Download PDF
ads:
Der Freigeist
Gotthold Ephraim Lessing
The Project Gutenberg EBook of Der Freigeist, by Gotthold Ephraim Lessing
Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
copyright laws for your country before downloading or redistributing
this or any other Project Gutenberg eBook.
This header should be the first thing seen when viewing this Project
Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
header without written permission.
Please read the "legal small print," and other information about the
eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
important information about your specific rights and restrictions in
how the file may be used. You can also find out about how to make a
donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
Title: Der Freigeist
Author: Gotthold Ephraim Lessing
Release Date: November, 2005 [EBook #9325]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on September 22, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER FREIGEIST ***
Produced by Delphine Letttau
This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
ads:
Livros Grátis
http://www.livrosgratis.com.br
Milhares de livros grátis para download.
Der Freigeist
Gotthold Ephraim Lessing
Ein Lustspiel in fuenf Aufzuegen
Verfertigt im Jahre 1749
Personen:
Adrast, der Freigeist
Theophan, ein junger Geistlicher
Lisidor
Juliane und Henriette, Toechter des Lisidor
Frau Philane
Araspe, Theophans Vetter
Johann
Martin
Lisette
Ein Wechsler
Die Szene ist ein Saal.
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Adrast. Theophan.
Theophan. Werden Sie es uebelnehmen, Adrast, wenn ich mich endlich
ueber den stolzen Kaltsinn beklage, den Sie nicht aufhoeren, gegen mich
zu aeussern? Schon seit Monaten sind wir in einem Hause, und warten auf
einerlei Glueck. Zwei liebenswuerdige Schwestern sollen es uns machen.
Bedenken Sie doch, Adrast! koennen wir noch dringender eingeladen
werden, uns zu lieben, und eine Freundschaft unter uns zu stiften, wie
sie unter Bruedern sein sollte? Wie oft bin ich nicht darauf
bestanden?--
Adrast. Ebenso oft haben Sie gesehen, dass ich mich nicht einlassen
will. Freundschaft? Freundschaft unter uns?--Wissen Sie, muss ich
fragen, was Freundschaft ist?
Theophan. Ob ich es weiss?
Adrast. Alle Fragen bestuerzen, deren wir nicht gewaertig sind. Gut,
Sie wissen es. Aber meine Art zu denken, und die Ihrige, diese kennen
Sie doch auch?
ads:
Theophan. Ich verstehe Sie. Also sollen wir wohl Feinde sein?
Adrast. Sie haben mich schoen verstanden! Feinde? Ist denn kein
Mittel? Muss denn der Mensch eines von beiden, hassen, oder lieben?
Gleichgueltig wollen wir einander bleiben. Und ich weiss, eigentlich
wuenschen Sie dieses selbst. Lernen Sie wenigstens nur die
Aufrichtigkeit von mir.
Theophan. Ich bin bereit. Werden Sie mich aber diese Tugend in aller
ihrer Lauterkeit lehren?
Adrast. Erst fragen Sie sich selbst, ob sie Ihnen in aller ihrer
Lauterkeit gefallen wuerde?
Theophan. Gewiss. Und Ihnen zu zeigen, ob Ihr kuenftiger Schueler
einige Faehigkeit dazu hat, wollen Sie mich wohl einen Versuch machen
lassen?
Adrast. Recht gern.
Theophan. Wo nur mein Versuch nicht ein Meisterstueck wird. Hoeren Sie
also, Adrast--Aber erlauben Sie mir, dass ich mit einer Schmeichelei
gegen mich selbst anfange. Ich habe von jeher einigen Wert auf meine
Freundschaft gelegt; ich bin vorsichtig, ich bin karg damit gewesen.
Sie sind der erste, dem ich sie angeboten habe; und Sie sind der
einzige, dem ich sie aufdringen will.--Umsonst sagt mir Ihr
veraechtlicher Blick, dass es mir nicht gelingen solle. Gewiss, es soll
mir gelingen. Ihr eigen Herz ist mir Buerge; Ihr eigen Herz, Adrast,
welches unendlich besser ist, als es Ihr Witz, der sich in gewisse
gross scheinende Meinungen verliebt hat, vielleicht wuenschet.
Adrast. Ich hasse die Lobsprueche, Theophan, und besonders die, welche
meinem Herzen auf Unkosten meines Verstandes gegeben werden. Ich weiss
eigentlich nicht, was das fuer Schwachheiten sein muessen (Schwachheiten
aber muessen es sein), derentwegen Ihnen mein Herz so wohlgefaellt; das
aber weiss ich, dass ich nicht eher ruhen werde, als bis ich sie, durch
Huelfe meines Verstandes, daraus verdrungen habe.
Theophan. Ich habe die Probe meiner Aufrichtigkeit kaum angefangen,
und Ihre Empfindlichkeit ist schon rege. Ich werde nicht weit kommen.
Adrast. So weit als Sie wollen. Fahren Sie nur fort.
Theophan. Wirklich?--Ihr Herz also ist das beste, das man finden kann.
Es ist zu gut, Ihrem Geiste zu dienen, den das Neue, das Besondere
geblendet hat, den ein Anschein von Gruendlichkeit zu glaenzenden
Irrtuemern dahinreisst, und der, aus Begierde bemerkt zu werden, Sie mit
aller Gewalt zu etwas machen will, was nur Feinde der Tugend, was nur
Boesewichter sein sollten. Nennen Sie es, wie Sie wollen: Freidenker,
starker Geist, Deist; ja, wenn Sie ehrwuerdige Benennungen missbrauchen
wollen, nennen Sie es Philosoph: es ist ein Ungeheuer, es ist die
Schande der Menschheit. Und Sie, Adrast, den die Natur zu einer
Zierde derselben bestimmte, der nur seinen eignen Empfindungen folgen
duerfte, um es zu sein; Sie, mit einer solchen Anlage zu allem, was
edel und gross ist, Sie entehren sich vorsaetzlich. Sie stuerzen sich
mit Bedacht aus Ihrer Hoehe herab, bei dem Poebel der Geister einen Ruhm
zu erlangen, fuer den ich lieber aller Welt Schande waehlen wollte.
Adrast. Sie vergessen sich, Theophan, und wenn ich Sie nicht
unterbreche, so glauben Sie endlich gar, dass Sie sich an dem Platze
befinden, auf welchem Ihresgleichen ganze Stunden ungestoert schwatzen
duerfen.
Theophan. Nein, Adrast, Sie unterbrechen keinen ueberlaestigen Prediger;
besinnen Sie sich nur: Sie unterbrechen bloss einen Freund,--wider
Ihren Willen nenne ich mich so,--der eine Probe seiner Freimuetigkeit
ablegen sollte.
Adrast. Und eine Probe seiner Schmeichelei abgeleget hat;--aber einer
verdeckten Schmeichelei, einer Schmeichelei, die eine gewisse
Bitterkeit annimmt, um destoweniger Schmeichelei zu scheinen.--Sie
werden machen, dass ich Sie endlich auch verachte.--Wenn Sie die
Freimuetigkeit kennten, so wuerden Sie mir alles unter die Augen gesagt
haben, was Sie in Ihrem Herzen von mir denken. Ihr Mund wuerde mir
keine gute Seite geliehen haben, die mir Ihre innere Ueberzeugung nicht
zugestehet. Sie wuerden mich geradeweg einen Ruchlosen gescholten
haben, der sich der Religion nur deswegen zu entziehen suche, damit er
seinen Luesten desto sicherer nachhaengen koenne. Um sich pathetischer
auszudruecken, wuerden Sie mich einen Hoellenbrand, einen eingefleischten
Teufel genannt haben. Sie wuerden keine Verwuenschungen gespart, kurz,
Sie wuerden sich so erwiesen haben, wie sich ein Theolog gegen die
Veraechter seines Aberglaubens, und also auch seines Ansehens, erweisen
muss.
Theophan. Ich erstaune. Was fuer Begriffe!
Adrast. Begriffe, die ich von tausend Beispielen abgesondert habe.--
Doch wir kommen zu weit. Ich weiss, was ich weiss, und habe laengst
gelernt, die Larve von dem Gesichte zu unterscheiden. Es ist eine
Karnevalserfahrung: je schoener die erste, desto haesslicher das andere.
Theophan. Sie wollen damit sagen--
Adrast. Ich will nichts damit sagen, als dass ich noch zu wenig Grund
habe, die Allgemeinheit meines Urteils von den Gliedern Ihres Standes,
um Ihretwillen einzuschraenken. Ich habe mich nach den Ausnahmen zu
lange vergebens umgesehen, als dass ich hoffen koennte, die erste an
Ihnen zu finden. Ich muesste Sie laenger, ich muesste Sie unter
verschiedenen Umstaenden gekannt haben, wenn--
Theophan. Wenn Sie meinem Gesichte die Gerechtigkeit widerfahren
lassen sollten, es fuer keine Larve zu halten. Wohl! Aber wie koennen
Sie kuerzer dazu gelangen, als wenn Sie mich Ihres naehern Umganges
wuerdigen? Machen Sie mich zu Ihrem Freunde, stellen Sie mich auf die
Probe--
Adrast. Sachte! die Probe kaeme zu spaet, wenn ich Sie bereits zu
meinem Freunde angenommen haette. Ich habe geglaubt, sie muesse
vorhergehen.
Theophan. Es gibt Grade in der Freundschaft, Adrast; und ich verlange
den vertrautesten noch nicht.
Adrast. Kurz, auch zu dem niedrigsten koennen Sie nicht faehig sein.
Theophan. Ich kann nicht dazu faehig sein? Wo liegt die Unmoeglichkeit?
Adrast. Kennen Sie, Theophan, wohl ein Buch, welches das Buch aller
Buecher sein soll; welches alle unsere Pflichten enthalten, welches uns
zu allen Tugenden die sichersten Vorschriften erteilen soll, und
welches der Freundschaft gleichwohl mit keinem Worte gedenkt? Kennen
Sie dieses Buch?
Theophan. Ich sehe Sie kommen, Adrast. Welchem Collin haben Sie
diesen armseligen Einwurf abgeborgt?
Adrast. Abgeborgt, oder selbst erfunden: es ist gleich viel. Es muss
ein kleiner Geist sein, der sich Wahrheiten zu borgen schaemt.
Theophan. Wahrheiten!--Sind Ihre uebrigen Wahrheiten von gleicher
Guete? Koennen Sie mich einen Augenblick anhoeren?
Adrast. Wieder predigen?
Theophan. Zwingen Sie mich nicht darzu? Oder wollen Sie, dass man
Ihre seichten Spoettereien unbeantwortet lassen soll, damit es scheine,
als koenne man nicht darauf antworten?
Adrast. Und was koennen Sie denn darauf antworten?
Theophan. Dieses. Sagen Sie mir, ist die Liebe unter der
Freundschaft, oder die Freundschaft unter der Liebe begriffen?
Notwendig das letztere. Derjenige also, der die Liebe in ihrem
allerweitesten Umfange gebietet, gebietet der nicht auch die
Freundschaft? Ich sollte es glauben; und es ist so wenig wahr, dass
unser Gesetzgeber die Freundschaft seines Gebotes nicht wuerdig
geschaetzt habe, dass er vielmehr seine Lehre zu einer Freundschaft
gegen die ganze Welt gemacht hat.
Adrast. Sie buerden ihm Ungereimtheiten auf. Freundschaft gegen die
ganze Welt? Was ist das? Mein Freund muss kein Freund der ganzen Welt
sein.
Theophan. Und also ist Ihnen wohl nichts Freundschaft als jene
Uebereinstimmung der Temperamente, jene angeborne Harmonie der Gemueter,
jener heimliche Zug gegeneinander, jene unsichtbare Kette, die zwei
einerlei denkende, einerlei wollende Seelen verknuepfet?
Adrast. Ja, nur dieses ist mir Freundschaft.
Theophan. Nur dieses? Sie widersprechen sich also selbst.
Adrast. Oh! dass ihr Leute doch ueberall Widersprueche findet, ausser
nur da nicht, wo sie wirklich sind!
Theophan. Ueberlegen Sie es. Wenn diese, ohne Zweifel nicht
willkuerliche, Uebereinstimmung der Seelen, diese in uns liegende
Harmonie mit einem andern einzelnen Wesen allein die wahre
Freundschaft ausmacht: wie koennen Sie verlangen, dass sie der
Gegenstand eines Gesetzes sein soll? Wo sie ist, darf sie nicht
geboten werden; und wo sie nicht ist, da wird sie umsonst geboten.
Und wie koennen Sie es unserm Lehrer zur Last legen, dass er die
Freundschaft in diesem Verstande uebergangen hat? Er hat uns eine
edlere Freundschaft befohlen, welche jenes blinden Hanges, den auch
die unvernuenftigen Tiere nicht missen, entbehren kann: eine
Freundschaft, die sich nach erkannten Vollkommenheiten mitteilet;
welche sich nicht von der Natur lenken laesst, sondern welche die Natur
selbst lenket.
Adrast. O Geschwaetze!
Theophan. Ich muss Ihnen dieses sagen, Adrast, ob Sie es gleich
ebensowohl wissen koennten, als ich; und auch wissen sollten. Was
wuerden Sie selbst von mir denken, wenn ich den Verdacht nicht mit
aller Gewalt von mir abzulenken suchte, als mache mich die Religion zu
einem Veraechter der Freundschaft, die Religion, die Sie nur allzugern
aus einem wichtigen Grunde verachten moechten?--Sehen Sie mich nicht so
geringschaetzig an; wenden Sie sich nicht auf eine so beleidigende Art
von mir--
Adrast (beiseite). Das Pfaffengeschmeiss!--
Theophan. Ich sehe, Sie gebrauchen Zeit, den ersten Widerwillen zu
unterdruecken, den eine widerlegte Lieblingsmeinung natuerlicherweise
erregt.--Ich will Sie verlassen. Ich erfuhr itzt ohnedem, dass einer
von meinen Anverwandten mit der Post angelangt sei. Ich gehe ihm
entgegen, und werde die Ehre haben Ihnen denselben vorzustellen.
Zweiter Auftritt
Adrast.--Dass ich ihn nimmermehr wiedersehen duerfte! Welcher von euch
Schwarzroecken waere auch kein Heuchler?--Priestern habe ich mein
Unglueck zu danken. Sie haben mich gedrueckt, verfolgt, so nahe sie
auch das Blut mit mir verbunden hatte. Hassen will ich dich, Theophan
und alle deines Ordens! Muss ich denn auch hier in die Verwandtschaft
der Geistlichkeit geraten?--Er, dieser Schleicher, dieser bloede
Verleugner seines Verstandes, soll mein Schwager werden?--Und mein
Schwager durch Julianen?--Durch Julianen?--Welch grausames Geschick
verfolgt mich doch ueberall! Ein alter Freund meines verstorbenen
Vaters traegt mir eine von seinen Toechtern an. Ich eile herbei, und
muss zu spaet kommen, und muss die, welche auf den ersten Anblick mein
ganzes Herz hatte, die, mit der ich allein gluecklich leben konnte,
schon versprochen finden. Ach Juliane! So warest du mir nicht
bestimmt? du, die ich liebe? Und so soll ich mich mit einer
Schwester begnuegen, die ich nicht liebe?--
Dritter Auftritt
Lisidor. Adrast.
Lisidor. Da haben wir's! Schon wieder allein, Adrast? Sagen Sie mir,
muessen die Philosophen so zu Winkel kriechen? Ich wollte doch lieber
sonst was sein--Und, wenn ich recht gehoert habe, so sprachen Sie ja
wohl gar mit sich selber? Nu, nu! es ist schon wahr: ihr Herren
Grillenfaenger koennt freilich mit niemand Kluegerm reden, als mit euch
selber. Aber gleichwohl ist unsereiner auch kein Katzenkopf. Ich
schwatze eins mit, es mag sein, von was es will.
Adrast. Verzeihen Sie--
Lisidor. Je, mit Seinem Verzeihen! Er hat mir ja noch nichts zuwider
getan--Ich habe gern, wenn die Leute lustig sind. Und ich will kein
ehrlicher Mann sein, wenn ich mir nicht eine rechte Freude darauf
eingebildet habe, den Wildfang, wie sie Ihn sonst zu Hause nannten, zu
meinem Schwiegersohne zu haben. Freilich ist Er seitdem gross
gewachsen; Er ist auf Reisen gewesen; Er hat Land und Leute gesehen.
Aber, dass Er so gar sehr veraendert wuerde wiedergekommen sein, das
haette ich mir nicht traeumen lassen. Da geht Er nun, und spintisiert
von dem, was ist--und was nicht ist,--von dem, was sein koennte, und
wenn es sein koennte, warum es wieder nicht sein koennte;--von der
Notwendigkeit, der halben und ganzen, der notwendigen Notwendigkeit,
und der nicht notwendigen Notwendigkeit;--von den A--A--wie heissen die
kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herumfliegen? von
den A--A--Sage doch, Adrast--
Adrast. Von den Atomis, wollen Sie sagen.
Lisidor. Ja, ja, von den Atomis, von den Atomis. So heissen sie, weil
man ihrer ein ganz Tausend mit einem Atem hinunterschlucken kann.
Adrast. Ha! ha! ha!
Lisidor. Er lacht, Adrast? Ja, mein gutes Buerschchen, du musst nicht
glauben, dass ich von den Sachen ganz und gar nichts verstehe. Ich
habe euch, Ihn und den Theophan, ja oft genug darueber zanken hoeren.
