldgespenster pluralisch Fayer, gaelisch Fairys. Wird also der Quarzfelsen auf der Spitze des Feldberges im Taunus abwechselnd Brunnhildenbett, Teufelskanzel und Venusstein genannt, so steht nun fest, dass der letztere Name die als Feen dorthin verwuenschten boesen Geister bezeichnet und dass sie Veensleute sind. Nicht unter diese Namensreihe gehoert jedoch der Name des Grafen Rudolf von Fenis, ein Minnesaenger, gestorben um 1196; dessen Burg beim Bernerdorfe Vingelz zwischen dem Bielersee und dem Seelande gelegen ist; sein und seiner Burg urkundlicher Name ist Fenils, ableitend von latein. fenus, Ertrag, fenile, Heuboden, hier in der oertlichen Bedeutung von Schlossscheune und Vorburg. Das nun gewonnene Ergebniss ist einfach und befriedigend. Vrene, die Liebesgoettin, wird vom hoefischen Geschmacke zur Venus antikisirt, durch die Kirche zur Patronin der Siechenhaeuser, durch die Zeitsitte zur Mutter der Frauenhaeuser erhoben und erniedrigt, und durch romanischen Spracheinfluss zur Koenigin der Feen gemacht, mit denen sie im Zauberberge wohnt. Der mit der Liebesgoettin in ihrem schattigen Lusthain (im Tann) hausende Gemahl heisst eben so erklaerlich Tannhauser. Auf den bairisch-salzburgischen Ritter und Minnesaenger Tannhuser (gestorben um 1266) darf, obschon er ein Zeitgenosse des im Liede mitgenannten Pabstes Urban ist (der IV. dieses Namens, gestorben 1268), schon deshalb nicht geschlossen werden, weil sich die Tannhaeusersage, wenn auch unter anderem Namen, in Schottland und Schweden wiederholt. Belege hiefuer giebt Grimm Myth. 888. * * * * * FUSSNOTEN: [8] Uhland C. [9] Uhland A. [10] Uhland B. [11] Nach Uhland C. [12] Uhland A. * * * * * III. Gertrud mit der Maus, die Allerseelenherrin. * * * * * Die heilige Gertrud, ahd. Keredrud, traegt den heidnischen Namen einer germanischen Walkuere und Speerjungfrau. Der mythologische Name Thrudhr bezeichnet sowohl Thors und Sifs Tochter, als auch eine der von der Edda genannten 13 mit Odhin in die Schlacht reitenden Schlachtjungfrauen. Das altnord. Appellativ thrudhr, ags. thrydh, bezeichnet das Mannweib, virago; Gertrud also ist eine Jungfrau, die den Gegner im Waffenkampfe niedertritt, wie unser jetziges Wort Trude ebenfalls die den Schlaefer auf die Brust tretende Nachtmahre, den ihn im Traume reitenden Alp, bezeichnet. Der Trude ist daher der fuenfeckige Trudenfuss eigen, dessen Missgestalt aus dem Schwanenfusse der schwanengefluegelten Walkuere entstanden ist. Eine Alptrudis und Albedrudis wird im Polyptychon Irminonis (sec. 8) unter den fraenkischen Frauen genannt; ebendaselbst eine Ermendrudis (Dienerin des Gottes Irmin), eine Anstrudis (der Asen Dienerin), eine Electrudis (ahd. Alahtrud), die das Heiligthum, alah, verwaltende Tempeljungfrau. Die ahd. Frauennamen Wolchandrud, Himildrud bezeichnen die geisterhaften Wetterfrauen, welche auf den Wolken tanzen, dass Regen faellt; eine ahd. Glosse bei Graff 5, 522 uebersetzt trutari mit saltator, und jetzt noch giebt der Volksglaube den Truden das Geschaeft, in der Walburgisnacht den Schnee vom Blocksberg wegtanzen zu muessen. Da die Walkuere zugleich die den Lebensfaden spinnende Schicksalsschwester oder Norne ist, so vertauscht sie den Speer gegen Rockenstab und Spindel, und so wird die hl. Gertrud, gleich den Goettinnen Freyja, Holda und Berchta, spinnend dargestellt, auf einem Wagen fahrend, ausnahmsweise sogar zu Rosse sitzend. Wie die eben genannten Goettinnen mit ihrem Erscheinen die Menschen zum Anbau des Kornes und Flachses auffordern, so stehen in Gertruds Dienst die Fruehlingsvorboten Specht, Kukuk und Schnecke, tragen von ihr den Beinamen und werden zugleich zu Todesboten; denn wie Freyja sich mit Odhin in die Seelen der im Waffenkampfe Gefallnen theilt, so wird Gertrud als Seelenherrin geschildert, und ihr Geleitsthier, die naechtlich wuehlende Maus, kuendet mit ihrem Erscheinen nicht bloss die Reife der Saat, sondern auch Misswachs, Seuche und Tod an. In Folge dessen versoehnt man die Heilige mit Trank- und Speiseopfern, indem man die Gertrudenminne trinkt und das Erntebrod der Suessen Maeuschen baeckt. Dies ist der aeusserliche Umriss dieser heidnisch-christlichen Gestalt. Ueber die Abkunft der geschichtlichen Gertrud schwebt schon ihre aelteste Legende in vielfaeltigen Widerspruechen, die aus der Bemuehung entstanden sind, die Heilige in der Familie der Pipiniden und Karolinger unterzubringen. Ihr aeltester Biograph ist ein Moench in Nivelles, zugleich ein Zeuge ihres im dortigen Kloster 658 erfolgten Todes: A. SS. sec. II, pag. 467. Ihm zu Folge ist das brabanter Stift Nivelles, zwischen Bruessel und dem hennegauischen Gebirg gelegen, durch Pipins I. Gemahlin Ita um 640 gegruendet und wird von deren Tochter Gertrud als erster Abtissin regiert. Der Interpolator dieser Lebensbeschreibung, gleichfalls ein Niveller Moench im 10. Jahrhundert, erzaehlt, dass Gertrud, um den Werbungen eines austrasischen Herzogs auszuweichen, nach Franken entflohen sei und hier laengere Zeit in dem von ihr gestifteten Frauenkonvent Karleburg am Main im Spessart ein gottgeweihtes Leben gefuehrt habe. Allein die Benediktiner fuegen dieser Angabe hinzu, dieselbe verwechsle die Pipinentochter mit einer andern Heiligen desselben Namens, die unter Karl d. Gr. gelebt habe. Und so gilt die hl. Gertrud bei den Mainfranken bis heute als Karls Tochter, welcher man dorten die Klostergruendungen und Vergabungen zu Karleburg und zu Neustadt am Main beilegt, ja man fuehrt daselbst noch eine dritte hl. Gertrud an, welche eine Tochter des Grafen Berger von Sulzbach und nachmalige Gattin des Koenigs Konrad III. gewesen ist. Das Ergebniss von dem allen ist, dass Gertrud bei den Mainfranken wie bei den Friesen fruehzeitig eine volksthuemliche Verehrung genoss, und dass man aus eben dieser Ursache ihre Genealogie nachmals an das groesste deutsche Kaiserhaus anknuepfte. Auch ihre fruehzeitig erfolgte kirchliche Anerkennung steht ausser Zweifel; ihr sind in Belgien allein mindestens bei vierzig Kirchen geweiht, A. SS. l.c.. pag. 475; ihr Name steht im Rheinauer Martyrologium mitverzeichnet, welches dem 8. Jahrhundert angehoert, und das nach ihr benannte Gertruidenburg am suedlichen Ufer der Maas, das auf ihren Wunsch eingeweiht sein soll, wird schon 992 als eine Marienkapelle genannt. Reitberg, Kirchgesch. 2, 543. Ueberall treffen so die ihr beigelegten Stiftungen oder die von ihr gegruendeten Kirchen mit den fruehesten Anfaengen des Christenthums in Deutschland zusammen. Ihre kirchlichen Embleme und Abbildungen sind nachfolgende. In der Abtei zu Nivelles, wo sonst ihr wunderthaetiges Sterbebette kirchlich verwendet wurde, wird nun ihr Wagen aufbewahrt. Bock, Eglise abbat. de Nivell. 4, 25. In hollaendischen Kirchen ist sie abgemalt, in einer Hand den Hirtenstab, in der andern ein Trinkgeschirr haltend, welches stabil die Form eines Schiffleins hat. Mit diesem giebt sie sich als die Patronin der Reisenden zu erkennen, die beim Abschied "Sinte Geerteminne" trinken, um dadurch gute Herberge zu finden. Wolf, Ndl. Sag. S. 434. Einen gleichen Stab, aber mit einem Blumenkranz behangen, traegt Gertrudens hoelzernes Standbild in der Kapelle zu bairisch Hermatshofen. Panzer, BS. 2, no. 246. Dieser Stab wird sich spaeter als ein Rockenstab, der Blumenkranz als das Gertrudenkraut herausstellen. Am Titelblatte des Gertrudenbuches, Koeln 1506, ist sie abgebildet am Rocken spinnend, an welchem drei Maeuse hinauflaufen; in ihr Kleid sind Zauberzeichen eingewoben, zwei, Weihrauchfaesser schwingende Engel umschweben sie. Blunschi's Kalender aus der Stadt Zug vom J. 1823, und ebenso der Krainische Bauernkalender bezeichnen den 17. Maerz, als den Gertrudentag, durch zwei Maeuslein, die an einer aufgeweiften Spindel nagen. Eine damit correspondirende Stelle in Konrads von Dankratsheim Namensbuechlein (edd. Strobel) lautet: so kumet die liebe sant Geretrud, die so entschlief in gottes willen, und stulen die ratten und miuse ir spillen und trugen sie in ir miuseloch. Auf einem Gemaelde, das vordem im Strassburger Muenster gewesen, auf das sich Schilter in seinen Anmerkungen zu Koenighovens Chronik 571 beruft, war der Strassburger Bischof Wilderolf zu sehen, zu Schiffe fahrend, umschwommen von Maeusen und ueberragt von St. Gertrud. Von diesen beiden in der Gertrudslegende sich wiederholenden Emblemen, dem Schiffe und der Maus, wird nachher ausfuehrlicher die Rede sein; fuer jetzt seien die landwirtschaftlichen und buergerlichen Ueblichkeiten hier vorangestellt, die sich an den Gertrudentag und an dessen Zeitthiere anreihen. Betrachten wir die an den Gertrudentag (17. Maerz) sich knuepfenden Kalenderregeln. Weil mit dem 25. Nov. (als am Katharinentage) der Winter, und mit dem 17. Maerz der Fruehling beginnen soll, so ziehen mit dem letzteren Termin die Hausmaeuse aufs Feld. Davon heisst es bei Lasicz: Gertrudis mures a colis mulierum abigit. Altbairisch: Gertraud lauft d'Maus go Feld aus. Quitzmann, Bajwaren 124. Am Gertrudentag lauft die Maus den Rocken hinauf und beisst den Faden ab. Schmeller, Woertb. 2, 71. Mit diesem Tage werden also die Spinnabende eingestellt und es beginnt die Gartenarbeit, weshalb die Heilige auch als die erste Gaertnerin verehrt ist. Die Fruehlingswaerme kommt, die Bienen nehmen ihren Ausflug, das Stallthier geht wieder zur Weide. Davon reden folgende Sprueche; Suente Katherin smitt den ersten Sten in 'nen Rhin. Suente Gerderut tueht ne wi'er herut. (Aus Koeln.) Sankt Gertraud fuehrt die Kuh ins Kraut, das Ross zum Zug, die Bienen zum Flug. Gerdrut geht das Schoof mit dem Lamme ruut. (Aus dem Waldeckischen.) Sant Gertrud Saeit Zibelae und Chrut. (Schweizerisch.) Wichtiger und von weiter reichendem Ziele werden diese Kalenderregeln, wenn man sie auf Specht, Kukuk und Schnecke ausdehnt und diese als im Dienste Gertrudens stehend aufweist. Alle drei werden von der Kalenderregel in dieselbe Zeitfrist gesetzt. Der Specht heisst Schweiz. Merzafuelli, d.i. Fohlen; Gertrudentag faellt auf 17. Maerz und die Bauernpraktika sagt: Schreit der Kukuk frueh im Maerz, so giebts einen guten Fruehling. Der Schwede nennt den Schwarzspecht Gjertrudsfuglen und erzaehlt von ihm folgendes Maerchen, enthalten in Asbjoernsen's Norske Folke-Eventyr 1866, no. 2. Christus und Petrus erscheinen reisemuede und hungrig bei einer brodbackenden Frau, welche Gertrud hiess und eine rothe Haube trug. Auf Beider Bitte nahm sie ein bischen Teig in die Backpfanne und thats uebers Feuer, doch das Bischen gieng sogleich hoch auf und fuellte das ganze Geschirr. Dieser Kuchen war ihr fuer ein Almosen zu gross; zum zweiten male nahm sie noch weniger Teig, doch auch dieser bekam dieselbe Groesse, und als nun zum dritten male dasselbe geschah, sprach das Weib: Ihr muesset ohne Almosen gehen, all mein Gebaecke wird zu gross fuer euch! Zur Strafe verwuenschte der Herr die Geizige in den Gertrudenvogel, der noch ihre rothe Haube traegt und kohlschwarz ist wie sie, als sie zum Schornstein hinausfuhr. Bestaendig hungernd hackt sie nach Futter in die Baumrinde.