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Der Schuss von der Kanzel
Conrad Ferdinand Meyer
The Project Gutenberg EBook of Der Schuss von der Kanzel
by Conrad Ferdinand Meyer
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Title: Der Schuss von der Kanzel
Author: Conrad Ferdinand Meyer
Release Date: December, 2005 [EBook #9494]
[This file was first posted on October 5, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: US-ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER SCHUSS VON DER KANZEL ***
E-text prepared by Delphine Lettau and Mike Pullen
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Der Schuss von der Kanzel
Novelle
Conrad Ferdinand Meyer
Erstes Kapitel
Zween geistliche Maenner stiegen in der zweiten Abendstunde eines
Oktobertages von dem hochgelegenen Uetikon nach dem Landungsplatze
Obermeilen hinunter. Der kuerzeste Weg vom Pfarrhause, das bequem
neben der Kirche auf der ersten mit Wiesen und Fruchtbaeumen bedeckten
Stufe des Hoehenzuges lag, nach der durch ein langes Gemaeuer, einen
sogenannten Hacken, geschuetzten Seebucht, fuehrte sie durch leere
Weinberge. Die Lese war beendigt. Zur Rechten und Linken zeigte der
Weinstock nur gelbe oder zerrissene Blaetter, und auf den das
Rebgelaende durchziehenden dunkelgruenen Rasenstreifen bluehte die
Zeitlose. Nur aus der Ferne, wo vielleicht ein erfahrener Mann seinen
Wein aussergewoehnlich lange hatte ausreifen lassen, damit der Tropfen
um so kraeftiger werde, scholl zuweilen ein vereinzeltes Winzerjauchzen
herueber.
Die beiden schritten, wie von einem Herbstgefuehle gedrueckt, ohne Worte
einer hinter dem andern. Auch bot ihnen der mit ungleichen
Steinplatten und Bloecken belegte steile Absteig eine unbequeme Treppe
und wurden sie vom Winde, der aus Westen her in rauhen Stoessen ueber den
See fuhr, zuweilen hart gezaust.
Die ersten Tage der Lese waren die schoensten des Jahres gewesen. Eine
warme Foehnluft hatte die Schneeberge und den Schweizersee auf ihre
Weise idealisiert, die Reihe der einen zu einem einzigen stillen,
grossen Leuchten verbunden, den andern mit dem tiefen und kraeftigen
Farbenglanze einer suedlichen Meerbucht uebergossen, als gelueste sie
eine bacchische Landschaft, ein Stueck Italien, ueber die Alpen zu
versetzen.
Heute aber blies ein heftiger Querwind, und die durch grelle Lichter
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und harte Schatten entstellten Hochgebirge traten in schroffer, fast
barocker Erscheinung dem Auge viel zu nahe.
"Pfannenstiel, dein Vorhaben entbehrt der Vernunft!" sagte nun
ploetzlich der Vorangehende, ein kurzer, staemmiger, trotz seiner Jugend
fast etwas beleibter Mann, stand still und kehrte sein bluehendes
Gesicht rasch nach dem schmalen und hagern Gefaehrten um.
Dieser stolperte zur Antwort ueber einen Stein; denn er hatte den Blick
bis jetzt unverwandt auf die Turmspitze von Mythikon geheftet, die am
jenseitigen Ufer ueber einer dunkelbewaldeten Halbinsel als schlanke
Nadel in den Himmel aufstach. Nachdem er seine langen Beine wieder in
richtigen Gang gebracht hatte, erwiderte er in angenehmem Brusttone:
"Ich bilde mir ein, Rosenstock, der General werde mich nicht wie ein
Laestrygone empfangen. Er ist mein Verwandter, wenn auch in entferntem
Grade, und gestern noch habe ich ihm meine Dissertation ueber die
Symbolik der Odyssee mit einer artigen Widmung zugesendet."
"Heilige Einfalt!" brummte Rosenstock, der sein kraeftiges Kolorit dem
Gewerbe seiner Vaeter verdankte, die seit Menschengedenken eine in
Zuerich namhafte Fleischer- und Wursterfamilie gewesen, "du kennst ihn
schlecht, den da drueben!", und er deutete mit einer kurzen Bewegung
seines runden Kinns ueber den See nach einem Landhause von
italienischer Bauart, das an der noerdlichen Einbuchtung der
eichenbestandenen Halbinsel lag. "Er ist fuer seine Verwandten nicht
zaertlich, und deine schwaermerische Dissertation, die uebrigens alle
Verstaendigen befremdet hat, spottet er dir zuschanden." Der Pfarrer
von Uetikon blies in die Luft, als formte er eine schillernde
Seifenblase, dann fuhr er nach einer Weile fort:
"Glaube mir, Pfannenstielchen, du hast besser mit den beiden Narren
dort drueben, den Wertmuellern, nichts zu schaffen. Der General ist
eine Brennessel, die keiner ungestochen beruehrt, und sein Vetter, der
Pfarrer von Mythikon, das alte Kind, bringt unsern Stand in Verruf mit
seiner Meute, seinem Gewehrkasten und seinem unaufhoerlichen Puffen und
Knallen. Du hast ja selbst im Fruehjahre als Vikar genug darunter zu
leiden gehabt. Freilich die Rahel mit ihrem feingebogenen Naeschen und
ihrem roten Kirschmunde! Aber sie liebt dich nicht! Die Junkerin
wird schliesslich bei einem Junker anlangen. Es heisst, sie sei mit dem
Leo Kilchsperger verlobt. Doch lass dich's, hoerst du, nicht anfechten.
Ein Korb ist noch lange kein consilium abeundi. Um dich zu troesten:
Auch ich habe deren einige erhalten, und, siehe, ich lebe und gedeihe,
bin auch vor kurzem in den Stand der Ehe getreten."
Der lange Kandidat warf unter seinen blonden, vom Winde verwehten
Haaren hervor einen Blick der Verzweiflung auf den Kollegen und
seufzte erbaermlich. Ihm mangelte die dessen Herzmuskel bekleidende
Fettschicht.
"Weg! fort von hier!" rief er dann schmerzvoll aufgeregt. "Ich gehe
hier zugrunde! Der General wird mir die erledigte Feldkaplanei seiner
venezianischen Kompanie nicht verweigern."
"Pfannenstiel, ich wiederhole dir, dein Vorhaben entbehrt der Vernunft!
Bleibe im Lande und naehre dich redlich."
"Du nimmst mir allen Lebensatem", klagte der Blonde. "Ich soll nicht
fort und kann nicht bleiben. Wohin soll ich denn? Ins Grab?"
"Schaeme dich! Deine Knabenschuhe vertreten sollst du! Der Gedanke
mit der venezianischen Feldkaplanei waere an sich so uebel nicht. Das
heisst, wenn du ein resoluter Mensch waerest und nicht so blaue
unschuldige Kinderaugen haettest. Der General hat sie neulich mir
angetragen. Ein so geraeumig entwickelter Brustkasten wuerde seinen
Leuten imponieren, meinte er. Natuerlich Affenpossen! Denn er weiss,
dass ich ein befestigter Mensch bin und meinen Weinberg nicht verlasse."
"Warst du drueben?"
"Vorgestern."--Dem Uetikoner stieg ein Zorn in den Kopf. "Seit er
wieder hier ist--nicht laenger als eine Woche--, hat der alte
Stoerefried richtig Stadt und See in Aufruhr gebracht. Er komme, vor
dem naechsten Feldzuge sein Haus zu bestellen, schrieb er von Wien.
Nun er kam, und es begann ein Rollen von Karossen am linken Seeufer
nach der Au zu. Die Landenberge, die Schmidte, die Reinharte, alle
seine Verwandten, die den ergrauten Freigeist und Spoetter sonst mieden
wie einen Verpesteten, alle kamen und wollten ihn beerben. Er aber
ist nie zu Hause, sondern faehrt wie ein Satan auf dem See herum,
blitzschnell in einer zwoelfrudrigen Galeere, die er mit seinen Leuten
bemannt. Meine Pfarrkinder reissen die Augen auf, werden unruhig und
munkeln von Hexerei. Nicht genug! Vom Eindunkeln an bis gegen Morgen
steigen feurige Drachen und Scheine aus den Schloeten des Auhauses auf.
Der General, statt wie ein Christenmensch zu schlafen, schmiedet und
schlossert zuweilen die ganze Nacht hindurch. Kunstreiche Schloesser,
wahre Prachtstuecke, hab ich von seiner Arbeit gesehn, die kein
Dietrich oeffnet, fuer Leute, sagte er mit einem boshaften Seitenblicke
auf meine apostolische Armut, die Schaetze sammeln, welche von Dieben
gestohlen und von Motten gefressen werden. Nun du begreifst, die
Funkengarbe spielt ihre Rolle und wird als Strasse des Hoellenfuersten
durch den Schornstein viel betrachtet und reichlich besprochen. So
wuchs die Gaerung. Die Leute aufklaeren ist von eitel boesen Folgen.
Ich waehlte den kuerzeren Weg und ging hinueber, den General als Freund
zu warnen. Kreuzsapperlot, an den Abend werd ich mein Lebtag denken.
Meine Warnung beseitigte er mit einem Hohnlaecheln, dann fasste er mich
am Rockknopfe, und ein Diskurs bricht los, wie Sturm und Wirbelwind,
sag ich dir, Pfannenstiel., Mit abgerissenen Knoepfen und geraedert kam
ich nach Hause. Mosler hat er mir vorgesetzt, aber mit den groessten
Bosheiten vergaellt. Natuerlich sprach er von seinem Testamente, denn
das ist jetzt sein Steckenpferd. 'Ihr steht auch darin, Ehrwuerden!'
Ich erschrecke. 'Nun, ich will Euch den Paragraphen weisen.' Er
oeffnet das Konvolut. 'Leset.' Ich lese, und was lese ich,
Pfannenstiel?
"... 'Item, meinem schaetzbaren Freunde, dem Pfarrer Rosenstock, zwei
hohle Hemdknoepfe von Messing mit einer Glasscheibe versehen, worunter
auf gruenem Grunde je drei winzige Wuerfelchen liegen. Gestikuliert der
Herr auf der Kanzel nun mit der Rechten, nun mit der Linken, und
schuettelt besagte Wuerfelchen auf eine ungezwungene Weise, so kann er
vermittelst wiederholter schraeger Blicke bei waehrendem Sermone mit
sich selbst ein kurzweiliges Spielchen machen. Vorgenannte Knoepfe
sind in Algier, Tunis und Tripolis bei den Andaechtigen beliebt und
finden ihre Anwendung in den Moscheen waehrend der Vorlesung des
Korans'...
"Nun denke dir, Pfannenstiel, das Aergernis bei Eroeffnung des
Testamentes!--Der Boesewicht liess sich dann erbitten, mir die Gabe
gleich einzuhaendigen und den Paragraphen zu streichen. Hier!" Und
Rosenstock hob das niedliche Spielzeug aus seiner Brusttasche.
"Das ist ja eine ganz ruchlose Erfindung", sagte Pfannenstiel mit
einem Anfluge von Laecheln, denn er kannte die Neigung des Uetikoners
zum Wuerfelspiele, "und du meinst, der General ist allen geistlichen
Leuten aufsaessig?"
"Allen ohne Ausnahme, seit er puncto gottloser Reden prozessiert und
um eine schwere Summe gebuesst wurde!"
"Ist ihm nicht zu viel geschehen?" fragte Pfannenstiel, der sich den
helvetisch reformierten Glaubensbegriff mit etwas bescheidener Mystik
versuesste und in dem keine Ader eines kirchlichen Verfolgers war.
"Durchaus nicht. Nur musste er die ganze grosse Rechnung auf einmal
bezahlen. Auf seinem ganzen Lebenswege, von Jugend an hat er
blasphemiert, und das wurde dann so gesammelt, das summierte sich dann
so. Als er endlich in unserm letzten Buergerkriege Rapperswyl
vergeblich belagerte, ohne Menschenleben zu schonen, was die erste
Pflicht eines republikanischen Heerfuehrers ist, erbitterte er die
oeffentliche Meinung gegen sich, und wir durften ihm an den Kragen. Da
wurde ihm eingetraenkt, was er alles an unserer Landeskirche gefrevelt
hatte. Jetzt freilich duerfen wir dem Feldherrn der Apostolischen
Majestaet weiter nichts anhaben, sonst wird er uns zum Possen noch
katholisch und das zweite Aergernis schlimmer als das erste. Man
erzaehlt sich, er tafle in Wien mit Jesuiten und Kapuzinern.--Wir
geistlichen Leute sind eben, so oder so betitelt und verkleidet, in
der Welt nicht zu entbehren!"
Der Uetikoner belachte seinen Scherz und blieb stehen. "Hier ist die
Grenze meines Weinbergs", sagte er. Mit diesem Ausdrucke bezeichnete
er seine Gemeinde. "Willst du nach dem Erzaehlten noch hinueber zum
Generale? Pfannenstiel, begehst du die Torheit?"
"Ich will es ein bisschen mit der Torheit versuchen, die Weisheit hat
mir bis jetzt nur herbe Fruechte gezeitigt", erwiderte Pfannenstiel
sanftmuetig und schied von seinem gestrengen Kollegen.
Zweites Kapitel
Wenig spaeter sass der verliebte und verzweifelnde Kandidat auf dem
Querbrette eines langen und schmalen Nachens, den der junge Schiffmann
Blaeuling mitten ueber die Seebreite mit kaum aus dem Wasser gehobenem
Ruder der Au zulenkte.
Schon warf das schweigsame Eichendunkel seine schwarzen Abendschatten
weit auf die schauernden Gewaesser hinaus. Blaeuling, ein ernsthafter,
verschlossener Mensch mit regelmaessigen Gesichtszuegen, tat den Mund
nicht auf. Sein Nachen schoss gleichmaessig und kraeftig, wie ein
selbstaendiges Wesen durch die unruhige Flut. Auf und nieder war der
ganze See mit gewoelbten Segeln bevoelkert; denn es war Sonnabend und
die Schiffe kehrten von dem gestrigen staedtischen Wochenmarkte heim.
Drei Segel flogen heran, die eine Figur mit sich verschiebenden
Endpunkten bildeten, und schlossen das Schifflein des Kandidaten in
ihre Linien ein. "Nehmt mich mit in die weite Freiheit!" flehte er
sie unbewusst an, aber sie entliessen ihn wieder aus ihrem wandernden
Netze.
Unterdessen naeherte sich zusehends das Landhaus des Generals und
entwickelte seine Fassade. Der fest, aber leicht aufstrebende Bau
hatte nichts zu tun mit den landesueblichen Hochgiebeln, und es war,
als haette er bei seiner Eigenart die Einsamkeit absichtlich aufgesucht.