Ich behalte mir das Beste. Wenn ihr euch in den Haaren liegt, so
fische ich im trueben. Da faellt manche Brocke ab, die keiner von euch
brauchen kann, und die ist fuer mich. Ihr duerft deswegen nicht
neidisch auf mich sein; denn ich bereichere mich nicht von einem
allein. Das nehme ich von dir, mein lieber Adrast; und das vom
Theophan; und aus allen dem mache ich mir hernach ein Ganzes--
Adrast. Das vortrefflich ungeheuer sein muss.
Lisidor. Wieso?
Adrast. Sie verbinden Tag und Nacht, wenn Sie meine mit Theophans
Gedanken verbinden.
Lisidor. Je nu! so wird eine angenehme Daemmerung daraus.--Und
ueberhaupt ist es nicht einmal wahr, dass ihr so sehr voneinander
unterschieden waeret. Einbildungen! Einbildungen! Wie vielmal habe
ich nicht allen beiden zugleich recht gegeben? Ich bin es nur
allzuwohl ueberzeugt, dass alle ehrliche Leute einerlei glauben.
Adrast. Sollten! sollten! das ist wahr.
Lisidor. Nun da sehe man! was ist nun das wieder fuer ein
Unterscheid? Glauben, oder glauben sollen: es koemmt auf eines heraus.
Wer kann alle Worte so abzirkeln?--Und ich wette was, wenn ihr nur
erst werdet Schwaeger sein, kein Ei wird dem andern aehnlicher sein
koennen.--
Adrast. Als ich dem Theophan, und er mir?
Lisidor. Gewiss. Noch wisst ihr nicht, was das heisst, miteinander
verwandt sein. Der Verwandtschaft wegen wird der einen Daumen breit,
und der einen Daumen breit nachgeben. Und einen Daumen breit, und
wieder einen Daumen breit, das macht zwei Daumen breit; und zwei
Daumen breit--ich bin ein Schelm, wenn ihr die auseinander seid.--
Nichts aber koennte mich in der Welt wohl so vergnuegen, als dass meine
Toechter so vortrefflich fuer euch passen. Die Juliane ist eine geborne
Priesterfrau; und Henriette--in ganz Deutschland muss kein Maedchen zu
finden sein, das sich fuer Ihn, Adrast, besser schickte. Huebsch,
munter, fix; sie singt, sie tanzt, sie spielt; kurz, sie ist meine
leibhafte Tochter. Juliane dargegen ist die liebe, heilige Einfalt.
Adrast. Juliane? Sagen Sie das nicht. Ihre Vollkommenheiten fallen
vielleicht nur weniger in die Augen. Ihre Schoenheit blendet nicht;
aber sie geht ans Herz. Man laesst sich gern von ihren stillen Reizen
fesseln, und man biegt sich mit Bedacht in ihr Joch, das uns andere in
einer froehlichen Unbesonnenheit ueberwerfen muessen. Sie redet wenig;
aber auch ihr geringstes Wort hat Vernunft.
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Es ist wahr: Henriette weiss sich frei und witzig auszudruecken.
Wuerde es aber Juliane nicht auch koennen, wenn sie nur wollte, und
wenn sie nicht Wahrheit und Empfindung jenem prahlenden Schimmer
vorzoege? Alle Tugenden scheinen sich in ihrer Seele verbunden zu
haben--
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Es sei ferne, dass ich Henrietten irgend eine Tugend
absprechen sollte. Aber es gibt ein gewisses Aeusseres, welches sie
schwerlich vermuten liesse, wenn man nicht andre Gruende fuer sie haette.
Julianens gesetzte Anmut, ihre ungezwungene Bescheidenheit, ihre
ruhige Freude, ihre--
Lisidor. Und Henriettens?
Adrast. Henriettens wilde Annehmlichkeiten, ihre wohl lassende
Dreustigkeit, ihre froehlichen Entzueckungen stechen mit den gruendlichen
Eigenschaften ihrer Schwester vortrefflich ab. Aber Juliane gewinnt
dabei--
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Verlieret dabei nichts. Nur dass Juliane--
Lisidor. Ho! ho! Herr Adrast, ich will doch nicht hoffen, dass Sie
auch an der Narrheit krank liegen, welche die Leute nur das fuer gut
und schoen erkennen laesst, was sie nicht bekommen koennen. Wer Henker
hat Sie denn gedungen, Julianen zu loben?
Adrast. Fallen Sie auf nichts Widriges. Ich habe bloss zeigen wollen,
dass mich die Liebe fuer meine Henriette gegen die Vorzuege ihrer
Schwester nicht blind mache.
Lisidor. Nu, nu! wenn das ist, so mag es hingehen. Sie ist auch
gewiss ein gutes Kind, die Juliane. Sie ist der Augapfel ihrer
Grossmutter. Und das gute, alte Weib hat tausendmal gesagt, die Freude
ueber ihr Julchen erhielte sie noch am Leben.
Adrast. Ach!
Lisidor. Das war ja gar geseufzt. Was Geier ficht Ihn an? Pfui!
Ein junger gesunder Mann, der alle Viertelstunden eine Frau nehmen
will, wird seufzen? Spare Er Sein Seufzen, bis Er die Frau hat!
Vierter Auftritt
Johann. Adrast. Lisidor.
Johann. Pst! Pst!
Lisidor. Nu? Nu?
Johann. Pst! Pst!
Adrast. Was gibt's?
Johann. Pst! Pst!
Lisidor. Pst! Pst! Mosjeu Johann. Kann der Schurke nicht naeher
kommen?
Johann. Pst, Herr Adrast! Ein Wort im Vertrauen.
Adrast. So komm her!
Johann. Im Vertrauen, Herr Adrast.
Lisidor (welcher auf ihn zu geht). Nun? was willst du?
Johann (geht auf die andre Seite). Pst! Herr Adrast, nur ein
Woertchen, ganz im Vertrauen!
Adrast. So pack dich her, und rede.
Lisidor. Rede! rede! Was kann der Schwiegersohn haben, das der
Schwiegervater nicht hoeren duerfte?
Johann. Herr Adrast! (Zieht ihn an dem Aermel beiseite.)
Lisidor. Du Spitzbube, willst mich mit aller Gewalt vom Platze haben.
Rede nur, rede! ich gehe schon.
Johann. Oh! Sie sind gar zu hoeflich. Wenn Sie einen kleinen
Augenblick dort in die Ecke treten wollen: so koennen Sie immer da
bleiben.
Adrast. Bleiben Sie doch! ich bitte.
Lisidor. Nu! wenn ihr meint--(indem er auf sie zu koemmt).
Adrast. Nun sage, was willst du?
Johann (welcher sieht, dass ihm Lisidor wieder nahe steht). Nichts.
Adrast. Nichts?
Johann. Nichts, gar nichts.
Lisidor. Das Woertchen im Vertrauen, hast du es schon wieder vergessen?
Johann. Potz Stern! sind Sie da? Ich denke, Sie stehen dort im
Winkel.
Lisidor. Narre, der Winkel ist naeher gerueckt.
Johann. Daran hat er sehr unrecht getan.
Adrast. Halte mich nicht laenger auf, und rede.
Johann. Herr Lisidor, mein Herr wird boese.
Adrast. Ich habe vor ihm nichts Geheimes: rede!
Johann. So habe ich auch nichts fuer Sie.
Lisidor. Galgendieb, ich muss dir nur deinen Willen tun.--Ich gehe auf
meine Stube, Adrast: wenn Sie zu mir kommen wollen--
Adrast. Ich werde Ihnen gleich folgen.
Fuenfter Auftritt
Johann. Adrast,
Johann. Ist er fort?
Adrast. Was hast du mir denn zu sagen? Ich wette, es ist eine
Kleinigkeit; und der Alte wird sich einbilden, dass es Halssachen sind.
Johann. Eine Kleinigkeit? Mit einem Worte, Herr Adrast, wir sind
verloren. Und Sie konnten verlangen, dass ich es in Gegenwart des
Lisidors sagen sollte?
Adrast. Verloren? Und wie denn? Erklaere dich.
Johann. Was ist da zu erklaeren? Kurz, wir sind verloren.--Aber so
unvorsichtig haette ich mir Sie doch nimmermehr eingebildet, dass Sie es
sogar Ihren kuenftigen Schwiegervater wollten hoeren lassen--
Adrast. So lass mich es nur hoeren--
Johann. Wahrhaftig, er haette die Lust auf einmal verlieren koennen, es
jemals zu werden.--So ein Streich!
Adrast. Nun? was denn fuer ein Streich? Wie lange wirst du mich noch
martern?
Johann. Ein ganz verdammter Streich.--Ja, ja! wenn der Bediente
nicht oft behutsamer waere, als der Herr: es wuerden artige Dinge
herauskommen.
Adrast. Nichtswuerdiger Schlingel--
Johann. Ho, ho! ist das mein Dank? Wenn ich es doch nur gesagt
haette, wie der Alte da war. Wir haetten wollen sehen! wir haetten
wollen sehen--
Adrast. Dass dich dieser und jener--
Johann. Ha, ha! nach dem diesen und jenen wird nicht mehr gefragt.
Ich weiss doch wohl, dass Sie den Teufel meinen, und dass keiner ist.
Ich muesste wenig von Ihnen gelernt haben, wenn ich nicht der ganzen
Hoelle ein Schnippchen schlagen wollte.
Adrast. Ich glaube, du spielst den Freigeist? Ein ehrlicher Mann
moechte einen Ekel davor bekommen, wenn er sieht, dass es ein jeder
Lumpenhund sein will.--Aber ich verbiete dir nunmehr, mir ein Wort zu
sagen. Ich weiss doch, dass es nichts ist.
Johann. Ich sollte es Ihnen nicht sagen? Ich sollte Sie so in Ihr
Unglueck rennen lassen? Das wollen wir sehen.
Adrast. Gehe mir aus den Augen!
Johann. Nur Geduld!--Sie erinnern sich doch wohl so ohngefaehr, wie
Sie Ihre Sachen zu Hause gelassen haben?
Adrast. Ich mag nichts wissen.
Johann. Ich sage Ihnen ja auch noch nichts.--Sie erinnern sich doch
wohl auch der Wechsel, die Sie an den Herrn Araspe vor Jahr und Tag
ausstellten?
Adrast. Schweig, ich mag nichts davon hoeren.
Johann. Ohne Zweifel, weil Sie sie vergessen wollen? Wenn sie nur
dadurch bezahlt wuerden.--Aber wissen Sie denn auch, dass sie verfallen
sind?
Adrast. Ich weiss, dass du dich nicht darum zu bekuemmern hast.
Johann. Auch das verbeisse ich.--Sie denken freilich: Weit davon, ist
gut fuer den Schuss; und Herr Araspe hat eben nicht noetig, so sehr
dahinterher zu sein. Aber, was meinen Sie, wenn ich den Herrn Araspe--
Adrast. Nun was?
Johann. Jetzt den Augenblick vom Postwagen haette steigen sehen?
Adrast. Was sagst du? Ich erstaune--
Johann. Das tat ich auch, als ich ihn sah.
Adrast. Du, Araspen gesehen? Araspen hier?
Johann. Mein Herr, ich habe mich auf den Fuss gesetzt, dass ich Ihre
und meine Schuldner gleich auf den ersten Blick erkenne; ja ich rieche
sie schon, wenn sie auch noch hundert Schritt von mir sind.
Adrast (nachdem er nachgedacht). Ich bin verloren!
Johann. Das war ja mein erstes Wort.
Adrast. Was ist anzufangen?
Johann. Das beste wird sein: wir packen auf, und ziehen weiter.
Adrast. Das ist unmoeglich.
Johann. Nun so machen Sie sich gefasst, zu bezahlen.
Adrast. Das kann ich nicht; die Summe ist zu gross.
Johann. Oh! ich sagte auch nur so.--Sie sinnen?
Adrast. Doch wer weiss auch, ob er ausdruecklich meinetwegen
hergekommen ist. Er kann andre Geschaefte haben.
Johann. Je nu! so wird er das Geschaefte mit Ihnen so beiher treiben.
Wir sind doch immer geklatscht.
Adrast. Du hast recht.--Ich moechte rasend werden, wenn ich an alle
die Streiche gedenke, die mir ein ungerechtes Schicksal zu spielen
nicht aufhoert.--Doch wider wen murre ich? Wider ein taubes Ohngefaehr?
Wider einen blinden Zufall, der uns ohne Absicht und ohne Vorsatz
schwerfaellt? Ha! nichtswuerdiges Leben!--
Johann. Oh! lassen Sie mir das Leben ungeschimpft. So einer
Kleinigkeit wegen sich mit ihm zu ueberwerfen, das waere was Gescheutes!
Adrast. So rate mir doch, wenn du es fuer eine Kleinigkeit ansiehst.
Johann. Faellt Ihnen im Ernste kein Mittel ein?--Bald werde ich Sie
gar nicht mehr fuer den grossen Geist halten, fuer den ich Sie doch immer
gehalten habe. Fortgehen wollen Sie nicht; bezahlen koennen Sie nicht:
was ist denn noch uebrig?
Adrast. Mich ausklagen zu lassen.
Johann. O pfui! Worauf ich gleich zuerst fallen wuerde, wenn ich auch
bezahlen koennte--
Adrast. Und was ist denn das?
Johann. Schwoeren Sie den Bettel ab.
Adrast (mit einer bittern Verachtung). Schurke!
Johann. Wie? Was bin ich? So einen bruederlichen Rat--
Adrast. Ja wohl ein bruederlicher Rat, den du nur deinen Bruedern,
Leuten deinesgleichen, geben solltest.
Johann. Sind Sie Adrast? Ich habe Sie wohl niemals ueber das Schwoeren
spotten hoeren?
Adrast. Ueber das Schwoeren, als Schwoeren, nicht aber als eine blosse
Beteurung seines Wortes. Diese muss einem ehrlichen Manne heilig sein,
und wenn auch weder Gott noch Strafe ist. Ich wuerde mich ewig schaemen,
meine Unterschrift geleugnet zu haben, und ohne Verachtung meiner
selbst, nie mehr meinen Namen schreiben koennen.
Johann. Aberglauben ueber Aberglauben. Zu einer Tuere haben Sie ihn
herausgejagt, und zu der andern lassen Sie ihn wieder herein.
Adrast. Schweig! ich mag dein laesterliches Geschwaetze nicht anhoeren.
Ich will Araspen aufsuchen. Ich will ihm Vorstellungen tun; ich will
ihm von meiner Heirat sagen; ich will ihm Zinsen ueber Zinsen
versprechen.--Ich treffe ihn doch wohl noch in dem Posthause?
Johann. Vielleicht.--Da geht er, der barmherzige Schlucker. Das Maul
ist gross genug an ihm; aber wenn es dazu koemmt, dass er das, was er
glaubt, mit Taten beweisen soll, da zittert das alte Weib! Wohl dem,
der nach seiner Ueberzeugung auch leben kann! So hat er doch noch
etwas davon. Ich sollte an seiner Stelle sein.--Doch ich muss nur
sehen, wo er bleibt.
(Ende des ersten Aufzugs.)
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Juliane. Henriette. Lisette.
Lisette. Vor allen Dingen, meine lieben Mamsells, ehe ich Ihre kleine
Streitigkeit schlichte, lassen Sie uns ausmachen, welcher von Ihnen
ich heute zugehoere. Sie wissen wohl, Ihre Herrschaft ueber mich ist
umzechig. Denn weil es unmoeglich sein soll, zweien Herren zu dienen,
So hat Ihr wohlweiser Papa--neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich!
--so hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbedaechtig mich damit
verschonen wollen, das Unmoegliche moeglich zu machen. Er hat jede von
Ihnen einen Tag um den andern zu meiner hauptsaechlichen Gebieterin
gemacht; so dass ich den einen Tag der sanften Juliane ehrbares Maedchen,
und den andern der muntern Henriette wilde Lisette sein muss. Aber
jetzt, seitdem die fremden Herren im Hause sind--
Henriette. Unsre Anbeter meinst du--
Lisette. Ja, ja! Ihre Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden
Ehemaenner sein werden--Seitdem, sage ich, diese im Hause sind, geht
alles drueber und drunter; ich werde aus einer Hand in die andere
geschmissen; und ach! unsere schoene Ordnung liegt mit dem Naehzeuge,
das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben, unterm Nachttische.
Hervor wieder damit! Ich muss wissen, woran ich mit Ihnen bin, wenn
ich ein unparteiisches Urteil faellen soll.
Henriette. Das wollen wir bald ausrechnen.--Du besinnst dich doch
wohl auf den letzten Feiertag, da dich meine Schwester mit in die
Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit mir auf unser
Vorwerk gefahren waerest? Du warst damals sehr strenge, Juliane!--
Juliane. Ich habe doch wohl nicht einer ehrlichen Seele einen
vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?
Henriette. Lisette--
Lisette. Stille, Mamsell Henriette! nicht aus der Schule geschwatzt,
oder--
Henriette. Maedchen drohe nicht! Du weisst wohl, ich habe ein gut
Gewissen.
Lisette. Ich auch.--Doch lassen Sie uns nicht das Hundertste ins
Tausendste schwatzen.--Recht! an den Feiertag will ich gedenken! Er
war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den Abend kam Theophan an.
Henriette. Und also, mit Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute
meine.
Juliane. Ohne Widerrede.
Lisette. Juchhei! Mamsellchen. Ich bin also heute Ihre: Juchhei!
Juliane. Ist das dein Loesungswort unter ihrer Fahne?
Lisette. Ohne weitre Umstaende: erzaehlen Sie mir nunmehr Ihre
Streitigkeit.--Unterdessen lege ich mein Gesicht in richterliche
Falten.
