sich viel Disziplin gefallen zu lassen, namentlich nicht von
emporgekommenen Generaelen, den Alpen genaehert. Dieser Umstand, der
einen idealistischen Soldaten in Verlegenheit gebracht haette, ersetzte
Napoleon tausend Kanonen. Er sprach zu seinen Soldaten: "Ihr habt
Patriotismus und Mut; aber ihr habt kein Geld, keine Kleidung und kaum
etwas zu essen. In Italien gibt es all diese Dinge und Ruhm noch dazu
fuer eine ergebene Armee, die von einem General gefuehrt wird, der
Pluenderung als das natuerliche Recht des Soldaten betrachtet. Ich bin
ein solcher General. En avant, mes enfants!"--Das Resultat hat ihm
vollkommen recht gegeben. Seine Soldaten eroberten Italien, wie die
Wanderheuschrecken Cypern erobert haben. Sie kaempften den ganzen Tag
und marschierten die ganze Nacht, legten unmoegliche Entfernungen
zurueck, tauchten an unmoeglichen Orten auf,--aber nicht etwa, weil
jeder Soldat wusste, dass er den Marschallstab in seinem Tornister trage,
sondern weil jeder hoffte, am naechsten Tage wenigstens ein halbes
Dutzend silberner Gabeln fort zu tragen. Zugleich muss man sich
darueber klar sein, dass die franzoesische Armee nicht mit der
italienischen Krieg fuehrt. Sie ist nur da, um Italien von der
Tyrannei seiner oesterreichischen Eroberer zu befreien und
republikanische Einrichtungen herzustellen, so dass sie, wenn sie
gelegentlich pluendert, nur ein wenig frei mit dem Eigentum ihrer
Freunde umgeht, wofuer Italien sogar haette dankbar sein sollen, wenn
Undankbarkeit nicht die sprichwoertliche Schwaeche der Italiener waere.
Die Oesterreicher, die sie bekaempfen, haben eine recht ansehnliche
regulaere, gut disziplinierte Armee, von Herren kommandiert, die in der
bisher geuebten Kriegskunst erfahren sind, an ihrer Spitze Beaulieu,
der die klassische Kriegskunst ausuebt, nach Befehlen von Wien aus, und
von Napoleon fuerchterlich geschlagen wird, der auf eigene Faust
handelt, ohne Ruecksicht auf militaerisches Herkommen und Befehle aus
Paris. Selbst wenn die Oesterreicher eine Schlacht gewannen, brauchte
man nur zu warten, bis sie nach ihrer Gewohnheit in ihre
Hauptquartiere heimgekehrt waren, sozusagen zum Nachmittagstee, um sie
dann zurueckzugewinnen, ein Verfahren, das Napoleon spaeter mit
glaenzendem Erfolge bei Marengo anzuwenden wusste. Mit einem Wort,
Napoleon versteht es, ohne heroische Wunder zu vollbringen, einem
Feinde gegenueber unwiderstehlich zu sein, der den Nachteil hat, von
oesterreichischer Staatsmannschaft, klassischer Generalsweisheit und
den Forderungen der aristokratischen Wiener Gesellschaft geleitet zu
werden. Die Welt jedoch liebt Wunder und Helden und ist ganz unfaehig,
die Handlungsweise solcher Maechte, wie akademischer Militarismus und
Wiener Boudoirunwesen sind, zu begreifen. Daher hat sie schon
begonnen, das Wort "l'Empereur" zu praegen, und es dadurch hundert
Jahre spaeter den Romantikern erschwert, die folgende bis dahin
unaufgezeichnete kleine Szene zu glauben, die sich in Tavazzano
ereignet hat. Das beste Quartier in Tavazzano ist ein kleines
Gasthaus, das erste, das der Wanderer antrifft, der auf dem Wege von
Mailand noch Lodi den Ort beruehrt. Es steht in einem Weingarten, und
sein groesstes Zimmer, ein angenehmer Zufluchtsort vor der Sommerhitze,
ist gegen diesen Weingarten nach rueckwaerts so weit geoeffnet, dass es
beinahe einer grossen Veranda gleicht. Die mutigeren unter den Kindern,
die durch Alarmsignale und die Ausfaelle der letzten Tage und durch
den Einmarsch franzoesischer Truppen um sechs Uhr in grosser Aufregung
sind, wissen, dass der franzoesische Kommandeur sich in dieses Zimmer
einquartiert hat, und schwanken zwischen dem Verlangen, durch das
Vorderfenster verstohlene Blicke hineinzuwerfen, und einer toedlichen
Angst vor der Schildwache, einem jungen Soldaten aus vornehmer Familie,
der keinen natuerlichen Schnurrbart besitzt und sich deshalb einen
sehr martialischen mit Stiefelwichse von seinem Feldwebel hat ins
Gesicht hineinmalen lassen. Da seine schwere Uniform, wie alle