"Dort ist das Kaemmerlein der Tuerkin", liess sich jetzt der schweigsame
Blaeuling vernehmen, indem seine Rechte das Ruder fahren liess und nach
der Suedecke des Hauses zeigte. "Der Tuerkin?" Der ganze Kandidat wurde
zu einem bedenklichen Fragezeichen.
"Nun ja, der Tuerkin des Wertmuellers; er hat sie aus dem Morgenlande
heimgebracht, wo er fuer den Venezianer Krieg fuehrte. Ich habe sie
schon oft gesehen, ein huebsches Weibsbild mit goldenem Kopfputze und
langen, offenen Haaren; gewoehnlich wenn ich vorueberfahre, legt sie die
Finger an den Mund, als pfiffe sie einem Mannsvolk; aber gegenwaertig
liegt sie nicht im Fenster."
Ein langgezogener Ruf schnitt durch die Luefte, gerade ueber die Barke
hin: "Sweine-und!" scholl es vernehmlich vom Ufer her.
Der aufgebrachte Blaeuling schlug sein Ruder ins Wasser, dass zischend
und spritzend ein breiter Strahl an der Seite des Fahrzeuges
emporschoss.
"So wird man", zuernte er, "seit den paar Tagen, dass der Wertmueller
wieder hier ist, ueberall auf dem See mit Namen gerufen. Es ist der
verreckte Schwarze, der mit dem Sprachrohre des Generals rumort und
spektakelt. Vergangenen Sonntag im Loewen zu Meilen schenkten sie ihm
ein und soffen ihn unter den Tisch. Dann brachten sie ihn nachts in
meinem Schiffe dem Wertmueller zurueck. Nun schimpft der Kaminfeger
durch das Rohr nach Meilen hinueber, aber morgen, beim Eid, sitzt er
wieder unter uns im Loewen.--Nun frage ich: woher hat der Mohr das
fremde Wort? Hier sagt man sich auch wuest, aber nicht so."
"Der General wird ihn so schelten", bemerkte Pfannenstiel kleinlaut.
"So ist es, Herr", stimmte der Bursche ein. "Der Wertmueller bringt
die hochdeutschen, fremdlaendischen Woerter ins Land, der Staatsverraeter!
Aber ich lasse mir auf dem See nicht so sagen, beim Eid nicht."
Blaeuling wandte ohne weiteres seine Barke und gewann mit eiligen,
kraeftigen Ruderzuegen wieder die Seemitte.
"Was ficht Euch an, guter Freund? Ich beschwoere Euch", eiferte
Pfannenstiel. "Hinueber muss ich! Nehmt doppelte Loehnung!"
Doch das Silber verlor seine Kraft gegen die patriotische Entruestung,
und der Kandidat musste sich auf das Bitten und Flehen legen. Mit Muehe
erlangte er von dem beleidigten Blaeuling, dass ihn dieser, "weil Ihr es
seid", sagte der Bursche, ausserhalb der Tragweite des Sprachrohres um
die ganze Halbinsel herum in ihre suedliche Bucht befoerderte. Dort
liess er den Kandidaten ans Ufer steigen und ruderte nach wenigen
Minuten den sich rasch verkleinernden Nachen wieder mitten in der
Blaeue.
Drittes Kapitel
So wurde Pfannenstiel wie ein Geaechteter unter den Eichen der
Halbinsel ausgesetzt. Ein enger Pfad vertiefte sich in das Halbdunkel,
und er zoegerte nicht, ihn zu betreten. Mit Diebesschritten eilte er
durch das unter seinen Sohlen raschelnde Laub einer nahen Lichtung zu.
Das einem boesen Traume verwandte Gefuehl, den fremden Besitz auf so
ungewoehnlichem Wege zu betreten, gab ihm Fluegel, doch begann auch das
Element des Abenteuerlichen, das in jedem Menschenherzen schlummert,
seinen geheimen Reiz auf ihn auszuueben. So wirft sich ein Badender in
die Flut, die er zuerst leise schauernd mit der Zehe geprueft hat.
Die bald erreichte Lichtung war nur eine beschraenkte, von oben wie
durch eine Kuppeloeffnung erhellte Moosstelle. Ein darauf spielendes
Eichhorn setzte ueber den Kopf des Kandidaten weg auf einen
niederhangenden Zweig, der erst ins Schwanken geriet, als das schnelle
Tierchen schon einen zweiten erreicht hatte.
Wieder fuehrte der Pfad eine Weile durch das gruene Dunkel, bis er sich
ploetzlich wandte und der Kandidat das Landhaus in der Entfernung von
wenigen Schritten vor sich erblickte.
Diese Schritte aber tat er sehr langsam. Er gehoerte zu jenen
schuechternen Leuten, fuer welche das Auftreten und das Abgehen mit
Schwierigkeiten verbunden ist, und der General stand im Rufe, seinen
Gaesten nur dieses, nicht aber jenes zu erleichtern. So kam es, dass er
hinter der aeussersten Eiche, einem gewaltigen Stamme, unschluessig
stehenblieb. Was er indessen aus seinem Verstecke hervor erlauschte,
war ein idyllisches Bild, das ihn in keiner Weise haette einschuechtern
koennen.
Der General plauderte in der hallenartig gebauten und zur jetzigen
Herbstzeit nur allzu luftigen Veranda, deren sechs hohe Saeulen ein
praechtiges auslaendisches Weinlaub umwand, gemuetlich mit seinem Nachbar,
dem Krachhalder, einem der Kirchenaeltesten von Mythikon, die der
Kandidat waehrend seines Vikariats allsonntaeglich im Chore hatte sitzen
sehen und die ihm bekannt waren wie die zwoelf Apostel. Mit
aufgestuetzten Ellenbogen ritt Wertmueller auf einem leichten Sessel und
zeigte seine scharfe Habichtsnase und das stechende Kinn im Profil,
waehrend der schoene, alte, schlaue Kopf des Krachhalders einen ungemein
milden Ausdruck hatte.
"Wir sind wie die Blume des Feldes", fuehrte der Alte in erbaulicher
Weise das Gespraech, "und es trifft sich, Herr Wertmueller, dass wir
beide in diesen Tagen unser Haus bestellen. Ich mache Euch kein
Geheimnis daraus: Drei Pfund vergabe ich zur neuen Beschindelung
unserer Kirchturmspitze."
"Ich will mich auch nicht als Lump erweisen", versetzte der General,
"und werfe testamentarisch ebensoviel aus zur Vergoldung unsers
Gockels, dass sich das Tier nicht schaemen muss, auf der neubeschindelten
Spitze zu sitzen."
Der Krachhalder schlurfte bedaechtig aus dem vor ihm stehenden Glase,
dann sprach er: "Ihr seid kein kirchlicher Mann, aber Ihr seid ein
gemeinnuetziger Mann. Erfahret: Die Gemeinde erwartet etwas von Euch."
"Und was erwartet die Gemeinde von mir?" fragte der General neugierig.
"Wollt Ihr es wissen? Und werdet Ihr es nicht zuernen?"
"Durchaus nicht."
Der Krachhalder machte eine zweite Pause. "Vielleicht ist Euch eine
andere Stunde gelegener", sagte er.
"Es gibt keine andere Stunde als die gegenwaertige. Benuetzt sie!"
"Ihr wuerdet Euch ein schoenes Andenken stiften, Herr General, bei Kind
und Kindeskind..."
"Ich unterschaetze den Nachruhm nicht", sagte der General.
Dem Krachhalder, der den wunderlichen Herrn so aufgeraeumt sah, schien
der guenstige Augenblick gekommen, dem lange genaehrten Wunsche der
Mythikoner in vorsichtigen Worten Gestalt zu geben.
"Euer Forst im Wolfgang, Herr Wertmueller", begann er zoegernd. Der
General verfinsterte sich ploetzlich, und der alte Bauer sah es wie
eine Donnerwolke aufsteigen, "stoesst seine Spitze..."
"Wohin stoesst er seine Spitze?" fragte Wertmueller grimmig.
Der Krachhalder ueberlegte, ob er vor- oder rueckwaerts wolle, ungefaehr
wie ein mitten auf dem See vom Sturm Ueberraschter. Er entschied sich
fuer das Vorruecken. "... mitten durch unsere Gemeindewaldung..."
Jetzt sprang der General mit einem Satze von seinem Sessel auf, fasste
ihn an einem Bein, schwang ihn durch die Luefte und setzte sich in
Fechtpositur.
"Wollen mich die Mythikoner pluendern?" schrie er wuetend, "bin ich
unter die Raeuber gefallen?" Dann fuhr er, seine hoelzerne Waffe senkend,
gelassener fort: "Daraus wird nichts, Krachhalder. Redet das den
Leuten aus. Ich will Euch nicht noch von jenseits des Grabes eine
Nase drehen!"
"Nichts fuer ungut", versetzte der Alte mit Ruhe, "Ihr werdet es
bedenken, Herr Wertmueller."
Auch er hatte sich erhoben und nahm von dem Generale mit einem
treuherzigen Haendedruck den landesueblichen Abschied.
Wertmueller geleitete ihn ein paar Schritte, dann wandte er sich, und
vor ihm stand sein Leibmohr Hassan. Der Schwarze machte eine
flehentliche Gebaerde und bat, das Deutsche wunderlich radbrechend, um
einen Urlaub fuer morgen nachmittag; denn seine Seele zog ihn zu seinen
neuen Freunden in Meilen.
"Bist du ganz des Teufels, Hassan!" schalt ihn der General. "Sie
haben dir letzten Sonntag drueben arg genug mitgespielt."
"Mitgespielt!" wiederholte der Mohr, der das Wort missverstand. "Schoen,
wundervoll Spiel!"
"Hast du denn gar kein Ehrgefuehl? Die Beruehrung mit der Zivilisation
richtet dich zugrunde--du saeufst wie ein Christ!"
"Nicht saufen, Gnaden! Schoen Spiel, einzig Spiel! J-ass!" Er riss eine
solche Grimasse und verdrehte die Augen mit so leidenschaftlicher
Inbrunst, dass Pfannenstiel, der, wie oft die unschuldigen Menschen,
viel Sinn fuer das Komische und ueberdies jetzt etwas gespannte Nerven
hatte, in ein vernehmliches Gekicher ausbrach, welches er mit aller
Gewalt nicht unterdruecken konnte.
Seine Gegenwart verraten sehend, trat der Kandidat, da er nicht wie
eine ueberraschte Dryade in die Eiche hineinschluepfen konnte, verschaemt
hinter derselben hervor und naeherte sich dem General mit wiederholten
verlegenen Buecklingen.
"Was will denn Er hier?" fragte dieser gedehnt und mass ihn vom Wirbel
bis zur Zehe: "Wer ist Er?"
"Ich bin der Vetter... des Vetters... vom Vetter..." stotterte der
Angeredete.
Der General runzelte die Stirne.
"Mein Vater war ein Pfannenstiel und meine Mutter ist eine selige
Kollenbutz..."
"Will Er mir seinen ganzen verfluchten Stammbaum explizieren? Was
Vetter? Mein Bruder ist Er--alle Menschen sind Brueder! Scher Er sich
zum Teufel!" und Wertmueller wandte ihm den Ruecken.
Pfannenstiel regte sich nicht. Der Empfang des Generals hatte ihn
versteinert.
"Fannen-stiel--", buchstabierte der Schwarze das ihm noch unbekannte
Wort, als wolle er seinen deutschen Sprachschatz bereichern.
"Pfannenstiel?" wiederholte auch der aufmerksam werdende General, "der
Name ist mir bekannt--halt, Er ist doch nicht der Autor", und er
kehrte sich dem Juengling wieder zu, "der mir gestern seine
Dissertation ueber die Symbolik der Odyssee zugesendet hat?"
Pfannenstiel neigte bejahend das Haupt.
"Dann ist Er ja ein ganz liebenswuerdiger Mensch!" sagte Wertmueller und
ergriff ihn freundlich bei der Hand. "Wir muessen uns kennenlernen."
Viertes Kapitel
Er trat mit dem Gaste in die Veranda, drueckte ihn auf einen Sitz
nieder, goss ihm eines der auf dem Schenktische stehenden Glaeser voll
und liess ihn sich erholen und erquicken.
"Der Empfang war militaerisch", troestete er ihn dann, "aber Ihr werdet
im Soldaten keinen unebenen Hauswirt finden. Ihr naechtigt heute auf
der Au--ohne Widerrede!--Wir haben manches zu verhandeln.--Seht,
Lieber, Eure Abhandlung hat mich ganz angenehm unterhalten", und
Wertmueller langte nach dem Buche, welches in einer Fensternische des
die Rueckwand der Veranda bildenden Erdgeschosses lag und zwischen
dessen Blaetter er die zerlesene Dissertation des Kandidaten eingelegt
hatte.
"Zuerst eine Vorfrage. Warum habt Ihr mir Euer Werk nur mit einer
Zeile zugeschrieben, statt mir es coram populo auf dem ersten weissen
Blatte mit aufrichtigen, grossen Druckbuchstaben zu dedizieren? Weil
ich mit den Faffen, Euern Kollegen, gespannt bin, he? Ihr habt keinen
Charakter, Pfannenstiel; ihr seid ein schwacher Mensch."
Der Kandidat entschuldigte sich, seine unbedeutende Arbeit habe den
Namen des beruehmten Feldherrn und Literaturkenners nicht vor sich her
tragen duerfen.
"Durchaus nicht unbedeutend", lobte Wertmueller. "Ihr habt Phantasie
und seid in die purpurnen Tiefen meines Lieblingsgedichtes
untergetaucht, wie nicht leicht ein anderer. Freilich um etwas
Absurdes zu beweisen. Aber es ist einmal nicht anders: wir Menschen
verwenden unsere hoechsten Kraefte zu albernen Resultaten. Dachtet Ihr
daran, mich rechtzeitig zu Rate zu ziehen, ich gab Eurer Dissertation
eine Wendung, die Euch selber, Eure faeffischen Examinatoren, das ganze
Publikum in Erstaunen gesetzt haette. Ihr habt es gefuehlt,
Pfannenstiel, dass die zweite Haelfte der Odyssee von besonderer
Schoenheit und Groesse ist. Wie? Der Heimgekehrte wird als ein
fahrender Bettler an seinem eigenen Herde misshandelt. Wie? Die
Freier reden sich ein, er kehre niemals wieder, und ahnen doch seine
Gegenwart. Sie lachen und ihre Gesichter verzerrt schon der
Todeskampf--das ist Poesie.--Aber Ihr habt recht, Pfannenstiel, was
nuetzt mir die Poesie, wenn nicht eine Moral dahintersteckt? Es ist
eine Devise in das Zuckerwerk hineingebacken--zerbrechen wir es! Da
der Odysseus nicht bloss den Odysseus bedeuten darf, wen oder was
bedeutet er denn? Unsern Herrn und Heiland--so beweist Ihr und habt
Ihr es drucken lassen--, wenn er kommt zu richten Lebendige und Tote.