--Dieselbe Sage in deutscher Version lautet bei Simrock, Myth. 3, 23 also: Christus gieng an einem Beckerladen vorueber, wo frisches Brod duftete, und sandte einen der Juenger hin, um ein Stueck zu erbitten. Der Becker schlug es ab, doch die Beckersfrau, die mit ihren sechs Toechtern von ferne stand, gab es heimlich her. Dafuer sind diese zusammen als das Siebengestirn an den Himmel versetzt, der Becker aber ist zum Kukuk geworden. In Praetorius Weltbeschreibung und darnach in Grimms Myth. 641 wird eben dasselbe also berichtet. Ein Becker hat zur theuern Zeit den armen Leuten von ihrem Teig gestohlen und, wenn Gott den Teig im Ofen segnete, ihn herausgezogen, bezupft und dabei gerufen: Guck! guck! (ei sieh!) Dafuer ist er in einen Raubvogel verwandelt, der unaufhoerlich dieses Geschrei wiederholt. Im aargauer Freienamt gilt hierueber folgende Spielart. Ein hungernder Knabe wollte einem Marktweibe ein Brodwecklein abkaufen, sie, forderte aber so viele Kreuzer dafuer, als man auf des Kindes flache Hand hinzaehlen koenne. Das Bueblein gieng darauf ein und machte sein hingestrecktes Haendchen immer hohler und schmaler. Da die Alte nun in ihrem Zaehlen gar nicht fertig werden wollte, noch ein Plaetzchen und wieder eins auf der Kinderhand zu suchen, so rief zuletzt der Knabe voll Hunger und Verdruss: So flieg und ruf Kukuk! Alemann. Kinderlied, S. 78. So wird hier der Specht, urspruenglich ein nahrungsspendender Bote Gottes, ein die Nahrung hartherzig verweigernder Theuerungsgeist und geht in die Gestalt des gleichfalls eigennuetzig gefassten Kukuk ueber. Daher heisst es von diesem letzteren, er sei ein diebischer verwuenschter Beckerknecht und trage davon sein fahles, mehlbestaubtes Gefieder. Dies besagen die nachfolgenden Kindersprueche: Kukuk stahl Weggen.[13]--Kukuk, Beckenknecht![14]--Kukuk, Speckbub![15]--Kukuk, schniet Speck up![16].--Der Gugger uf em duerre Nast, er bettelt Brod und wird nicht nass.[17] Der Sauerklee, Oxalis acetosella, der zur nemlichen Zeit blueht, da des Kukuks Ruf ertoent, heisst in Deutschland Kukukskohl, in der deutschen Schweiz Guggerbrod, franz. pain de coucou, tessinisch pan cuculo, romansch paun e caschoel cucu (Butterbrod), und weil seine saeuerlichen Blaettchen von den Kindern genascht werden, auch Herrgottensuepple, Herrgottenbrod. Fr. Staub, das Brod, 1868, 6. Auch die suessen Keime des Habermarks (Tragopogon) heissen Guggichbroedle. Der Vogel schenkt oder raubt also Brod und Butter, Speck und Speckwecken, nemlich solcherlei Kuchen, die man nach beendigter Fastenzeit um Ostern baeckt, mit Speckwuerfeln belegt und Speckwaehen benennt. Die Rolle des Diebes wird ihm beigelegt, weil er nur so lange seinen Ruf ertoenen laesst, als die Bruetezeit dauert und er die Eier andrer Voegel aussaeuft. Ist diese Zeit vorueber und es beginnt die Reife der Fruehkirschen, so sieht er auch diese, heisst es, in seiner Gier fuer buntgesprenkelte Eier an und frisst deren so viele, dass ihm die Stimme verfaellt und er nur noch heiser ruft. Die Sage von der durch ihn erregten Theuerung knuepft sich an sein zeitweilen verspaetetes Erscheinen und an sein ueber die geregelte Frist andauerndes Rufen. Die oberfraenkischen Bussbacher sollen ihn daher einmal bei langem Regenwetter mit dem Backwisch verjagt haben. Panzer, BS. 2, no. 285. Er soll nur so lange rufen, als das Siebengestirn am Himmel steht, in welches jene Beckerin mit ihren Toechtern verwandelt ist; das ist bis Ende Juni. Die appenzeller Bauernregel sagt hierueber: Wenn d'Henne abwaerts goend, schlot s'Brod ab, wenn s'ufwaerts goend, schlot 's uf. Haelt der Vogel diese Frist nicht mit ein, so entsteht Nahrungsmangel, dessen Opfer er selber zuerst wird; hievon erzaehlt folgender venetianer Spruch: Am achten des Aprils, da soll der Kukuk kommen; Kommt er am achten nicht, so ist er todt oder gefangen. Kommt er am zehnten nicht, so haengt er gefangen im Zaun. Und kommt er am zwanzigsten nicht, so ist er gefangen im Korn; Und kommt er am dreissigsten nicht, so ass ihn der Hirt mit Polenta. Weil mit des Kukuks zeitgemaessem Erscheinen zugleich der Anbau in der ganzen Gemeindeflur beginnt, so heisst er in schwaebisch Mundingen Oeschhei, d.i. der Flurhege (vgl. Holzhei; Wieshei: der Bannwart), und daraus erklaert sich vollstaendig der Schwabenstreich des Staedtchens Haiterbach, welches gegen die verspaetete Ankunft des Vogels Kirchengebete abhielt. Wolf, Ztschr. 1, 440. Der appenzeller Spruch bestimmt: Am dritten Abrelle muss der Gugger grueene Haber schnelle (anraunzen). Schreit er nach Johannis von Norden her, so bringt er in Zuerich einen sauern Wein; fliegt er den Wohnhaeusern zu nahe, eine Jahrestheuerung (Gessner's Thierbuch, Von den Voegeln LXXI). Haelt er den richtigen Termin ein, so ist er nachdrucksam der Zeitvogel und kann um Wohlstand und Lebensdauer zugleich befragt werden, so dass er beides bis in den Brodkorb hinein prophezeien wird; daher ruft ihm der Schwabe zu, in Meiers Kinderreim. no. 87: Schrei sie mir in Deckelkraebe Wie viel Jahr darf ich noch lebe? Dieselbe Anfrage ergeht auch an die Schnecke, welche wie Specht und Kukuk, ein den Lenz, die Jahresfruchtbarkeit und die Lebensdauer verkuendendes Thier ist und im Dienste Gertrudens gestanden hat;[Nachtrag 4] man ruft ihr in einem Jeverschen Kinderspruche (Mannhardt, Ztschr. f. Myth. 3, 222): Kukuk, Kukuk, Gerderut: staeck dine ver Hoerns herut! Um so besser stehts um das berufende Kind, je puenktlicher ihm die Schnecke ihre vier Fuehler zeigt; es erkrankt, wird kreuzlahm, wenn es in die Fuehler zwickt. Alemann. Kinderl. S. 97. Aus Goethes Lied Fruehlingsorakel ist die Sitte allbekannt, nach der Zahl der im April gehoerten ersten Kukuksrufe die Hochzeitsfrist, die Zahl der Kinder und der Lebensjahre voraus zu bestimmen; aber Vorbedingung dazu ist, dass man dem Vogel erst einen Thron baue, von dem herab er seine Weissagung ertheile, dies ist ein aus Binsen geflochtner Sessel, westfaelisch der Kukukesstaul genannt (Woeste in Wolfs Ztschr. 2, 95). Alsdann spricht man: Gugguger im Sessel, Gieb mir dein Geld zu lesen, Will dein Geld dir wieder geben, Sag, wie viel Jahr thu ich leben? Andr. Strobel, Geistl. Kartenspiel, Sulzbach 1693, 1 Th. 118. In Sommers Thuering. Sag. no. 9 kommt in den Zwoelften unter wunderbarem, weit vernehmbarem Sausen, eine Frau durch die Luft geflogen, welche die Gestalt einer gewoehnlichen Taube hat, aber an ihren Fuesschen ein kleines Schilfstuehlchen mittraegt, das sie, wenn sie muede wird, auf den Boden stellt, um darauf auszuruhen. Sie selbst beruehrt die Erde nie, wo sie aber das Stuehlchen hinsetzt, da gruent und blueht es im folgenden Sommer am schoensten und fruchtbarsten. Am Morgen des Dreikoenigtages wird die Taube wieder zur Frau. Hier ist der Fruehlingsbote, Kukuk oder Taube, die ihn aussendende Himmelsherrin selbst, nemlich Frigg die Goettermutter, die nach Paulus Diaconus Frea heisst und neben dem Gemahl Gwodan auf dem goldnen Thron in Walhalla sitzt. Als Fruehlingsgoettin steht Freyja-Frigg der grossen Maifeier vor, denn in den Niederlanden heisst der Mai Vrymaend. Compte rendu, Bruxelles 1843. VII. 1, 29. Menzel, Vorchristl. Unsterblichkeitslehre, 2, 243. Im aargauer Frickthale pflegen die Kinder dem Kukuk zu rufen: Gugger uf em grueene Ast, Du, mi liebe, schueeche Gast: Gugg mer doch, bis au so guet, Wie maengis Jahr no han i z'guet? Wer waehrend dem ungerades Geld bei sich traegt und auf den Sack schlaegt, dem geht es das Jahr ueber nicht aus, eine Volksmeinung, von welcher der Berner Volksdichter G.J. Kuhn (Volkslieder 1819, 93) ein Liebespaar also reden laesst: Hans ghoert di z'erst, er gryft i Sack u sucht sys Geld: "O tusi Drack (Drache!), dass i kei Batze by mer ha, jetz wird's mer wol s'ganz Jahr so ga!" Un Aenni lost und fraglet di: Wie maengs Jahr aecht no leben i? Von der gleichen Frage eines alten Weibes berichtet der Zuercher Chirurg Rud. Gwerb, Leuth- und Vychbesaegnen, Zuerich 1646, 13: "Vnd da der guckguck Fuenffe herfuer geschrauwen, da vermeinte das thorachte alte weyb anders nichts, dann das sy noch fuenff jahre zu leben hette. Sie fiel aber bald in eine schwaere krankheit und da sie zum sterben sich zuzeruesten vermanet worden, wolte sie nicht dran, dann der guckguck hette jhren anders verheissen. Vnd ob es gleichwol mit jhren auff dem letzten gepfiffen, bliebe sie doch jmmer auff jhrer meinung und als sie jetz kein wort mehr reden kondte, streckte sie noch fuenft finger auff, andeutende, dass sie, nach des guckgucks gesang noch fuenff jahr zu leben habe. Das heisset auff das vogelgeschrey achten!" Von demjenigen, dessen Leben augenscheinlich zu Ende geht, sagt man, der hoert auch den Kukuk nicht mehr; was man verwuenschen will, das soll des Kukuks werden, sich zum Kukuk scheren. Der die Lebensdauer weissagende Vogel wird also damit zum Propheten des Todes. "Der Kukuk auf dem Dache bringt den Tod ins Haus." Hahn, Albanes. Studien l, 158. Als Vogel der Trauer gilt er in kleinrussischen Liedern. Myth. 646. Nach serbischem Glauben verwandeln sich die Seelen Verstorbener in Kukuke, man findet daher auf den hoelzernen Grabkreuzen in Serbien so viele Kukuke abgebildet, als Angehoerige um einen Todten trauern, und von einem Serbenmaedchen, dem der Bruder gestorben war, wird erzaehlt, dass es nie mehr habe den Kukuksruf hoeren koennen, ohne nicht in heftiges Weinen auszubrechen. Friedreich, Symbolik 534, nach Hanusch, Slaw. Mythus. 317. Dieselbe Rolle des Leichenvogels ist ihm im finnischen Epos Kalewala zugetheilt; da klagt die alte Mutter, deren Tochter Aino beim Fruehlingsbade ertrunken, im naechsten Fruehjahre: Aelter wird mein Ellenbogen, Schwaecher wird mein Handgelenke, Ja, der ganze Koerper zittert, Wenn des Kukuks Ruf ich hoere! Schiefner's Uebers. 