Juliane. Streitigkeit? Eine wichtige Streitigkeit? Ihr seid beide
Schaekerinnen.--Ich will nichts mehr davon hoeren.
Henriette. So? Du willst keinen Richter erkennen? Ein klarer Beweis,
dass du unrecht hast.--Hoere nur, Lisette! wir haben ueber unsre
Anbeter gezankt. Ich will die Dinger immer noch so nennen, mag doch
zuletzt daraus werden, was da will.
Lisette. Das dachte ich. Ueber was koennten sich zwei gute Schwestern
auch sonst zanken? Es ist freilich verdriesslich, wenn man sein
kuenftiges Haupt verachten hoert.
Henriette. Schwude! Maedchen; du willst ganz auf die falsche Seite.
Keine hat des andern Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher,
weil eine des andern Anbeter--schon wieder Anbeter!--allzusehr erhob.
Lisette. Eine neue Art Zanks! wahrhaftig, eine neue Art!
Henriette. Kannst du es anders sagen, Juliane?
Juliane. Oh! verschone mich doch damit.
Henriette. Hoffe auf kein Verschonen, wenn du nicht widerrufst.--Sage,
Lisette, hast du unsre Maennerchen schon einmal gegeneinander
gehalten? Was duenkt dich? Juliane macht ihren armen Theophan
herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer waere.
Juliane. Unartige Schwester! Wann habe ich dieses getan? Musst du
aus einer fluechtigen Anmerkung, die du mir gar nicht haettest aufmutzen
sollen, solche Folgen ziehen?
Henriette. Ich seh, man muss dich boese machen, wenn du mit der Sprache
heraus sollst.--Eine fluechtige Anmerkung nennst du es? Warum
strittest du denn ueber ihre Gruendlichkeit?
Juliane. Du hast doch naerrische Ausdruecke! Fingst du nicht den
ganzen Handel selbst an? Ich glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln
wuerde, wenn ich deinen Adrast den wohlgemachtesten Mann nennte, den
ich jemals gesehen haette. Du haettest mir fuer meine Gesinnungen danken,
nicht aber widersprechen sollen.
Henriette. Sieh, wie wunderlich du bist! Was war mein Widerspruch
anders, als ein Dank? Und wie konnte ich mich nachdruecklicher
bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf deinen Theophan
zurueckschob?--
Lisette. Sie hat recht!
Juliane. Nein, sie hat nicht recht. Denn eben dieses verdross mich.
Muss sie auf einen so kindischen Fuss mit mir umgehen? Sahe sie mich
nicht dadurch fuer ein kleines spielendes Maedchen an, das zu ihr gesagt
haette: Deine Puppe ist die schoenste; und dem sie also, um es nicht
boese zu machen, antworten muesste: Nein, deine ist die schoenste?
Lisette. Nun hat sie recht!
Henriette. Oh! geh, du bist eine artige Richterin. Hast du schon
vergessen, dass du mir heute angehoerst?
Lisette. Desto schaerfer eben werde ich gegen Sie sein, damit ich
nicht parteiisch lasse.
Juliane. Glaube mir nur, dass ich bessere Eigenschaften an einer
Mannsperson zu schaetzen weiss, als seine Gestalt. Und es ist genug,
dass ich diese bessern Eigenschaften an dem Theophan finde. Sein Geist-
-
Henriette. Von dem ist ja nicht die Rede. Jetzt koemmt es auf den
Koerper an, und dieser ist an dem Theophan schoener, du magst sagen, was
du willst. Adrast ist besser gewachsen: gut; er hat einen schoenern
Fuss: ich habe nichts dawider. Aber lass uns auf das Gesicht kommen.--
Juliane. So stueckweise habe ich mich nicht eingelassen.
Henriette. Das ist eben dein Fehler.--Was fuer ein Stolz, was fuer eine
Verachtung aller andern blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene! Du
wirst es Adel nennen; aber machst du es dadurch schoen? Umsonst sind
seine Gesichtszuege noch so regelmaessig: sein Eigensinn, seine Lust zum
Spotten hat eine gewisse Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen
recht haesslich laesst. Aber ich will sie ihm gewiss herausbringen: lass
nur die Flitterwochen erst vorbei sein.--Dein Theophan hingegen hat
das liebenswuerdigste Gesicht von der Welt. Es herrscht eine
Freundlichkeit darin, die sich niemals verleugnet.--
Juliane. Sage mir doch nur nichts, was ich ebensogut bemerkt habe,
als du. Allein eben diese seine Freundlichkeit ist nicht sowohl das
Eigentum seines Gesichts, als die Folge seiner innern Ruhe. Die
Schoenheit der Seele bringt auch in einen ungestalteten Koerper Reize;
so wie ihre Haesslichkeit dem vortrefflichsten Baue und den schoensten
Gliedern desselben, ich weiss nicht was eindrueckt, das einen
unzuerklaerenden Verdruss erwecket. Wenn Adrast eben der fromme Mann
waere, der Theophan ist; wenn seine Seele von ebenso goettlichen
Strahlen der Wahrheit, die er sich mit Gewalt zu verkennen bestrebet,
erleuchtet waere: so wuerde er ein Engel unter den Menschen sein; da er
jetzt kaum ein Mensch unter den Menschen ist. Zuerne nicht, Henriette,
dass ich so veraechtlich von ihm rede. Wenn er in gute Haende faellt,
kann er noch alles das werden, was er jetzt nicht ist, weil er es nie
hat sein wollen. Seine Begriffe von der Ehre, von der natuerlichen
Billigkeit sind vortrefflich.--
Henriette (spoettisch). Oh! du machst ihn auch gar zu sehr herunter.--
Aber im Ernste, kann ich nicht sagen, dass du mich nunmehr fuer das
kleine spielende Maedchen ansiehst? Ich mag ja nicht von dir
seinetwegen zufriedengestellt sein. Er ist, wie er ist, und lange gut
fuer mich. Du sprachst von guten Haenden, in die er fallen muesste, wenn
noch was aus ihm werden sollte. Da er in meine nunmehr gefallen ist,
wird er wohl nicht anders werden. Mich nach ihm zu richten, wird mein
einziger Kunstgriff sein, uns das Leben ertraeglich zu machen. Nur die
verdriesslichen Gesichter muss er ablegen; und da werde ich ihm die
Gesichter deines Theophans zum Muster vorschlagen.
Juliane. Schon wieder Theophan, und seine freundlichen Gesichter?
Lisette. Stille! Mamsell--
Zweiter Auftritt
Theophan. Juliane. Henriette. Lisette.
Henriette (springt dem Theophan entgegen). Kommen Sie doch, Theophan,
kommen Sie!--Koennen Sie wohl glauben, dass ich Ihre Partei gegen meine
Schwester habe halten muessen? Bewundern Sie meine Uneigennuetzigkeit.
Ich habe Sie bis in den Himmel erhoben, da ich doch weiss, dass ich Sie
nicht bekomme, sondern dass Sie fuer meine Schwester bestimmt sind, die
Ihren Wert nicht kennet. Denken Sie nur, sie behauptet, dass Sie keine
so schoene Person vorstellten, als Adrast. Ich weiss nicht, wie sie das
behaupten kann. Ich sehe doch den Adrast mit den Augen einer
Verliebten an, das ist, ich mache mir ihn noch zehnmal schoener, als er
ist, und gleichwohl geben Sie ihm, meines Beduenkens, nichts nach. Sie
spricht zwar, auf der Seite des Geistes haetten Sie mehr Vorzuege; aber
was wissen wir Frauenzimmer denn vom Geiste?
Juliane. Die Schwaetzerin! Sie kennen sie, Theophan: glauben Sie ihr
nicht.
Theophan. Ich ihr nicht glauben, schoenste Juliane? Warum wollen Sie
mich nicht in der gluecklichen Ueberzeugung lassen, dass Sie so
vorteilhaft von mir gesprochen haben?--Ich danke Ihnen, angenehmste
Henriette, fuer Ihre Verteidigung; ich danke Ihnen umsovielmehr, je
staerker ich selbst ueberfuehret bin, dass Sie eine schlechte Sache haben
verteidigen muessen. Allein--
Henriette. Oh! Theophan, von Ihnen verlange ich es nicht, dass Sie
mir recht geben sollen. Es ist eine andere gewisse Person--
Juliane. Lassen Sie dieser andern Person Gerechtigkeit widerfahren,
Theophan. Sie werden, hoffe ich, meine Gesinnungen kennen--
Theophan. Gehen Sie nicht mit mir, als mit einem Fremden um, liebste
Juliane. Brauchen Sie keine Einlenkungen; ich wuerde bei jeder naehern
Bestimmung verlieren.--Bei den Buechern, in einer engen staubigten
Studierstube, vergisst man des Koerpers sehr leicht; und Sie wissen, der
Koerper muss ebensowohl bearbeitet werden, als die Seele, wenn beide
diejenigen Vollkommenheiten erhalten sollen, deren sie faehig sind.
Adrast ist in der grossen Welt erzogen worden; er hat alles, was bei
derselben beliebt macht--
Henriette. Und wenn es auch Fehler sein sollten.--
Theophan. Wenigstens habe ich diese Anmerkung nicht machen wollen.--
Aber nur Geduld! ein grosser Verstand kann diesen Fehlern nicht immer
ergeben sein. Adrast wird das Kleine derselben endlich einsehen,
welches sich nur allzusehr durch das Leere verraet, das sie in unsern
Herzen zuruecklassen. Ich bin seiner Umkehr so gewiss, dass ich ihn
schon im voraus darum liebe.--Wie gluecklich werden Sie mit ihm leben,
glueckliche Henriette!
Henriette. So edel spricht Adrast niemals von Ihnen, Theophan.--
Juliane. Abermals eine recht garstige Anmerkung, meine liebe
Schwester.--Was suchst du damit, dass du dem Theophan dieses sagst? Es
ist allezeit besser, wenn man es nicht weiss, wer von uns uebel spricht.
Die Kenntnis unserer Verleumder wirkt auch in dem grossmuetigsten
Herzen eine Art von Entfernung gegen sie, die ihre Aussoehnung mit der
beleidigten Person nur noch schwerer macht.
Theophan. Sie entzuecken mich, Juliane. Aber fuerchten Sie nichts!
Eben darin soll ueber kurz oder lang mein Triumph bestehen, dass ich den
mich jetzt verachtenden Adrast besser von mir zu urteilen gezwungen
habe. Wuerde ich aber nicht diesen ganzen Triumph zernichten, wenn ich
selbst einigen Groll gegen ihn fassen wollte? Noch hat er sich nicht
die Muehe genommen, mich naeher kennenzulernen. Vielleicht, dass ich ein
Mittel finde, ihn dazu zu vermoegen.--Lassen Sie uns nur jetzt davon
abbrechen; und erlauben Sie, dass ich einen meiner naechsten
Blutsfreunde bei Ihnen anmelden darf, der sich ein Vergnuegen daraus
gemacht hat, mich hier zu ueberraschen.--
Juliane. Einen Anverwandten?
Henriette. Und wer ist es?
Theophan. Araspe.
Juliane. Araspe?
Henriette. Ei! das ist ja vortrefflich! Wo ist er denn?
Theophan. Er war eben abgestiegen, und hat mir versprochen,
unverzueglich nachzufolgen.
Henriette. Weiss es der Papa schon?
Theophan. Ich glaube nicht.
Juliane. Und die Grossmama?
Henriette. Komm, Schwesterchen! diese froehliche Nachricht muessen wir
ihnen zuerst bringen.--Du bist doch nicht boese auf mich?
Juliane. Wer kann auf dich boese sein, Schmeichlerin? Komm nur!
Theophan. Erlauben Sie, dass ich ihn hier erwarte.
Henriette. Bringen Sie ihn aber nur bald. Hoeren Sie!
Dritter Auftritt
Theophan. Lisette.
Lisette. Ich bleibe, Herr Theophan, um Ihnen noch ein kleines grosses
Kompliment zu machen. Wahrhaftig! Sie sind der gluecklichste Mann von
der Welt! und wenn Herr Lisidor, glaube ich, noch zwei Toechter haette,
so wuerden sie doch alle viere in Sie verliebt sein.
Theophan. Wie versteht Lisette das?
Lisette. Ich verstehe es so: dass wenn es alle viere sein wuerden, es
jetzt alle zwei sein muessen.
Theophan (laechelnd). Noch dunkler!
Lisette. Das sagt Ihr Laecheln nicht.--Wenn Sie aber wirklich Ihre
Verdienste selbst nicht kennen, so sind Sie nur desto liebenswerter.
Juliane liebt Sie: und das geht mit rechten Dingen zu, denn sie soll
Sie lieben. Nur schade, dass ihre Liebe so ein gar vernuenftiges
Ansehen hat. Aber was soll ich zu Henrietten sagen? Gewiss sie liebt
Sie auch, und was das Verzweifeltste dabei ist, sie liebt Sie--aus
Liebe.--Wenn Sie sie doch nur alle beide auch heiraten koennten!
Theophan. Sie meint es sehr gut, Lisette!
Lisette. Ja, wahrhaftig! alsdann sollten Sie mich noch obendrein
behalten.
Theophan. Noch besser! Aber ich sehe, Lisette hat Verstand--
Lisette. Verstand? Auf das Kompliment weiss ich, leider! nichts zu
antworten. Auf ein anders: Lisette ist schoen, habe ich wohl ungefaehr
antworten lernen: Mein Herr, Sie scherzen. Ich weiss nicht, ob sich
diese Antwort hieher auch schickt.
Theophan. Ohne Umstaende!--Lisette kann mir einen Dienst erzeigen,
wenn sie mir ihre wahre Meinung von Julianen entdeckt. Ich bin gewiss,
dass sie auch in ihren Mutmassungen nicht weit vom Ziele treffen wird.
Es gibt gewisse Dinge, wo ein Frauenzimmerauge immer schaerfer sieht,
als hundert Augen der Mannspersonen.
Lisette. Verzweifelt! diese Erfahrung koennen Sie wohl nimmermehr aus
Buechern haben--Aber, wenn Sie nur acht auf meine Reden gegeben haetten;
ich habe Ihnen bereits meine wahre Meinung von Julianen gesagt. Sagte
ich Ihnen nicht, dass mir ihre Liebe ein gar zu vernuenftiges Ansehen zu
haben scheine? Darin liegt alles, was ich davon denke. Ueberlegung,
Pflicht, vorzuegliche Schoenheiten der Seele--Ihnen die Wahrheit zu
sagen, gegen so vortreffliche Worte, in einem weiblichen Munde, mag
ein Liebhaber immer ein wenig misstrauisch sein. Und noch eine kleine
Beobachtung gehoeret hieher: diese naemlich, dass sie mit den schoenen
Worten weit sparsamer gewesen, als Herr Theophan allein im Hause war.
Theophan. Gewiss?
Lisette (nachdem sie ihn einen Augenblick angesehen). Herr Theophan!
Herr Theophan! Sie sagen dieses Gewiss mit einer Art,--mit einer Art,--
Theophan. Mit was fuer einer Art?
Lisette. Ja! nun ist sie wieder weg. Die Mannspersonen! die
Mannspersonen! Und wenn es auch gleich die allerfroemmsten sind--Doch
ich will mich nicht irremachen lassen. Seit Adrast im Hause ist,
wollte ich sagen, fallen zwischen dem Adrast und Julianen dann und
wann Blicke vor--
Theophan. Blicke?--Sie beunruhiget mich, Lisette.
Lisette. Und das Beunruhigen koennen Sie so ruhig aussprechen, so
ruhig--Ja, Blicke fallen zwischen ihnen vor; Blicke, die nicht ein
Haar anders sind, als die Blicke, die dann und wann zwischen Mamsell
Henrietten und dem vierten vorfallen--
Theophan. Was fuer einem vierten?
Lisette. Werden Sie nicht ungehalten. Wenn ich Sie gleich den
vierten nenne, so sind Sie eigentlich doch in aller Absicht der erste.
Theophan (die ersten Worte beiseite). Die Schlaue!--Sie beschaemt mich
fuer meine Neubegierde, und ich habe es verdient. Nichtsdestoweniger
aber irret Sie sich, Lisette; gewaltig irret Sie sich--
Lisette. O pfui! Sie machten mir vorhin ein so artiges Kompliment,
und nunmehr gereuet es Sie auf einmal, mir es gemacht zu haben.--Ich
muesste gar nichts von dem Verstande besitzen, den Sie mir beilegten,
wenn ich mich so gar gewaltig irren sollte.--
Theophan (unruhig und zerstreut). Aber wo bleibt er denn?--
Lisette. Mein Verstand?--Wo er will.--So viel ist gewiss, dass Adrast
bei Henrietten ziemlich schlecht steht, sosehr sie sich auch nach
seiner Weise zu richten scheint. Sie kann alles leiden, nur
geringgeschaetzt zu werden, kann sie nicht leiden. Sie weiss es
allzuwohl, fuer was uns Adrast ansieht: fuer nichts, als Geschoepfchen,
die aus keiner andern Absicht da sind, als den Maennern ein Vergnuegen
zu machen. Und das ist doch sehr nichtswuerdig gedacht! Aber da kann
man sehen, in was fuer gottlose Irrtuemer die unglaeubigen Leute
verfallen.--Nu? Hoeren Sie mir nicht mehr zu, Herr Theophan? Wie so
zerstreut? wie so unruhig?
Theophan. Ich weiss nicht, wo mein Vetter bleibt?--
Lisette. Er wird ja wohl kommen.--
Theophan. Ich muss ihm wirklich nur wieder entgegengehn.--Adieu,
Lisette!