Nein, Kandidat, Odysseus bedeutet jede in Knechtesgestalt misshandelte
Wahrheit mitten unter den uebermuetigen Freiern, will sagen, Faffen,
denen sie einst in sieghafter Gestalt das Herz durchbohren wird.
"He, Kandidat, wie gefaellt Euch das?--So haettet Ihr es wenden sollen,
und seid gewiss, Eure Dissertation haette gerechtes Aufsehen erregt!"
Pfannenstiel erbebte bei dem Gedanken, dass sich seiner Symbolik diese
gotteslaesterliche und verwegene Wendung haette geben lassen. Sein
einfaches Wesen liess ihn den Pferdefuss des alten Spoetters nicht oder
doch nur in unbestimmten Umrissen erkennen.
Um sich der Verlegenheit zu entziehen, dem alten Freigeiste eine
Antwort geben zu muessen, nahm der Kandidat den Pergamentband in die
Haende, mit welchem Wertmueller waehrend seiner Rede gestikuliert hatte.
Es war die aldinische Ausgabe der Odyssee. Pfannenstiel betrachtete
andaechtig das Titelblatt des seltenen Buches. Ploetzlich fuhr er
zurueck wie vor einer zuengelnden Natter. Er hatte auf dem freien Raume
links neben dem Wappen des venezianischen Buchhaendlers etwas
verblichene, kuehnfliessende Federzuege entdeckt, die folgende Zeilen
bildeten:
Georgius Jenatius me jure possidet
Constat R. 4. Kz. 12.
Er warf das Buch weg, als atme es einen Blutgeruch aus.
Damals moderte der fragwuerdige Buendner schon seit Dezennien in der
Domkirche von Chur, waehrend sein Bild in zahmen und unpatriotischen
Zeiten sich zu einem widerwaertigen verzerrt hatte, so dass nur der
Apostat und der Blutmensch uebrigblieb. Pfannenstiel betrachtete ihn
einfach als ein Ungeheuer, an dessen Dagewesensein er kaum glauben,
das er sich nicht realisieren konnte.
Der General weidete sich an seinem Schrecken, dann sagte er leichthin:
"Der liebe Mann, Euer gewesener Kollege, hat mich damit beschenkt, wie
wir noch auf gutem Fusse standen und ich ihn auf seinem Malepartus in
Davos besuchte."
"Also hat er doch gelebt!" sprach der Kandidat halblaut vor sich hin,
"er hat Buecher besessen, wie unsereiner, und ihren kostenden Preis auf
das Titelblatt geschrieben."
"Ja wohl hat er gelebt, und recht persoenlich und zaehe", sagte der
General mit kurzem Lachen. "Noch heute nacht traeumte mir von dem
Buendner... Das kam daher, dass ich mich den ganzen gestrigen Tag mit
einem haesslichen Geschaefte abgegeben hatte. Ich schrieb mein Testament
nieder, und was ist klaeglicher, als bei atmendem Leibe ueber seinen
Besitz zu verfuegen, der ja auch ein Teil von uns selber ist!"
Die Neugierde des jungen Geistlichen wurde rege. Vielleicht war es
ein warnendes Traumgesicht gewesen, das, fein und erbaulich ausgelegt,
in dem ihm gegenueber Sitzenden einen guten und frommen Gedanken konnte
entstehen lassen. "Wollt Ihr mir Euern Traum nicht mitteilen?" fragte
er mit einem gefuehlvollen Blicke.
"Er steht zu Diensten. Es war in Chur. Menschengedraenge,
Staatsperuecken, Militaerpersonen--von der Hofkirche her Gelaeute und
Salutschuesse. Wir treten unter dem Torbogen hervor in den
bischoeflichen Hof. Jetzt gehen wir zu zweien, neben mir ein Koloss.
Ich sehe nur einen Federhut, darunter eine Gewaltsnase und den in den
Kragen gesenkten pechschwarzen Spitzbart: 'Wertmueller', fragte der
Grosse, 'wen bestatten wir?'--'Ich weiss nicht' sage ich. Wir treten in
die Kathedrale zwischen das Gestuehl des Schiffes. 'Wertmueller', fragt
der andere, 'wem singen sie ein Requiem?'--'Ich weiss nicht' sag ich
ungeduldig. 'Kleiner Wertmueller', sagt er, 'stell dich einmal auf die
Zehen und sieh, wer da vorn aufgebahrt liegt.'--Jetzt unterscheide ich
deutlich in den Ecken des Bahrtuches den Namenszug und das Wappen des
Jenatschen, und im gleichen Augenblicke wendet er, neben mir stehend,
mir das Gesicht zu--fahl mit vergluehten Augen. 'Donnerwetter, Oberst',
sag ich, 'Ihr liegt dort vorn unter dem Tuche mit Euern sieben
Todeswunden und fuehrt hier einen Diskurs mit mir! Seid Ihr doppelt?
Ist das vernuenftig? Ist das logisch? Schert Euch in die Hoelle,
Schaeker!' Da antwortete er niedergeschlagen: 'Du hast mir nichts
vorzuruecken--mach dich nicht mausig. Auch du, Wertmueller, bist tot.'"
Pfannenstiel ueberlief es kalt. Dieser Traum am Vorabende des ohne
Zweifel blutigen Feldzuges, welcher dem General draussen im Reiche
bevorstand, schien ihm von ernster Vorbedeutung, und er sann auf ein
Wort geistlicher Zusprache.
Auch Wertmueller konnte seinen Traum, nachdem er ihn einmal mitgeteilt,
nicht sogleich wieder loswerden. "Der Oberst wurde von seinem
Liebchen mit der Axt wie ein Stier niedergeschlagen", erging er sich
in lauten Gedanken, "mir wird es so gut nicht werden. Fallen--wohlan!
Aber nicht in einem Bettwinkel krepieren!"
Vielleicht dachte er an Gift, denn er war am Hofe zu Wien in ein
hartnaeckiges Intrigenspiel verwickelt und hatte sich dort durch seinen
Ehrgeiz Todfeinde gemacht.
"Ehe ich meinen Koffer packe", fuhr er nach einer Pause fort, "moechte
ich wohl noch einen Menschen gluecklich machen--"
Dem Kandidaten schoss das Wasser in die Augen, nicht in selbstsuechtigen
Gedanken, sondern in uneigennuetziger Freude ueber diese schoene Regung;
doch es trocknete schnell, als der General seinen Satz abschloss:
"--besonders wenn sich ein kraeftiger Schabernack damit verbinden liesse."
Das aberglaeubische Gefuehl, das den General angewandelt hatte, war
rasch voruebergegangen. "Was ist Euer Anliegen?" fragte er seinen Gast
mit einer jener bruesken Wendungen, die ihm gelaeufig waren. "Ihr seid
nicht hierhergekommen, um Euch meine Traeume erzaehlen zu lassen."
Nun berichtete Pfannenstiel dem Generale mit einer unschuldigen List,
denn er wollte ihm seine Liebesverzweiflung, fuer die er ihm kein Organ
zutraute, nicht verraten, wie ihn ueber dem Studium der Odyssee ein
unwiderstehliches Verlangen ergriffen, die Heimat Homers, die goldene
Hellas kennenzulernen. Da er keinen andern Weg wisse, seine
Wanderlust zu befriedigen, sei ihm der Gedanke gekommen, sich bei dem
Herrn fuer die Feldkaplanei seiner venezianischen Kompanie zu melden,
die ja in den griechischen Besitzungen der Republik stationiere. "Sie
ist erledigt", schloss er, "und wenn Ihr mir ein weniges gewogen seid,
weiset Ihr mir die Stelle zu."
Wertmueller blickte ihn scharf an. "Ich bin der letzte", sagte er,
"der einem jungen Menschen eine gefaehrliche Karriere widerriete! Aber
er muss dazu qualifiziert sein. Euer Knochengerueste, Freund, ist nicht
fest genug gezimmert. Der erste beste relegierte Raufbold von Leipzig
oder Jena wird meinen Kerlen mehr imponieren als Euer Johannesgesicht.
Schlagt Euch das aus dem Kopfe. Wollt Ihr den Sueden sehen, so sucht
als Hofmeister Dienste bei einem jungen Kavalier und klopft ihm die
Kleider! Doch auch das kann Euch nicht taugen. Das beste ist, Ihr
bleibt zu Hause. Blickt aus! Zaehlt alle die Turmspitzen am See--das
Kanaan der Pfarrer. Hier ist Euer Rhodus, hier tanzt--will sagen
predigt!--Wozu sind die Geleise buergerlicher Berufsarten da, als dass
Euresgleichen sie befahre? Ihr wisst nicht, welcher Schenkelschluss
dazu gehoert, um das Leben souveraen zu traktieren. Steht ab von Eurer
Laune!", und er machte die Gebaerde, als griffe er einem Rosse in die
Zuegel, das mit einem unvorsichtigen Knaben durchgegangen ist.
Es entstand eine Pause. Wieder warf der General dem Kandidaten einen
beobachtenden Blick zu.
"Ihr seid ein lauterer Mensch", sagte er dann, "und es war Euer Ernst,
Ihr wuerdet das griechische Abenteuer bestanden haben. Wie reimt sich
das mit dem Pfannenstiel, den ich hier vor mir sehe? Da liegt ein Aal
unter dem Steine. Ein verrueckter Antiquar, wie sie zwischen den
Ruinen herumkriechen, seid Ihr nicht. Also seid Ihr desperat. Aber
warum seid Ihr desperat? Was treibt Euch weg? Heraus damit! Eine
Figur? He? Ihr erroetet!"
Der sechzigjaehrige Wertmueller behandelte die weiblichen Wesen als
Staffage und pflegte sie schlechtweg mit dem Malerausdrucke "Figuren"
zu benennen.
"Wo habt Ihr zuletzt konditioniert?"
"In Mythikon bei Euerm Herrn Vetter waehrend seiner Gichtanfaelle."
"Bei meinem Vetter? Will sagen bei der Rahel. Nun ist alles klar und
deutlich wie mein neuverfasstes Exerzierreglement. Das Maedchen hat
Euch den Kopf verrueckt und dann, wie recht und billig, einen Korb
gegeben?"
Der zartfuehlende Kandidat haette sich eher das Herz aus dem Leibe
reissen lassen, als eingestanden, dass die Rahel--wie er daran nicht
zweifeln konnte--ihm herzlich wohlwolle. Er antwortete bescheiden:
"Der Herr Wertmueller, sonst mein Goenner, hat mich verabschiedet, weil
ich mit Schiessgewehr nicht umzugehen verstehe und mich auch davor
scheue. Vor zwanzig Jahren ist damit in meiner Familie ein Unglueck
begegnet. Er noetigte mich, mit ihm in die Scheibe zu schiessen, und
ich habe keinen Schuss hineingebracht."
"Ihr haettet Euch weigern sollen. Das hat Euch in Rahels Augen
heruntergesetzt. Sie trifft immer ins Schwarze. Donnerwetter, da
faellt mir ein, dass ich dem Alten noch etwas schuldig bin. Der
geistliche Herr hat mir, waehrend ich am Rheine bataillierte, meine
Meute hier ganz meisterhaft beaufsichtigt. Er ist ein Kenner. Hassan,
hol mir gleich das violette Saffianfutteral her, links zuunterst im
Glasschranke der Waffenkammer.--Lasst Euch nicht stoeren, Kandidat." Der
Mohr beeilte sich, und nach wenigen Augenblicken hielt Wertmueller zwei
kleine Pistolen von zierlicher Arbeit in der Hand. Er reinigte mit
einem Lederlappen die damaszierten Laeufe und den Silberbeschlag der
Kolben, in welchen huebsche seltsame Arabesken eingegraben waren.
"Fortgefahren, Freund, in Eurer Elegie!" sagte er. "Das Maedchen also
gab Euch einen Korb--oder ist es moeglich, liebt sie Euch? Es gibt
wunderliche Naturspiele!--und nur der Alte haette Euch abblitzen lassen,
he? Was gab er Euch fuer Gruende?"
Pfannenstiel blieb erst die Antwort schuldig. Ihm war aengstlich
zumute geworden, denn der General hatte, waehrend er sprach, den Hahn
der einen Pistole gespannt. Jetzt beruehrte Wertmueller den Druecker mit
ganz leisem Finger, und der Hahn schlug nieder. Er spannte die zweite,
streckte den Arm aus, schnitt eine Grimasse; nur nach harter
Anstrengung gelang es ihm loszudruecken. Das Spiel der Feder musste
sich aus irgendeinem Grunde verhaertet haben, und er schuettelte
unzufrieden den Kopf.
Der Kandidat, der stark mit den Augen gezwinkert hatte, nahm jetzt den
Faden des Gespraechs wieder auf, um den wahren Grund seiner
Hoffnungslosigkeit anzudeuten. "Eine Wertmuellerin und ein
Pfannenstiel!" sagte er in einem resignierten Tone, als nenne er Sonne
und Mond und finde es ganz natuerlich, dass dieselben nicht
zusammenkommen.
"Lass Er mich mit diesen Narreteien zufrieden!" fuhr ihn der General
hart an. "Sind wir noch nicht ueber die Kreuzzuege hinaus, in welcher
geistreichen Epoche die Wappen erfunden wurden? Aber auch damals, wie
ueberhaupt jederzeit, galt der Mann mehr als der Name, sonst waere die
Welt laengst vermodert wie ein wurmstichiger Apfel. Seh Er,
Pfannenstiel, ich gelte hier fuer einen Patricius; als ich aber in
kaiserliche Dienste trat, wie blickten die Herren Kollegen von soundso
viel Quartieren hochnasig auf das plebejische Muehlrad in meinem Wappen
herunter. Dennoch mussten sie es eben leiden, dass der Mueller die von
ihnen mehr als zur Haelfte ruinierte Kampagne wiederherstellte und
gewann! Hoer Er, Pfannenstiel, es fehlt Ihm an Selbstgefuehl, und das
schadet Ihm bei der Rahel."
Der Kandidat befand sich in einem seltsamen Falle. Er konnte den
Standpunkt Wertmuellers nicht teilen, denn er fuehlte dunkel, dass eine
so vollstaendige Vorurteilslosigkeit die ganze alte Ordnung der Dinge
durchstiess, und diese war ihm ehrwuerdig, auch da, wo sie zu seinen
Ungunsten wirkte.
Aber Wertmueller verlangte keine Antwort. Er hatte sich erhoben und
trat, in jeder Hand eine Pistole, einem hochgewachsenen Maedchen
entgegen, das auf dem vom festen Lande her ausmuendenden Wege einherkam.