24. Kukuk und Specht treffen auch in ihrem aeltesten Mythus ueberein. Altpolnisch hiess der Kukuk Zywie und war ein verwandelter Gott: opinabantur enim, supremum hunc universi moderatorem transfigurari in cuculum. Myth. 643. Dasselbe behauptet auch das griech. und roemische Alterthum vom Specht. In Kreta zeigte man sein Grab und eine Saeule dabei mit der Aufschrift: Hier liegt nach seinem Tode Picus der Zeus (Pikos ho Zeus), und ebenso hatte er nach altroemischer Mythe die ausgesetzten Zwillingssoehne des Mars, Romulus und Remus, aufgeaesst und hiess davon Picus Martius. In der tiroler Gemeinde Wangen ist sein Name "der Wangener Gott". Zingerle, Tir. Sag. no. 1064. Die beruehmte Springwurzel, vor welcher die Thueren der Schatzkammern und Gefaengnisse aufspringen, liegt in seinem Neste; statt seine Jungen mit ihr zu fuettern, laesst er sie von dem Baume fallen, unter den man ein rothes Tuch breitet. Wer sie dann in den Mund nimmt, versteht aller Voegel Sprache. Wie Zeus sich in den Kukuk verwandelt und sich auf den Scepterstab der Here setzt, so wird der Specht auf Gertrudens Stab weissagend gesessen haben; dieser Stab selbst wird theils zur erloesendem Springwurzel, theils zur Spindel, theils verwandelt er deren Flachs in Gold. Ueberdies verleiht der Specht (ableitend von ahd. spahi, prudens, der spaehende) seinen Namen eben jenem Spessart (urkundl. spechtes-hart), welcher der Schauplatz war von Gertrudens Thaetigkeit in Ostfranken, und so heisst das Thier mit wiederholtem Nachdruck Gertrudenvogel. Wie diese eben beschriebnen Fruehlingsthiere, weil sie daemonische sind, aus Gluecksboten sich in vorahnende Todesboten verkehren, so geschieht dies vornemlich mit Gertrudens besonderem Gefolgsthiere, der Maus. Die Seelen der Abgeschiedenen werden zuerst von Gertrud empfangen, um sich da entweder in gute oder in boese Elbe zu verwandeln; als solche erscheinen sie hierauf wieder als schaedigende oder als bescherende Maeuse. Diesen Satz aus der Lehre von der Seelenwanderung nehmen wir nunmehr in Ausfuehrung. Wie Holda-Berchta die unmuendig Verstorbenen, und Valfreyja die in der Schlacht Gefallenen zu sich nimmt, so haben nach aelterem Kirchenglauben die Seelen der Abgeschiedenen ihre erste Herberge bei St. Gertrud zu nehmen. Hievon handelt eine Handschrift des XV. Jahrh., welche Grimm Myth. 54 citirt: Aliqui dicunt, quod, quando anima egressa est, tunc prima nocte pernoctabit cum beata Gerdrude, secunda nocte cum archangelis, sed tertia nocte vadit sicut diffinitum est de ea. Erweitert findet sich dieser merkwuerdige Glaubenszug in Nik. Gryse's niederd. _Spegel_, auf welchen Schiller, Meklenburger Thier- und Kraeuterbuch 3, 41 verweist: Se geven ock vor, wenn de Seele vth dem Minschen varet, so moth se de erste Nacht Herberge hebben by S. Gerderuten, darumme ock S. Gerderuten Kercke gemeinlyken vor de Doere der groten Stede gebuwet syn; und darna moth se uouer dat Leuuer-Meer. Dieser hier das Lebermeer genannte Todtenstrom war auf jenem vorhin schon erwaehnten Muenstergemaelde dargestellt, das den Bischof Wilderolf und St. Gertrud zu Schiffe zeigte, und wird in der Sage von Hattos Maeusethurm zum Rheinstrom. Hievon spaeter. Gertrudens Kirche und die von den Geistern darin abgehaltene Todtenmesse spiegelt sich ab in der Nuernberger Sage von der Jungfrau Gertraud Stromer. Der Patrizier Imhof, an dem dieser Jungfrau ganzes Herz hieng, war, weil sie ihm ihre Liebe verhehlt hatte, ihrer Freundin zu Theil geworden, starb nach kurzer Ehe und auch Gertraud ueberlebte ihn nicht lange. Drei Wochen nach diesem letzteren Todesfall gieng am Allerseelentag 1430 die Wittwe Imhof vor Tag in die Fruehmesse nach St. Lorenz, hier aber befiel sie der unheimliche Eindruck, als waeren statt der Gemeinde und Geistlichkeit lauter Verstorbene versammelt. Als sie nun, um anzufragen, aus ihrem Stuhle trat und eine vor ihr knieende Jungfrau leise auf die Schulter klopfte, erkannte sie in dieser ihre vor drei Wochen begrabne Freundin Gertraud. Auf deren Rath verliess sie so eilig die Kirche, dass sie ihren Mantel vergass, floh heim, erkrankte heftig und trat darauf ins Klarissenkloster. Hier starb sie nach etlichen Jahren und zwar gleichfalls am Morgen des Allerseelentages. Schoeppner, Sagb. no. 1147. Die Heilige ist hier zu einer gleichnamigen Nuernberger Patrizierin geworden, welche ueber das stumme Todtenheer, in dessen Mitte sie ist, allein Auskunft zu geben vermag, deren Herzenszug aber noch immer die Liebe ist zu dem ehemaligen Geliebten. Von diesem Naturell der Walkuere liefert die Gertrudensage noch mehrere nachher zu behandelnde Einzelheiten; hier ist vorerst der Glaube zu zeigen, dass die Abgeschiedenen die Gestalt von Maeusen annehmen. Die Seelenherrin selbst ist die Weisse Frau und auch sie erscheint als Weisse Maus. Mueller-Schambach, Niedersaechs. Sag. S. 269; dazu ebendas. no. 7. 264. Luebecks Stadtwahrzeichen ist eine in dortiger Marienkirche abgebildete Maus, die an der Wurzel eines Baumstrunkes nagt; sie sei ein Weib gewesen, die ueber dem Wunsche, niemals zu sterben, zu mehrhundertjaehrigem Alter kam, zur Groesse einer Maus zusammenschrumpfte und unter einem Glaskaestchen in dortiger Kirche aufbewahrt wurde. Bechstein DSagb. no. 212. Letzteres stimmt mit der Sage vom thebanischen Seher Tiresias, der fuenf, ja sogar neun Menschenalter gelebt haben und nach seinem Tode in eine Maus verwandelt worden sein soll. Nork, Realwtb. 4, 382. Die Blocksbergsscene im Goethe'schen Faust schildert das ploetzliche Ende der gespenstischen Taenzerin: "Mitten im Gesange sprang ein weisses Maeuschen ihr aus dem Munde." Im aargauer Volksglauben finden sich folgende Saetze. Wenn der von Gemeinde wegen aufgestellte Feldmauser drei weisse Maeuse faengt und toedtet, so kommt er in die Hoelle. Wer eine weisse Maus quaelt, dem fressen die uebrigen das Korn von der Schuette. Vor der franzoes. Invasion 1798 waren im Hauptgange des Rathhauses zu Aarau, wo die Schildwache stand, in jeder Nacht auf Himmelfahrt zwoelf weisse Maeuse zu erblicken, die man fuer zwoelf verwuenschte Rathsherren hielt; so erzaehlt uns die Bauernfrau Schenker aus solothurnisch Daeniken.--Weisse Maeuse, berichtet V. Grohman ueber Boehmen, geniessen in diesem Lande eine Art religioeser Verehrung, man macht ihnen ein Lager zwischen den Stubenfenstern und pflegt sie, damit nicht mit ihnen das Glueck des Hauses sterbe. Ein Nest weisser Maeuse zu finden ist nur Sache eines Sonntagskindes. Auf Schloss Drazic werden sie eigens gezuechtet, und laesst man ihrer eine in die Kornscheune laufen, so schuettet da das Getreide um die Haelfte mehr als sonst. Wer eine Maus zertritt, der fuehrt den Teufel ins Haus. Zingerle, Tirol. Sitt. S. 55. Je weisser der Zahn, von dessen Ausfall man traeumt, um so naeher verwandt der Freund, dessen Tod drauf erfolgt (Aargau).[18] Dem Aberglauben gelten auch die rothen Maeuse in einem aehnlichen Sinne. Der Zauberer in Obermumpf vermochte einem mit offnem Munde Schlafenden als rothes Maeuschen bis ins Herz hinunter zu schlupfen. Aargau. Sag. 2, S. 152. Dagegen ereifert sich der niederd. Pfarrer Maennling in seinen Curiositaeten, Frkf. 1713: "Ists nicht schreckliche Dummheit, dass man sich bereden laesst, die Seele des Menschen sei eine rothe Maus, welche, wenn man schlafe, aus dem Munde heraus spaziere!" Eben solcherlei Sagen von in Gestalt der Maeuse auswandernden Seelen wollen wir nun folgen lassen. Einer thueringer Magd, die in der Gesindestube ueber der Arbeit entschlafen ist, kommt ein _rothes Maeuschen_ zum Munde heraus und geht durchs offenstehende Fenster davon. Ein mit zuschauendes Dienstmaedchen ruettelt die Schlafende von ihrer Stelle, ohne sie erwecken zu koennen. Das Maeuschen kehrte hierauf zurueck, suchte hin und her nach der vorigen Stelle, fand sie nicht mehr und verschwand zuletzt. Nun aber erwachte die Schlafende nicht wieder, sondern blieb todt. Grimm, DS. 1, S. 335. In Gestalt eines _weissen Maeuschens_ kommt der Alb durchs Schluesselloch ins Schlafzimmer und drueckt den Sohn. Die Mutter, welche vorsorglich schon ein Tuch ueber die Brust des Schlafenden gebreitet hat, legt es nun, da sie ihn stoehnen hoert, an den vier Enden zusammen, thuts in die Schublade der Kommode und laesst den Schluessel dran stecken. In derselben Stunde war im Nachbarorte ein Maedchen ploetzlich gestorben und sollte nach drei Tagen begraben werden. Da traf sichs, dass der Sohn, der seit dieser Zeit vom Alb frei geblieben war, am dritten zufaellig den Schluessel von der Schublade abzog, worin jenes Tuch lag. Sogleich schlupfte ein weisses Maeuschen durchs Schluesselloch und lief zur Thuer hinaus. Gleichzeitig hatte man im Nachbarorte schon den Sarg schliessen wollen, als ein Maeuschen zur Thuere herein und in den Mund der Leiche gelaufen kam, diese oeffnete die Augen und gehoerte wieder dem Leben an. Wolf, Hess. Sag. no. 95. Dieselbe Begebenheit in Sommers Thuering. Sag. no 40. In gleicher Gestalt kommt die Nachtmahr zum schlafenden Gesellen geschlichen und wird in gleicher Weise von ihm gefangen; kaum hat er das Schluesselloch der Kammerthuere verstopft, so sieht er statt der Maus ein wunderschoenes Maedchen splitternackt hinter dem Ofen sitzen. Ibid. no. 96. Kuhn, Westfael. Sag. no. 247. Wenn der Bergmeister Hinten auf dem Harze seinen Nachmittagsschlaf zu machen pflegte, kam eine Maus aus seinem Munde gekrochen und schlupfte in die Erde, doch zur vorbestimmten Minute erschien sie wieder und kroch in den Mund zurueck. Alsdann wachte der Bergmeister unter heftigem Schnarchen auf, zog rasch seinen Fahrhabit an und fuhr in den Schacht. Dies that er nie vergeblich, denn sicher hatte er jedesmal durch die Maus Nachricht erhalten, dass die Knappen falsch gearbeitet oder gar die Grube verlassen hatten. Proehle, Harzsagen 1, S. 68. Die Wache der Landsknechte sieht ihrer einen in der Mittagsrast einschlafen, da kommt ein kleines weisses Thierlein, gleich einer Wiesel, aus seinem Munde dem naechsten Baechlein zugelaufen und will hinueber. Der zuschauende Knecht legt sein entbloesstes Schwert wie eine Bruecke ueber den Graben, das Thierlein geht darueber hin und verschwindet. Nach einer kleinen Weile wieder kommend, findet es jenseits die vorige Bruecke nicht mehr, da mittlerweile der Kriegsknecht sein Schwert weggethan. Also brueckte dieser ihr abermals, das Thierlein kam herueber, naeherte sich dem Schlafenden und kehrte in seine vorige Herberge ein. Als die Spiessgesellen den Erwachenden befragten, was ihm im Schlafe begegnet, antwortete er: Mir traeumte, ich waere gar mued und hellig von wegen eines fernen weiten Weges, den ich zog, und auf dem Wege musste ich zweimal ueber eine eiserne Bruecke. Grimm, DS. no. 455. Ebenfalls als Wiesel faehrt die Seele eines schlafenden Hirtenknaben aus. Wolf, Hess. Sag. no. 98. Der Prototyp dieser Sage ist nach der Aufzeichnung von Paulus Diaconus 3,34 und Aimoinus 3,3: der Frankenkoenig Guntram, dessen Seele in eines Schlaengleins Gestalt aus des Schlafenden Munde kommt, auf einem Schwerte den Bach ueberschleicht, in einen Berg schlieft und rueckkehrend ueber die naemliche Schwertbruecke in den Mund des Koenigs zurueck geht. Der Erwachende erzaehlt, vom grossen Flusse mit Eisenbruecken getraeumt und im hohlen Berge den Hort der Ahnen erblickt zu haben. Grimm, DS. no. 428 (zweite Aufl. no. 433).