Vierter Auftritt
Lisette. Das heisse ich kurz abgebrochen!--Er wird doch nicht
verdriesslich geworden sein, dass ich ihm ein wenig auf den Zahn fuehlte?
Das brave Maennchen! Ich will nur gerne sehen, was noch daraus werden
wird. Ich goenne ihm wirklich alles Gutes, und wenn es nach mir gehen
sollte, so wuesste ich schon, was ich taete.--(Indem sie sich umsieht.)
Wer koemmt denn da den Gang hervor?--Sind die es?--Ein Paar
allerliebste Schlingel! Adrasts Johann, und Theophans Martin: die
wahren Bilder ihrer Herren, von der haesslichen Seite! Aus
Freigeisterei ist jener ein Spitzbube; und aus Froemmigkeit dieser ein
Dummkopf. Ich muss mir doch die Lust machen, sie zu behorchen. (Sie
tritt zurueck.)
Fuenfter Auftritt
Lisette, halb versteckt hinter einer Szene. Johann. Martin.
Johann. Was ich dir sage!
Martin. Du musst mich fuer sehr dumm ansehen. Dein Herr ein Atheist?
das glaube sonst einer! Er sieht ja aus wie ich und du. Er hat Haende
und Fuesse; er hat das Maul in der Breite und die Nase in der Laenge, wie
ein Mensch; er red't, wie ein Mensch; er isst, wie ein Mensch:--und
soll ein Atheist sein?
Johann. Nun? sind denn die Atheisten keine Menschen?
Martin. Menschen? Ha! ha! ha! Nun hoere ich, dass du selber nicht
weisst, was ein Atheist ist.
Johann. Zum Henker! du wirst es wohl besser wissen. Ei! belehre
doch deinen unwissenden Naechsten.
Martin. Hoer zu!--Ein Atheist ist--eine Brut der Hoelle, die sich, wie
der Teufel, tausendmal verstellen kann. Bald ist's ein listiger Fuchs,
bald ein wilder Baer;--bald ist's ein Esel, bald ein Philosoph;--bald
ist's ein Hund, bald ein unverschaemter Poete. Kurz, es ist ein Untier,
das schon lebendig bei dem Satan in der Hoelle brennt,--eine Pest der
Erde,--eine abscheuliche Kreatur,--ein Vieh, das dummer ist, als ein
Vieh;--ein Seelenkannibal,--ein Antichrist,--ein schreckliches
Ungeheuer--
Johann. Es hat Bocksfuesse: nicht? Zwei Hoerner? einen Schwanz?--
Martin. Das kann wohl sein.--Es ist ein Wechselbalg, den die Hoelle
durch--durch einen unzuechtigen Beischlaf mit der Weisheit dieser Welt
erzeugt hat;--es ist--ja, sieh, das ist ein Atheist. So hat ihn unser
Pfarr abgemalt; der kennt ihn aus grossen Buechern.
Johann. Einfaeltiger Schoeps!--Sieh mich doch einmal an.
Martin. Nu?
Johann. Was siehst du an mir?
Martin. Nichts, als was ich zehnmal besser an mir sehen kann.
Johann. Findest du denn etwas Erschreckliches, etwas Abscheuliches an
mir? Bin ich nicht ein Mensch, wie du? Hast du jemals gesehen, dass
ich ein Fuchs, ein Esel, oder ein Kannibal gewesen waere?
Martin. Den Esel lass immer weg, wenn ich dir antworten soll, wie du
gerne willst.--Aber, warum fragst du das?
Johann. Weil ich selbst ein Atheist bin; das ist, ein starker Geist,
wie es jetzt jeder ehrlicher Kerl nach der Mode sein muss. Du sprichst,
ein Atheist brenne lebendig in der Hoelle. Nun! rieche einmal:
riechst du einen Brand an mir?
Martin. Drum eben bist du keiner.
Johann. Ich waere keiner? Tue mir nicht die Schande an, daran zu
zweifeln, oder--Doch wahrhaftig, das Mitleiden verhindert mich, boese
zu werden. Du bist zu beklagen, armer Schelm!
Martin. Arm? Lass einmal sehen, wer die vergangene Woche das meiste
Trinkgeld gekriegt hat. (Er greift in die Tasche.) Du bist ein
luederlicher Teufel, du versaeufst alles--
Johann. Lass stecken! Ich rede von einer ganz andern Armut, von der
Armut des Geistes, der sich mit lauter elenden Brocken des
Aberglaubens ernaehren, und mit lauter armseligen Lumpen der Dummheit
kleiden muss.--Aber so geht es euch Leuten, die ihr nicht weiter, als
hoechstens vier Meilen hinter den Backofen kommt. Wenn du gereiset
waerest, wie ich--
Martin. Gereist bist du? Lass hoeren, wo bist du gewesen?
Johann. Ich bin gewesen--in Frankreich--
Martin. In Frankreich? Mit deinem Herrn?
Johann. Ja, mein Herr war mit.
Martin. Das ist das Land, wo die Franzosen wohnen?--So wie ich einmal
einen gesehen habe,--das war eine schnurrige Kroete! In einem
Augenblicke konnte er sich siebenmal auf dem Absatze herumdrehen, und
dazu pfeifen.
Johann. Ja, es gibt grosse Geister unter ihnen! Ich bin da erst recht
klug geworden.
Martin. Hast du denn auch Frankreich'sch gelernt?
Johann. Franzoesisch, willst, du sagen:--vollkommen.
Martin. Oh! rede einmal!
Johann. Das will ich wohl tun.--Quelle heure est-il, maraut? Le pere
et la mere une fille de coups de baton. Comment coquin? Diantre
diable carogne a vous servir.
Martin. Das ist schnakisch! Und das Zeug koennen die Leute da
verstehen? Sag einmal, was hiess das auf deutsch?
Johann. Ja! auf deutsch! Du guter Narre, das laesst sich auf deutsch
nicht so sagen. Solche feine Gedanken koennen nur franzoesisch
ausgedrueckt werden.
Martin. Der Blitz!--Nu? wo bist du weiter gewesen?
Johann. Weiter? In England--
Martin. In England?--Kannst du auch Englaend'sch
Johann. Was werde ich nicht koennen?
Martin. Sprich doch!
Johann. Du musst wissen, es ist eben wie das Franzoesische. Es ist
franzoesisch, versteh mich, auf englisch ausgesprochen. Was hoerst du
dir dran ab?--Ich will dir ganz andre Dinge sagen, wenn du mir zuhoeren
willst. Dinge, die ihresgleichen nicht haben muessen. Zum Exempel,
auf unsern vorigen Punkt zu kommen: sei kein Narr, und glaube, dass ein
Atheist so ein schrecklich Ding ist. Ein Atheist ist nichts weiter,
als ein Mensch, der keinen Gott glaubt.--
Martin. Keinen Gott? Je! das ist ja noch viel aerger! Keinen Gott?
Was glaubt er denn?
Johann. Nichts.
Martin. Das ist wohl eine maechtige Muehe.
Johann. Ei! Muehe! Wenn auch nichts glauben eine Muehe waere, so
glaubten ich und mein Herr gewiss alles. Wir sind geschworne Feinde
alles dessen, was Muehe macht. Der Mensch ist in der Welt, vergnuegt
und lustig zu leben. Die Freude, das Lachen, das Kurtisieren, das
Saufen sind seine Pflichten. Die Muehe ist diesen Pflichten hinderlich;
also ist es auch notwendig seine Pflicht, die Muehe zu fliehen.--Sieh,
das war ein Schluss, der mehr Gruendliches enthaelt, als die ganze Bibel.
Martin. Ich wollt's. Aber sage mir doch, was hat man denn in der
Welt ohne Muehe?
Johann. Alles was man erbt, und was man erheiratet. Mein Herr erbte
von seinem Vater und von zwei reichen Vettern keine kleinen Summen;
und ich muss ihm das Zeugnis geben, er hat sie, als ein braver Kerl,
durchgebracht. Jetzt bekoemmt er ein reich Maedel, und, wenn er klug
ist, so faengt er es wieder an, wo er es gelassen hat. Seit einiger
Zeit ist er mir zwar ganz aus der Art geschlagen; und ich sehe wohl,
auch die Freigeisterei bleibt nicht klug, wenn sie auf die Freite geht.
Doch ich will ihn schon wieder in Gang bringen.--Und hoere, Martin,
ich will auch dein Glueck machen. Ich habe einen Einfall; aber ich
glaube nicht, dass ich ihn anders wohl von mir geben kann, als--bei
einem Glase Wein. Du klimpertst vorhin mit deinen Trinkgeldern; und
gewiss, du bist in Gefahr, keine mehr zu bekommen, wenn man nicht sieht,
dass du sie dazu anwendest, wozu sie dir gegeben werden. Zum Trinken,
guter Martin, zum Trinken: darum heissen es Trinkgelder.--
Martin. Still! Herr Johann, still!--Du bist mir so noch Revansche
schuldig. Habe ich dich nicht jenen Abend nur noch freigehalten?--
Doch, lass einmal hoeren! was ist denn das fuer ein Glueck, das ich von
dir zu hoffen habe?
Johann. Hoere, wenn mein Herr heiratet, so muss er noch einen Bedienten
annehmen.--Eine Kanne Wein, so sollst du bei mir den Vorzug haben. Du
versauerst doch nur bei deinem dummen Schwarzrocke. Du sollst bei
Adrasten mehr Lohn und mehr Freiheit haben; und ich will dich noch
obendrein zu einem starken Geiste machen, der es mit dem Teufel und
seiner Grossmutter aufnimmt, wenn nur erst einer waere.
Martin. Was? wenn erst einer waere? Ho! ho! Ist es nicht genug,
dass du keinen Gott glaubst? willst du noch dazu keinen Teufel
glauben? Oh! male ihn nicht an die Wand! Er laesst sich nicht so
lange herumhudeln, wie der liebe Gott. Der liebe Gott ist gar zu gut,
und lacht ueber einen solchen Narren, wie du bist. Aber der Teufel--
dem laeuft gleich die Laus ueber die Leber; und darnach sieht's nicht
gut aus.--Nein, bei dir ist kein Aushalten: ich will nur gehen.--
Johann (haelt ihn zurueck). Spitzbube! Spitzbube! denkst du, dass ich
deine Streiche nicht merke? Du fuerchtest dich mehr fuer die Kanne Wein,
die du geben sollst, als fuer den Teufel. Halt!--Ich kann dich aber
bei dem allen unmoeglich in dergleichen Aberglauben stecken lassen.
Ueberlege dir's nur:--Der Teufel--der Teufel--Ha! ha! ha!--Und dir
koemmt es nicht laecherlich vor? Je! so lache doch!
Martin. Wenn kein Teufel waere, wo kaemen denn die hin, die ihn
auslachen?--Darauf antworte mir einmal! den Knoten beiss mir auf!
Siehst du, dass ich auch weiss, wie man euch Leute zuschanden machen muss?
Johann. Ein neuer Irrtum! Und wie kannst du so unglaeubig gegen meine
Worte sein? Es sind die Aussprueche der Weltweisheit, die Orakel der
Vernunft! Es ist bewiesen, sage ich dir, in Buechern ist es bewiesen,
dass es weder Teufel noch Hoelle gibt.--Kennst du Balthasarn? Es war
ein beruehmter Baecker in Holland.
Martin. Was gehn mich die Baecker in Holland an? Wer weiss, ob sie so
gute Brezeln backen, wie der hier an der Ecke.
Johann. Ei! das war ein gelehrter Baecker! Seine bezauberte Welt--ha!
--das ist ein Buch! Mein Herr hat es einmal gelesen. Kurz, ich
verweise dich auf das Buch, so wie man mich darauf verwiesen hat, und
will dir nur im Vertrauen sagen: Der muss ein Ochse, ein Rindvieh, ein
altes Weib sein, der einen Teufel glauben kann. Soll ich dir's
zuschwoeren, dass keiner ist?--Ich will ein Hundsfott sein!
Martin. Pah! der Schwur geht wohl mit.
Johann. Nun, sieh,--ich will, ich will--auf der Stelle verblinden,
wenn ein Teufel ist.
(Lisette springt geschwinde hinter der Szene hervor, und haelt ihm
rueckwaerts die Augen zu, indem sie dem Martin zugleich winkt.)
Martin. Das waere noch was; aber du weisst schon, dass das nicht
geschieht.
Johann (aengstlich). Ach! Martin, ach!
Martin. Was ist's?
Johann. Martin, wie wird mir? Wie ist mir, Martin?
Martin. Nu? was hast du denn?
Johann. Seh ich--oder--ach! dass Gott--Martin! Martin! wie wird es
auf einmal so Nacht?
Martin. Nacht? Was willst du mit der Nacht?
Johann. Ach! so ist es nicht Nacht? Huelfe! Martin, Huelfe!
Martin. Was denn fuer Huelfe? Was fehlt dir denn?
Johann. Ach! ich bin blind, ich bin blind! Es liegt mir auf den
Augen, auf den Augen.--Ach! ich zittere am ganzen Leibe--
Martin. Blind bist du? Du wirst ja nicht?--Warte, ich will dich in
die Augen schlagen, dass das Feuer herausspringt, und du sollst bald
sehen--
Johann. Ach! ich bin gestraft, ich bin gestraft. Und du kannst
meiner noch spotten? Huelfe! Martin, Huelfe!--(Er faellt auf die Knie.)
Ich will mich gern bekehren! Ach! was bin ich fuer ein Boesewicht
gewesen!--
Lisette (welche ploetzlich gehen laesst, und, indem sie hervorspringt,
ihm eine Ohrfeige gibt). Du Schlingel!
Martin. Ha! ha! ha!
Johann. Ach! ich komme wieder zu mir. (Indem er aufsteht.) Sie
Rabenaas, Lisette!
Lisette. Kann man euch Hundsfoetter so ins Bockshorn jagen? Ha! ha!
ha!
Martin. Krank lache ich mich noch darueber. Ha! ha! ha!
Johann. Lacht nur! lacht nur!--Ihr seid wohl albern, wenn ihr denkt,
dass ich es nicht gemerkt habe.--(Beiseite.) Das Blitzmaedel, was sie
mir fuer einen Schreck abgejagt hat! Ich muss mich wieder erholen.
(Geht langsam ab.)
Martin. Gehst du? Oh! lacht ihn doch aus! Je! lach Sie doch,
Lisettchen, lach Sie doch! Ha! ha! ha! Das hat Sie vortrefflich
gemacht; so schoene, so schoene, ich moechte Sie gleich kuessen.--
Lisette. Oh! geh, geh, dummer Martin!
Martin. Komm Sie, wirklich! ich will Sie zu Weine fuehren. Ich will
Sie mit der Kanne Wein traktieren, um die mich der Schurke prellen
wollte. Komm Sie!
Lisette. Das fehlte mir noch. Ich will nur gehen, und meinen
Mamsells den Spass erzaehlen.
Martin. Ja, und ich meinem Herrn.--Der war abgefuehrt! der war
abgefuehrt!
(Ende des zweiten Aufzuges.)
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Theophan. Araspe.
Araspe. Was ich Ihnen sage, mein lieber Vetter. Das Vergnuegen Sie zu
ueberfallen, und die Begierde bei Ihrer Verbindung gegenwaertig zu sein,
sind freilich die vornehmsten Ursachen meiner Anherkunft; nur die
einzigen sind es nicht. Ich hatte den Aufenthalt des Adrast endlich
ausgekundschaftet, und es war mir sehr lieb, auf diese Art, wie man
sagt, zwei Wuerfe mit einem Steine zu tun. Die Wechsel des Adrast sind
verfallen; und ich habe nicht die geringste Lust, ihm auch nur die
allerkleinste Nachsicht zu goennen. Ich erstaune zwar, ihn, welches
ich mir nimmermehr eingebildet haette, in dem Hause Ihres kuenftigen
Schwiegervaters zu finden; ihn auf eben demselben Fusse, als Sie,
Theophan, hier zu finden: aber gleichwohl,--und wenn ihn das Schicksal
auch noch naeher mit mir verbinden koennte,--
Theophan. Ich bitte Sie, liebster Vetter, beteuern Sie nichts.
Araspe. Warum nicht? Sie wissen wohl, Theophan, ich bin der Mann
sonst nicht, welcher seine Schuldner auf eine grausame Art zu druecken
faehig waere.--
Theophan. Das weiss ich, und desto eher--
Araspe. Hier wird kein Desto eher gelten. Adrast, dieser Mann, der
sich, auf eine ebenso abgeschmackte als ruchlose Art von andern
Menschen zu unterscheiden sucht, verdient, dass man ihn auch wieder von
andern Menschen unterscheide. Er muss die Vorrechte nicht geniessen,
die ein ehrlicher Mann seinen elenden Naechsten sonst gern geniessen
laesst. Einem spoettischen Freigeiste, welcher uns lieber das Edelste,
was wir besitzen, rauben und uns alle Hoffnung eines kuenftigen
glueckseligern Lebens zunichte machen moechte, vergilt man noch lange
nicht Gleiches mit Gleichem, wenn man ihm das gegenwaertige Leben ein
wenig sauer macht.--Ich weiss, es ist der letzte Stoss, den ich dem
Adrast versetze; er wird seinen Kredit nicht wieder herstellen koennen.
Ja, ich wollte mich freuen, wenn ich sogar seine Heirat dadurch
rueckgaengig machen koennte. Wenn mir es nur um mein Geld zu tun waere:
so sehen Sie wohl, dass ich diese Heirat lieber wuerde befoerdern helfen,
weil er doch wohl dadurch wieder etwas in die Haende bekommen wird.