Der General hatte den Kies unter ihren leichten, raschen Schritten
knirschen hoeren.
"Guten Abend, Patchen", begruesste er sie, und seine grauen Augen
leuchteten.
Das schoene Fraeulein aber zog die Brauen zusammen, bis der Alte die
beiden Pistolen, die ihr offenbar ein Aergernis waren, die eine in die
rechte, die andere in die linke seiner geraeumigen Rocktaschen steckte.
"Ich habe Besuch, Rahel", sagte er. "Erlaube mir, meinen jungen
Freund dir vorzustellen, den Herrn Kandidaten Pfannenstiel."
Die Wertmuellerin war naeher getreten, waehrend sich Pfannenstiel
linkisch von seinem Stuhle erhob. Sie bekaempfte ein Erroeten, das aber
sieghaft bis in die feine Stirn und bis unter die Wurzeln ihres vollen
braunen Haares aufflammte. Der Kandidat schlug erst die Augen nieder,
als haette er mit ihnen ein Buendnis geschlossen, keine Jungfrau
anzuschauen, erhob sie dann aber mit einem so innigen und strahlenden
Ausdrucke des Glueckes und der Liebe, und seine guten Blicke fanden in
zwei braunen Augen einen so warmen Empfang, dass selbst der alte
Spoetter seine Freude hatte an der ungeschminkten Neigung zweier
unschuldiger Menschenkinder.
Er vermehrte seltsamerweise die erste suesse Verwirrung der beiden mit
keinem Scherzworte. Ist es nicht, als ob ein tiefes und wahres Gefuehl
in seinem natuerlichen und bescheidenen Ausdrucke aus dieser Welt des
Zwanges und der Maske uns in eine zugleich groessere und einfachere
versetze, wo der Spott keine Stelle findet?
Lange freilich haette er sie nicht ungeneckt gelassen, aber das
gescheite und tapfere Maedchen enthob ihn der Versuchung. "Ich habe
mit Euch zu reden, Pate", sagte sie, "und gehe voran nach der zweiten
Bank am See. Lasst mich nicht zu lange warten!"
Sie verbeugte sich leicht gegen den Kandidaten und war verschwunden.
Der General nahm diesen bei der Hand und fuehrte ihn eine Treppe hinauf
in sein Bibliothekzimmer, in das die Seebreite durch drei hohe
Bogenfenster hereinleuchtete.
"Seid getrost", sagte er, "ich werde bei der Rahel fuer Euch Partei
nehmen. Unterdessen wird es Euch hier an Unterhaltung nicht mangeln.
Ihr liebt Buecher! Hier findet Ihr die Poeten des Jahrhunderts tutti
quanti." Er zeigte auf einen Glasschrank und verliess den Saal. Da
standen sie in glaenzenden Reihen, die Franzosen, die Italiener, die
Spanier, selbst einige Englaender, ein gehaeufter Schatz von Geist,
Phantasie und Wohllaut, und Wertmueller, der ohne Frage auf der Hoehe
der Zeitbildung stand, wuerde unglaeubig den Kopf geschuettelt haben,
wenn ihm zugefluestert worden waere, einer fehle hier, der sie alle
insgesamt voll aufwiege.
Der ueberall Belesene hatte William Shakespeare nicht einmal nennen
hoeren.
Der Kandidat liess die Poeten unberuehrt, denn fuer ein junges Blut ist
die Naehe der Geliebten mehr als alle neun Musen.
Fuenftes Kapitel
Der General hatte einen Pfad eingeschlagen, der sich dicht am Ufer um
die Kruemmungen der Halbinsel schlaengelte, und hier erblickte er bald
Rahel Wertmueller, die, auf einer verwitterten Steinbank sitzend, das
feine Profil nach der jetzt abendlich daemmernden Flut hinwendete. Ein
aufrichtiger Ausdruck tiefer Betruebnis lag auf dem huebschen und
entschlossenen Gesichtchen.
"Was dichtest und trachtest du?" redete er sie an.
Sie antwortete, ohne sich zu erheben: "Ich bin nicht mit Euch
zufrieden, Pate."
Der General lehnte sich an den Stamm einer Eiche und kreuzte die Arme.
"Womit habe ich es bei Euer Wohlgeboren verscherzt?" sagte er.
Das Fraeulein warf ihm einen Blick des Vorwurfs zu. "Ihr fragt noch,
Pate? Wahrlich, Ihr handelt an Papa nicht gut, der Euch doch nur
Liebes und nichts zuleide getan hat.--Was war das wieder fuer ein
Spektakel vergangenen Sonntag! Durch Eure Verleitung hat er den
ganzen Nachmittag mit Euch auf Euerm Au-Teiche herumgeknallt. Welch
ein Schauspiel! Aufflatternde verwundete Enten, im Moor nach der
Beute watende Jungen, der Vater in grossen Stiefeln und das ganze Dorf
als Zuschauer!..."
"Es beurteilte die Schuesse", warf Wertmueller ein.
"Pate"--das Maedchen war von seinem Sitze aufgesprungen, und seine
schlanke Gestalt bebte vor Unwillen--"ich meinte bisher, Ihr
haettet--trotz mancher Wunderlichkeit--das Herz am rechten Flecke.
Aber ich habe mich geirrt und fange an zu glauben, hier sei bei Euch
etwas nicht in Ordnung!", und sie wies mit einer kleinen Gebaerde des
Zeigefingers nach der linken Brustseite des Generals. "Ich hielt
Euch", fuegte sie freundlicher hinzu, "fuer eine Art Ruebezahl... so
heisst doch der Geist des Riesengebirges, von dessen Koboldstreichen
Ihr so lustig zu erzaehlen wisst?..."
"Dem es zuweilen Spass macht, Gutes zu tun, und der, wenn er Gutes tut,
dabei sich einen Spass macht."
"So ungefaehr. Doch, wie gesagt, wenn Ihr ebenso boshaft seid wie der
Berggeist--von Wohltat ist dabei nichts sichtbar. Ihr werdet den
Vater noch ins Verderben stossen. Waeren unsere Mythikoner im Grund
nicht so gute Leute, die ihren Pfarrer decken, wo sie koennen, laengst
waere in Zuerich gegen ihn Klage erhoben worden. Und mit Recht; denn
ein Geistlicher, der wachend und traeumend keinen andern Gedanken mehr
hat als Halali und Halalo, muss jeder christlichen Seele ein taegliches
Aergernis sein. Das waechst mit den Jahren. Neulich da der Herr Dekan
seinen Besuch meldete und zur selben Zeit der Bote eine in der Stadt
angekaufte Jagdflinte dem Vater zutrug, musste ich ihm dieselbe
unkindlich entwinden und in meinen Kleiderschrank verschliessen, sonst
haette er noch--ein schrecklicher Gedanke--den ehrwuerdigen Herrn
Steinfels aufs Korn genommen. Ihr lacht, Pate?--Ihr seid abscheulich!
--Ich koennte Euch darum hassen, dass Ihr, der seine Schwaeche kennt, ihn
noch stachelt und aufreizt, als waeret Ihr sein boeser Engel.--Naechstens
wird er noch einmal mit geladenem Gewehr die Kanzel besteigen!... Ich
freute mich, da Ihr kamet, und nun frage ich: Reist Ihr bald, Pate?"
"Mit geladenem Gewehr die Kanzel besteigen?" wiederholte Wertmueller,
den dieser Gedanke zu frappieren schien. "La, la, Patchen! Der Vater
ist mir der ertraeglichste aller Schwarzroecke und du bist mir die
liebste aller Figuren. Ich will dem Alten eine Genugtuung geben.
Weisst du was? Ich gehe morgen bei Euch zur Kirche--das rehabilitiert
den Vater zu Stadt und Lande."
Rahel schien von dieser Aussicht wenig erbaut. "Pate", sagte sie,
"Ihr habt mich aus der Taufe gehoben und das Geluebde getan, auf mein
zeitliches und ewiges Heil bedacht zu sein. Fuer das letztere koennet
Ihr nichts tun, denn es steht in diesem Punkte bei Euch selbst sehr
windig. Aber ist das ein Grund, auch mein zeitliches zu ruinieren?
Ihr solltet, scheint mir, im Gegenteil darauf denken, mich wenigstens
auf dieser Erde gluecklich zu machen--und Ihr macht mich ungluecklich!"
Sie zerdrueckte eine Traene.
- "Vortrefflich raesoniert", sagte der General. "Patchen, ich bin der
Berggeist und du hast drei Wuensche bei mir zu gut."
"Nun", versetzte das Fraeulein, auf den Scherz eingehend. "Erstens:
Heilt den Vater von seiner ungeistlichen Jagdlust!"
- "Unmoeglich. Sie steckt im Blute. Er ist ein Wertmueller. Aber ich
kann seiner Leidenschaft eine unschaedliche Bahn geben. Zweitens?"
"Zweitens..." Rahel zoegerte.
"Lass mich an deiner Stelle reden, Maedchen. Zweitens: Gebt dem
Hauptmann Leo Kilchsperger Urlaub zu Werbung, Verloebnis und Heirat."
- "Nein!" versetzte Rahel lebhaft.
- "Er ist ein perfekter Kavalier."
- "Einem perfekten Kavalier haengt manches um und an, worauf ich
Verzicht leiste, Pate."
- "Ein beschraenkter Standpunkt."
- "Ich halte ihn fest, Pate."
- "Meinetwegen.--Also ein anderes Zweites. Zweitens: Berggeist,
verschaffe dem Kandidaten Pfannenstiel die von ihm begehrte
Feldkaplanei in venezianischen Diensten."
- "Nimmermehr!" rief die Wertmuellerin. "Was? der Unglueckliche begehrt
die Feldkaplanei unter Euerm venezianischen Gesindel? Der zarte und
gute Mensch? Darum ist er zu Euch gekommen?"
Der General bejahte. "Ich rede es ihm nicht aus."
- "Redet es ihm aus, Pate. Grassiert nicht Pest und Fieber in Morea?"
- "Zuweilen."
- "Liest man nicht von haeufigen Schiffbruechen im Adriatischen Meere?"
- "Hin und wieder."
- "Ist die Gesellschaft in Venedig nicht ganz entsetzlich schlecht?"
- "Die gute ist dort wie allenthalben und die schlechte ganz
vortrefflich."
- "Pate, er darf nicht hin, um keinen Preis!"
- "Gut. Also ein anderes Zweites verbunden mit dem Dritten: Berggeist,
mache den Kandidaten Pfannenstiel zum wohlbestellten Pfarrer von
Mythikon und gib mich ihm zur Frau!"
Rahel wurde feuerrot. "Ja, Berggeist", sagte sie tapfer.
Diese resolute Antwort gefiel dem General aus der Massen.
"Er ist eine reinliche Natur", lobte er, "aber ihm fehlt die
Maennlichkeit, welche die Figuren unwiderstehlich hinreisst--"
- "Bah", machte sie leichthin und fuhr entschlossen fort: "Pate, Ihr
habt ein Dutzend Feldschlachten gewonnen, Ihr verderbt Euern
listigsten Feinden in der Hofburg das Spiel, Ihr seid ein beruehmter
und welterfahrner Mann--wendet ein Hundertteilchen Eures Geistes daran,
mich--was sage ich--uns gluecklich zu machen, und wir werden es Euch
zeitlebens Dank wissen."
Der General liess sich auf die leere Steinbank nieder und legte in
tiefem Nachdenken die Haende auf die Knie, wie eine aegyptische Gottheit.
So beruehrte er die beiden Pistolen in seinen Taschen; es blitzte in
seinen scharfen grauen Augen ploetzlich auf, und er brach in ein
unbaendiges Gelaechter aus, wie er seit Dezennien nicht mehr gelacht
hatte, in ein wahres Schulbubengelaechter. Da er zugleich
aufgesprungen war, rasch dem Innern der Halbinsel sich zukehrend,
wiederholte ein Echo diesen Ausbruch ausgelassener Lustigkeit in so
geisterhafter und grotesker Weise, dass es war, als hielten sich alle
Faune und Panisken der Au die Baeuchlein ueber einen tollen und
gottvergessenen Einfall.
Der General beruhigte sich. Er schien seinen Anschlag und die
Moeglichkeit des Gelingens mit scharfem Verstande zu pruefen. Das
Wagnis gefiel ihm. "Zaehle auf mich, mein Kind", sagte er vaeterlich.
- "Hoert, Pate, dem Papa darf kein Leides geschehen!"
- "Lauter Gutes."
- "Pfannenstiel darf nicht gezaust werden!"
Wertmueller zuckte die Achseln. "Der spielt eine ganz untergeordnete
Rolle."
- "Und Ihr werdet Euern Spass dabei haben?" fragte das Maedchen gespannt,
denn das Gelaechter hatte sie doch etwas bedenklich gemacht.
- "Ich werde meinen Spass dabei haben."
- "Kann es nicht misslingen?"
- "Der Plan ist auf die menschliche Unvernunft gegruendet und somit
tadellos. Aber etwas Chance gehoert zu jedem Erfolg."
- "Und misslingt es?"
- "So bezahlt Rudolf Wertmueller die Zeche."
Noch einmal besann sich das Maedchen recht ernstlich; aber ihre
resolute Natur trug den Sieg davon. Sie hatte ueberdies ein
unbedingtes Vertrauen zu der verwegenen Kombinationsgabe und selbst in
gewissen Grenzen zu der Loyalitaet ihres Verwandten. Dass ein
schadenfroher Streich mitlaufen werde, wusste sie--es war das eben der
Kaufpreis ihres Glueckes--, aber sie wusste auch, dass Wertmueller sie
liebhabe und seinen Spuk darum nicht allzu weit treiben wuerde. Zudem
lag etwas in ihrem Blute, das eine rasche, wenn auch gewagte Loesung
einer nagenden Ungewissheit vorzog.
"Ans Werk, Ruebezahl!" sagte sie. "Wann beginnst du dein Treiben,
Berggeist?"
- "Morgen mittag bist du Braut, Kindchen. Ich verreise Montag in der
Fruehe."
- "Adieu, Berggeist!" gruesste sie enteilend und warf ihm eine Kusshand
zu, waehrend er ihr nachsah und seine Freude hatte an ihrem schlanken
und sichern Gange.
Sechstes Kapitel
Zu spaeter Abendstunde sassen der General und der Kandidat an einer
reichbesetzten und glaenzend erleuchteten runden Tafel sich gegenueber
in einem geraeumigen Saale, dessen helle Stuckwaende mit guten, in Oel
gemalten Schlachtenbildern bedeckt waren.