[19] Einige aehnliche Sagen aus Boehmen theilt Grohmann mit in Apollo Smintheus pg. 22. Die ausfahrende Seele nimmt auch noch anderer Thiere Gestalt an, zumal gefluegelter. Aus dem Munde schlafender Hexen bricht eine Fliege (Grimm, DS. 2. Aufl. no. 408), eine Hummel, Wespe, ein Schmetterling hervor. Grimm, Myth. 1031, und Vonbun, Beitraege 2, 83. So viel von den Maeusen als ausfahrenden und umwandernden Menschenseelen. Sind die Maeuse damit Geister, so koennen sie sowohl Segens- als auch Rachegeister werden, den Freund beschuetzen und den Feindseligen vertilgen, und daraus wird ihr Erscheinen ueberhaupt den Voelkern allgemein zum Omen. Das Gleichgueltigere sei hier wiederum vorangestellt, um zum historisch Wichtigen emporzufuehren. Unser uebelverstandner Ausdruck maustodt, anstatt mhd. murztot, hollaend. morsdood, spielt auf Maus und Scheermaus an, deren Stossen im Wohnhause auf den Tod des Hausherrn gedeutet wird. Traeumt man von Maeusen, so wird es naechstens etwas Ungerades geben; klettert die Maus an der Zimmerwand, so entsteht Hauszank; raschelt sie im Bettstroh, so betrifft den Schlaefer schon am Morgen Unheil; nagt sie an seinem Kleide, so stirbt dieser bald. Verlassen saemmtliche Maeuse mit einem Male das Haus, so ist dies mit Aussterben bedroht; man sagt: viel Mues, wenig Luet. Salom. Landolt, Reime und Lieder, Aarau 1845, sagt S. 326 von der Maus: Der Aberglaube redt re noh, (Me cha zwar uf das G'schwaetz nid goh, Glaubt' i's, i mueesst mi schaeme): Verloei die Fruendi d'Wohnig ganz, Geb's i dem Hus en andre Tanz, Das heisst, es g'hei bald z'saeme. Maeuse verkuendeten den Ausbruch des marsischen Krieges, als sie die Silberschilde zu Lanuvium benagten, und den Tod des Feldherrn Carbo, als sie dessen Schuhriemen zerbissen. Cicero de Divin. 2, 27. Plinius HN. 8, 82. Als die Philistaeer die Bundeslade geraubt und in Dagons Goetzentempel aufgestellt hatten, schlug Jehovah sie mit der Beulenpest und ihre Felder mit dem Maeusefrasse (percussit inimicos in posteriora. Psalm 77, 66). Nach sieben Monaten lieferten sie die Arche wieder zurueck und uebersandten dazu in einem Kaestlein als Suehnkleinode fuenf goldne Maeuse und fuenf goldne Aerse, beides nach er Zahl der mit der Doppelplage heimgesucht gewesnen philistaeischen Landschaften. 1. Sam. 6, 4. Aehnliche Suehnbilder sind dem ganzen antiken Alterthum gemeinsam. Der Priesterkoenig Sethon, der die Pest abgewendet hatte, erhielt dafuer eine Bildsaeule, welche in der einen Hand eine Maus hielt. Herodot 2, 141. Vergoldete Aehren und goldne Maeuse wurden der phoenizischen Ceres zum Suehnopfer gebracht. Welcker, Griech. Goetterl. 1, 484. Im kretensischen und im aeolischen Dialekt bedeutet Apollos Beiname Smintheus eine Feldmaus, Muenzen von Tenedos stellen ihn mit dem Pestpfeil und der Maus dar, sowie auch eine Muenze von Metapont die sechszeilige Gerstenaehre zugleich mit der Wanderheuschrecke und der Maus aufweist. O Heer, Pflanzen der Pfahlbauten. Selbst Athene, wie man sie auf Gemmen dargestellt sieht (Tassie no. 1585), traegt die Maus auf dem Brustharnisch oder auf der Schulter. Menzel, Vorchristl. Unsterblichkeitslehre 1, 22. In allen diesen Sinnbildern ist mithin die Pestseuche an den Misswachs, dieser an den Maeusefrass geknuepft, und die agrarischen Gottheiten nehmen das ihnen in Form einer Maus dargebrachte Opfer an und heben die herschenden Uebel auf, indem sie die Maeuse vertilgen. Dieselbe Abhuelfe wird nun aber auch durch die hl. Gertrud gewaehrt, welche, indem sie die Maeuseplage aufhebt, zugleich die Seuchen abwendet. So lange schon Gertrud ein Standbild in der Kapelle zu baierisch Hermatshofen besitzt, hat sie von diesem Orte stets die Viehseuchen abgehalten. Panzer, BS. 2, 157. Dahin gehoert die allbekannte Sage vom Rattenfaenger zu Hameln. Da sich an sie die Geschichte von der magischen Pfeife knuepft, mit deren Tone die Maeuse vertrieben werden, und hiervon noch spaeter bei Gelegenheit der in Mausform gebackenen Erntenudel wiederum die Rede sein muss, so folgt hier diese Hamelner Geschichte in der Fassung nach, wie sie Balth. Becker in der Bezauberten Welt lib. 4, S. 157 des Mart. Tschockius Fabula Hamelensis nacherzaehlt. Als die Stadt Hameln a.d. Weser im J. 1284 mit einem Haufen Maeuse und Ratten geplagt war, die alle Frucht wegfrassen, kam man mit einem fremden Mann ueberein, der sich gegen Geld erbot, sie aus der ganzen Gegend wegzuschaffen. Er holte aus seiner Henktasche eine Pfeife hervor und sowie er darauf spielte, kamen die Maeuse aus den Hauswinkeln, Daechern und Dachrinnen zu Haufen hervor und folgten ihm zur Weser. Er trat sein Kleid aufschuerzend in den Strom, die Thiere ihm nach und ertranken. Nach verrichteter Sache begehrte er den bedungenen Lohn. Allein die Buerger waren nicht geneigt zu bezahlen. Da erschien er am folgenden Mittag wieder, diesmal in Jaegertracht, sein Hut war purpurfarbig, seine Gestalt von erschreckender Laenge, und nun spielte er eine andere, von der gestrigen weit verschiedene Pfeife. Da liefen ihm binnen einer Stunde alle Kinder der Stadt zu, vom vierten bis zum zwoelften Altersjahre, die fuehrte er, 130 an der Zahl, in eine Hoehle des vor dem Thor gelegenen Koppenberges, und keins von ihnen ist nach diesem wieder gesehen worden. Man sagt, er habe sie zweihundert Meilen weit unter der Erde fort his nach Siebenbuergen und dorten erst wieder ans Licht gefuehrt; denn seitdem spricht man in diesem Lande niedersaechsisch.--So lassen sich auch in Wolfs Hess. Sag. no. 14 die Bauern um Lorsch alles Feldungeziefer und alles Gewitter, durch einen Einsiedler aus dem Lande pfeifen, als sie ihm aber den Lohn dafuer vorenthalten, ist der Ameisen- und Grillenregen nebst dem Maeuseheere wieder da. Von neuem wird der Mann berufen, nun kommen jedoch auf seinen Pfiff alle Schafe und Schweine des Dorfes ihm in den Lorschersee, und zuletzt alle Kinder in den Tannenberg nachgelaufen und bleiben verloren. Dieselbe Sage ist auch in dem bei Paris gelegnen Dorfe Drancyles-Nouis lokalisirt gewesen, wo im J. 1240 der Moench Angionini mit dem Erbieten erschien, den Ort von seinen Ratten und Maeusen zu befreien. Er lockte alle diese Thiere in einen Fluss, wo sie ertranken. Doch da man ihm den versprochnen Lohn vorenthielt, stiess er in ein Horn, worauf sich alle Zuchtthiere des Dorfes, Pferde, Rinder, Schweine und Gaense, um ihn sammelten, mit denen er davon gieng. Nork, Myth. der Volkssag. 392. Die Uebereinstimmung dieser Erzaehlungen lehrt, dass die Maeuse, weil sie Geister sind, nur dem magischen Ton der Pfeife gehorchen und damit hinweggelockt werden. Wie man mit der Bastpfeife im Fruehling den Fruchtkeim in die Pflanze zu blasen meint (Alemann. Kinderl. S. 182); wie der Seefahrer dem Fahrwinde pfeift, so glaubt man, die pfeifende Maus werde durch sanfte Musik angezogen, durch schreiende verjagt. Du singst mir alle Maeuse aus dem Hause, sagt man abmahnend dem zur Unzeit singenden Kinde. Zur Vertreibung der Maeuse bedient man sich folgenden Mittels. Aus dem Hinterfusse einer gefangnen Ratte schneidet man ein Pfeifchen und umgeht damit blasend am Charfreitag das Haus, oder man haengt dem gefangnen Thiere ein Gloeckchen an und laesst es laufen; es springt aus dem Hause und alle uebrigen folgen ihm. Grohmann, Bedeut. d. Maeuse, S. 26. Abergl. aus Boehmen S. 62. 66. Denselben Zweck hatten die Pfeifchen im Schweife der hoelzernen Spielroesschen und die thoenernen, die man an der Stelle des Schwaenzleins in die Erntenudel der gebacknen Maeuschen steckt. Dass damit magisch fortgelockt werden sollte, ergiebt die Umschrift an der grossen Abteiglocke in wuertembergisch Weingaerten; die Glocke wurde 1490 gegossen und ihre Umschrift lautet nach Sauten (Kloster Weingarten, 1857, 48): Osanna heiss ich, den Todten pfeif ich. Es ist daher gewiss ein lautredender Zug der Sage, wenn Bischof Hatto in seinem Thurm zu Bingen von den Maeusen bei lebendigem Leibe gefressen wird, weil er bei einer Hungersnoth die Armen unter dem Vorgeben einer Brodvertheilung in eine Scheune lockte, sie sammt dieser verbrannte und der Sterbenden Geschrei mit den Worten verhoehnte: Hoeret, wie meine Maeuse pfeifen! Hattos Tod im J. 973 und seine Verhasstheit bei den Unterthanen wird nebst der eben beruehrten Sage von Trithemius in der Hirsauer Chronik 1, 116 erzaehlt und zur Unterstuetzung dieser Begebenheit, wie es scheint, dorten S. 140 ein aehnlicher Fall vom J. 995 hinzugefuegt ueber einen Grafen von Rotenburg in Franken. Auch der Schlossherr einer am thurgauer Seeufer versunken liegenden Wasserburg Guettingen soll sich desselben Frevels schuldig gemacht haben und ebenso von den Maeusen aufgefressen worden sein. Puppikofer, Gesch. des Kt. Thurgau, 121. Es haben W. Menzel (Odin 229); Felix Liebrecht (Ztschr. f. Myth. 2, 405. 