Aber nein; und sollte ich bei dem Konkurse, welcher entstehen muss,
auch ganz und gar ledig ausgehen: so will ich ihn dennoch auf das
Aeusserste bringen. Ja, wenn ich alles wohl erwaege, so glaube ich, ihm
durch diese Grausamkeit noch eine Wohltat zu erweisen. Schlechtere
Umstaende werden ihn vielleicht zu ernsthaften Ueberlegungen bringen,
die er in seinem Wohlstande zu machen, nicht wert gehalten hat; und
vielleicht aendert sich, wie es fast immer zu geschehen pflegt, sein
Charakter mit seinem Gluecke.
Theophan. Ich habe Sie ausreden lassen. Ich glaube, Sie werden so
billig sein, und mich nunmehr auch hoeren.
Araspe. Das werde ich.--Aber eingebildet haette ich mir es nicht, dass
ich an meinem frommen Vetter einen Verteidiger des Adrasts finden
sollte.
Theophan. Ich bin es weniger, als es scheinet; und es kommen hier so
viel Umstaende zusammen, dass ich weiter fast nichts als meine eigne
Sache fuehren werde. Adrast, wie ich fest ueberzeugt bin, ist von
derjenigen Art Freigeister, die wohl etwas Besseres zu sein verdienten.
Es ist auch sehr begreiflich, dass man in der Jugend so etwas
gleichsam wider Willen werden kann. Man ist es aber alsdann nur so
lange, bis der Verstand zu einer gewissen Reife gelangt ist, und sich
das aufwallende Gebluete abgekuehlt hat. Auf diesem kritischen Punkte
steht jetzt Adrast; aber noch mit wankendem Fusse. Ein kleiner Wind,
ein Hauch kann ihn wieder herabstuerzen. Das Unglueck, das Sie ihm
drohen, wuerde ihn betaeuben; er wuerde sich einer wuetenden Verzweiflung
ueberlassen, und Ursache zu haben glauben, sich um die Religion nicht
zu bekuemmern, deren strenge Anhaenger sich kein Bedenken gemacht haetten,
ihn zugrunde zu richten.
Araspe. Das ist etwas; aber--
Theophan. Nein, fuer einen Mann von Ihrer Denkungsart, liebster Vetter,
muss dieses nicht nur etwas, sondern sehr viel sein. Sie haben die
Sache von dieser Seite noch nicht betrachtet; Sie haben den Adrast nur
als einen verlornen Mann angesehen, an dem man zum Ueberflusse noch
eine desperate Kur wagen muesse. Aus diesem Grunde ist die Heftigkeit,
mit der Sie wider ihn sprachen, zu entschuldigen. Lernen Sie ihn aber
durch mich nunmehr unparteiischer beurteilen. Er ist in seinen Reden
jetzt weit eingezogener, als man mir ihn sonst beschrieben hat. Wenn
er streitet, so spottet er nicht mehr, sondern gibt sich alle Muehe,
Gruende vorzubringen. Er faengt an, auf die Beweise, die man ihm
entgegensetzt, zu antworten, und ich habe es ganz deutlich gemerkt,
dass er sich schaemt, wenn er nur halb darauf antworten kann. Freilich
sucht er diese Scham noch dann und wann unter das Veraechtliche eines
Schimpfworts zu verstecken; aber nur Geduld! es ist schon viel, dass
er diese Schimpfworte niemals mehr auf die heiligen Sachen, die man
gegen ihn verteidiget, sondern bloss auf die Verteidiger fallen laesst.
Seine Verachtung der Religion loeset sich allmaehlich in die Verachtung
derer auf, die sie lehren.
Araspe. Ist das wahr, Theophan?
Theophan. Sie werden Gelegenheit haben, sich selbst davon zu
ueberzeugen.--Sie werden zwar hoeren, dass diese seine Verachtung der
Geistlichen mich jetzt am meisten trifft; allein ich bitte Sie im
voraus, nicht empfindlicher darueber zu werden, als ich selbst bin.
Ich habe es mir fest vorgenommen, ihn nicht mit gleicher Muenze zu
bezahlen; sondern ihm vielmehr seine Freundschaft abzuzwingen, es mag
auch kosten, was es will.
Araspe. Wenn Sie bei persoenlichen Beleidigungen so grossmuetig sind--
Theophan. Stille! wir wollen es keine Grossmut nennen. Es kann
Eigennutz, es kann eine Art von Ehrgeiz sein, sein Vorurteil von den
Gliedern meines Ordens durch mich zuschanden zu machen. Es sei aber,
was es wolle, so weiss ich doch, dass Sie viel zu guetig sind, mir darin
im Wege zu stehen. Adrast wuerde es ganz gewiss fuer ein abgekartetes
Spiel halten, wenn er saehe, dass mein Vetter so scharf hinter ihm drein
waere. Seine Wut wuerde einzig auf mich fallen, und er wuerde mich
ueberall als einen Niedertraechtigen ausschreien, der ihm, unter tausend
Versicherungen der Freundschaft, den Dolch ins Herz gestossen habe.
Ich wollte nicht gerne, dass er die Exempel von haemtueckischen Pfaffen,
wie er sie nennt, mit einigem Scheine der Wahrheit auch durch mich
vermehren koennte.
Araspe. Lieber Vetter, das wollte ich noch tausendmal weniger, als
Sie.--
Theophan. Erlauben Sie also, dass ich Ihnen einen Vorschlag tue:--oder
nein; es wird vielmehr eine Bitte sein.
Araspe. Nur ohne Umstaende, Vetter. Sie wissen ja doch wohl, dass Sie
mich in Ihrer Hand haben.
Theophan. Sie sollen so guetig sein und mir die Wechsel ausliefern,
und meine Bezahlung dafuer annehmen.
Araspe. Und Ihre Bezahlung dafuer annehmen? Bei einem Haare haetten
Sie mich boese gemacht. Was reden Sie von Bezahlung? Wenn ich Ihnen
auch nicht gesagt haette, dass es mir jetzt gar nicht um das Geld zu tun
waere: so sollten Sie doch wenigstens wissen, dass das, was meine ist,
auch Ihre ist.
Theophan. Ich erkenne meinen Vetter.
Araspe. Und ich erkannte ihn fast nicht.--Mein naechster Blutsfreund,
mein einziger Erbe, sieht mich als einen Fremden an, mit dem er
handeln kann? (Indem er sein Taschenbuch herauszieht.) Hier sind die
Wechsel! Sie sind Ihre! machen Sie damit was Ihnen gefaellt.
Theophan. Aber erlauben Sie, liebster Vetter: ich werde nicht so frei
damit schalten duerfen, wenn ich sie nicht auf die gehoerige Art an mich
gebracht habe.
Araspe. Welches ist denn die gehoerige Art unter uns, wenn es nicht
die ist, dass ich gebe, und Sie nehmen?--Doch damit ich alle Ihre
Skrupel hebe: wohl! Sie sollen einen Revers von sich stellen, dass Sie
die Summe dieser Wechsel nach meinem Tode bei der Erbschaft nicht noch
einmal fodern wollen. (Laechelnd.) Wunderlicher Vetter! sehen Sie
denn nicht, dass ich weiter nichts tue, als auf Abschlag bezahle?--
Theophan. Sie verwirren mich--
Araspe (der noch die Wechsel in Haenden hat). Lassen Sie mich nur die
Wische nicht laenger halten.
Theophan. Nehmen Sie unterdessen meinen Dank dafuer an.
Araspe. Was fuer verlorne Worte! (Indem er sich umsieht.) Stecken
Sie hurtig ein; da koemmt Adrast selbst.
Zweiter Auftritt
Adrast. Theophan. Araspe.
Adrast (erstaunend). Himmel! Araspe hier?
Theophan. Adrast, ich habe das Vergnuegen, Ihnen in dem Herrn Araspe
meinen Vetter vorzustellen.
Adrast. Wie? Araspe Ihr Vetter?
Araspe. Oh! wir kennen einander schon. Es ist mir angenehm, Herr
Adrast, Sie hier zu sehen.
Adrast. Ich bin bereits die ganze Stadt nach Ihnen durchgerannt. Sie
wissen, wie wir miteinander stehen, und ich wollte Ihnen die Muehe
ersparen, mich aufzusuchen.
Araspe. Es waere nicht noetig gewesen. Wir wollen von unserer Sache
ein andermal sprechen. Theophan hat es auf sich genommen.--
Adrast. Theophan? Ha! nun ist es klar.--
Theophan. Was ist klar, Adrast? (Ruhig.)
Adrast. Ihre Falschheit, Ihre List--
Theophan (zum Araspe). Wir halten uns zu lange hier auf. Lisidor,
lieber Vetter, wird Sie mit Schmerzen erwarten. Erlauben Sie, dass ich
Sie zu ihm fuehre.--(Zum Adrast.) Darf ich bitten, Adrast, dass Sie
einen Augenblick hier verziehen? Ich will den Araspe nur
heraufbegleiten; ich werde gleich wieder hier sein.
Araspe. Wenn ich Ihnen raten darf, Adrast, so sein Sie gegen meinen
Vetter nicht ungerecht.--
Theophan. Er wird es nicht sein. Kommen Sie nur.
(Theophan und Araspe gehen ab.)
Dritter Auftritt
Adrast (bitter). Nein, gewiss, ich werde es auch nicht sein! Er ist
unter allen seinesgleichen, die ich noch gekannt habe, der
hassenswuerdigste! Diese Gerechtigkeit will ich ihm widerfahren lassen.
Er hat den Araspe ausdruecklich meinetwegen kommen lassen: das ist
unleugbar. Es ist mir aber doch lieb, dass ich ihm nie einen redlichen
Tropfen Bluts zugetrauet, und seine suessen Reden jederzeit fuer das
gehalten habe, was sie sind.--
Vierter Auftritt
Adrast. Johann.
Johann. Nun? haben Sie den Araspe gefunden?
Adrast. Ja. (Noch bitter.)
Johann. Geht's gut?
Adrast. Vortrefflich.
Johann. Ich haette es ihm auch raten wollen, dass er die geringste
Schwierigkeit gemacht haette!--Und er hat doch schon wieder seinen
Abschied genommen?
Adrast. Verzieh nur: er wird uns gleich den unsrigen bringen.
Johann. Er den unsrigen?--Wo ist Araspe?--
Adrast. Beim Lisidor.
Johann. Araspe beim Lisidor? Araspe?
Adrast. Ja, Theophans Vetter.
Johann. Was frage ich nach des Narren Vetter? Ich meine Araspen.--
Adrast. Den meine ich auch.
Johann. Aber--
Adrast. Aber siehst du denn nicht, dass ich rasend werden moechte? Was
plagst du mich noch? Du hoerst ja, dass Theophan und Araspe Vettern
sind.
Johann. Zum erstenmal in meinem Leben.--Vettern? Ei! desto besser;
unsere Wechsel bleiben also in der Freundschaft, und Ihr neuer Herr
Schwager wird dem alten Herrn Vetter schon zureden--
Adrast. Du Dummkopf!--Ja, er wird ihm zureden, mich ohne Nachsicht
ungluecklich zu machen.--Bist du denn so albern, es fuer einen Zufall
anzusehen, dass Araspe hier ist? Siehst du denn nicht, dass es Theophan
muss erfahren haben, wie ich mit seinem Vetter stehe? dass er ihm
Nachricht von meinen Umstaenden gegeben hat? dass er ihn gezwungen hat,
ueber Hals ueber Kopf eine so weite Reise zu tun, um die Gelegenheit ja
nicht zu versaeumen, meinen Ruin an den Tag zu bringen, und mir dadurch
die letzte Zuflucht, die Gunst des Lisidors, zu vernichten?
Johann. Verdammt! wie gehen mir die Augen auf! Sie haben recht.
Kann ich Esel denn, wenn von einem Geistlichen die Rede ist, nicht
gleich auf das Allerboshafteste fallen?--Ha! wenn ich doch die
Schwarzroecke auf einmal zu Pulver stampfen und in die Luft schiessen
koennte! Was fuer Streiche haben sie uns nicht schon gespielt! Der
eine hat uns um manches Tausend Taler gebracht: das war der ehrwuerdige
Gemahl Ihrer lieben Schwester. Der andere--
Adrast. Oh! fange nicht an, mir meine Unfaelle vorzuzaehlen. Ich will
sie bald geendigt sehen. Alsdann will ich es doch abwarten, was mir
das Glueck noch nehmen kann, wann ich nichts mehr habe.
Johann. Was es Ihnen noch nehmen kann, wann Sie nichts mehr haben?
Das will ich Ihnen gleich sagen: Mich wird es Ihnen alsdann noch
nehmen.
Adrast. Ich verstehe dich, Holunke!--
Johann. Verschwenden Sie Ihren Zorn nicht an mir. Hier koemmt der, an
welchem Sie ihn besser anwenden koennen.
Fuenfter Auftritt
Theophan. Adrast. Johann.
Theophan. Ich bin wieder hier, Adrast. Es entfielen Ihnen vorhin
einige Worte von Falschheit und List.--
Adrast. Beschuldigungen entfallen mir niemals. Wenn ich sie
vorbringe, bringe ich sie mit Vorsatz und Ueberlegung vor.
Theophan. Aber eine naehere Erklaerung--
Adrast. Die fodern Sie nur von sich selbst.
Johann (die ersten Worte beiseite). Hier muss ich hetzen.--Ja, ja,
Herr Theophan! es ist schon bekannt, dass Ihnen mein Herr ein Dorn in
den Augen ist.
Theophan. Adrast, haben Sie es ihm befohlen, an Ihrer Stelle zu
antworten?
Johann. So? auch meine Verteidigung wollen Sie ihm nicht goennen?
Ich will doch sehen, wer mir verbieten soll, mich meines Herrn
anzunehmen.
Theophan. Lassen Sie es ihn doch sehen, Adrast.
Adrast. Schweig!
Johann. Ich sollte--
Adrast. Noch ein Wort! (Drohend.)
Theophan. Nunmehr darf ich die Bitte um eine naehere Erklaerung doch
wohl wiederholen? Ich weiss sie mir selbst nicht zu geben.
Adrast. Erklaeren Sie sich denn gerne naeher, Theophan?
Theophan. Mit Vergnuegen, sobald es verlangt wird.
Adrast. Ei! so sagen Sie mir doch, was wollte denn Araspe, bei
Gelegenheit dessen, was Sie schon wissen, mit den Worten sagen:
Theophan hat es auf sich genommen?
Theophan. Darueber sollte sich Araspe eigentlich erklaeren. Doch ich
kann es an seiner Statt tun. Er wollte sagen, dass er mir Ihre Wechsel
zur Besorgung uebergeben habe.
Adrast. Auf Ihr Anliegen?
Theophan. Das kann wohl sein.
Adrast. Und was haben Sie beschlossen, damit zu tun?
Theophan. Sie sind Ihnen ja noch nicht vorgewiesen worden? Koennen
wir etwas beschliessen, ehe wir wissen, was Sie darauf tun wollen?
Adrast. Kahle Ausflucht! Ihr Vetter weiss es laengst, was ich darauf
tun kann.
Theophan. Er weiss, dass Sie ihnen Genuege tun koennen. Und sind Sie
alsdann nicht auseinander?
Adrast. Sie spotten.
Theophan. Ich bin nicht Adrast.
Adrast. Setzen Sie aber den Fall,--und Sie koennen ihn sicher setzen,--
dass ich nicht imstande waere zu bezahlen: was haben Sie alsdenn
beschlossen?
Theophan. In diesem Falle ist noch nichts beschlossen.
Adrast. Aber was duerfte beschlossen werden?
Theophan. Das koemmt auf Araspen an. Doch sollte ich meinen, dass eine
einzige Vorstellung, eine einzige hoefliche Bitte bei einem Manne, wie
Araspe ist, viel ausrichten koenne.
Johann. Nachdem die Ohrenblaeser sind.--
Adrast. Muss ich es noch einmal sagen, dass du schweigen sollst?
Theophan. Ich wuerde mir ein wahres Vergnuegen machen, wenn ich Ihnen
durch meine Vermittelung einen kleinen Dienst dabei erzeigen koennte.
Adrast. Und Sie meinen, dass ich Sie mit einer demuetigen Miene, mit
einer kriechenden Liebkosung, mit einer niedertraechtigen Schmeichelei
darum ersuchen solle? Nein, so will ich Ihre Kitzelung ueber mich
nicht vermehren. Wenn Sie mich mit dem ehrlichsten Gesichte
versichert haetten, Ihr moeglichstes zu tun, so wuerden Sie in einigen
Augenblicken mit einer wehmuetigen Stellung wiederkommen, und es
bedauern, dass Ihre angewandte Muehe umsonst sei? Wie wuerden sich Ihre
Augen an meiner Verwirrung weiden!
Theophan. Sie wollen mir also keine Gelegenheit geben, das Gegenteil
zu beweisen?--Es soll Ihnen nur ein Wort kosten.
Adrast. Nein, auch dieses Wort will ich nicht verlieren. Denn kurz,--
und hier haben Sie meine naehere Erklaerung:--Araspe wuerde, ohne Ihr
Anstiften, nicht hiehergekommen sein. Und nun, da Sie Ihre Mine, mich
zu sprengen, so wohl angelegt haetten, sollten Sie durch ein einziges
Wort koennen bewogen werden, sie nicht springen zu lassen? Fuehren Sie
Ihr schoenes Werk nur aus.