Wertmueller wusste, welche Poesie das "Tischlein, deck dich!" fuer einen
in duerftigen Verhaeltnissen aufgewachsenen Juengling hat; aber auch an
geistiger Bewirtung liess er es nicht fehlen. Er erzaehlte von seinen
Fahrten in Griechenland, er ruehmte die Naturwahrheit der Landschaften
und der Meerfarben in der Odyssee, er liess die edeln und massvollen
Formen eines hellenischen Tempels vor den Augen des entzueckten
Kandidaten aufsteigen--kurz, er machte ihn gluecklich.
Seiner davon unzertrennlichen militaerischen Abenteuer gedachte er nur
im Vorbeigehen, aber so drastisch, dass Pfannenstiel in der Naehe des
alten Landsknechtes sich als einen herzhaften und verwegenen Mann
fuehlte, waehrend Wertmueller in der naiven Bewunderung seines Zuhoerers
um einige Dezennien sich verjuengte und erleichterte.
So achtete es Pfannenstiel nicht gross, als der General in der Hitze
des Gespraeches ihm auf den Leib rueckte, von den vier breiten flachen
Knoepfen, die sein Gewand zwischen den schmaechtigen Schultern vorn
zusammenhielten, den obersten abriss und denselben, nachdem er ihn
einer kurzen Betrachtung unterworfen, in einen dunkeln Zimmerwinkel
warf, dann an einem der mittlern drehte, bis dieser nur noch an einem
Faden hing.
Zwischen den Birnen und dem Kaese aber aenderte sich die Szene. Der
General hatte gegen seine Gewohnheit--er war laengst ein maessiger Mann
geworden--einige Glaeser feurigen Burgunders geleert, und da er, wie
man zu sagen pflegt, einen grimmigen Wein trank, begann es ihn denn
doch ein bisschen zu wurmen, dass die schoene und tapfere Rahel ihr Herz
an einen sanftmuetigen, unkriegerischen Menschen, noch dazu an einen
"Faffen" verschenkt hatte, und sein Daemon noetigte ihn, den Kandidaten,
den er doch leiden mochte, zu gutem Ende noch einmal unbarmherzig zu
foppen.
Er befahl dem aufwartenden Hassan, Pulverhorn und Kugelbeutel zu
bringen, zog die beiden Terzerole aus seinen Rocktaschen und legte sie
vor sich auf die Tafel.
"Die Rahel mag Euch", wendete er sich jetzt an den Kandidaten, "aber
wollt Ihr sie zum Weibe gewinnen, muesst Ihr dem schoenen Kinde einmal
als ein ganzer Mann entgegentreten. Das wird ihr einen bleibenden
Eindruck machen, und Ihr duerft Euch dann ruhig die eheliche
Schlafmuetze ueber die Ohren ziehen.--Mein Plan ist ganz einfach: Ich
gehe morgen in Mythikon zur Kirche--erstaunt nicht, Pfannenstiel, ich
bin kein Heide--und lade mich bei dem Vetter Pfarrer zu Mittag.
Natuerlich bleibt Rahel zu Hause und besorgt den Tisch, Ihr aber
gewinnt bei waehrendem Gottesdienste auf Schleichwegen die Pfarre,
entfuehrt das Maedchen, bringt es hieher und, waehrend Ihr sie kuesst,
armiere ich die zwei eisernen Kanonen, die Ihr auf dem Hausflur
gesehen habt, und verteidige den schmalen Damm, der meine Insel mit
dem Festlande verbindet. Treffen! Unterhandlung! Friedensschluss!"
Waere der Kandidat in seiner natuerlichen Verfassung gewesen, er haette
diese Soldatenschnurre belaechelt, aber der starke Wein war ihm in den
Kopf gestiegen.
"Entsetzlich!" rief er aus, fuegte dann aber nach einer Pause und
erleichtert hinzu: "und unmoeglich! Die Rahel wuerde niemals
einwilligen."
- "Sie wird! Ihr erscheint, werft Euch zu ihren Fuessen: Entflieh mit
mir! oder..." Er ergriff ein Pistol und setzte es sich an die rechte
Schlaefe.
- "Sie ist eine Christin!" rief der erhitzte Kandidat.
- "Sie wird und muss wollen! Jede Figur wird von der maennlichen
Elementarkraft bezwungen. Kennt Ihr die neueste deutsche Literatur
nicht?... den Lohenstein, den Hofmannswaldau?"
- "Sie wird nicht wollen--nimmermehr!" wiederholte Pfannenstiel
mechanisch.
- "Dann fahrt Ihr ab--glorios mit Donner und Blitz!" und Wertmueller
drueckte los. Der Hahn schlug nieder, dass es Funken stob.
Jetzt ermannte sich Pfannenstiel. Die ihm so nahegelegte ungeheure
Freveltat und sein Schauder davor gaben ihm die Besinnung wieder und
ernuechterten sein Gehirn. Auch fiel ihm die Warnung Rosenstocks ein.
Er narrt und quaelt dich boshaft, sagte er sich, du bist ja ein
geistlicher Mann und hast es mit einem schlimmen Feinde der Kirche zu
tun.
Ein Hohnlaecheln zuckte in den Mundwinkeln des ihn beobachtenden,
scharf beleuchteten Gesichtes, das in diesem Augenblicke einer
grotesken Maske glich. Der Kandidat erhob sich von seinem Sitze und
sprach nicht ohne Wuerde: "Wenn das Euer Ernst ist, so verweile ich
keine Minute laenger unter einem Dache, wo eine mehr als heidnische
Verruchtheit gelehrt wird; ist es aber Euer Scherz, Herr Wertmueller,
wie ich es glaube, so verlasse ich Euch ebenfalls, denn einen
einfachen Menschen, der Euch nichts zuleide getan hat, zu haenseln und
zu verhoehnen, das ist nicht christlich, nicht einmal menschlich--das
ist teuflisch."
Ein schoener, ehrlicher Zorn flammte in seinen blauen Augen, und er
schritt der Tuere zu.
"La, la", sagte der General. "Was fruehstueckt Ihr morgen? Eier,
Rebhuhn, Forelle?"
Pfannenstiel oeffnete und enteilte.
"Der Mohr wird Euch aufs Zimmer leuchten! Auf Wiedersehen morgen beim
Fruehstueck!" rief ihm Wertmueller nach.
Der Alleingebliebene lud sorgfaeltig das leichtspielende Pistol mit
Pulver und stiess einen derben Pfropfen nach. Das schwerspielende liess
er ungeladen. Beide uebergab er dem Mohren mit dem Befehle, dieselben
in seinen schwarzen Sammetrock zu stecken. Dann ergriff der General
einen Leuchter und suchte sein Lager auf.
Siebentes Kapitel
Der Kandidat eilte in raschem Laufe dem Damme zu, durch welchen die
Suedseite der Insel mit dem festen Lande zusammenhing. Oft hatte er,
da er sich im verflossenen Fruehjahre in Mythikon aufhielt, den Sitz
des damals in Deutschland bataillierenden Generals mit neugierigen
Augen gemustert, ohne ihn je zu betreten. Er wusste, dass der Damm
gegen seine Mitte hin durch ein altertuemliches kleines Tor und eine
Bruecke unterbrochen war, aber er war gewiss, kein Hindernis zu finden,
da dieses Tor, wie er sich erinnerte, niemals geschlossen wurde, sich
auch nicht schliessen liess, da es keine Torfluegel hatte.
Jetzt erreichte er das Ufer und erblickte zu seiner Linken die Linie
des Dammes. Aber, o Missgeschick! der von dem daemmernden Hintergrunde
scharf abgehobene Balken der Bruecke schwebte in der Luft und bildete
statt eines rechten einen spitzen Winkel mit dem Profil der Pforte, an
deren Steinbogen er durch zwei Ketten befestigt war. Das Tor, die
aufgezogene Bruecke, die kleine Verbindungslinie der Ketten--alles liess
sich mit ueberzeugender Deutlichkeit unterscheiden; denn der Mond gab
genuegendes Licht, und in dem leeren, nicht zu ueberspringenden
Zwischenraume flimmerte sein Widerschein in dem silbernen Gewaesser.
Pfannenstiel war ein Gefangener. Unmoeglichkeit, durch das Moor zu
waten! Er waere, da er die Furten des tueckischen Roehrichts nicht
kannte, bei den ersten Schritten versunken und haette ein klaegliches
Ende genommen. Ratlos stand er am Inselgestade, waehrend aus dem
Sumpfe dicht vor seinen Fuessen ein volltoeniges Brekekex Koax Koax
erscholl.
Gerade an jenem Abende war unter den Froeschen der Au ein junger
Lyriker von bedeutender Begabung aufgetaucht, der das feste und
gegebene Motiv der Froschlyrik so keck in Angriff nahm und so
gefuehlvoll behandelte, dass der begeisterte Chor nicht muede wurde, die
vorgesungene Strophe mit unersaettlichem Enthusiasmus zu wiederholen.
Auf den Kandidaten freilich machte das leidenschaftliche Gequaeke einen
tief melancholischen Eindruck, als steige es aus den Suempfen des
Acheron empor.
In halber Verzweiflung wollte er nun ueber den Damm nach der Pforte
eilen, ob sich die Zugbruecke mit Anstrengung aller Kraefte nicht senken
liesse. Da gewahrte er, noch einmal vorwurfsvoll nach dem unheimlichen
Landhause sich umwendend, eine ihm entgegenwandernde Helle, und nach
wenigen Augenblicken stand Hassan mit einem Windlicht in der Faust an
seiner Seite. Mit untertaeniger Zutunlichkeit redete ihm der gutmuetige
Mohr zu, in die von ihm geflohene Wohnung zurueckzukehren.
"Langweilig Frosch, geistlicher Herr!" radbrechte Hassan, "Schloss an
Zugbruecke--Zimmer bereit!"
Was war zu tun? Nichts anderes, als Hassan zu folgen. In der grossen,
auf den gepflasterten Hausflur muendenden Kueche entzuendete der Mohr
zwei Kerzen und leuchtete dem Kandidaten die Treppe hinauf. Auf der
zweitobersten Stufe ergriff er ihn rasch am Arme: "Nicht erschrecken,
geistlicher Herr!" fluesterte er. "Schildwache vor Zimmer von General."
Und in der Tat, da stand eine Schildwache. Hassan beleuchtete sie
mit der Kerze, und Pfannenstiel erblickte ein Skelett, das die
Knochenhaende auf eine Muskete gestuetzt hielt und an dem ueber die
Rippen gekreuzten und blank gehaltenen Lederzeuge Patronentasche und
Seitengewehr der zuercherischen Landmiliz trug. Ein kleines
dreieckiges Huetchen war auf den hohlen Schaedel gestuelpt.
Der Kandidat fuerchtete das Bild des Todes nicht, er war mit demselben
von Amts wegen vertraut, ja er hatte eine gewisse Vorliebe fuer die
warnende und erbauliche Erscheinung des Knochenmannes. Aber wer war
der Mensch, der da drinnen unter der Hut dieser gespenstischen Wache
schlief? Und welche seltsame Lust fand er daran, mit den ernstesten
Dingen sein frevles Gespoette zu treiben?
Jetzt oeffnete der Mohr das zweitaeusserste Zimmer der Seeseite und
stellte die beiden Leuchter auf den Kamin. Pfannenstiel, dessen
Wangen gluehten und fieberten, trat ans Fenster, um es aufzureissen;
Hassan aber hielt ihn zurueck.
"Seeluft ungesund", warnte er und machte die Fluegeltuere eines
Nebenzimmers auf, um dem Erhitzten in unschaedlicher Art mehr Luft zu
verschaffen. Dann entfernte er sich mit einem demuetigen Grusse.
Der Kandidat schritt eine gute Weile in der Kammer auf und nieder, um
seine erregte Phantasie zur Ruhe zu bringen und den wunderlichsten Tag
seines Lebens einzuschlaefern. Aber das gefaehrlichste Abenteuer
desselben war noch unbestanden.
Aus dem von Hassan geoeffneten Nebenzimmer klang ein leiser Ton, wie
ein tiefer Atemzug. Hatte die streichende Nachtluft die Falten eines
Vorhanges bewegt oder war ein Kaeuzlein an den nur halb geschlossenen
Jalousien vorbeigeflattert?
Der Kandidat hemmte seinen Schritt und horchte. Ploetzlich fiel ihm
ein, dass dieses naechste Zimmer, das letzte der Fassade, kein anderes
sein koenne als die Raeumlichkeit, welche der Schiffer Blaeuling der
Tuerkin des Generals angewiesen hatte.
Die Moeglichkeit einer solchen Naehe brachte den unbescholtenen jungen
Geistlichen begreiflicherweise in die groesste Angst und Unruhe, doch
nach kurzer Ueberlegung beschloss er, in die beruechtigte Kammer mutig
hineinzuleuchten.
Er betrat einen reichen tuerkischen Teppich und stand, sich zur Rechten
wendend, vor einem lebensgrossen Bilde, welches von vergoldetem,
ueppigem Blaetterwerk eingerahmt war und die ganze, dem Fenster
gegenueberstehende Wand des kleinen Kabinettes fuellte. Das Bild war
von einem Niederlaender oder Spanier der damals kaum geschlossenen
glaenzenden Epoche in jener naturwarmen, bestrickenden Weise gemalt,
die den Neuern verlorengegangen ist. Ueber eine Balustrade von
maurischer Arbeit lehnte eine junge Orientalin mit den berauschenden
dunkeln Augen und gluehenden Lippen, bei deren Anblicke die Prinzen in
Tausendundeiner Nacht unfehlbar in Ohnmacht fallen.
Sie legte den Finger an den Mund, als bedeute sie den vor ihr
Stehenden: Komm, aber schweige!
Pfannenstiel, der nie etwas auch nur annaehernd Aehnliches erblickt
hatte, wurde tief und unheimlich erschuettert von der Verlockung dieser
Gebaerde, der Sprache dieser Augen. Es tauchte etwas ihm bis heute
voellig unbekannt Gebliebenes in seiner Seele auf, etwas, dem er keinen
Namen geben durfte--eine brennende Sehnsucht, die glueckselige
Moeglichkeit ihrer Erfuellung! Vor diesem Bilde begann er an so
uebergewaltige Empfindungen zu glauben und vor ihrer Macht zu erbeben...
Ploetzlich wandte sich der Kandidat, lief in sein Schlafgemach zurueck
und begnuegte sich nicht, die Tuere zu verschliessen, er schob noch den
Riegel und drehte zuletzt den Schluessel um. Nun glaubte er sein Lager
gesichert und begrub sich in die Kissen desselben.