3, 307), und juengsthin besonders ausfuehrlich Grohmann (Apollo Smintheus, S. 78 ff.) ueber diesen Mythus und dessen zahlreiche Sagen gehandelt, in der Erklaerung desselben aber sich keineswegs geeinigt. Der Sinn kann kein zweifelhafter sein. Der Erntegott schickt Undankbaren die Maeuseplage und damit die Hungersnoth ins Land. Der um seine Vorraethe besorgte Gewaltsherr entledigt sich der bei ihm Brod suchenden Unterthanen mit Gewalt, aber die Geister der von ihm Gemordeten verfolgen ihn in Gestalt der Maeuse bis in seine Wasserburg, wo er der gemeinsamen Seuche erliegt. Maeuse werden daher Gottes Heerzug genannt, weil sie sich mit jeder Seuchenzeit einstellen. Das Bruederpaar, das sich vor der Pest auf den Irchelberg fluechtet, erwuergt sich da in der Hungersnoth um einer gefangenen Maus willen. Bluntschli, Memorabilia Tigurina 1, 117. Zur Zeit des Beulentodes war es in den Hexenprozessen eine stehende Inquisitionsfrage, ob die angeklagte Person auch Maeuse gehext habe. Aargau. Sag. 2, 172. Und daher stammt die gegen jeden Flausenmacher gebraeuchliche Phrase: Mach mir keine Maeuse. "Die Festung macht Maeuse und will sich nicht ergeben", heisst es ebenso in Goethes Buergergeneral, 9. Auftritt. Die den Koerper in Mausgestalt verlassende und wieder besuchende Seele hat zu dem Spielreim Anlass gegeben, bei dem man mit den Fingern ueber die Brust des Kindes hinauf tippt, sprechend: Kommt ein Maeuschen, will ins Haeuschen, da 'nein, da 'nein! Aus demselben Glaubensgrunde dachte aber die Vorzeit verpflichtet zu sein, den Maeusen Recht und Gericht halten zu sollen. Bei dem Prozesse, welchen die tiroler Gemeinde Stilfs 1590 gegen die Schaedigung der Lutmaeuse beim Amte Glurns anhaengig machte, erhielten beide Parteien ihren Procurator, das Gericht war mit eilf namhaften Maennern besetzt, fuer Anklage und Entlastung wurden Zeugen abgehoert und der Beschluss lautete: Die Lutmaeuse seien gehalten binnen 14 Tagen den Landstrich gaenzlich zu verlassen, jedoch unter freiem Geleite gegen Hund, Katze und jeden andern Feind; "wo aber ains oder mehr der Tierlein schwanger waere, oder Jugend halber nicht fortkommen moechte, dieselben sollen ein weiteres sicheres Geleit fernere 14 Tage lang haben." Zingerle, Sag. no. 708. Aehnliches geschah auch vor dem Rathscollegium zu Autun 1540, welches die Maeuse als Saatenverwuester anklagen und verurtheilen liess; der Maeuse Anwalt jedoch, Barthol. Cassanaeus, nachmaliger Praesident des Pariser Parlaments, machte den Einwurf, die Verurtheilten seien noch nicht dreimal vorgeladen und koennten, so lange die Strassen durch Hunde und Katzen unsicher seien; fueglich auch nicht erscheinen. Diebolt, Histor. Welt, 1715, S. 1117. Von hier aus uebergehend zu den der Kornmaus dargebrachten Ernteopfern, findet sich Raum zur Einschaltung der an dies Thier geknuepften volksmedizinischen Braeuche, deren allverbreiteter gleichfalls auf ein Opfer hinauslaeuft. Bekanntlich wirft das Kind beim Zahnschichten den Wechselzahn ins Mausloch und verlangt dafuer von der Maus einen neuen, dessen Dauerhaftigkeit nach Stein, Bein, Eisen, Silber und Gold bestimmt wird.[20] In Pforzheim spricht man (Grimm, Abgl. no. 631): Maeuschen, da hast du einen hoelzernen Zahn, gieb mir einen beinernen dran.--In Schlesien: Maeusel, ich geb dir ein Beindel, gieb mir ein Steindel.--Maeuschen, ich geb dir einen knoechernen Zahn, gieb du mir einen eisernen. Kuhn, Westfael. Sag. 2, S. 34. Im Aargau heisst es (Alemann. Kinderl. S. 338): Muesli, Muesli, nimm de Zah, gim-mer en schoene goldige dra, frei en schoene wisse, ass ech's Brod cha bisse. Das Kind wirft seinen ausgefallenen Zahn, wenn ihn die Mutter nicht selber verschluckt, hoch gegen Himmel: Seh, liebe Herrgett, en Zah! Gieb mer wider en andre dra.-- In Wuertemberg wirft es ihn ueber sich und spricht beim Schneidezahn: Se, Maeusle, has du dean Za, sez mer derfuer en andra na! Beim Mahlzahn heisst es: Wolf, Wolf, da has en Za, gi mer derfuer no koen Biberza! Birlinger, Schwaeb. Sag, 1, no. 570. _Biber_ ist schwaebisch Name des waelschen Hahns (Birlinger, Schwaeb. Woertb. 61) und bedeutet hier: lass mir den Zahn nicht krumm wie einen Vogelschnabel wachsen. Ein altarabischer Spruch in Rueckerts Morgenlaend. Sagen 2, 264 opfert den Schichtzahn gleichfalls der Sonne: Liebes Kind, nimm deinen Zahn, Der dir ausgefallen, Wirf ihn zu der Sonn' hinan, Sprich mit frohem Lallen: Gieb mir einen bessern dran! Und du wirst von allen Neuen Zaehnen keinen Zahn Schwarz und schief und stumpf empfahn, Sondern jeden wohlgethan. Kind, so lehrt' es mich dein Ahn. Dem Sonnengotte Freyr ward von den Goettern die Sonne, Lichtalfenheim, zum Zahngebinde geschenkt. Grimm, GDS. 154. Der Zahn ist also eine Himmels- und Sonnengabe; der ausfallende erste Milchzahn heisst in Sueddeutschland Woelfle (Alemann. Kinderlied, S. 337), Wolfszaehne werden dem zahnenden Kinde umgehangen, vielleicht in altheidnischer Ruecksicht auf den Sonne und Mond verschlingenden Weltenwolf, dem auch Gott Freyr zum Opfer faellt. In Hahns Griechisch-albanes. Maerchen no. 10 und 101 laesst sich die Prinzessin, die einen Zahn verloren, bald einen goldnen, bald einen silbernen einsetzen, besiegt darauf ihres Vaters Feinde, befreit das Land und wird des fremden Prinzen Gemahlin. Dass der erste Wechselzahn wirklich in Gold gefasst und so am Armring getragen wurde, ist nebst anderen dahin einschlaegigen Braeuchen des Alterthums im eben genannten Alemann. Kinderliede pag. 338 bereits geschichtlich nachgewiesen. Der hellfunkelnde, unverwuestliche Zahn des im Boden oder in Hoehlen wohnenden Thieres soll auch dem jungen Menschen zu Theil werden, wenn er seine Zaehne in den Boden saeet; darum streut auf Athenes Geheiss Kadmos die Zaehne des erschlagnen Drachen in die fruchtende Ackererde, und aus ihnen erwachsen die Stammvaeter des kadmeischen Thebens. Den Schneidezahn wirft man der Maus hin, den Mahlzahn dem Wolfe, heisst es; der erste Zahn heisst in Sueddeutschland Woelfle, und woelfen ist zahnen: Aus Wolfs- und Rosszaehnen bestand die Halsschnur, die man zahnenden Kindern sonst umhieng, und selbst unter den Fundstuecken, die man seit 1857 aus den Pfahlbauten des Bodensees erhebt, zeigen sich die Zaehne des Baeren und Wolfes, durchbohrt, um an Schnueren als Amulette getragen zu werden. Zuerch. Antiq. Mitthll. 12, Heft 3, 139. Damit stimmt die doppelte Notiz bei Plinius ueberein HN. 28, cap. 78, und 30, cap. 7: Wolfzaehne werden zahnenden Kindern gegen Erschreckung, und Pferden gegen Ermuedung angehaengt, ausgerissene Maulwurfszaehne gegen Zahnschmerz. Weil die Maus Alles benascht, streut man dem naschenden Kinde heimlich eine gepulverte Maus auf die Speise, damit soll der eine Dieb den andern abschrecken. Hoechst auffallend aber bleibt der sg. Maustrank, ein Volksmittel, von welchem die aelteste und die neueste Zeit zu erzaehlen hat. Das Poenitentiale des hl. Bonifacius und dasjenige von Angers (Poenitentiale Andegavense) schreiben dem Priester vor, die Frage an sein Beichtkind zu stellen, ob es von dem zauberhaften Maus- oder Wieseltrank genossen habe: edisti de liquore, in quo mus aut mustella mortua invenitur? Das Verbot gegen diesen Trank wird von mehreren Kirchenschriftstellern, darunter Regino und Burchard von Worms wiederholt, zugleich den Bischoefen aufgetragen, bei der jaehrlichen Kirchenvisitation strenge Nachforschung hierueber anzustellen. Auffallender Weise aber lebt die Unsitte bis heute fort. In baierisch Rosenheim gilt als probates Mittel gegen Epilepsie eine Maus, die gewiegt, gekocht und verspeist werden muss, und ein sehr verbreitetes kostspieliges Geheimmittel, welches von Frankreich aus in Ruf gekommen ist, besteht nach neuerlich angestellter Analyse aus pulverisirten Maeusen. Bavaria 1, 464. Nun behauptet zwar die uns persoenlich umgebende schweizerische Volksmedicin, Bettnaesser seien dadurch zu heilen, dass man ihnen eine in Wein destillirte Maus zu trinken gebe; allein man lasse sich hiebei nicht dadurch irreleiten, dass auch schon Plinius NG. 30, c. 47 den Kindern, welche den Harn nicht verhalten koennen, gepulverte Maeuse unter der Speise zu essen verordnet; denn diese Heilmethode gruendet sich auf ein blosses Wortspiel und steht nicht in entfernter Beziehung zu jenem dem Thiere beigemessenen, daemonischen Charakter. Nach dem Medicinischen Lehrsatze, Gleiches mit Gleichem zu vertreiben, schlaegt nemlich Plinius vor, die Muskelschwaeche am Halse der Harnblase durch eine eingenommene Maus zu heilen, da latein. musculus beides ist, Muskel und Maeuslein. Die deutsche Medicin nahm nicht bloss diese gleiche Benennungsweise, sondern auch die daran geknuepfte Heilmethode an, um so mehr, als beides urspruenglich unter dem Einflusse der waelschen Universitaeten zu Padua und Montpellier stand. Peter Vffenbachs Newes Artzneybuch ist eine Uebersetzung der Chirurgie des Hieron. Fabricius ab Aquapendente, Professors zu Padua, und schreibt daher (Frankfurter Ausgabe von 1605, S. 127) woertlich nach: "Das Bettharnen der Kinder entsteht, wenn das Maeusslin, so umb den Hals der Harnblasen herumbliegt, verletzt wird und dem Willen des Menschen nicht mehr gehorchen kann." Die spaeteren Aerzte gebrauchen denselben Ausdruck und pflanzen den daran geknuepften Aberglauben fort. "Der Geist kumpt durch die muessly vnd neruen vssgespreitet zum hirn", schreibt der Zuercher Arzt Jak. Rueff, von Empfengknussen, Zuerich 1554, Blatt 126b; Johann von Muralt lehrt in seinem Hippocrat. Helvet., Basel 1692, 45: "Wann die junge Kinder so hart verstopft, also dass jhnen der Leib auflauft, so gib jhnen ein wenig Mausskoht mit der Muttermilch ein." Ein aehnliches Wortspiel scheint nach Nork, Realwoerterb. 3, 125, der schon vorhin erwaehnten Stelle l. Sam. 6, 5 zu Grunde zu liegen, weil die dorten enthaltenen Stichwoerter Pestbeule und Maus im Hebraeischen stammverwandt sind und Maus im Syrischen auch ein Geschwuer bedeutet. Der Name Maus, sanskrit muscha, abgeleitet von der Wurzel musch, stehlen, bezeichnet einen Dieb, weshalb denn das indische Gesetzbuch Yajnavalkya III, 214 (uebers. von Stenzler) zustimmend besagt: "Eine Maus wird der Getraidedieb sein, denn wie die verschiednen Gegenstaende sind, so sind auch die Gattungen der lebenden Wesen." Das Wort behaelt diesen Begriff in allen indogermanischen Sprachen bei: mausen bedeutet stehlen. Quasi mures semper edimus alienum cibum, laesst Plautus in den Gefangenen den Schmaruzer sagen. In des Hieron. Bock Teutscher Speisekammer, 1555, sagt das Vorwort: Mein frischgebachen brot muoss leiden vil der not von hunden vnd von katzen, von meusen vnd von ratzen, zerhuelchen's, schliefen drein, wolt, sie schwimmen im Rhein! Die Regeln der Haus- und Landwirthschaft setzen daher seit aeltester Zeit fuer bestimmte Zeitfristen allgemein beobachtete Ueblichkeiten fest, durch die man dem schaedlichen Einfluss des Thieres zuvorzukommen glaubte, indem man theils ihm selbst, theils den Geistern opferte, in deren Gefolge es erschien. Deutliche Spuren hievon liegen noch in unseren Fasnachts- und Erntebraeuchen. Man darf um Weihnachten und Fasnacht, wo die Elben in Mausgestalt ihre Julzeit, halten (Volksglauben in der Mark), oder wo nach oberdeutschem Glauben Berchta-Holla ihren Umzug haelt, nicht spinnen, sonst zerzausen die Maeuse den Flachs. Das Maeuslein beisst! ist ein besonderes Drohwort, gleichwie im Gedichte von den Sieben Schwaben der gewichtigste Fluch lautet: Dass dich das Maeuslein beisst! denn alles was man in der Fasnacht spinnt, das fressen die Maeuse (Aargau). Man darf alsdann die Maeuse auch nicht bereden, sonst stehlen sie das Korn von der Schuette. Anstatt Maus sagt man dann (nach Kuhns Nordd. Sag. pg. 411) Boenloeper, Scheunenbodenlaeufer, in Daenemark Tede, die Kleinen. Noch im vorigen Jahrhundert hielt man diesen Brauch so fest, dass der daenische Ortspfarrer Laurids Muns (gestorben 1774) waehrend der berufenen Weihnachtszeit bei seinen Pfarrkindern stets nur Herr Tede genannt wurde. Handelmann, Nordalbing. Weihnacht. pg. 13. Die Rindfleischsuppe, die vom Fasnachtsdienstag im Kochkessel uebrig bleibt, schuettet man gegen die Kornmaeuse in die Mausloecher. H.L. Fischer, Buch v. Abgl. 1790. 