Theophan. Ich erstaune ueber Ihren Verdacht nicht. Ihre Gemuetsart hat
mich ihn vorhersehen lassen. Aber gleichwohl ist es gewiss, dass ich
ebensowenig gewusst habe, dass Araspe Ihr Glaeubiger sei, als Sie gewusst
haben, dass er mein Vetter ist.
Adrast. Es wird sich zeigen.
Theophan. Zu Ihrem Vergnuegen, hoffe ich.--Heitern Sie Ihr Gesicht nur
auf, und folgen Sie mir mit zu der Gesellschaft.--
Adrast. Ich will sie nicht wieder sehen.
Theophan. Was fuer ein Entschluss! Ihren Freund, Ihre Geliebte--
Adrast. Wird mir wenig kosten, zu verlassen. Sorgen Sie aber nur
nicht, dass es eher geschehen soll, als bis Sie befriediget sind. Ich
will Ihren Verlust nicht, und sogleich noch das letzte Mittel
versuchen.--
Theophan. Bleiben Sie, Adrast.--Es tut mir leid, dass ich Sie nicht
gleich den Augenblick aus aller Ihrer Unruhe gerissen habe.--Lernen
Sie meinen Vetter besser kennen, (indem er die Wechsel hervorzieht)
und glauben Sie gewiss, wenn Sie schon von mir das Allernichtswuerdigste
denken wollen, dass wenigstens er ein Mann ist, der Ihre Hochachtung
verdient. Er will Sie nicht anders, als mit dem sorglosesten Gesichte
sehen, und gibt Ihnen deswegen Ihre Wechsel hier zurueck. (Er reicht
sie ihm dar.) Sie sollen sie selbst so lange verwahren, bis Sie ihn
nach Ihrer Bequemlichkeit deswegen befriedigen koennen. Er glaubt, dass
sie ihm in Ihren Haenden ebenso sicher sind, als unter seinem eigenen
Schlosse. Sie haben den Ruhm eines ehrlichen Mannes, wenn Sie schon
den Ruhm eines frommen nicht haben.
Adrast (stutzig, indem er des Theophans Hand zurueckstoesst). Mit was
fuer einem neuen Fallstricke drohen Sie mir? Die Wohltaten eines
Feindes--
Theophan. Unter diesem Feinde verstehen Sie mich; was aber hat Araspe
mit Ihrem Hasse zu tun? Er ist es, nicht ich, der Ihnen diese
geringschaetzige Wohltat erzeigen will; wenn anders eine armselige
Gefaelligkeit diesen Namen verdient.--Was ueberlegen Sie noch? Hier,
Adrast! nehmen Sie Ihre Handschriften zurueck!
Adrast. Ich will mich wohl dafuer hueten.
Theophan. Ich bitte Sie, lassen Sie mich nicht unverrichteter Sache
zu einem Manne zurueckkommen, der es mit Ihnen gewiss redlich meinet.
Er wuerde die Schuld seines verachteten Anerbietens auf mich schieben.
(Indem er ihm die Wechsel aufs neue darreicht, reisst sie ihm Johann
aus der Hand.)
Johann. Ha! ha! mein Herr, in wessen Haenden sind die Wechsel nun?
Theophan (gelassen). In den deinigen, ohne Zweifel. Immer bewahre
sie, anstatt deines Herrn.
Adrast (geht wuetend auf den Bedienten los). Infamer! es kostet dein
Leben--
Theophan. Nicht so hitzig, Adrast.
Adrast. Den Augenblick gib sie ihm zurueck! (Er nimmt sie ihm weg.)
Geh mir aus den Augen!
Johann. Nun, wahrhaftig!--
Adrast. Wo du noch eine Minute verziehst--(Er stoesst ihn fort.)
Sechster Auftritt
Theophan. Adrast.
Adrast. Ich muss mich schaemen, Theophan; ich glaube aber nicht, dass
Sie so gar weit gehen, und mich mit meinem Bedienten vermengen werden.-
-Nehmen Sie es zurueck, was man Ihnen rauben wollte.--
Theophan. Es ist in der Hand, in der es sein soll.
Adrast. Nein. Ich verachte Sie viel zu sehr, als dass ich Sie
abhalten sollte, eine niedertraechtige Tat zu begehen.
Theophan. Das ist empfindlich! (Er nimmt die Wechsel zurueck.)
Adrast. Es ist mir lieb, dass Sie mich nicht gezwungen, sie Ihnen vor
die Fuesse zu werfen. Wenn sie wieder in meine Haende zurueckkommen
sollen, so werde ich anstaendigere Mittel dazu finden. Finde ich aber
keine, so ist es ebendas. Sie werden sich freuen, mich zugrunde zu
richten, und ich werde mich freuen, Sie von ganzem Herzen hassen zu
koennen.
Theophan. Es sind doch wirklich Ihre Wechsel, Adrast? (Indem er sie
aufschlaegt und ihm zeigt.)
Adrast. Sie glauben etwa, dass ich sie leugnen werde?--
Theophan. Das glaube ich nicht; ich will bloss gewiss sein. (Er
zerreisst sie gleichgueltig.)
Adrast. Was machen Sie, Theophan?
Theophan. Nichts. (Indem er die Stuecken in die Szene wirft.) Ich
vernichte eine Nichtswuerdigkeit, die einen Mann, wie Adrast ist, zu so
kleinen Reden verleiten kann.
Adrast. Aber sie gehoeren nicht Ihnen.--
Theophan. Sorgen Sie nicht; ich tue, was ich verantworten kann.--
Bestehet Ihr Verdacht noch? (Geht ab.)
Siebenter Auftritt
Adrast (sieht ihm einige Augenblicke nach). Was fuer ein Mann! Ich
habe tausend aus seinem Stande gefunden, die unter der Larve der
Heiligkeit betrogen; aber noch keinen, der es, wie dieser, unter der
Larve der Grossmut, getan haette.--Entweder er sucht mich zu beschaemen,
oder zu gewinnen. Keines von beiden soll ihm gelingen. Ich habe mich,
zu gutem Gluecke, auf einen hiesigen Wechsler besonnen, mit dem ich,
bei bessern Umstaenden, ehemals Verkehr hatte. Er wird hoffentlich
glauben, dass ich mich noch in ebendenselben befinde, und wenn das ist,
mir ohne Anstand die noetige Summe vorschiessen. Ich will ihn aber
deswegen nicht zum Bocke machen, ueber dessen Hoerner ich aus dem
Brunnen springe. Ich habe noch liegende Gruende, die ich mit Vorteil
verkaufen kann, wenn mir nur Zeit gelassen wird. Ich muss ihn
aufsuchen.--
Achter Auftritt
Henriette. Adrast.
Henriette. Wo stecken Sie denn, Adrast? Man hat schon zwanzigmal
nach Ihnen gefragt. Oh! schaemen Sie sich, dass ich Sie zu einer Zeit
suchen muss, da Sie mich suchen sollten. Sie spielen den Ehemann zu
zeitig. Doch getrost! vielleicht spielen Sie dafuer den Verliebten
alsdann, wann ihn andre nicht mehr spielen.
Adrast. Erlauben Sie, Mademoiselle; ich habe nur noch etwas Noetiges
ausser dem Hause zu besorgen.
Henriette. Was koennen Sie jetzt Noetigers zu tun haben, als um mich zu
sein?
Adrast. Sie scherzen.
Henriette. Ich scherze?--Das war ein allerliebstes Kompliment!
Adrast. Ich mache nie welche.
Henriette. Was fuer ein muerrisches Gesicht!--Wissen Sie, dass wir uns
ueber diese muerrischen Gesichter zanken werden, noch ehe uns die
Trauung die Erlaubnis dazu erteilt?
Adrast. Wissen Sie, dass ein solcher Einfall in Ihrem Munde nicht eben
der artigste ist?
Henriette. Vielleicht, weil Sie glauben, dass die leichtsinnigen
Einfaelle nur in Ihrem Munde wohl lassen? Unterdessen haben Sie doch
wohl kein Privilegium darueber?
Adrast. Sie machen Ihre Dinge vortrefflich. Ein Frauenzimmer, das so
fertig antworten kann, ist sehr viel wert.
Henriette. Das ist wahr; denn wir schwachen Werkzeuge wissen sonst
den Mund am allerwenigsten zu gebrauchen.
Adrast. Wollte Gott!
Henriette. Ihr treuherziges Wollte Gott! bringt mich zum Lachen, so
sehr ich auch boese sein wollte. Ich bin schon wieder gut, Adrast.
Adrast. Sie sehen noch einmal so reizend aus, wenn Sie boese sein
wollen; denn es koemmt doch selten weiter damit, als bis zur
Ernsthaftigkeit, und diese laesst Ihrem Gesichte um so viel schoener, je
fremder sie in demselben ist. Eine bestaendige Munterkeit, ein immer
anhaltendes Laecheln wird unschmackhaft.
Henriette (ernsthaft). Oh! mein guter Herr, wenn das Ihr Fall ist,
ich will es Ihnen schmackhaft genug machen.
Adrast. Ich wollte wuenschen,--denn noch habe ich Ihnen nichts
vorzuschreiben,--
Henriette. Dieses Noch ist mein Glueck. Aber was wollten Sie denn
wuenschen?
Adrast. Dass Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel Ihrer
aeltesten Mademoisell Schwester richten moechten. Ich verlange nicht,
dass Sie ihre ganze sittsame Art an sich nehmen sollen; wer weiss, ob
sie Ihnen so anstehen wuerde?--
Henriette. St! die Pfeife verraet das Holz, woraus sie geschnitten
ist. Lassen Sie doch hoeren, ob meine dazu stimmt?
Adrast. Ich hoere.
Henriette. Es ist recht gut, dass Sie auf das Kapitel von Exempeln
gekommen sind. Ich habe Ihnen auch einen kleinen Vers daraus
vorzupredigen.
Adrast. Was fuer eine Art sich auszudruecken!
Henriette. Hum! Sie denken, weil Sie nichts vom Predigen halten.
Sie werden finden, dass ich eine Liebhaberin davon bin. Aber hoeren Sie
nur:--(In seinem vorigen Tone.) Ich wollte wuenschen,--denn noch habe
ich Ihnen nichts vorzuschreiben,--
Adrast. Und werden es auch niemals haben.
Henriette. Ja so!--Streichen Sie also das weg.--Ich wollte wuenschen,
dass Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel des Herrn Theophans
bilden moechten. Ich verlange nicht, dass Sie seine ganze gefaellige Art
an sich nehmen sollen, weil ich nichts Unmoegliches verlangen mag; aber
so etwas davon wuerde Sie um ein gut Teil ertraeglicher machen. Dieser
Theophan, der nach weit strengern Grundsaetzen lebt, als die Grundsaetze
eines gewissen Freigeistes sind, ist allezeit aufgeraeumt und
gespraechig. Seine Tugend, und noch sonst etwas, worueber Sie aber
lachen werden, seine Froemmigkeit--Lachen Sie nicht?
Adrast. Lassen Sie sich nicht stoeren. Reden Sie nur weiter. Ich
will unterdessen meinen Gang verrichten, und gleich wieder hier sein.
(Geht ab.)
Henriette. Sie duerfen nicht eilen. Sie kommen, wann Sie kommen: Sie
werden mich nie wieder so treffen.--Welche Grobheit! Soll ich mich
wohl darueber erzuernen?--Ich will mich besinnen. (Geht auf der andern
Seite ab.)
(Ende des dritten Aufzuges.)
Vierter Aufzug
Erster Auftritt
Juliane. Henriette. Lisette.
Henriette. Sage was du willst; sein Betragen ist nicht zu
entschuldigen.
Juliane. Davon wuerde sich alsdann erst urteilen lassen, wann ich auch
seine Gruende gehoert haette. Aber, meine liebe Henriette, willst du mir
wohl eine kleine schwesterliche Ermahnung nicht uebelnehmen?
Henriette. Das kann ich dir nicht voraus sagen. Wenn sie dahin
abzielen sollte, wohin ich mir einbilde--
Juliane. Ja, wenn du mit deinen Einbildungen dazu koemmst--
Henriette. Oh! ich bin mit meinen Einbildungen recht wohl zufrieden.
Ich kann ihnen nicht nachsagen, dass sie mich jemals sehr irregefuehrt
haetten.
Juliane. Was meinst du damit?
Henriette. Muss man denn immer etwas meinen? Du weisst ja wohl,
Henriette schwatzt gerne in den Tag hinein, und sie erstaunt allezeit
selber, wenn sie von ohngefaehr ein Puenktchen trifft, welches das
Puenktchen ist, das man nicht gerne treffen lassen moechte.
Juliane. Nun hoere einmal, Lisette!
Henriette. Ja, Lisette, lass uns doch hoeren, was das fuer eine
schwesterliche Ermahnung ist, die sie mir erteilen will.
Juliane. Ich dir eine Ermahnung?
Henriette. Mich deucht, du sprachst davon.
Juliane. Ich wuerde sehr uebel tun, wenn ich dir das geringste sagen
wollte.
Henriette. Oh! ich bitte--
Juliane. Lass mich!
Henriette. Die Ermahnung, Schwesterchen!--
Juliane. Du verdienst sie nicht.
Henriette. So erteile sie mir ohne mein Verdienst.
Juliane. Du wirst mich boese machen.
Henriette. Und ich,--ich bin es schon. Aber denke nur nicht, dass ich
es ueber dich bin. Ich bin es ueber niemanden, als ueber den Adrast.
Und was mich unversoehnlich gegen ihn macht, ist dieses, dass meine
Schwester seinetwegen gegen mich ungerecht werden muss.
Juliane. Von welcher Schwester sprichst du?
Henriette. Von welcher?--von der, die ich gehabt habe.
Juliane. Habe ich dich jemals so empfindlich gesehen!--Du weisst es,
Lisette, was ich gesagt habe.
Lisette. Ja, das weiss ich; und es war wirklich weiter nichts, als
eine unschuldige Lobrede auf den Adrast, an der ich nur das
auszusetzen hatte, dass sie Mamsell Henrietten eifersuechtig machen
musste.
Juliane. Eine Lobrede auf Adrasten?
Henriette. Mich eifersuechtig?
Lisette. Nicht so stuermisch!--So geht's den Leuten, die mit der
Wahrheit geradedurch wollen: sie machen es niemanden recht.
Henriette. Mich eifersuechtig? Auf Adrasten eifersuechtig? Ich werde,
von heute an, den Himmel um nichts inbruenstiger anflehen, als um die
Errettung aus den Haenden dieses Mannes.
Juliane. Ich? eine Lobrede auf Adrasten? Ist das eine Lobrede, wenn
ich sage, dass ein Mann einen Tag nicht wie den andern aufgeraeumt sein
kann? Wenn ich sage, dass Adrasten die Bitterkeit, worueber meine
Schwester klagt, nicht natuerlich ist und dass sie ein zugestossener
Verdruss bei ihm muesse erregt haben? Wenn ich sage, dass ein Mann, wie
er, der sich mit finsteren Nachdenken vielleicht nur zu sehr
beschaeftiget--
Zweiter Auftritt
Adrast. Juliane. Henriette. Lisette.
Henriette. Als wenn Sie gerufen waeren, Adrast! Sie verliessen mich
vorhin, unhoeflich genug, mitten in der Erhebung des Theophans; aber
das hindert mich nicht, dass ich Ihnen nicht die Wiederholung Ihrer
eigenen anzuhoeren goennen sollte.--Sie sehen sich um? Nach Ihrer
Lobrednerin gewiss? Ich bin es nicht, wahrhaftig! ich bin es nicht;
meine Schwester ist es. Eine Betschwester, die Lobrednerin eines
Freigeistes! Was fuer ein Widerspruch! Entweder Ihre Bekehrung muss
vor der Tuere sein, Adrast, oder meiner Schwester Verfuehrung.
Juliane. Wie ausgelassen sie wieder auf einmal ist.
Henriette. Stehen Sie doch nicht so hoelzern da!
Adrast. Ich nehme Sie zum Zeugen, schoenste Juliane, wie veraechtlich
sie mir begegnet.
Henriette. Komm nur, Lisette! wir wollen sie allein lassen. Adrast
braucht ohne Zweifel unsere Gegenwart weder zu seiner Danksagung, noch
zu meiner Verklagung.
Juliane. Lisette soll hierbleiben.
Henriette. Nein, sie soll nicht.
Lisette. Sie wissen wohl, ich gehoere heute Mamsell Henrietten.
Henriette. Aber bei dem allen sieh dich vor, Schwester! Wenn mir
dein Theophan aufstoesst, so sollst du sehen, was geschieht. Sie duerfen
nicht denken, Adrast, dass ich dieses sage, um Sie eifersuechtig zu
machen. Ich fuehle es in der Tat, dass ich anfange, Sie zu hassen.
Adrast. Es moechte Ihnen auch schwerlich gelingen, mich eifersuechtig
zu machen.
Henriette. Oh! das waere vortrefflich, wenn Sie mir hierinne gleich
waeren. Alsdann, erst alsdann wuerde unsre Ehe eine recht glueckliche
Ehe werden. Freuen Sie sich, Adrast! wie veraechtlich wollen wir
einander begegnen!--Du willst antworten, Schwester? Nun ist es Zeit.
Fort, Lisette!
Dritter Auftritt
Adrast. Juliane.
Juliane. Adrast, Sie werden Geduld mit ihr haben muessen.--Sie
verdient es aber auch; denn sie hat das beste Herz von der Welt, so
verdaechtig es ihre Zunge zu machen sucht.