Doch kaum war er entschlummert, so trat das schoene Schemen durch die
Tuere, ohne sie zu oeffnen, und nahm tueckisch Gestalt und Antlitz der
Rahel Wertmueller an, ihren maidlichen Wuchs, ihre feinen geistigen
Zuege. Aber ihre Augen schmachteten wie die der Orientalin, und sie
legte den Finger an den Mund.
Nun kam eine boese, schlimme Stunde fuer den armen Kandidaten. Er
wollte fliehen und wurde von einer daemonischen Gewalt zu den Fuessen des
Maedchens hingeworfen. Er stammelte unsinnige Bitten und machte sich
verzweifelte Vorwuerfe. Er umfasste ihre Knie und verurteilte sich
selbst als den ruchlosesten aller Suender. Rahel, erst erstaunt, dann
strengblickend und unwillig, stiess ihn zuletzt empoert von sich weg.
Jetzt stand der General neben ihm und reichte ihm das Pistol. "Die
Figur", dozierte er, "wird bezwungen von der maennlichen Elementarkraft."
Dem Kandidaten wurde wie von eisernen, teuflischen Krallen der Arm
gebogen, und er setzte sich die toedliche Waffe an die rechte Schlaefe.
"Fliehe mit mir!" stoehnte er. Sie wandte sich ab. Er drueckte los,
und erwachte, nicht in seinem Blute, aber in kaltem Schweisse gebadet.
Dreimal trieb ihn der quaelende Halbtraum in diesem Kreislaufe von
Begierde, Frevel und Reue herum, bis er endlich das Fenster aufschloss
und im reinen Hauche der heiligen Fruehe in einen tiefen beruhigenden
Schlaf versank.
Er erwachte nicht, bis Hassan mit warmem Wasser ins Zimmer trat und
auf seinen Befehl die Jalousien oeffnete. Ein himmlischer, innig
blauer Tag und das nun halb verwehte, nun vollhallende Gelaeute aller
Seeglocken drang in die Traumkammer.
"General Kirche gegangen", sagte der Mohr. "Geistlicher Herr
fruehstuecken?"--
Achtes Kapitel
Und der Mohr log nicht.
Rudolf Wertmueller wandelte in dem Augenblicke, da sich sein Gast dem
Schlummer entriss, schon unweit der Kirche von Mythikon unter den
sonntaeglichen Scharen, welche alle dahinfuehrenden Wege und Fusssteige
bevoelkerten.
Der sonst so rasche Schritt des Generals war heute ein gemessener und
seine Haltung durchaus wuerdig und untadelig. Er war in schwarzen
Sammet gekleidet und trug in der behandschuhten Rechten ein mit
schweren vergoldeten Spangen geschlossenes Gesangbuch.
Seltsam! Wertmueller, der seit langem jede Kirche gemieden hatte,
stand bei den Mythikonern in dem schlimmen Rufe und der schwefelgelben
Beleuchtung eines verhaerteten Freigeistes, es war ihnen eine
ausgemachte, nicht anzufechtende Tatsache, dass ihn ueber kurz oder lang
der Teufel holen werde--und dennoch waren sie herzlich erfreut, ja
geruehrt, ihn auf ihrem Kirchwege einherschreiten zu sehen. Sie
erblickten in seinem Erscheinen durchaus nicht einen Akt der Busse,
denn sie liebten es nicht und hielten es fuer schmaehlich--hierin den
griechischen Dramatikern aehnlich--, wenn eine erwachsene Person ihren
Charakter wechselte; sie trauten es dem Generale zu, dass er konsequent
bleibe und resolut ins Verderben fahre. Die Mythikoner fassten
vielmehr den Kirchgang des alten Kriegsmannes als eine Hoeflichkeit auf,
als eine Ehre, die er der Gemeinde erweise, als einen oeffentlichen
Abschiedsbesuch vor seinem Abgange ins Feldlager.
Das Gruessen nahm kein Ende, und jeder Gruss ward von dem heute
ausnahmsweise Leutseligen mit einem Nicken oder einem kurzen
freundlichen Worte erwidert. Nur ein altes Weib, das boeseste in der
Gemeinde, stiess ihre bloedsinnige Tochter zurueck, die den General
angaffte, und raunte ihr vernehmlich zu: "Verbirg dich hinter mir,
sonst nimmt er dich und macht dich zur Tuerkin!"
Weniger erfreut ueber den Anblick des ungewohnten Kirchgaengers war der
Pfarrer Wilpert Wertmueller, als er, mit Mantel und Kragen angetan, aus
dem Tore seines Hofraums trat, in dessen Mitte hinter einem
altergrauen Brunnen zwei maechtige Pappeln sich leis im Winde wiegten.
Seine Ueberraschung war eine vollstaendige; denn Rahel hatte geschwiegen.
Der Pfarrer, ein Sechziger von noch ruestigem Aussehen und nicht gerade
geistreichen, aber maennlichen Gesichtszuegen, mochte den General als
einen versuchten Weidmann in Wald und Feld wohl leiden; dass er aber
seine Erbauung gerade in der Kirche von Mythikon suchte--das haette er
ihm gerne erlassen.
Je unwillkommener, desto hoeflicher war der General. Er zog den Hut,
dann nahm er den Pfarrer an der Hand und fuehrte ihn in den Flur seines
Hauses zurueck. Gerade in diesem Augenblicke setzte die schoene,
morgenfrische Rahel ihren Fuss auf die unterste Stufe der Treppe,
sonntaeglich angetan und ebenfalls ein kleines, in schwarzen Sammet
gebundenes Gesangbuch in der Hand.
"Kind, du bist reizend! eine Nymphe!" begruesste sie Wertmueller. "Lasse
dich vaeterlich auf die Stirn kuessen!"
Sie weigerte sich nicht, und der kleine, aber fest und wohlgebaute
General richtete sich auf den Fussspitzen empor, um die feine weisse
Stirn des hochgewachsenen Maedchens zu erreichen, eine eher komische
als zaertliche Gruppe.
"Bittest du mich nach der Predigt zu Tische, Alter?" fragte Wertmueller.
"Selbstverstaendlich!" versetzte der gastfreundliche Pfarrer. "Rahel
bleibt zu Hause und besorgt die Kueche."
Das willige Maedchen fuegte mit einem leichten Knickse hinzu: "Wir
bedanken uns, Pate!" und eilte in das obere Stockwerk zurueck.
"Ich bringe dir etwas mit, Alter", laechelte der General.
"Gewehr?" fuhr der Pfarrer heraus, und seine Augen leuchteten.
Wertmueller nickte bejahend und zog unter dem breiten Schosse seines
Sammetrockes ein Pistol hervor. Die vornehme Fasson und der
damaszierte Lauf des kleinen Meisterstueckes der damaligen
Buechsenschmiedekunst stachen dem Pfarrer gewaltig in die Augen. Seine
ganze Leidenschaft erwachte. Wertmueller trat mit ihm aus dem
daemmerigen Flur durch die Hintertuere der Pfarre in den Garten, um ihn
die kostbare kleine Waffe im vollen Tageslichte bewundern zu lassen.
Die ganze Langseite des Hauses war mit einer ziemlich niedrigen
Weinlaube bekleidet; an dem einen Ende dieses gruenen Bogenganges hatte
der Pfarrer vor Jahren eine steinerne Mauer mit einer kleinen Scheibe
auffuehren lassen, um sich, an dem entgegengesetzten Eingange Posto
fassend, waehrend seiner freien Stunden im Schiessen zu ueben.
"Aus der Levante?" fragte er, sich des Pistols bemaechtigend.
"Venezianische Nachahmung. Sieh hier die verschlungene Chiffre
GG--bedeutet Gregorio Gozzoli", ruehmte Wertmueller.
"Ich erinnere mich, diesen Schatz von Pistoelchen in deiner
Waffenkammer auf der Au gesehen zu haben,--aber war es nicht ein
Paerchen?"
"Du traeumst..."
"Ich kann mich geirrt haben. Spielt das kleine Ding leicht?"
"Leider ist der Druecker etwas verhaertet, aber du darfst das fremde
Meisterstuecklein keinem hiesigen Buechsenmacher anvertrauen, er wuerde
dir es verderben."
"Etwas hart? tut nichts!" sagte der Pfarrer. Er nahm trotz Mantel und
Kragen am einen Ende der Laube Stellung. Auf dem linken Fusse ruhend,
den rechten vorgesetzt, zog er den Hahn und kruemmte den Arm.
Eben verstummten die Glocken auf dem nahen Kirchturme, und das
Auszittern ihrer letzten Schlaege verklang in dem Gesumme der Wespen,
die sich geraeuschvoll um die noch nicht geschnittenen Goldtrauben der
Laube tummelten.
Der Pfarrer hoerte nichts--er drueckte und drueckte mit dem Aufgebot
aller Kraft.
"Pfui, Alter, was schneidest du fuer Grimassen?" spottete Wertmueller.
"Gib her!" Er entriss ihm die Waffe und legte seinen eisernen Finger an
den Druecker. Der Hahn schlug schmetternd nieder. "Du verlierst deine
Muskelkraft, Vetter! Dich entnervt die gliederloesende Senectus! Ich
will dir selbst den Mechanismus etwas geschmeidiger machen--du weisst,
dass ich ein ruhmreicher Schlosser und ganz leidlicher Buechsenschmied
bin!" Der General liess die schmucke kleine Waffe in die Tiefe seiner
Tasche zurueckgleiten.
"Nein, nein, nein!" rief der Pfarrer leidenschaftlich. "Du hast es
mir einmal geschenkt! Ich lasse es nicht mehr aus den Haenden!..."
Zoegernd hob der General das Pistol wieder hervor--nicht mehr dasselbe.
Er hatte es, der alte Taschenspieler, mit dem auch fuer ein schaerferes
und ruhiges Auge nicht leicht davon zu unterscheidenden Zwillinge
gewechselt.
Der Pfarrer hielt die Waffe kaum wieder in der Hand, als er sich von
neuem in Positur stellte, denn er war ganz Feuer und Flamme geworden,
und Miene machte, den Hahn noch einmal zu spannen.
Der General aber fiel ihm in den Arm. "Hernach!" redete er ihm zu.
"Donnerwetter! Es hat laengst ausgelaeutet."
Herr Wilpert Wertmueller erwachte wie aus einem Traume, besann sich,
lauschte. Es herrschte eine tiefe Stille, nur die Wespen summten.
Er steckte das Pistol eilig in die geraeumige Rocktasche, und die
Vettern beschritten den kurzen, jetzt voellig menschenleeren Weg nach
der nahen Kirche.
Neuntes Kapitel
Als die zwei Wertmueller den heiligen Raum betraten, war er schon bis
auf den letzten Platz gefuellt. Im Schiffe sassen rechts die Maenner,
links die Weiber, im Chore, das Antlitz der Gemeinde zugewendet, die
Kirchenaeltesten, unter ihnen der Krachhalder.
Zwei breite, oben durch ein grosses Halbrund verbundene Mauerpfeiler
schieden Chor und Kirche. An dem rechts gelegenen schwebte die Kanzel
und am Fusse der steilen Kanzeltreppe befand sich der einzig leer
gebliebene Sitz, der mit Schnitzwerk verzierte Stuhl von Eichenholz,
welchen der Pfarrer waehrend des Gesanges einzunehmen pflegte. Diesen
wies er jetzt dem General an und bestieg ohne Verzug die Kanzel. Der
Verspaetete hatte Eile, der Gemeinde die Nummer des heutigen
Kirchenliedes zu bezeichnen.
Es war das beliebteste des neuen Gesangbuchs, ein Danklied fuer die
gelungene Lese, erst in neuerer Zeit verfasst und aus Deutschland
gekommen, mit dreisten und geschmacklosen Schnoerkeln im damaligen
Rokokostile, aber nicht ohne Klang und Farbe.
Jede Strophe begann mit der Aufforderung, den Geber alles Guten
vermittelst eines immer wieder andern Instrumentes zu loben. Dem
Autor mochte ein Kirchenbild vorgeschwebt haben. Aber nicht jene
zarten musizierenden Engel Giambellinis, welche an das Dichterwort
erinnern:
Da geigen die Geiger so himmlisch klar,
Da blasen die Blaeser so wunderbar...
Nein! sondern die auf einer robusten Wolke lagernde und mit allen
moeglichen Instrumenten ausgeruestete pausbaeckige himmlische Hofkapelle
irgendeines Bravourbildes aus der Rubensschen Schule.
"Frohlocket, frohlocket!..." erscholl es heiter und volltoenig in dem
schoenen, reinlichen Raume, durch dessen acht Spitzbogenfenster das
leuchtende Blau des himmlischen Tages hereinquoll.
Der General, dessen Eintritt ein wohlgefaelliges Gemurmel erregt hatte,
wendete sein gesammeltes Antlitz der Gemeinde zu, konnte aber mit
einer ungezwungenen Wendung des Kopfes leicht den hohen Sitz
beobachten, wo sein Vetter horstete. Eben jetzt warf er einen Blick
hinauf. Der Seelsorger von Mythikon, der das Jubellied schon oft
gehoert hatte und seiner ebenfalls schon oft gehaltenen Predigt sicher
war, betastete leise seine Tasche.
"Posaunet, posaunet!..." droehnte es durch das Schiff. Wertmueller
schielte die Kanzeltreppe hinauf. Der Vetter hatte das kleine
Terzerol aus der Tasche gezogen und betrachtete es hinter der hohen
Kanzelbruestung mit Augen der Liebe.
"Drommetet, drommetet!..." sangen die Mythikoner. Mitten durch den
Trompetenlaerm hoerte der General deutlich ein scharfes Knacken, als
wuerde droben ein Hahn gezogen. Er laechelte.
Jetzt kam die letzte, die Lieblingsstrophe der Mythikonerinnen. "Und
floetet, o floetet!..." sangen sie, so schoen sie konnten. Der General
warf wieder einen verstohlenen Blick nach der Kanzel hinauf. Spielend
legte der Pfarrer eben seinen dicken Finger an den Druecker; wusste er
doch, dass er die Feder mit aller Gewalt nicht bewegen konnte. Aber er
zog ihn gleich wieder zurueck, und die sanften Floeten verklangen.
Der General unten an der Kanzel legte in gedrueckter Stimmung sein
Gesicht in Falten.
Jetzt betete der geistliche Herr, der das kleine Gewehr in seine
geraeumige Tasche zurueckgleiten liess, in aller Andacht die Liturgie und
las dann den Text aus der grossen, staendig auf dem Kanzelbrette
lagernden Bibel. Es war der herrliche siebenundvierzigste Psalm, der
da beginnt: Frohlocket mit Haenden, alle Voelker, lobet Gott mit grossem
Schalle!