1, 237. In Grochwitz bei Torgau baeckt man die Fasnachtskuechlein. in einer Eisenform, von der es heisst, man stosse mit ihr dem wuehlenden Maulwurf die Schnauze ab. Man erkauft also hier das Gedeihen der kuenftigen Ernte mit einem Opferbrode voraus. Dasselbe gilt in Altbaiern; hier wird dem Gesinde des Hofbauern die Mehlspeise der gebacknen Maeuschen als Fasnachtsgericht aufgesetzt; dafuer hat es theils bei Nacht, theils schon vor Sonnenaufgang die Strohbaender fuer die Garben der Ernte vorauszuflechten; da die Maeuse dieser Nachtarbeit nicht mit zusehen koennen, so werden auch die Garben vor ihnen sicher bleiben, jedoch vermehren sich die Maeuse, wenn man ihnen ueber dieser Arbeit flucht. Bavaria 2, 300. Beim Einbringen des Korns stellt man drei Garben mit den Aehren nach unten gekehrt in die Tenne; dies gehoert den Maeusen, die hiemit sich begnuegen und den Geizigen heimsuchen moegen. Die Beinchen vom Osterfleischkuchen, welcher aus Teig mit gehacktem Kalbfleisch besteht, streut man gegen das Wuehlen des Maulwurfs in dessen frische Gaenge. Grohmann, Boehm. Abgl. S. 58. In boehmisch Raudnitz hebt man vom Schmalz, worin man die Fasnachtskrapfen baeckt, bis zur Ernte auf und salbt damit die Raeder des Erntewagens. Sobald dieser vor der Scheune ankommt, fragt der abladende Knecht den Fuhrmann: Was faehrst du? Dieser antwortet: Die Katze fuer die Maeuse. Alsdann werden keine Maeuse in die Scheune kommen. Schon die Brosamen vom Weihnachtsmahl schuettet man in die Scheunentenne und spricht: Maeuschen, esst diese Broeckchen und lasset das Getreide in Ruhe! Grohmann, Apollo Smintheus 38. 27. Im Wittgensteinischen wird in die erste Scheunengarbe ein Kaese gebunden und der sie Abladende fragt den Fuhrmann Wann haben wir Christtag? Antwort: Ich weiss es nicht. Ei, erwiedert Jener, so wissen die Maeuse auch nicht, wo ich meine Gerste hinlege. Kuhn, Westf. Sag. 2, S. 187. In des Albertus Magnus Egypt. Geheimnissen Heft 3, 73 heisst es: "Wann du das Korn zum ersten einfuehrst, so nimm die erste Garbe, die du in den Baren legst, in deine rechte Hand und sprich: Da leg ich dem Menschen das Brot und allen Maeusen den bittern Tod." Meklenburger Erntebrauch ist, den ersten Kornwagen nicht abzuhalmen, auf dass die Maeuse das Korn nicht fressen. Schiller, Thier- und Kraeuterb. 3, S. 9a. Hier folgt nun eine Beschreibung der zu verschiednen Jahreszeiten in Mausform gebackenen Zweckbrode. Mit erstem Fruehlingsbeginn nimmt die oberdeutsche Baeuerin junge Salbeiblaetter, wickelt sie in Eierteig und baeckt sie in Butter ab; hinten muss dann der Blattstiel gleich einem Mausschwaenzchen aus der Nudel vorstehen. Die um dieselbe Zeit fuer den Marktverkauf gebackenen groesseren Brodnudeln haben eben dieses Schwaenzchen, doch ist es ein thoenernes, damit die Kinder darauf pfeifen koennen. Marx Rumpolts Kochbuch von 1581, Bl. 167b waehlt zur Einlage in dieses Mehlmaeuslein die Pflanzen Bertram, Borrag und U. Frauen Blaetter. Noch aelter ist folgende Notiz in der Inkunabel Kuchenmaistrey, o.O.u.J. Blatt 19. 20: ein gutz gebachen von Salvey. nim duer leutzbiren vnd mach sie schon. seued sie weich vnd stoss sie in einem morsser. bestreich ein saluenblat damit vnd deck ein anders daruber, druck sie auch sitlichen zusammen, dz sie auch bey einander bleiben. mach ein straubenteiglein mit honig vnd wein, zeuch es dardurch vnd bach es. Auch Fischart im Gargantua cap. 8 singt von dieser Nudel: Bachen wir ein Kuechelein, Meuselein und Streubelein Und trinken auch den kuehlen Wein, Kaku-kaka-nai, Dass man froehlich sei. In A. Corrodi's Zuercher Idyll De Dokter (Winterthur 1860, S. 45) heisst es von der staedtisch bereiteten gezuckerten Mausnudel: Muesli, weischt, du kaennsch es ja wol, sind gar nid z' verachte, Waemmae de Zucker nid spart und waemmae cha gnueg devu esse. Beim aargauer Landvolke im Frickthal und im Hallwiler Seethal wird nach beendigtem Kornschnitte dem Gesinde die Mueslinudel aufgestellt, aus Kernenmehl, schmalzgebacken. Unter demselben Namen wird sie in Altbaiern demjenigen unter den Dreschern heimlich zugeschoben, auf den der letzte Drischelschlag gefallen war, und er heisst davon beim Dreschermahl scherzweise der Maushueter. Panzer, BS. 1, no. 405. In Frankreich schaetzt man einen in Arras, Bethune und St. Quentin einheimischen Kaese-Pfannkuchen Namens Ratons, beides bezeichnend, Ratte und Eierkuchen. Ein Steinbild in der Nuernberger Lorenzokirche mit einer eignen Sage wird fuer eine Ratte mit der Bratwurst angesehen. Schoeppner, Sagb. no. 641. Gertruds Name verraeth sich zwar bei diesen Erntespeisen nicht, wohl aber werden die ihr geweihten Pflanzen und Wappenthiere in den weiteren Erntebraeuchen, besonders beim Heuschnitt erwaehnt. In Schwaben sammelt man am Himmelfahrtstage Mausoehrleinkraut, gnaphalium dioicum, und haengt es gegen Blitzschlag in Haus und Stall. Meier, Sag. 2, 399; in Baiern wirft man Frauenschuehlein, melilotus, und Gertrudenkraut gegen Abwendung des Hagelschlags ins Sonnewendfeuer. Panzer, BS. 1, 212. Gertruds Wagen und Gespann ist in nachfolgenden Sagen hervorgehoben. In der Stadt Grimmen faehrt in der Walburgisnacht ein mit vier Maeusen bespannter Wagen umher, dessen Kutscher hahnenfuessig ist. Temme, Volksag. von Pommern und Ruegen 329. Hier ist in des Kutschers Gestalt Donars Erntehahn nicht zu verkennen. Beim Prinzessinnen- oder Teufelsstein, einem Felsblock bei Koepenick, erscheint abwechselnd der Geist eines alten Muetterleins, das gebueckt am Stabe geht, oder einer Prinzessin, die ihr Haar kaemmend sich im Spiegel des dortigen Sees beschaut und dreimal um die Koepenicker Flur getragen zu sein verlangt; dabei kommt ein schwer geladner Heuwagen heran, von vier kleinen Maeusen gezogen. Kuhn, Maerk. Sag. no. 111. Bei Marne in Suedditmarschen fliesst der Geldsot, in welchem ein Braukessel mit einem grossen Schatz versenkt liegt; naechtlich kommt dorten ein Fuder Heu gefahren, von sechs weissen Maeusen gezogen und vom Schimmelreiter begleitet. Letzterer aber ist bekanntlich Wuotan selbst. Bechstein, DSagb. no. 171. Wie hier der Geldsot eine Wunderquelle ist, so kennt solche nach Gertrud benannte Heilquellen besonders die Legende der Rhoen- und Spessartgegenden, wo die Heilige als Karls des Grossen Tochter gilt. In den gekraeuselten Wellen der Mainstroemung glaubt man dorten naechtlicher Weile Gertrudens Fussspuren schimmern zu sehen;[21] wo sie zum Gebete niedergekniet hat im Felde bei Rohrlaha, bleibt die Stelle ewig unbebaut (Herrlein, Spessartsag. 68. 126. 127. 131.) Ihr daselbst kirchlich verwahrter Mantel wird Frauen umgehaengt, welche Muetter zu werden wuenschen. Das Gebet zu ihr lindert die Geburtsschmerzen und foerdert die Geburten. Jac. Schmid, Leben hl. Hirten und Bauern, 3. Th. 52. Der Kinderbringer Storch ist daher unter ihren Attributen und sitzt an den ihr geweihten heilkraeftigen Quellen. Zingerle, Gertrudenminne S. 50. Schoeppner, Bair. Sagb. n. 976. In der Gertrudenkapelle zu Bamberg hoerte jener Edelknabe, der auf den "Gang zum Eisenhammer" (Schillers Ballade) geschickt war, erst noch die Messe und entgieng darueber dem Tode. Schoeppner, no. 207. Waehrend sie auf Schloss Karleburg am Main einen Frauenconvent gruendete, wurde ihrem Priester Atalong von Schulknaben die Stelle verrathen, wo die Leiche des hl. Kilian unruehmlich verscharrt in einem Rossstalle lag. Da Atalong dieser Nachricht misstraute, so liess ihn dafuer der Heilige erblinden, stellte ihn jedoch alsbald wieder her, nachdem er einer ihm zu Theil gewordenen Vision Folge gegeben hatte. So meldet die alte Aufzeichnung (bei Ign. Gropp, Collectio Scriptor. Wirceburg. 799), ohne jedoch den Vorgang der Heilung Atalongs zu berichten; letzteres thut die lebende Sage. Gertrud gieng eines Tages von der Karleburg nach dem benachbarten Waldzell, an dessen Kloesterlein sie Stiftungen gemacht hatte, und blieb erschoepft und duerstend in der Einsamkeit stehen, als ploetzlich ein Storch vor ihr aufflog. Zur Stelle entsprang die Gertrudisquelle, deren Wasser kranke Augen heilt. Bavaria IV. 1, 493. Archiv des histor. Vereins von Unterfranken 13, 154. Nun ist noch des Brauches zu gedenken, der altherkoemmlich, weitverbreitet, und langandauernd gewesen ist: Gertrudis Minne zu trinken. Der Germane weihte dem Angedenken (ahd. minni ist memoria) seiner Goetter und Stammhelden bei Opfern, Hochzeiten, Abschiedsschmaeussen feierlich den ersten oder letzten Becher. Wie die Alemannen eine Kufe Bier sotten, um sie auf Wuotans Minne zu trinken, meldet aus der ersten Haelfte des siebenten Jahrhunderts die Lebensbeschreibung des hl. Columban. Nach der Bekehrung trank das unter christlicher Huelle fortlebende Heidenthum "Krists, Michaels, Marien, Gertruden und Johannis-minni." Grimms Myth. 53 ff. hat darueber aus unsern einheimischen Quellen vom 11. Jahrhundert. an eine Reihe Belegstellen gesammelt, deren Ergebniss ist, dass es im Mittelalter vorzugsweise zwei Heilige waren, zu deren Ehre Minne getrunken wurde, Gertrud und Johannes der Evangelist. Dasselbe zeigt auch J.V. Zingerle's Schriftchen: Johannissegen und Gertrudenminne (Wiener Jahrbuecher 1862). Heut zu Tage scheint diese kirchliche Sitte nur, noch fuer Johannis zu gelten (so z.B. im Kanton Wallis); Gertrudenminne zu trinken war in Holland und Belgien allgemein ueblich gewesen und soll dorten aus Abscheu vor dem Andenken an den Verraether Gysbrecht abgekommen sein, dem sein Schlachtopfer, Graf Floris von Holland, vergeblich Gertrudenminne zugetrunken hatte. Wolf, Ndl. Sag. S. 699. Den Johannissegen pflegt man heute des Reiseschutzes wegen zu trinken; mit dem Gertrudensegen aber glaubte man fuer den Fall, dass der Scheidende von seiner Reise nicht mehr zurueck kehre, sich eine _gute Herberge_ jenseits zu sichern, da der abgeschiednen Seele ihre erste Nachtruhe eben bei St. Gertrud angewiesen ist; und darum wurde diese Heilige aus einer Seelenherrin spaeter eine Patronin der Reisenden. Das Glas, aus dem man in den Niederlanden ihre Minne trank, hatte die Form eines Schiffchens (Wolf, Beitr. 