Adrast. Allzuguetige Juliane! Sie hat das Glueck, Ihre Schwester zu
sein; aber wie schlecht macht sie sich dieses Glueck zunutze? Ich
entschuldige jedes Frauenzimmer, das ohne merkliche Fehler nicht hat
aufwachsen koennen, weil es ohne Erziehung und Beispiele hat aufwachsen
muessen; aber ein Frauenzimmer zu entschuldigen, das eine Juliane zum
Muster gehabt hat, und eine Henriette geworden ist: bis dahin langt
meine Hoeflichkeit nicht.--
Juliane. Sie sind aufgebracht, Adrast: wie koennten Sie billig sein?
Adrast. Ich weiss nicht, was ich jetzo bin; aber ich weiss, dass ich aus
Empfindung rede.--
Juliane. Die zu heftig ist, als dass sie lange anhalten sollte.
Adrast. So prophezeien Sie mir mein Unglueck.
Juliane. Wie?--Sie vergessen, in was fuer Verbindung Sie mit meiner
Schwester stehen?
Adrast. Ach! Juliane, warum muss ich Ihnen sagen, dass ich kein Herz
fuer Ihre Schwester habe?
Juliane. Sie erschrecken mich.--
Adrast. Und ich habe Ihnen nur noch die kleinste Haelfte von dem
gesagt, was ich Ihnen sagen muss.
Juliane. So erlauben Sie, dass ich mir die groessre erspare. (Sie will
fortgehen.)
Adrast. Wohin? Ich haette Ihnen meine Veraenderung entdeckt, und Sie
wollten die Gruende, die mich dazu bewogen haben, nicht anhoeren? Sie
wollten mich mit dem Verdachte verlassen, dass ich ein unbestaendiger,
leichtsinniger Flattergeist sei?
Juliane. Sie irren sich. Nicht ich; mein Vater, meine Schwester,
haben allein auf Ihre Rechtfertigungen ein Recht.
Adrast. Allein? Ach!--
Juliane. Halten Sie mich nicht laenger--
Adrast. Ich bitte nur um einen Augenblick. Der groesste Verbrecher
wird gehoert--
Juliane. Von seinem Richter, Adrast; und ich bin Ihr Richter nicht.
Adrast. Aber ich beschwoere Sie, es jetzt sein zu wollen. Ihr Vater,
schoenste Juliane, und Ihre Schwester werden mich verdammen, und nicht
richten. Ihnen allein traue ich die Billigkeit zu, die mich beruhigen
kann.
Juliane (beiseite). Ich glaube, er beredet mich, ihn anzuhoeren.--Nun
wohl! so sagen Sie denn, Adrast, was Sie wider meine Schwester so
eingenommen hat?
Adrast. Sie selbst hat mich wider sich eingenommen. Sie ist zu wenig
Frauenzimmer, als dass ich sie als Frauenzimmer lieben koennte. Wenn
ihre Lineamente nicht ihr Geschlecht bestaerkten, so wuerde man sie fuer
einen verkleideten wilden Juengling halten, der zu ungeschickt waere,
seine angenommene Rolle zu spielen. Was fuer ein Mundwerk! Und was
muss es fuer ein Geist sein, der diesen Mund in Beschaeftigung erhaelt!
Sagen Sie nicht, dass vielleicht Mund und Geist bei ihr wenig oder
keine Verbindung miteinander haben. Desto schlimmer. Diese Unordnung,
da ein jedes von diesen zwei Stuecken seinen eignen Weg haelt, macht
zwar die Vergehungen einer solchen Person weniger strafbar; allein sie
vernichtet auch alles Gute, was diese Person noch etwa an sich haben
kann. Wenn ihre beissenden Spoettereien, ihre nachteiligen Anmerkungen
deswegen zu uebersehen sind, weil sie es, wie man zu reden pflegt,
nicht so boese meinet; ist man nicht berechtiget, aus eben diesem
Grunde dasjenige, was sie Ruehmliches und Verbindliches sagt, ebenfalls
fuer leere Toene anzusehen, bei welchen sie es vielleicht nicht so gut
meinet? Wie kann man eines Art zu denken beurteilen, wenn man sie
nicht aus seiner Art zu reden beurteilen soll? Und wenn der Schluss
von der Rede auf die Gesinnung in dem einen Falle nicht gelten soll,
warum soll er in dem andern gelten? Sie spricht mit duerren Worten,
dass sie mich zu hassen anfange; und ich soll glauben, dass sie mich
noch liebe? So werde ich auch glauben muessen, dass sie mich hasse,
wenn sie sagen wird, dass sie mich zu lieben anfange.
Juliane. Adrast, Sie betrachten ihre kleinen Neckereien zu strenge,
und verwechseln Falschheit mit Uebereilung. Sie kann der letztern des
Tages hundertmal schuldig werden; und von der erstern doch immer
entfernt bleiben. Sie muessen es aus ihren Taten, und nicht aus ihren
Reden, erfahren lernen, dass sie im Grunde die freundschaftlichste und
zaertlichste Seele hat.
Adrast. Ach! Juliane, die Reden sind die ersten Anfaenge der Taten,
ihre Elemente gleichsam. Wie kann man vermuten, dass diejenige
vorsichtig und gut handeln werde, der es nicht einmal gewoehnlich ist,
vorsichtig und gut zu reden? Ihre Zunge verschont nichts, auch
dasjenige nicht, was ihr das Heiligste von der Welt sein sollte.
Pflicht, Tugend, Anstaendigkeit, Religion: alles ist ihrem Spotte
ausgesetzt.--
Juliane. Stille, Adrast! Sie sollten der letzte sein, der diese
Anmerkung machte.
Adrast. Wieso?
Juliane. Wieso?--Soll ich aufrichtig reden?
Adrast. Als ob Sie anders reden koennten.--
Juliane. Wie, wenn das ganze Betragen meiner Schwester, ihr Bestreben
leichtsinniger zu scheinen, als sie ist, ihre Begierde Spoettereien zu
sagen, sich nur von einer gewissen Zeit herschrieben? Wie, wenn diese
gewisse Zeit die Zeit Ihres Hierseins waere, Adrast?
Adrast. Was sagen Sie?
Juliane. Ich will nicht sagen, dass Sie ihr mit einem boesen Exempel
vorgegangen waeren. Allein wozu verleitet uns nicht die Begierde zu
gefallen? Wenn Sie Ihre Gesinnungen auch noch weniger geaeussert haetten:
--und Sie haben sie oft deutlich genug geaeussert.--so wuerde sie
Henriette doch erraten haben. Und sobald sie dieselben erriet, so
bald war der Schluss, sich durch die Annehmung gleicher Gesinnungen bei
Ihnen beliebt zu machen, fuer ein lebhaftes Maedchen sehr natuerlich.
Wollen Sie wohl nun so grausam sein, und ihr dasjenige als ein
Verbrechen anrechnen, wofuer Sie ihr, als fuer eine Schmeichelei, danken
sollten?
Adrast. Ich danke niemanden, der klein genug ist, meinetwegen seinen
Charakter zu verlassen; und derjenige macht mir eine schlechte
Schmeichelei, der mich fuer einen Toren haelt, welchem nichts als seine
Art gefalle, und der ueberall gern kleine Kopien und verjuengte
Abschilderungen von sich selbst sehen moechte.
Juliane. Aber auf diese Art werden Sie wenig Proselyten machen.
Adrast. Was denken Sie von mir, schoenste Juliane? Ich Proselyten
machen? Rasendes Unternehmen! Wem habe ich meine Gedanken jemals
anschwatzen oder aufdringen wollen? Es sollte mir leid tun, sie unter
den Poebel gebracht zu wissen. Wenn ich sie oft laut und mit einer
gewissen Heftigkeit verteidiget habe, so ist es in der Absicht, mich
zu rechtfertigen, nicht, andere zu ueberreden, geschehen. Wenn meine
Meinungen zu gemein wuerden, so wuerde ich der erste sein, der sie
verliesse, und die gegenseitigen annaehme.
Juliane. Sie suchen also nur das Sonderbare?
Adrast. Nein, nicht das Sonderbare, sondern bloss das Wahre; und ich
kann nicht dafuer, wenn jenes, leider! eine Folge von diesem ist. Es
ist mir unmoeglich zu glauben, dass die Wahrheit gemein sein koenne;
ebenso unmoeglich, als zu glauben, dass in der ganzen Welt auf einmal
Tag sein koenne. Das, was unter der Gestalt der Wahrheit unter allen
Voelkern herumschleicht, und auch von den Bloedsinnigsten angenommen
wird, ist gewiss keine Wahrheit, und man darf nur getrost die Hand, sie
zu entkleiden, anlegen, so wird man den scheusslichsten Irrtum nackend
vor sich stehen sehen.
Juliane. Wie elend sind die Menschen, und wie ungerecht ihr Schoepfer,
wenn Sie recht haben, Adrast! Es muss entweder gar keine Wahrheit sein,
oder sie muss von der Beschaffenheit sein, dass sie von den meisten, ja
von allen, wenigstens im Wesentlichsten, empfunden werden kann.
Adrast. Es liegt nicht an der Wahrheit, dass sie es nicht werden kann,
sondern an den Menschen.--Wir sollen gluecklich in der Welt leben; dazu
sind wir erschaffen; dazu sind wir einzig und allein erschaffen.
Sooft die Wahrheit diesem grossen Endzwecke hinderlich ist, sooft ist
man verbunden, sie beiseite zu setzen; denn nur wenig Geister koennen
in der Wahrheit selbst ihr Glueck finden. Man lasse daher dem Poebel
seine Irrtuemer; man lasse sie ihm, weil sie ein Grund seines Glueckes
und die Stuetze des Staates sind, in welchem er fuer sich Sicherheit,
Ueberfluss und Freude findet. Ihm die Religion nehmen, heisst ein wildes
Pferd auf der fetten Weide losbinden, das, sobald es sich frei fuehlt,
lieber in unfruchtbaren Waeldern herumschweifen und Mangel leiden, als
durch einen gemaechlichen Dienst alles, was es braucht, erwerben will.--
Doch nicht fuer den Poebel allein, auch noch fuer einen andern Teil des
menschlichen Geschlechts muss man die Religion beibehalten. Fuer den
schoensten Teil, meine ich, dem sie eine Art von Zierde, wie dort eine
Art von Zaume ist. Das Religioese stehet der weiblichen Bescheidenheit
sehr wohl; es gibt der Schoenheit ein gewisses edles, gesetztes und
schmachtendes Ansehen--
Juliane. Halten Sie, Adrast! Sie erweisen meinem Geschlechte
ebensowenig Ehre, als der Religion. Jenes setzen Sie mit dem Poebel in
eine Klasse, so fein auch Ihre Wendung war; und diese machen Sie aufs
hoechste zu einer Art von Schminke, die das Geraete auf unsern
Nachttischen vermehren kann. Nein, Adrast! die Religion ist eine
Zierde fuer alle Menschen; und muss ihre wesentlichste Zierde sein. Ach!
Sie verkennen sie aus Stolze; aber aus einem falschen Stolze. Was
kann unsre Seele mit erhabenern Begriffen fuellen, als die Religion?
Und worin kann die Schoenheit der Seele anders bestehen, als in solchen
Begriffen? in wuerdigen Begriffen von Gott, von uns, von unsern
Pflichten, von unserer Bestimmung? Was kann unser Herz, diesen
Sammelplatz verderbter und unruhiger Leidenschaften, mehr reinigen,
mehr beruhigen, als eben diese Religion? Was kann uns im Elende mehr
aufrichten, als sie? Was kann uns zu wahrern Menschen, zu bessern
Buergern, zu aufrichtigern Freunden machen, als sie?--Fast schaeme ich
mich, Adrast, mit Ihnen so ernstlich zu reden. Es ist der Ton ohne
Zweifel nicht, der Ihnen an einem Frauenzimmer gefaellt, ob Ihnen
gleich der entgegengesetzte ebensowenig zu gefallen scheinet. Sie
koennten alles dieses aus einem beredtern Munde, aus dem Munde des
Theophans hoeren.
Vierter Auftritt
Henriette. Juliane. Adrast.
Henriette (bleibt an der Szene horchend stehen). St!
Adrast. Sagen Sie mir nichts vom Theophan. Ein Wort von Ihnen hat
mehr Nachdruck, als ein stundenlanges Geplaerre von ihm. Sie wundern
sich? Kann es bei der Macht, die eine Person ueber mich haben muss, die
ich einzig liebe, die ich anbete, anders sein?--Ja, die ich liebe.--
Das Wort ist hin! es ist gesagt! Ich bin mein Geheimnis los, bei
dessen Verschweigung ich mich ewig gequaelet haette, von dessen
Entdeckung ich aber darum nichts mehr hoffe.--Sie entfaerben sich?--
Juliane. Was habe ich gehoert? Adrast!--
Adrast (indem er niederfaellt). Lassen Sie mich es Ihnen auf den Knien
zuschwoeren, dass Sie die Wahrheit gehoert haben.--Ich liebe Sie,
schoenste Juliane, und werde Sie ewig lieben. Nun, nun liegt mein Herz
klar und aufgedeckt vor Ihnen da. Umsonst wollte ich mich und andere
bereden, dass meine Gleichgueltigkeit gegen Henrietten die Wirkung an
ihr bemerkter nachteiliger Eigenschaften sei; da sie doch nichts, als
die Wirkung einer schon gebundenen Neigung war. Ach! die
liebenswuerdige Henriette hat vielleicht keinen andern Fehler, als
diesen, dass sie eine noch liebenswuerdigere Schwester hat.--
Henriette. Bravo! die Szene muss ich den Theophan unterbrechen lassen.
--(Geht ab.)
Fuenfter Auftritt
Juliane. Adrast.
Adrast (indem er gaehling aufsteht). Wer sprach hier?
Juliane. Himmel! es war Henriettens Stimme.
Adrast. Ja, sie war es. Was fuer eine Neugierde! was fuer ein Vorwitz!
Nein, nein! ich habe nichts zu widerrufen; sie hat alle die Fehler,
die ich ihr beigelegt, und noch weit mehrere. Ich koennte sie nicht
lieben, und wenn ich auch schon vollkommen frei, vollkommen
gleichgueltig gegen eine jede andere waere.
Juliane. Was fuer Verdruss, Adrast, werden Sie mir zuziehen!
Adrast. Sorgen Sie nicht! Ich werde Ihnen allen diesen Verdruss durch
meine ploetzliche Entfernung zu ersparen wissen.
Juliane. Durch Ihre Entfernung?
Adrast. Ja, sie ist fest beschlossen. Meine Umstaende sind von der
Beschaffenheit, dass ich die Guete Lisidors missbrauchen wuerde, wenn ich
laenger bliebe. Und ueber dieses will ich lieber meinen Abschied nehmen,
als ihn bekommen.
Juliane. Sie ueberlegen nicht, was Sie sagen, Adrast. Von wem sollten
Sie ihn bekommen?
Adrast. Ich kenne die Vaeter, schoenste Juliane, und kenne auch die
Theophane. Erlauben Sie, dass ich mich nicht naeher erklaeren darf. Ach!
wenn ich mir schmeicheln koennte, dass Juliane--Ich sage nichts weiter.
Ich will mir mit keiner Unmoeglichkeit schmeicheln. Nein, Juliane
kann den Adrast nicht lieben; sie muss ihn hassen.--
Juliane. Ich hasse niemanden, Adrast.--
Adrast. Sie hassen mich; denn hier ist Hassen eben das, was
Nichtlieben ist. Sie lieben den Theophan.--Ha! hier koemmt er selbst.
Sechster Auftritt
Theophan. Adrast. Juliane.
Juliane (beiseite). Was wird er sagen? was werde ich antworten?
Adrast. Ich kann mir es einbilden, auf wessen Anstiften Sie herkommen.
Aber was glaubt sie damit zu gewinnen? Mich zu verwirren? mich
wieder an sich zu ziehen?--Wie wohl laesst es Ihnen, Theophan, und Ihrem
ehrwuerdigen Charakter, das Werkzeug einer weiblichen Eifersucht zu
sein! Oder kommen Sie gar, mich zur Rede zu setzen? Ich werde Ihnen
alles gestehen; ich werde noch stolz darauf sein.
Theophan. Wovon reden Sie, Adrast? Ich verstehe kein Wort.
Juliane. Erlauben Sie, dass ich mich entferne. Theophan, ich
schmeichle mir, dass Sie einige Hochachtung fuer mich haben; Sie werden
keine ungerechte Auslegungen machen, und wenigstens glauben, dass ich
meine Pflicht kenne, und dass sie mir zu heilig ist, sie auch nur in
Gedanken zu verletzen.
Theophan. Verziehen Sie doch.--Was sollen diese Reden? Ich verstehe
Sie so wenig, als ich den Adrast verstanden habe.
Juliane. Es ist mir lieb, dass Sie aus einer unschuldigen Kleinigkeit
nichts machen wollen. Aber lassen Sie mich--(Geht ab.)
Siebenter Auftritt
Adrast. Theophan.
Theophan. Ihre Geliebte, Adrast, schickte mich hierher: Ich wuerde
hier noetig sein, sagte sie. Ich eile, und bekomme lauter Raetsel zu
hoeren.
Adrast. Meine Geliebte?--Ei! wie fein haben Sie dieses angebracht!
Gewiss, Sie konnten Ihre Vorwuerfe nicht kuerzer fassen.
Theophan. Meine Vorwuerfe? Was habe ich Ihnen denn vorzuwerfen?'
Adrast. Wollen Sie etwa die Bestaetigung aus meinem Munde hoeren?