Frisch und flott ging es in die Predigt hinein und schon war sie ueber
ihr erstes Drittel gediehen. Noch einmal lauerte der General empor,
sichtlich enttaeuscht, mit einem fast vorwurfsvollen Blicke, der sich
aber ploetzlich erheiterte. Der Pfarrer hatte im Feuer der Aktion,
waehrend seine Linke vor allem Volke gestikulierte, mit der durch die
Kanzel gedeckten Rechten instinktiv das geliebte Terzerol wieder
hervorgezogen. "Lobet Gott mit grossem Schalle!" rief er aus, und,
paff! knallte ein kraeftiger Schuss. Er stand im Rauch. Als er wieder
sichtbar wurde, quoll die blaue Pulverwolke langsam um ihn empor und
schwebte wie ein Weihrauch ueber der Gemeinde.
Entsetzen, Schreck, Erstaunen, Aerger, Zorn, ersticktes Gelaechter,
diese ganze Tonleiter von Gefuehlen fand ihren Ausdruck auf den
Gesichtern der versammelten Zuhoerer. Die Kirchenaeltesten im Chor aber
zeigten entruestete und strafende Mienen. Die Lage wurde bedenklich.
Jetzt wendete sich der General mit einer zugleich leutseligen und
imponierenden Gebaerde an die aufgeregten Mythikoner:
"Lieben Brueder, lasst euch den Schuss nicht anfechten. Bedenket: es ist
nach menschlicher Voraussicht das letztemal, dass ich mich in eurer
Mitte erbaue, ehe ich diesen meinen sterblichen Leib den Kugeln
preisgebe.--Und Ihr, Herr Pfarrer, zeigt Euch als einen entschlossenen
Mann und fuehrt Euern Sermon zu Ende."
Und wirklich, der Pfarrer setzte unerschrocken wieder ein und fuhr in
seiner Predigt fort, unbeirrt, ohne den Faden zu verlieren, ohne sich
um ein Wort zu vergreifen, zu stottern oder sich zu versprechen.
Alles kehrte wieder in die Ordnung zurueck. Nur das blaue
Pulverwoelkchen wollte sich in dem geschlossenen Raume gar nicht
verlieren und schwebte hartnaeckig ueber der Gemeinde, bald im Schatten,
bald von einem Sonnenstrahl beleuchtet, bis seine Umrisse immer
ungewisser wurden und sich endlich aufloesten.
Zehntes Kapitel
Waehrend der Pfarrer seine Predigt tapfer zu Ende fuehrte, hatte die
daheimgebliebene Rahel der alten Babeli und dem zur Aushilfe von
dieser herbeigeholten Nachbarskinde ihre Befehle gegeben und trat
jetzt, ein Koerbchen und ein kleines Winzermesser in der Hand, vor die
hintere Haustuere, um einige ihrer reifen sonnegebraeunten Goldtrauben
von der Laube zu schneiden.
Da sah sie, sich gerade gegenueber, wo der Fusssteig um die von der
Landstrasse abliegende Seite des Gartens lief, ein seltsames Schauspiel.
Ein unheimlicher Mensch stuetzte die Haende auf den Zaun, schwang sich
mit fliegenden Rockschoessen in einem wilden Satze ueber die Hecke und
kam ihr stracks entgegen. Kaum traute sie ihren Augen. Konnte er es
sein? Unmoeglich! Und doch, er war es.
Pfannenstiel hatte das Fruehstueck, welches ihm der dienstbeflissene
Mohr im Speisesaale auf der Au versetzte, kaum beruehrt. Es trieb ihn
fort ueber die jetzt gesenkte Zugbruecke, bergan, der Pfarre von
Mythikon zu. Er wusste, dass er die Strassen und Steige, wenn auch nur
fuer kurze Zeit, noch leer fand. Das orientalische Schemen war im
Morgenwinde verflattert; aber, wie himmlisch leuchtend und frisch der
Herbsttag aus seinen Nebelhuellen hervortrat, einer der gestern
empfangenen Eindruecke war wie ein Stachel in der aufgeregten Seele des
Kandidaten haften geblieben.
Ihm fehle die Maennlichkeit, hatte der General ihm vorgehalten, die
einen unfehlbaren Sieg ueber das Weibliche davontrage. Das gab dem
Kandidaten zu schaffen, und da sich ihm eine naechste Gelegenheit bot,
etwas nach seiner Ansicht Kuehnes zu unternehmen, und gerade das, wozu
der General ihn aufgefordert hatte, so entschloss sich der Verwilderte,
Rahel, wenn auch ohne Feuerwaffe, mit einem Morgenbesuche zu
ueberraschen.
Der Sprung ueber die Hecke war dann freilich keine Heldentat gewesen,
sondern eine Flucht vor den ersten heimkehrenden Kirchgaengern, die er
zwischen den Baeumen der Landstrasse zu sehen glaubte.
Wie er sich mit unternehmender Miene und in entschiedener Haltung der
Wertmuellerin naeherte, erschrak diese ernstlich ueber sein Aussehen,
seine fiebernden Augen, die Blaesse und Abspannung, wie sie eine
schlaflose Nacht auf dem Antlitze zuruecklaesst. Auch der herabhaengende,
halb abgedrehte Knopf und die Leere, die der andere weggerissene
gelassen, entgingen ihr natuerlich keinen Augenblick und vollendeten
den beaengstigenden Eindruck.
"Um Himmels willen, was ist Euch, Herr Vikar?" sagte das Maedchen.
"Seid Ihr krank? Ihr habt etwas Verstoertes, Fremdes an Euch, das mich
erschreckt. O der heillose Pate--was hat er mit Euch vorgenommen? Er
gelobte mir doch, Euch nichts anzutun, und nun hat er Euch gaenzlich
zerruettet! Erzaehlt mir haarklein, was Euch auf der Au zugestossen--
vielleicht weiss ich Rat."
Als ihr der Kandidat in die verstaendigen und doch so warmen Augen
blickte, ward er sich urploetzlich dessen bewusst, was ihn eigentlich
hergetrieben. Der Kobold des Abenteuers, der sich beim ersten
Schritte, den er auf der Au getan, ihm auf den Nacken gesetzt hatte,
sprang von seinem Ruecken und liess ihn fahren.
Bis ins kleinste beichtete er den klaren braunen Augen seine
Erlebnisse auf der Insel, nur die Vision der Tuerkin weglassend, die ja
eine Ausgeburt seines erhitzten Gehirns gewesen war. Er gestand ihr,
ihn habe der Vorwurf des Generals, ihm fehle das Maennliche, verbluefft
und beunruhigt, auch jetzt koenne er noch nicht darueber hinwegkommen.
Und er bat sie, ihm aufrichtig zu sagen, ob hier ein Mangel sei und
wie dem abzuhelfen waere.
Rahel betrachtete ihn ein Weilchen fast geruehrt, dann brach sie in ein
helles Gelaechter aus.
"Der Pate trieb mit Euch sein Spiel", sagte sie, "aber dass er Euch das
griechische Abenteuer widerriet, war recht. Ihr wolltet aus Eurer
eigenen Natur heraus, und er hat Euch heimgespottet... Warum auch?
Wie Ihr seid, und gerade wie Ihr seid, gefallt Ihr mir am besten.
Papas ungeistliche Waidlust hat mir genug schwere Stunden gemacht!
Fuer mich lob ich mir den Mann, der unsern Dorfleuten mit einem
erbaulichen, durchsichtigen Wandel vorleuchtet, unsern Zehntwein
schluckweise trinkt, seine Frau liebhat und zuweilen von einem
bescheidenen und gelehrten Freunde besucht wird!... Diese Kavaliere!
Ich habe uebergenug von ihren Tafeldiskursen, wenn sie den Vater mit
Ross und Wagen ueberfallen!--Der Pate hat Euch gestern in so manches
eingeweiht, hat er Euch nicht auch den Streich erzaehlt, den er mit
achtzehn Jahren seinem jungen Weibe spielte? Sie geluestete nach
Spanischbroetchen, wie man solche in Baden baeckt. 'Ich hole sie dir
warm!' sagte er galant, sattelte und verritt. In Baden legte er die
Broetchen in eine Schachtel und eine Zeile dazu, er verreise ins
schwedische Lager. Diesen Abschied sandte er durch einen Boten, ihn
selbst aber sah sie viele Jahre nicht wieder. Das haettet Ihr nicht
getan!" Und sie reichte dem stillen Vikar die Hand.
"Aber jetzt muss ich Euch sogleich die Knoepfe befestigen", setzte sie
rasch hinzu, "es tut mir in den Augen und in der Seele weh, Euch in
diesem Zustande zu sehen! Setzt Euch!"--dabei zeigte sie auf ein
Baenklein unter der Laube--"ich hole Zwirn und Nadel."
Pfannenstiel gehorchte, und sie entsprang mit dem traubengefuellten
Koerbchen.
Nun kam es ueber ihn wie Paradiesesglueck. Licht und Gruen, die niedrige
Laube, das bescheidene Pfarrhaus, die Erloesung von den Daemonen des
Zweifels und der Unruhe!
Sie freilich, die ihn davon befreit hatte, war selbst von Unruhe
ergriffen. Welchen Streich hatte der General geplant oder schon
ausgefuehrt? Sie machte sich Vorwuerfe, ihm freie Hand dazu gegeben zu
haben.
In der Kueche erfuhr sie, der Herr Pfarrer habe sich mit dem General
eingeschlossen und bald darauf seien die Kirchenaeltesten langsam und
feierlich die Treppe hinaufgeschritten. Etwas Unerhoertes muesse in der
Kirche vorgefallen sein.
Der Fischkuri, der ihr aus seinem Troge Forellen brachte, wurde von
ihr befragt; aber er war nicht zum Reden zu bringen und schnitt ein
dummes Gesicht.
Bestuerzt eilte das Maedchen in ihre Kammer und musste lange suchen, ehe
sie Nadel und Zwirn fand.
Elftes Kapitel
Nachdem der Gottesdienst zu Mythikon ohne weitere Stoerung sein Ende
genommen hatte, waren die Vettern nebeneinander in die nahe Pfarre
zurueckgeschritten, der Seelsorger zur Rechten des Generals, ohne sich
um den Ausdruck der oeffentlichen Meinung zu kuemmern, welcher in den
Mienen der ihnen Begegnenden unverkennbar zu lesen war.
Dort oeffnete der geistliche Wertmueller sein Studierzimmer, liess den
weltlichen wie einen straffaelligen armen Suender nachkommen und
verschloss sorgfaeltig die Tuere. Dann trat er dicht an den Freveltaeter
heran. "Vetter General", sagte er, "du hast an mir gehandelt als ein
Schelm und ein Bube!", und er machte Miene, ihn am Kragen zu packen.
"Hand weg!" entgegnete dieser. "Soll ich mich mit dir raufen, wie
weiland mit dem Vetter Zeugherr von Stadelhofen in der Ratslaube zu
Zuerich, als wir uns die Peruecken zausten, dass es nur so stob! Bedenke
dein Amt, deine Wuerde!"
"Mein Amt, meine Wuerde!" wiederholte der Pfarrer langsam und
schmerzlich. Eine Traene netzte seine graue Wimper. Mit diesen vier
schlichten Worten war dasselbe ausgedrueckt, was uns in jener
grossartigen Tirade erschuettert, mit welcher Othello von seiner
Vergangenheit und seinem Amte Abschied nimmt.
Der General schluckte. Die Traene des alten Mannes war ihm entschieden
zuviel.
"La, la", troestete er, "du hast eine praechtige Kaltbluetigkeit gezeigt.
Auf meine Ehre, ein echter Wertmueller! Es ist ein Feldherr an dir
verlorengegangen."
Aber die Schmeichelei verfing nicht. Auch der Moment der Wehmut war
voruebergegangen.
"Womit habe ich dich beleidigt?" zuernte der Entruestete. "Habe ich je
in meiner Kirche auf dich gestichelt oder angespielt? Habe ich dich
nicht in deinem Heidentume voellig werden lassen und dich gedeckt, wie
ich konnte?--Und zum Danke dafuer hast du mir hinterlistig das Pistol
vertauscht, du Gaukler und Taschenspieler!--Warum beschimpfst du meine
grauen Haare, Kind der Bosheit? Weil es dir in deiner eigenen Haut
nicht wohl ist!..."
"La, la", sagte der General.
Es pochte. Die Kirchenaeltesten von Mythikon traten in die Stube, dem
Krachhalder den Vortritt lassend, und stellten sich in einem
Halbkreise den Wertmuellern feierlich fast feindselig gegenueber. Der
General las in den langen gefurchten Gesichtern, dass er mit seinem
laesterlichen Scherze das doerfliche Gefuehl schwer beleidigt hatte.
In der Tat, der Krachhalder, auf den sie alle hinhoerten, war in den
Tiefen seiner Seele empoert. Wenn er sich auch den abenteuerlichen
Vorfall nicht ganz erklaeren konnte, setzte er ihn doch unbedenklich
auf die Rechnung des Generals, welcher, die Schwaeche seines
geistlichen Vetters sich zunutze machend, ein landkundiges Aergernis
habe anstiften wollen. Dem Krachhalder lag die Ehre seiner Gemeinde
am Herzen, und er hatte das Mythikonerkirchlein mit seinem schlanken
Helme und seinen hellen acht Fenstern aufrichtig lieb.--Suess war ihm
nach dem Schweisse der Woche der Kirchgang im reinlichen Sonntagsrocke
und den Schnallenschuhen, suess und nachdenklich Taufe und Bestattung,
die den Gottesdienst und das menschliche Leben begrenzen und einrahmen,
suess das Angeredetwerden als sterblicher Adam und unsterbliche Seele,
suess das Kaempfen mit dem Schlummer, das Uebermanntwerden, das
Wiedererwachen; suess das kraeftige Amen, suess das Zusammenstehen mit den
Aeltesten auf dem Kirchhofe und die Begruessung des Pfarrers, suess das
gemuetliche Heimwandeln.
Man musste ihn sehen, den ehrbaren Greis mit dem scharfgezeichneten
Kopfe, wenn er bei einer Armensteuer, nach der Aufforderung des Herrn
Pfarrers zu schoener bruederlicher Wohltat, das Wasser in den Augen, aus
seinem Geldbeutel ein rotes Hellerchen hervorgrub!--
Kurz, der Krachhalder war ein kirchlicher Mann, und das Herz blutete,
oder richtiger gesagt, die Galle kochte ihm, die Staette seiner
sonntaeglichen Gefuehle verunglimpft und laecherlich gemacht zu sehen.
"Was fuehrt Euch hieher?" redete der General ihn an und fixierte ihn
mit blitzenden Augen so scharf, dass der Krachhalder, der trotz seines
guten Gewissens das nicht wohl ertragen konnte, mit seinen
Augensternen nach rechts und links auswich, bis es ihm endlich gelang
standzuhalten.