2, 108), als Andeutung nicht bloss der weiteren Reisen, die man in den Niederlanden zu Schiffe machte, sondern jener weitesten, welche ueber den Todesstrom fuehrt und unsern Ausdruck Absegeln fuer Sterben zur Folge hat. Von dieser Seelenueberfahrt handelt Deutscher Glaube und Brauch 1, 173, und dorten ist die redende Stelle aus einer Einsiedler Handschrift angefuehrt: "wenn die menschen sterbend, so far die sel durch das wasser." Darum auch zeigte das schon erwaehnte Strassburger Kirchengemaelde St. Gertrud mit zu Schiffe, und die Gertrudenlegende (A. SS. sec. II. pag. 465) berichtet, wie die Schiffer des Klosters Nivelles bei heiterem Wetter einem wundersam grossen Fahrzeuge begegnen, das sich rasch in ein stuermendes Meerungeheuer verwandelt und ihnen den Untergang droht, aber sogleich versinkt, als sie dreimal Gertrudens Hilfe anrufen. Aus solchem schiffaehnlichem Trinkgeschirre schenkte Gertrud den Schatten den Erinnerungstrank, wie Freyja und ihre Walkueren den Asen den Meth. Ein Nachklang an dieses in Walhall ausgeuebte Mundschenkenamt liegt noch in der Gertrudenlegende der Bollandisten, A. SS. tom. I. ad diem VI. Januarii, wornach eine andere Gertraud, welche hier nur Venerabilis genannt ist, in ihren juengeren Jahren Kellnerin in verschiednen Wirthshaeusern Hollands gewesen war; sie traegt den Beinamen Von Osten, weil sie unter den Zechliedern der Wirthsgaeste das geistliche Lied "Es taget auf von Osten" gedichtet und oefters hergesungen hat. Sie war ein Bauernkind aus dem Dorfe Voorburch, zwischen Delfft und Grafenhaag, trat mit ihren beiden Freundinnen Lielta und Diewardis, die gleichfalls Dienstmaedchen gewesen, in das Beginenhaus zu Delfft und starb hier 1358. Bei andern Autoren wird sie abwechselnd eine Beata und Sancta genannt. Die in der Figur Gertruds enthaltenen Zuege der Walkuere sind ausser ihrem schon anfangs erklaerten mythischen Namen nachfolgende. Sie ist des von ihr erwaehlten Mannes schuetzender Gefolgsgeist, seine Fylgja, laesst sich mit ihm in ein Ehebuendniss ein, schuetzt ihn mit Gefahr ihres eignen Lebens vor den feindlichen und den hoellischen Waffen, reitet fuer ihn ins Gefecht und hinterlaesst ihm, wenn sie nach dem Schluss des Schicksals verschwinden muss, einen gesegneten Besitz und tuechtige Nachkommenschaft. Die elbische Waldfrau, welche des Hofbauern Untermoser Eheweib geworden war, hatte diesem untersagt, sie je um ihren Namen zu befragen. Einst aber war er Ohrenzeuge, wie ein an der Wiese vorbeigehendes Waldfraeulein im Gespraeche mit seinem Weibe dieses Gertrud nannte; unvorsichtig wiederholte er ihr diesen Namen und weinend musste sie hierauf Mann und Kinder fuer immer verlassen. Scheidend ergriff sie einen Eisenstab, stiess ihn ins Feld und sprach: So lange von dem Stecken noch eine Ader bleibt, wird jeder Untermoser gut hausen. Und dies Wort ist bis heute in Erfuellung gegangen. Panzer, BS. 2, S. 46. In Wolfs Ndl. Sag. no. 42 und 358 ist ein aehnliches Buendniss im Tone der Ritterzeit erzaehlt. Riddert von Berkhof hatte sich dem Teufel verschrieben, veranstaltete nach abgelaufener Frist seinen Freunden ein grosses Abschiedsmahl; trank ihnen zum Schlusse einen Becher Geerdenminne zu und ritt darauf der Linde beim Kirchhofe von Heppener entgegen, wo der Boese bereits seiner wartete; doch der Satan konnte ihm nichts anhaben, denn nun sass hinter Riddert die hl. Gertrud, deren Minne er vorhin getrunken, selbst mit zu Rosse. Dieser Vorfall war spaeter in der Heppener Kirche kuenstlich gemalt zu sehen. Mittelhochd. Dichtungen tragen aehnliches auf die hl. Maria ueber, die als Schutzgeist eines Gefaehrdeten hinter ihm mit zu Rosse sitzt; mehrfache deutsche Sagen lassen sie sogar mit oder fuer den Schutzbefohlnen aufs Turnier ziehen und in Gefechten mitkaempfen. Wolf, Beitr. 1, 192, folgert daraus, dass Maria hier an die urspruengliche Stelle der kriegerischen Frouwa getreten sei, welche als Valfreyja zwar auf ihrem Goetterwagen mit zum Kampfe fuhr, allein als Vorsteherin der reitenden Walkueren gleichfalls das Schlachtross besteigt und sich ins Schlachtgetuemmel mischt; eben dahin sei denn auch jene Kirche in Vorderditmarschen zu deuten, deren Name ist Unse leve Fru up dem perde. * * * * * Im Jahre 1867 hat J.V. Scheffel, der Verfasser des Ekkehart, auf einem galloroemischen Grabfelde zu Rheinzabern das Stellfiguerchen einer aus Terracotta geformten Maus nebst demjenigen eines Haehnchens ausgegraben und beides uns zu einem hoechst schaetzbaren Andenken uebersendet. Der Fundort, das alte Tabernae Rhenanae, der ergiebigste an roemischen Alterthuemern in der ganzen Rheinpfalz, hat juengst auch zur Entdeckung eines wohlerhaltnen Brennofens gefuehrt; man erhob daselbst eherne Legionsadler, Broncefiguerchen, Meilensteine, Muenzen aus dem 4. Jahrhundert. Im benachbarten Orte Hert wurde 1829 ein dem unsrigen ganz gleiches Haehnchen aus Glas gefunden. Die Figur der Maus ist phallisch dargestellt und entspricht dadurch dem Hahn, dem Symbol der Regenerationskraft. Die Maus traegt eine Schelle um den Hals gebunden; denn nach Apollodor (Fragmente) wurde fuer Sterbende Erz an einander geschlagen und die Spartaner geleiteten ihre Koenige unter Glockenton zu Grabe; "der Erzklang sollte die Seele reinigen und entzaubern von der Macht der Daemonen." Creuzer 4, 401. Ebenso verkuendet das Kraehen des Hahnes das Licht des neuen Tages. Ein zweites Abbild, die Maus mit den vier Jungen, ist uns durch Hn. Hermann Brunnhofer aus Oxford ueberbracht worden. Die Figur ist aus ungesaeuertem Teig gebacken und mit Eierklar glasirt. Die Landleute aus der Umgegend von Oxford pflegen derlei Brodfiguerchen auf den dortigen Weihnachtsmarkt zum Verkauf zu tragen. Sie sind zwar nicht zum Essen bestimmt, sonder dienen als Zierat auf Thuer- und Kamingesimse, finden aber ihr Ende zuletzt doch im Kindermagen. * * * * * FUSSNOTEN: [13] Selbst der altmexikanische Glaube schon schrieb vor: Ein Wechselzahn muss in ein Mausloch gelegt werden, sonst wachsen die Zaehne nicht mehr. Waitz, Anthropol. der Naturvoelker 4, 165. [14] Firmenich, Voelkerstimm. 3, 112. [15] Simrock, Kinderbuch 1, no. 338. 340. [16] Simrock, Kinderbuch 1, no. 338. 340. [17] Curtze, Waldecker Volksueberlief. S. 285. [18] Alemann. Kinderlied. [19] Harun al Raschid traeumte, alle seine Zaehne seien ihm ausgefallen; der Traumdeuter erklaerte dies dahin, der Monarch werde alle seine Verwandten ueberleben. Rosenoel, oder Sagen des Morgenlandes 2, 85. Das Wahrzeichen der indischen Todesgoettin Kali ist der schwarze Zahn, der alles benagende Zahn der Zeit. [20] In dem Gebetbuch Himmlisches oder Geheiligtes Jahr, Einsiedeln bei Reymann 1686, Erster Theil, ist unterm 28. Maerz der hl. Koenig Guntram abgebildet, schlafend unter einem Baume neben einem Baechlein. Ueber dieses legt der Kriegsknecht das Schwert, und die aus Guntrams Munde gekommene Maus laeuft darueber dem Berge zu, der im Hintergrunde mit offnem Thore sich zeigt. Das dazu gesetzte Gebet ruft den hl. Guntram an, weil er seine Schaetze den Armen geschenkt und dafuer einen ihm von Gott im Schlafe gezeigten verborgnen Schatz erworben habe. [21] Die hl. Jutta von Sangershausen, erst eine Kammermagd der hl. Elisabeth von Thueringen, nachher Dienstmagd auf einem Hofe bei Kulm in Preussen, ueberschritt hier die grossen Teiche, die zwischen ihrer Wohnstatt und der Stadt lagen, jeden Sonntag, um rechtzeitig in die Messe nach Kulm kommen zu koennen. Noch lange nach ihrem Tode war ihre Fussspur in jenem Gewaesser wahrzunehmen. Jac. Schmid, Kleine Ehehaltenlegend 2, 39. So sieht man in mondhellen Naechten auf den Wellen der Aare bei Gauenstein die Fusstapfen schimmern, welche hier Koenigin Berta zurueckgelassen. Aargau. Sag. no. 2. Saemmtliches erinnert an Homers silberfuessige Thetis und goldenfuessige Hera. * * * * * Nachtraege. [Nachtrag 1] Die Beschreibung, wie man bei der Feier der Maispiele _den Sommer ins Land ritt_ und in Scheingefechten den Winter besiegte, hat ihre neueste Vervollstaendigung gefunden durch die drei Bildergruppen eines altdeutschen Teppichs auf der Wartburg, dessen Contouren im Anzeiger des German. Museums 1870, no. 3 mitgetheilt sind. Sie stellen die Berennung und Vertheidigung einer Burg durch Wilde Maenner dar. Aus einem Laubwalde sprengen sechs Reiter hervor, Laubzweige schwingend, um Haupt und Lenden Epheukraenze tragend, jeder auf einem phantastischen adlerklauigen Rosse, dem sg. _Wasser-_ oder _Pfingstvogel_. Voraus reitet der Maikoenig, kenntlich durch seine offne Goldkrone mit dem Ornamente der drei stumpfen Blaetter, ueber welche sein Hirschgeweih emporragt. Daher heisst er in Oberdeutschland _Hirzmontagreiter_. Um die Huefte traegt er einen Guertel von Rosen. Er und sein Gefolge schiesst mit Pfeil und Speer Rosen in die gegenueberliegende Burg. Ihre Absicht steht auf den sie umgebenden Spruchbaendern zu lesen. Wol vf alle mine wilden man, wir wellent festen und buirge han. Schiessen alle, nieman loss abe an buete gewinnen, will einer habe. Die angegriffne Burg ist mit einem Wassergraben umgeben, den ein vor den Sommerreitern her eilender Juengling mit herbei getragnen Brettern zu ueberbruecken strebt. Von den Zinnen herab kaempfen fuenf dicht in Wollenfliesse gekleidete Maenner, die Winterkoenige; denn auch sie tragen Kronen wie der Maikoenig und schiessen und schleudern lauter Lilien. Ihr Burgwart am Soeller stoesst ins Rom; das Spruchband ueber ihnen besagt: Vnser vesten, die ist wol behuot mit gilgen, klewen, rosenbuot. Links im Bilde, woher die Reiter kommen, wird auf blumigem, von allen Fruehlingsthieren belebtem Rasen ein grosses Lustzelt aufgeschlagen, in welchem die Maikoenigin bereits Platz genommen hat. Auch sie traegt die offne Goldkrone im wallenden Haare. Ueber ihre Kniee ist ein Tafeltuch gebreitet, darauf Kopf und Schinken des zerlegten Ebers; zwei Gesellschafter bedienen sie.