"Macht aus einer Muecke keinen Elefanten!" fuhr Wertmueller, ohne die
Antwort zu erwarten, fort. "Nehmt den Schuss als einen verspaeteten aus
der Lese, oder, in Teufels Namen, fuer was Ihr wollt!"
"Die Lese war mittelmaessig", erwiderte der Kirchenaelteste mit
verhaltenem Grimme, "und der Schuss ist ein recht boeser Handel, Ihr
Herren Wertmueller! Ich besitze eine Chronik von Stadt und Land;
darinnen steht verzeichnet, dass vor Jahren einem jungen geistlichen
Herrn, der seiner Braut ueber den heiligen Kelch hin mit verliebten
Augen zuwinkte...", der Krachhalder machte an seinem Halse das Zeichen
eines Schnittes.
"Bloedsinn!. fuhr der General ungeduldig dazwischen.
"Ich habe zu Hause auch eine Ketzergeschichte", sprach der Krachhalder
hartnaeckig fort, "darinnen alle Trennungen und Sekten von Anfang der
Welt an beschrieben und abgebildet sind. Aber kein Adamit oder
Wiedertaeufer hat es je unternommen, bei waehrender Predigt einen Schuss
abzugeben. Das, Herr Pfarrer, ist eine neue Religion."
Dieser seufzte. Das Beispiellose seiner Tat stand ihm deutlich genug
vor Augen.
"Man wird den Schuss in Zuerich untersuchen", drohte jetzt der
unbarmherzige Bauer, "die Synagoge", er wollte sagen Synode, "wird
darueber sitzen. Es tut mir leid fuer Euch, Herr Pfarrer; aber ich
hoffe, sie faellt einen scharfen Spruch. Auch so wird uns der Spott
nicht erspart werden, und das ist das Schlimmste, denn der Spott hat
ein zaehes Leben an unserm See. Wenn ich nur dran denke, wird es mir,
beim Eid, schwarz vor den Augen. Das ganze rechte Ufer da drueben
lacht uns aus. Keinen Schoppen koennen wir mehr trinken in Meilen oder
Kuessnach, ohne dass sie uns verhoehnen in allen Tonarten und Liederweisen.
Der Schuss von Mythikon stirbt nicht am See, so wenig als in Altorf
der Tellenschuss. Er haftet und lebt bei Kind und Kindeskind. Ich
berufe mich auf Euch, Herr General", fuhr er fort, und die alten Augen
leuchteten boshaft, "Ihr wisst, was das heissen will! Wie lange ist es
her, dass Ihr von Rapperswyl abzogt? Damals wurdet Ihr von den
Katholischen besungen, und, glaubt Ihr's? das lebt noch. Ihr seid ein
verruehmter, abfiguerter Mann, aber was hilft das? Erst vorgestern noch
fuhr ein volles Pilgerschiff von Richterswyl her um die Au mit grossem
Laerm und Gesang. Ich stand in meinem Weinberge und denke: die Narren!
--Gegen Euer Haus hin werden sie still. 'Das macht der Respekt', sag
ich zu mir selbst. Ja, da hatt' ich es getroffen. Kaum sind sie
recht unter Euern Fenstern, so bricht das Spottliedlein los. Ihr wisst
das, wo sie den Wertmueller heimschicken zur Muellerin! Gut, dass Ihr
verritten wart! Meineidig geaergert hab ich mich in meinen Reben..."
"Schweigt!" fuhr ihn der General zornig an; denn der alte Schimpf
jener aufgehobenen Belagerung brannte jetzt noch auf seiner Seele, ja
schaerfer als frueher, als waere er mit jener Tinte verzeichnet, die erst
nach Jahren schwarz und unvertilglich hervortritt.
Doch er beherrschte sich und wechselte den Ton. "Etwas Konfusion
gehoert zu jeder Komoedie", sagte er, "aber wenn sie ihren Hoehepunkt
erreicht hat, muss ihr eine rasche Wendung zu gutem Schlusse helfen,
sonst wird sogar die Verruecktheit langweilig.
"Herr Pfarrer und liebe Nachbarn!
"Gestern bis tief in die Nacht habe ich an meinem Testamente
geschrieben und es Schlag zwoelf Uhr unterzeichnet. Ich kenne Euer
warmes Interesse an allem, was ich tue, lasse und nachlasse; erlaubt
denn, dass ich Euch einiges daraus vorlese."
Er zog eine Handschrift aus der Tasche und entfaltete sie. "Den
Eingang, wo ich ein bisschen ueber den Wert der Dinge philosophiere,
uebergeh ich... 'Wenn ich, Rudolf Wertmueller, jemals sterbe...', doch
das gehoert auch nicht hieher...", er blaetterte weiter. "Hier!
'Schloss und Herrschaft Elgg, die ich aus den redlichen Ersparnissen
meines letzten Feldzuges erworben, bleibt als Fideikommiss in meiner
Familie', usw. 'Item--sintemal diese Herrschaft eine treffliche, aber
vernachlaessigte Jagd besitzt und eine mit den Beutestuecken eben jener
Kampagne versehene, aber noch unvollstaendige Waffenkammer, so verfuege
ich, dass nach meinem Ableben mein Vetter, der Herr Pfarrer Wilpert
Wertmueller, benanntes Schloss und Herrschaft bewohne und bewerbe, die
Jagd herstelle, die Waffenkammer vervollkommne und ueberhaupt und in
jeder Weise bis an sein Ende frei darueber schalte und walte, wenn
anders dieser geistliche Herr sich wird entschliessen koennen, sein in
Mythikon habendes Amt niederzulegen und antistite probante an den
Kandidaten Pfannenstiel zu transferieren, welchem Kandidaten ich mein
Patenkind, die Rahel Wertmuellerin, zur Frau gebe, nicht ohne die
vaeterliche Einwilligung jedoch, und mit Hinzufuegung von dreitausend
Zuerchergulden, die ich dem Fraeulein, in meinen Segen eingewickelt,
hinterlasse.'
"Uff", schoepfte der General Atem, "diese Saetze! Eine verteufelte
Sprache, das Deutsche!"--
Der Pfarrer kam sich vor wie ein Schiffbruechiger, den dieselbe Welle
begraebt und ans Land traegt. Seine verhaengnisvolle Leidenschaft
abgerechnet, ein verstaendiger Mann, erkannte er sofort, dass ihm der
General den einzigen und dazu einen hoechst angenehmen Weg oeffne, der
ihn aus Schimpf und Schande fuehren konnte.
Er drueckte seinem Uebel- und Wohltaeter mit einer Art von Ruehrung die
Hand, und dieser schuettelte sie ihm mit den Worten: "Komme ich durch,
so soll es dein Schade nicht sein, Vetter! Ich tue dann, als waer' ich
tot, und installiere dich als mein eigener Testamentsvollstrecker in
Elgg!"
Die Mythikoner aber lauschten gleichsam mit allen Gliedmassen, denn es
schwante ihnen, dass jetzt sie an die Reihe kaemen, beschenkt zu werden.
"Ich vermache denen Mythikern", fuhr der General fort und sein
Bleistift flog ueber das Papier in seiner Linken, denn er skizzierte
den durch die Eingebung des Augenblickes entstandenen Paragraphen,
"denen Mythikern vermache ich jene in ihre Gemeindewaldung am Wolfgang
eingekeilte, zu zwei Dritteln mit Nadelholz, zu einem Drittel mit
Buchen bestandene Spitze meines Besitztums, in der Weise, dass die
beiden Marksteine des Gemeindegutes zu meinen Ungunsten durch eine
gerade Linie verbunden werden.--
"Heute noch--auf Ehrenwort und vor Zeugen--erhaelt dieser Zusatz mit
meiner Unterschrift seine Endgueltigkeit," erklaerte der General, "in
der Meinung jedoch und unter der Bedingung, dass der heute, wie eine
unverbuergte Sage geht, in der Kirche von Mythikon abgefeuerte Schuss zu
den ungeschehenen Dingen verstossen und, soweit er Realitaet haette, mit
einem ewigen Schweigen bedeckt werde, welches sich die Mythiker
eidlich verpflichten, weder in diesem Leben zu brechen noch jenseits
des Grabes am juengsten Tage und letzten Gerichte."
Der Krachhalder war waehrend dieser Mitteilung aeusserlich ruhig
geblieben, nur die Nasenfluegel in dem uebrigens gelassenen Gesicht
zitterten ein wenig, und seine Fingerspitzen hatten sich um ein
kleines einwaerts gebogen, als wolle er das Geschenk festhalten. "Herr
General, so wahr mir Gott helfe!" rief er jetzt und hob die Hand zum
Schwure; Wertmueller aber schloss:
"Widrigenfalls und bei gebrochenem Schweigen ich dies Vermaechtnis bei
meiner Rueckkehr aus dem bevorstehenden Feldzuge umstossen und vertilgen
werde. Waere mir dies nicht moeglich wegen eingetretenen Sterbefalles,
so schwoere ich, mich den Mythikern als Geist zu zeigen und zur Strafe
ihres Eidbruches zwischen zwoelf und eins ihre Dorfgasse
abzupatrouillieren.--Werdet Ihr die Bedingung erfuellen koennen,
Krachhalder?"
"Unwitzig muessten wir sein", beteuerte dieser, "wenn wir nicht das Maul
hielten!"
"Und Eure Weiber?"
"Dafuer lasst uns Mythikoner sorgen", sagte der alte Bauer ruhig und
machte eine bedeutungsvolle Handbewegung.
"Aber, Krachhalder, stellt Euch vor, ich sei aus dem Reiche zurueck",
sagte der General freundlich, "Wir sitzen unter meiner Veranda, ich
lege Euch so wie jetzt die Hand auf die Schulter, stosse mit Euch an
und wir plaudern allerlei. Dann sag ich so im Vorbeigehen: Jener
Schuss hat gut gekracht!..."
"Welcher Schuss?--Das luegt Ihr, Herr General!" rief der Kirchenaelteste
mit einer sittlichen Entruestung, die komischerweise durchaus nicht
gespielt war, sondern das Gepraege vollkommener Aufrichtigkeit trug.
Wertmueller laechelte zufrieden.
"Jetzt heim, Ihr Maenner!" mahnte der Alte. "Damit kein Unglueck
geschehe, muss in einer Viertelstunde das ganze Dorf wissen, dass der
Schuss... will sagen, dass wir heute eine gute Predigt gehoert haben."
Er drueckte dem Pfarrer die Hand. "Und Euch, Herr General", sagte er,
"reiche ich sie als Eidgenosse."
"Verzicht einen Augenblick", befahl Wertmueller, "und seid Zeugen, wie
ein gluecklicher Vater zwei Haende zusammenlegt. Der Vikar kann nicht
ferne sein. Trogen mich nicht die Augen, so sah ich ihn von weitem
ueber eine Hecke voltigieren mit einem Salto, den ich ihm nie zugetraut
haette."
"Rahel, mein Kind, schnell!" rief der Pfarrer durch die geoeffnete Tuere
ins Haus hinein.
"Gleich, Vater!" scholl es zurueck; aber nicht aus dem Innern der
Wohnung, sondern von aussen durch das Weinlaub des Bogenganges herauf.
Rasch blickte der General aus dem Fenster und gewahrte durch das
Blattgitter seine Schuetzlinge in einer Gruppe, die er sich durchaus
nicht erklaeren konnte.
"Hervor, Hirt und Hirtin, aus Arkadiens Lauben!" rief der alte Soldat.
Da schritt Rahel unmutig erroetend unter dem schuetzenden Blaetterdache
hervor und betrat mit Pfannenstiel, den sie mitzog, ein kleines von
Edelobstbaeumen umzogenes Rondell, das hart vor den Fenstern der
Studierstube lag, aus denen der General mit den neugierigen
Kirchenvorstehern herunterschaute.
Das Fraeulein hielt eine Nadel in der gelenken Hand und befestigte vor
aller Augen einen herabhaengenden Knopf am Rocke des Kandidaten. Sie
liess sich in der Arbeit nicht stoeren. Erst nachdem sie den Faden
gekappt hatte, heftete sie die braunen Augen, in denen Ernst und
Uebermut kaempften, fest auf ihren wunderlichen Schutzgeist und rief ihm
zu:
"Pate, Ihr habt mir in kurzer Zeit den Herrn Vikar fast zerstoert und
zugrunde gerichtet. Wohl musst' ich ihn wieder in Ordnung bringen,
damit er vor Gott und Menschen erscheinen koenne! Was aber habt Ihr
mit dem obersten Knopfe angefangen, der hier mangelte und den ich
durch einen des Vaters ersetzen musste?--Schafft ihn zur Stelle, oder..."
Sie erhob die Nadel mit einer so trotzigen und blutduerstigen Gebaerde
gegen den General, dass die Maenner alle in schallendes Gelaechter
ausbrachen.
Nach wenigen Augenblicken traten Pfannenstiel und Rahel vor den
Pfarrer, der sie verlobte und segnete.
Als aber die vergnuegten Kirchenaeltesten sich entfernt hatten, gab der
wuerdige Herr seinem kuenftigen Schwiegersohne noch eine kurze Ermahnung:
"Was war das, Herr Vikar? An der Kirche vorueberschluepfen, abgerissene
Knoepfe!... Wo bleibt da die Wuerde, das Amt?"
Dann wandte er sich gegen den General: "Ein Paerchen!" sagte er, "nun
das andere! Gebt her, Vetter!"
Und er langte ihm ohne Umstaende in die Rocktasche, hob daraus das
hartspielende Pistol, zog dann das in der Kirche entladene
leichtspielende aus der seinigen und hielt sie vergleichend zusammen.
So begab es sich, dass der Schuss von Mythikon totgeschwiegen und, im
Widerspiel mit dem Tellenschusse, aus einer Realitaet zu einer blassen
wesenlosen Sage verfluechtigt wurde, die noch heute als ein heimatloses
Gespenst an den schoenen Ufern unsres Sees herumschwebt.
Aber auch wenn die Mythikoner geplaudert haetten, der General konnte
sein Testament nicht mehr entkraeften, denn er hatte die Eichen der Au
zum letzten Male gesehen.
Sein Ende war rasch, dunkel, unheimlich. Eines Abends beim
Lichteranzuenden ritt er mit seinem Gefolge in ein deutsches Staedtchen
ein, stieg im einzigen schlechten Wirtshause ab, berief den Schoeffen
zu sich und ordnete Requisitionen an. Ein paar Stunden spaeter wurde
er ploetzlich von einem Krankheitsanfalle niedergeworfen und Schlag
Mitternacht hauchte er seine seltsame Seele aus.
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Schuss von der Kanzel, von
Conrad Ferdinand Meyer.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER SCHUSS VON DER KANZEL ***
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