--Schon Friedrich Panzer hat im zweiten Bande seines Sagenwerkes auf Taf. IV die Gestalt des _Wasservogels_ abbilden lassen, wie er sie auf einem Wandbilde zu Forchheim im dortigen alten Schlosse, jetzigem Rentamt, vorgefunden. Die 3 Fuss lange, 2 Fuss hohe Figur zeigt einen Reiter, in der Festmaske des Wasservogels agirend. Vor dem Gesichte hat er eine ungemein lang geschnaebelte Vogellarve, mit welcher ein wallender Kinnbart, ein massiver Ring im Ohre und auf dem Haupte die offene Krone verbunden ist, die gleichfalls das dreifache Blaetterornament zeigt. Im Luft haengt ein kurzes krummes Schwert (das sg. _Pfingstschwert_), in der Linken schwingt er die Lanze, mit der Rechten lenkt er die aus Kettenblumen enggeflochtnen Zuegel seines schwanenhalsigen Rosses. Ross und Reiter sind von Seerosen arabeskenhaft umrankt. [Nachtrag 2] Als man beim Bildersturm zu Zurzach 1529 die Verenareliquien untersuchte und vernichtete, fanden sich in einem Eisensaerglein neben Rueckgratstruemmern vier apfelgrosse Lehmkugeln. In den von mir eroeffneten und beschriebnen heidnischen Waldgraebern zu Lunkhofen haben sich ganz gleiche Lehmkugeln in der Asche des Leichenbrandes vorgefunden und werden nun in der aargauer Alterthuemersammlung aufbewahrt; vgl. Argovia V, 265. [Nachtrag 3] Das mhd. Gedicht von der hl. Verena nennt den Ort Zurzach _Zerzyaca_. Durch diese Namensform wird die sprachlich schon sich verrathende spaete Entstehung dieses Gedichtes weiter bestaetigt. Es leitet nemlich der Ortsname Certiacum ab von einem bei Egid Tschudi in der _Gallia comata_ S. 137, und in Stumpfs Schweiz. Chronik erwaehnten roemischen Votivsteine zu Zurzach, welcher dem _Junius Certus_ aus dem Voltinianischen Geschlechte von seinem gleichnamigen Erben gesetzt worden. Dieser Stein ist nachmals durch Unvorsichtigkeit zerschlagen, die oft citirte Inschrift aber laengst als unecht erkannt worden. [Nachtrag 4] Die beiden Gefolgsthiere Gertrudens, Kukuk und Specht, gelten mancher Orten gleichmaessig als weissagende Liebesboten. In Deutschboehmen entnimmt man aus dem Spechtschrei ein Wahrzeichen, ob man bald heiraten werde; der Specht hat es bestaetigt, sagt man dann. Grohmann, Abgl. S. 70. * * * * * Wortregister. Ankenbruet. Ankenschnittenprozession. Ara, Aarefluss bei Solothurn. arbaiz, Erbsen. Aufburg bei Zurzach, roem. Castrum. Becker und Beckerin, in Kukuk und Specht verwuenscht. Bilihildis, hl., aus fraenkisch Veitshochheim. Brod, den Elementen geopfert. Erntebrod. Eulogienbrod. gegen Tollwuth. gegen Wolfshunger. phallische Zweckbrode. Brodkipf Verenas und Rategundis, in einen Kamm verwandelt. Brunnen Walburgis, im Elsass. in Franken. in Holland. in Tirol. Brustbein Walburgis. Butterschnitte, als Praeservativ und Heilmittel. bei kirchl. Prozessionen. Buttergewinn, zauberischer. Elben in Mausgestalt. Emmetsheimer Steinbild phallisch. Erntebrode. Ernteopfer. Eulogienbrod. Fadenziehen, ein Liebesorakel. Florina von Mazorit, die den Wintersturm stillende Flurheilige. Gertraud von Osten. Gertrud, Verstorbene beherbergend. zu Rosse. als Waldfrau. Gertrudenkirchen, niederdeutsche. ostfraenkische. Gertrudenkraut. Gertrudenminne trinken. Gertrudentag, Kalenderregeln. Gertrudenvogel. Gertrudens Fusstapfen in den Mainwellen. G's Mantel. G's Spindel mit den zwei Maeusen. G's Schiff als Trinkgefaess. G's Wagen. Gnadenstein Walburgis. Hagel, ein Koenig. Hagelfeierpredigten. Hagelsquelle. Heiden- und Schoenbrunnen. Heidenkirchen, als spaetere Walburgskirchen. als spaetere Verenakirchen. Heilquellen Verena's. Heilwag. Helgenbronn. Holpurga. Honigfall. Hund, als Walburgis Gefolgsthier. als das anderer Goettinnen. als Speisenname. gegen Sturmwind und Kornbrand geopfert. Huehner, kirchlich geheiligte. Kaesbrunnen. Kleinkinderbrunnen. Kleinkindersteine. Klumpfuesse, durch Walburg geheilt. Konstanzer Bisthumsgrenzen. Kornaehre, Mittel gegen Hundebiss. Mariae und Walburgis Emblem, das des hl. Oswald. Sinnbild von Obereigenthum. der Truden Zaubergestalt. Korngarbe, Walburgis Versteck. Kriemhiltengraben am Jung-Albis. Kukuk, ein verwuenschter Becker. auf dem Binsenstuehlchen weissagend. als Lebensorakel. als Theuerungsprophete. Lehmkugeln, in Heiligengraebern. in Heidengraebern, _s. Nachtraege_. Lebermeer. Maibad. Maiengericht, dessen Kostenbetrag. Maienthau, abstreifen. baden im Maienthau. Maienthau der Erdmaennlein. kosmetisch. medicinisch. sprichwoertlich. zauberisch. Maigraf, Maigraefin. _s. Nachtraege_. Mailehen ausrufen, Fest der heidnischen Mainfranken. Mairitt. Mauritius, Verenas Verwandter. Maus, als Alb. vor Gericht geladen. als Ortsgeist. als Pestthier. als Seele wandernd. als Suehnbild. als antikes Stellfiguerchen in Graebern. in Gestalt des Zweckbrodes. als Stadtwahrzeichen. Maus weisse, geheiligt. Maustrank. Mausoehrleinkraut. Maeusegespann. Maeuse machen. Metzentanz in Zurzach. Minnetrinken. Muehle als Ort der Liebesabenteuer. Muehlstein, als Rechtsmittel bei der Abkunftsprobe. schwimmender. Muellerbraeuche am Verenentage. Oel, hl., ein Augenmittel. aus Heiligenknochen. der Walburgishexen. Ortschaften des Namens Walburg. Oswald, Walburgs Bruder, ein gleichnamiges Ernteopfer. Osterbad, reiten ins. Pfeife, magisch wirkende. Phallische Goetterbilder, ihr Zweck. Reimsprueche beim Meienpflanzen. Richard, Walburgis Vater. Rimleins- und Roemleinsbrunnen. Roggenaehre, Mittel gegen tolle Hunde. Ross, Gertrudens. Verenae. Rutscherzins. Schnecke, als Kukuk angerufen. Schuh, goldner Walburgis. Schuhwerfen als Liebesorakel. Schuhzins am Walberfeste. Silber geschabtes, gegen die Tollwuth. Solangia, die hl. von Villemont, den Flachsbau schuetzend. Sommer, den, ins Land reiten. _s. Nachtraege_. Specht, als Gertrudenvogel ein verwuenschter Becker. ein verwandelter Gott. als Liebesorakel _s. Nachtraege_. Spindel, der hl. Walburg. der hl. Gertrud. Spinnverbot an Walburgis. Staerketrunk. Stillicidium Walburgs. Storch, Gertrudens Vogel. Straehl-Anneli. Teufelsstein in Verenae Einsiedelei. Thau abstreifen, zu Milch- und Buttergewinn. als Mittel gegen Kornbrand. Thautrinken. Tobel-Vreneli. Valentinstag. Venes- und Vrenesberge. Venus in deutschen Orts- und Geschlechtsnamen. Venus-Vrene, in dem mundartl. Tannhaeuserliede. in den Ritterdichtungen. Die Venus- und Vrenenhaeuser. Verena, ihre Namensformen. Niederdeutsch: Fru Freen und Fru Frien. Rhaetisch: Vereina. Schweiz: Frau Vrein. Frau Vrin. Verenabad. Ve. als Gebirgsriesin. Verenagrab, mit den aufgeopferten Brautkroenlein. Verenaloch: zu Baden. im Entlebuch. auf der Schafmatt im Jura. Muellerpatronin. Schifferpatronin. Verenareliquien. Verenastift. Verenatag als Gerichtstermin; Gesundheits- und Wirthschaftsregeln. Ve. als Weisse Frau 139. Verenae, Bildsaeulen. Dienstross. Fingerring. Geburtsguertel. Heilquellen. Kamm und Krueglein. Katze. Kapellen und Kirchen i.d. Schweiz. Kapelle, ein Roemercastrum. Kleinkindersteine. Kindersegen bescherend. vierzig Mehlsaecke. Muehlstein. Vrenelisgaertli, Gletscher am Glaernisch. Walber, der Fuehrer des Maienzugs: in eine Korngarbe gebunden. ein Bergname. Riesenname. Walberbaum. Walbernthau. Walburg, als Flur- und Ortsname. mundartl. Namensformen. Die Heilige: als Nichte Winfrids. als Heidengoettin. als Riesin. vor dem W. Jaeger in die Korngarbe fluechtend. Walburga Westfalica. Walburgis-kirchen, als Heidenkirchen. als Roemercastrum. Ortskirchen. hl. Quellen. Reliquien: Brustbein, oelschwitzend. Stab. in Wittenberg und Koeln. im Auslande. Schoenheitswettstreit. Spindel und Goldschuh. Steinernes Venusbild. phallisch dargestellt. Wildgans. Walburgistag, als ungebotne Gerichtszeit. Sage von der auf diesen Zinstag fallenden Befreiungsgeschichte der Landschaft: in Thueringen. in Unterwalden und Friesland. in Ostpreussen. Walper, Anna, als Hexe inquirirt. Walperherren, Walpermaennchen und -zins. Zug nach Walpern. Walburga-Holpurga. Wasserkirchen. Wasserfrauen. Wasservogel, _s. Nachtraege_. Wechselzahn, der Maus geopfert und der Sonne. Wiborada, die hl. v. Klingnau. Wihegazza. Wilibald, der hl.: Walburgis Bruder. ein Huene. Wilibalds-Brunnen und -Ruhe. Wolbersaue, Schloss in Ditmarschen. Wolbermai. Wolbrygabend. Wolfszahn, Amulett. Wunna und Wunnibald, Mutter und Bruder Walburgis. End of the Project Gutenberg EBook of Drei Gaugoettinnen, by E. L. Rochholz *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DREI GAUGOeTTINNEN *** ***** This file should be named 12012.txt or 12012.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.net/1/2/0/1/12012/ Produced by Delphine Lettau and PG Distributed Proofreaders Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. 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Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH F3. 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INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://pglaf.org While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: http://pglaf.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Each eBook is in a subdirectory of the same number as the eBook's eBook number, often in several formats including plain vanilla ASCII, compressed (zipped), HTML and others. Corrected EDITIONS of our eBooks replace the old file and take over the old filename and etext number. The replaced older file is renamed. VERSIONS based on separate sources are treated as new eBooks receiving new filenames and etext numbers. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.net This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. EBooks posted prior to November 2003, with eBook numbers BELOW #10000, are filed in directories based on their release date. If you want to download any of these eBooks directly, rather than using the regular search system you may utilize the following addresses and just download by the etext year. For example: http://www.gutenberg.net/etext06 (Or /etext 05, 04, 03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90) EBooks posted since November 2003, with etext numbers OVER #10000, are filed in a different way. The year of a release date is no longer part of the directory path. The path is based on the etext number (which is identical to the filename). The path to the file is made up of single digits corresponding to all but the last digit in the filename. For example an eBook of filename 10234 would be found at: http://www.gutenberg.net/1/0/2/3/10234 or filename 24689 would be found at: http://www.gutenberg.net/2/4/6/8/24689 An alternative method of locating eBooks: http://www.gutenberg.net/GUTINDEX.ALL