Theophan. Sagen Sie mir nur, was Sie bestaetigen wollen? Ich stehe
ganz erstaunt hier.--
Adrast. Das geht zu weit. Welche kriechende Verstellung! Doch damit
sie Ihnen endlich nicht zu sauer wird, so will ich Sie mit Gewalt
zwingen, sie abzulegen.--Ja, es ist alles wahr, was Ihnen Henriette
hinterbracht hat. Sie war niedertraechtig genug, uns zu behorchen.--
Ich liebe Julianen, und habe ihr meine Liebe gestanden.--
Theophan. Sie lieben Julianen?
Adrast (spoettisch). Und was das Schlimmste dabei ist, ohne den
Theophan um Erlaubnis gebeten zu haben.
Theophan. Stellen Sie sich deswegen zufrieden. Sie haben nur eine
sehr kleine Formalitaet uebergangen.
Adrast. Ihre Gelassenheit, Theophan, ist hier nichts Besonders. Sie
glauben Ihrer Sachen gewiss zu sein.--Und ach! wenn Sie es doch
weniger waeren! Wenn ich doch nur mit der geringsten
Wahrscheinlichkeit hinzusetzen koennte, dass Juliane auch mich liebe.
Was fuer eine Wollust sollte mir das Erschrecken sein, das sich in
Ihrem Gesichte verraten wuerde! Was fuer ein Labsal fuer mich, wenn ich
Sie seufzen hoerte, wenn ich Sie zittern saehe! Wie wuerde ich mich
freuen, wenn Sie Ihre ganze Wut an mir auslassen, und mich voller
Verzweiflung, ich weiss nicht wohin, verwuenschen muessten!
Theophan. So koennte Sie wohl kein Glueck entzuecken, wenn es nicht
durch das Unglueck eines andern gewuerzt wuerde?--Ich bedaure den Adrast!
Die Liebe muss alle ihre verderbliche Macht an ihm verschwendet haben,
weil er so unanstaendig reden kann.
Adrast. Wohl! an dieser Miene, an dieser Wendung erinnere ich mich,
was ich bin. Es ist wahr, ich bin Ihr Schuldner, Theophan: und gegen
seine Schuldner hat man das Recht, immer ein wenig gross zu tun;--doch
Geduld! ich hoffe es nicht lange mehr zu sein. Es hat sich noch ein
ehrlicher Mann gefunden, der mich aus dieser Verlegenheit reissen will.
Ich weiss nicht, wo er bleibt. Seinem Versprechen gemaess, haette er
bereits mit dem Gelde hier sein sollen. Ich werde wohltun, wenn ich
ihn hole.
Theophan. Aber noch ein Wort, Adrast. Ich will Ihnen mein ganzes
Herz entdecken.--
Adrast. Diese Entdeckung wuerde mich nicht sehr belustigen. Ich gehe,
und bald werde ich Ihnen mit einem kuehnern Gesichte unter die Augen
treten koennen. (Geht ab.)
Theophan (allein). Unbiegsamer Geist! Fast verzweifle ich an meinem
Unternehmen. Alles ist bei ihm umsonst. Aber was wuerde er gesagt
haben, wenn er mir Zeit gelassen haette, ihn fuer sein Gestaendnis, mit
einem andern aehnlichen Gestaendnisse zu bezahlen?--Sie koemmt.
Achter Auftritt
Henriette. Lisette. Theophan.
Henriette. Nun? Theophan, habe ich Sie nicht zu einem artigen
Anblicke verholfen?
Theophan. Sie sind leichtfertig, schoene Henriette. Aber was meinen
Sie fuer einen Anblick? Kaum dass ich die Hauptsache mit Muehe und Not
begriffen habe.
Henriette. O schade!--Sie kamen also zu langsam? und Adrast lag
nicht mehr vor meiner Schwester auf den Knien?
Theophan. So hat er vor ihr auf den Knien gelegen?
Lisette. Leider fuer Sie alle beide!
Henriette. Und meine Schwester stand da,--ich kann es Ihnen nicht
beschreiben,--stand da, fast, als wenn sie ihn in dieser unbequemen
Stellung gerne gesehen haette. Sie dauern mich, Theophan!--
Theophan. Soll ich Sie auch bedauren, mitleidiges Kind?
Henriette. Mich bedauren? Sie sollen mir Glueck wuenschen.
Lisette. Aber nein; so etwas schreit um Rache!
Theophan. Und wie meint Lisette denn, dass man sich raechen koenne?
Lisette. Sie wollen sich also doch raechen?
Theophan. Vielleicht.
Lisette. Und Sie sich auch, Mamsell?
Henriette. Vielleicht.
Lisette. Gut! das sind zwei Vielleicht, womit sich etwas anfangen
laesst.
Theophan. Aber es ist noch sehr ungewiss, ob Juliane den Adrast
wiederliebt; und wenn dieses nicht ist, so wuerde ich zu zeitig auf
Rache denken.
Lisette. Oh! die christliche Seele! Nun ueberlegt sie erst, dass man
sich nicht raechen soll.
Theophan. Nicht so spoettisch, Lisette! Es wuerde hier von einer sehr
unschuldigen Rache die Rede sein.
Henriette. Das meine ich auch; von einer sehr unschuldigen.
Lisette. Wer leugnet das? von einer so unschuldigen, dass man sich
mit gutem Gewissen darueber beratschlagen kann. Hoeren Sie nur! Ihre
Rache, Herr Theophan, waere eine maennliche Rache, nicht wahr? und Ihre
Rache, Mamsell Henriette, waere eine weibliche Rache: eine maennliche
Rache--nun, und eine weibliche Rache--Ja! wie bringe ich wohl das
Ding recht gescheut herum?
Henriette. Du bist eine Naerrin mitsamt deinen Geschlechtern.
Lisette. Helfen Sie mir doch ein wenig, Herr Theophan.--Was meinen
Sie dazu? Wenn zwei Personen einerlei Weg gehen muessen, nicht wahr?
so ist es gut, dass diese zwei Personen einander Gesellschaft leisten?
Theophan. Jawohl; aber vorausgesetzt, dass diese zwei Personen
einander leiden koennen.
Henriette. Das war der Punkt!
Lisette (beiseite). Will denn keines anbeissen? Ich muss einen andern
Zipfel fassen.--Es ist schon wahr, was Herr Theophan vorhin sagte, dass
es naemlich noch sehr ungewiss sei, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe.
Ich setze sogar hinzu. Es ist noch sehr ungewiss, ob Herr Adrast
Mamsell Julianen wirklich liebt.
Henriette. O schweig, du unglueckliche Zweiflerin. Es soll nun aber
gewiss sein!
Lisette. Die Mannspersonen bekommen dann und wann gewisse Anfaelle von
einer gewissen wetterwendischen Krankheit, die aus einer gewissen
Ueberladung des Herzens entspringt.
Henriette. Aus einer Ueberladung des Herzens? Schoen gegeben!
Lisette. Ich will Ihnen gleich sagen, was das heisst. So wie Leute,
die sich den Magen ueberladen haben, nicht eigentlich mehr wissen, was
ihnen schmeckt, und was ihnen nicht schmeckt: so geht es auch den
Leuten, die sich das Herz ueberladen haben. Sie wissen selbst nicht
mehr, auf welche Seite das ueberladene Herz hinhaengt, und da trifft es
sich denn wohl, dass kleine Irrungen in der Person daraus entstehen.--
Habe ich nicht recht, Herr Theophan?
Theophan. Ich will es ueberlegen.
Lisette. Sie sind freilich eine weit bessere Art von Mannspersonen,
und ich halte Sie fuer allzu vorsichtig, als dass Sie Ihr Herz so
ueberladen sollten.--Aber wissen Sie wohl, was ich fuer einen Einfall
habe, wie wir gleichwohl hinter die Wahrheit mit dem Herrn Adrast und
der Mamsell Juliane kommen wollen?
Theophan. Nun?
Henriette. Du wuerdest mich neugierig machen, wenn ich nicht schon
hinter der Wahrheit waere.--
Lisette. Wie? wenn wir einen gewissen blinden Laerm machten?
Henriette. Was ist das wieder?
Lisette. Ein blinder Laerm ist ein Laerm wohinter nichts ist; der aber
doch die Gabe hat, den Feind--zu einer gewissen Aufmerksamkeit zu
bringen.--Zum Exempel: Um zu erfahren, ob Mamsell Juliane den Adrast
liebe, muesste sich Herr Theophan in jemand anders verliebt stellen; und
um zu erfahren, ob Adrast Mamsell Julianen liebe, muessten Sie sich in
jemand anders verliebt stellen. Und da es nun nicht lassen wuerde,
wenn sich Herr Theophan in mich verliebt stellte, noch viel weniger,
wenn Sie sich in seinen Martin verliebt stellen wollten: so waere, kurz
und gut, mein Rat, Sie stellten sich beide ineinander verliebt.--Ich
rede nur von Stellen; merken Sie wohl, was ich sage! nur von Stellen;
denn sonst koennte der blinde Laerm auf einmal Augen kriegen.--Nun sagen
Sie mir beide, ist der Anschlag nicht gut?
Theophan (beiseite). Wo ich nicht gehe, so wird sie noch machen, dass
ich mich werde erklaeren muessen.--Der Anschlag ist so schlimm nicht;
aber--
Lisette. Sie sollen sich ja nur stellen.--
Theophan. Das Stellen eben ist es, was mir dabei nicht gefaellt.
Lisette. Und Sie, Mamsell?
Henriette. Ich bin auch keine Liebhaberin vom Stellen.
Lisette. Besorgen Sie beide etwa, dass Sie es zu natuerlich machen
moechten?--Was stehen Sie so auf dem Sprunge, Herr Theophan? Was
stehen Sie so in Gedanken, Mamsell?
Henriette. Oh! geh; es waere in meinem Leben das erstemal.
Theophan. Ich muss mich auf einige Augenblicke beurlauben, schoenste
Henriette.--
Lisette. Es ist nicht noetig. Sie sollen mir wahrhaftig nicht
nachsagen, dass ich Sie weggeplaudert habe. Kommen Sie, Mamsell!--
Henriette. Es ist auch wahr, dein Plaudern ist manchmal recht
aergerlich. Komm!--Theophan, soll ich sagen, dass Sie nicht lange weg
sein werden?
Theophan. Wenn ich bitten darf.--
(Henriette und Lisette geben auf der einen Seite ab. Indem Theophan
auf der andern abgeben will, begegnet ihm der Wechsler.)
Neunter Auftritt
Theophan. Der Wechsler.
Der Wechsler. Sie werden verzeihen, mein Herr. Ich moechte nur ein
Wort mit dem Herrn Adrast sprechen.
Theophan. Eben jetzt ist er ausgegangen. Wollen Sie mir es
auftragen?--
Der Wechsler. Wenn ich so frei sein darf.--Er hat eine Summe Geldes
bei mir aufnehmen wollen, die ich ihm auch anfangs versprach. Ich
habe aber nunmehr Bedenklichkeiten gefunden, und ich komme, es ihm
wieder abzusagen: das ist es alles.
Theophan. Bedenklichkeiten, mein Herr? Was fuer Bedenklichkeiten?
doch wohl keine von seiten des Adrast?
Der Wechsler. Warum nicht?
Theophan. Ist er kein Mann von Kredit?
Der Wechsler. Kredit, mein Herr, Sie werden wissen, was das ist. Man
kann heute Kredit haben, ohne gewiss zu sein, dass man ihn morgen haben
wird. Ich habe seine jetzigen Umstaende erfahren.--
Theophan (beiseite). Ich muss mein moeglichstes tun, dass diese nicht
auskommen.--Sie muessen die falschen erfahren haben.--Kennen Sie mich,
mein Herr?--
Der Wechsler. Von Person nicht; vielleicht, wenn ich Ihren Namen
hoeren sollte.--
Theophan. Theophan.
Der Wechsler. Ein Name, von dem ich allezeit das Beste gehoert habe.
Theophan. Wenn Sie dem Herrn Adrast die verlangte Summe nicht auf
seine Unterschrift geben wollen, wollen Sie es wohl auf die meinige
tun?
Der Wechsler. Mit Vergnuegen.
Theophan. Haben Sie also die Guete, mich auf meine Stube zu begleiten.
Ich will Ihnen die noetigen Versicherungen ausstellen; wobei es bloss
darauf ankommen wird, diese Buergschaft vor dem Adrast selbst geheim zu
halten.
Der Wechsler. Vor ihm selbst?
Theophan. Allerdings; um ihm den Verdruss ueber Ihr Misstrauen zu
ersparen.--
Der Wechsler. Sie muessen ein grossmuetiger Freund sein.
Theophan. Lassen Sie uns nicht laenger verziehen.
(Gehen ab.)
(Ende des vierten Aufzuges.)
Fuenfter Aufzug
Erster Auftritt
Der Wechsler, von der einen Seite, und von der andern Adrast.
Adrast (vor sich). Ich habe meinen Mann nicht finden koennen.--
Der Wechsler (vor sich). So lasse ich es mir gefallen.--
Adrast. Aber sieh da!--Ei! mein Herr, finde ich Sie hier? So sind
wir ohne Zweifel einander fehlgegangen?
Der Wechsler. Es ist mir lieb, mein Herr Adrast, dass ich Sie noch
treffe.
Adrast. Ich habe Sie in Ihrer Wohnung gesucht. Die Sache leidet
keinen Aufschub. Ich kann mich doch noch auf Sie verlassen?
Der Wechsler. Nunmehr, ja.
Adrast. Nunmehr? Was wollen Sie damit?
Der Wechsler. Nichts. Ja, Sie koennen sich auf mich verlassen.
Adrast. Ich will nicht hoffen, dass Sie einiges Misstrauen gegen mich
haben?
Der Wechsler. Im geringsten nicht.
Adrast. Oder, dass man Ihnen einiges beizubringen gesucht hat?
Der Wechsler. Noch viel weniger.
Adrast. Wir haben bereits miteinander zu tun gehabt, und Sie sollen
mich auch kuenftig als einen ehrlichen Mann finden.
Der Wechsler. Ich bin ohne Sorgen.
Adrast. Es liegt meiner Ehre daran, diejenigen zuschanden zu machen,
die boshaft genug sind, meinen Kredit zu schmaelern.
Der Wechsler. Ich finde, dass man das Gegenteil tut.
Adrast. Oh! sagen Sie das nicht. Ich weiss wohl, dass ich meine
Feinde habe--
Der Wechsler. Sie haben aber auch Ihre Freunde.--
Adrast. Aufs hoechste dem Namen nach. Ich wuerde auszulachen sein,
wenn ich auf sie rechnen wollte.--Und glauben Sie, mein Herr, dass es
mir nicht einmal lieb ist, dass Sie, in meiner Abwesenheit, hier in
diesem Hause gewesen sind?
Der Wechsler. Und es muss Ihnen doch lieb sein.
Adrast. Es ist zwar das Haus, zu welchem ich mir nichts als Gutes
versehen sollte; aber eine gewisse Person darin, mein Herr, eine
gewisse Person--Ich weiss, ich wuerde es empfunden haben, wenn Sie mit
derselben gesprochen haetten.
Der Wechsler. Ich habe eigentlich mit niemanden gesprochen; diejenige
Person aber, bei welcher ich mich nach Ihnen erkundigte, hat die
groesste Ergebenheit gegen Sie bezeugt.
Adrast. Ich kann es Ihnen wohl sagen, wer die Person ist, vor deren
uebeln Nachrede ich mich einigermassen fuerchte. Es wird sogar gut sein,
wenn Sie es wissen, damit Sie, wenn Ihnen nachteilige Dinge von mir zu
Ohren kommen sollten, den Urheber kennen.
Der Wechsler. Ich werde nicht noetig haben, darauf zu hoeren.
Adrast. Aber doch--Mit einem Worte, es ist Theophan.
Der Wechsler (erstaunt). Theophan?
Adrast. Ja, Theophan. Er ist mein Feind--
Der Wechsler. Theophan Ihr Feind?
Adrast. Sie erstaunen?
Der Wechsler. Nicht ohne die groesste Ursache.--
Adrast. Ohne Zweifel weil Sie glauben, dass ein Mann von seinem Stande
nicht anders, als grossmuetig und edel sein koenne?--
Der Wechsler. Mein Herr--
Adrast. Er ist der gefaehrlichste Heuchler, den ich unter
seinesgleichen noch jemals gefunden habe.
Der Wechsler. Mein Herr--
Adrast. Er weiss, dass ich ihn kenne, und gibt sich daher alle Muehe,
mich zu untergraben.--
Der Wechsler. Ich bitte Sie--
Adrast. Wenn Sie etwa eine gute Meinung von ihm haben, so irren Sie
sich sehr. Vielleicht zwar, dass Sie ihn nur von der Seite seines
Vermoegens kennen; und wider dieses habe ich nichts: er ist reich; aber
eben sein Reichtum schafft ihm Gelegenheit, auf die allerfeinste Art
schaden zu koennen.
Der Wechsler. Was sagen Sie?
Adrast. Er wendet unbeschreibliche Raenke an, mich aus diesem Hause zu
bringen; Raenke, denen er ein so unschuldiges Ansehen geben kann, dass
ich selbst darueber erstaune.
Der Wechsler. Das ist zu arg! Laenger kann ich durchaus nicht
schweigen. Mein Herr, Sie hintergehen sich auf die erstaunlichste Art.
--
Adrast. Ich mich?
Der Wechsler. Theophan kann das unmoeglich sein, wofuer Sie ihn
ausgeben. Hoeren Sie alles! Ich kam hierher, mein Ihnen gegebenes
Wort wieder zurueckezunehmen. Ich hatte von sicherer Hand, nicht vom
Theophan, Umstaende von Ihnen erfahren, die mich dazu noetigten. Ich
fand ihn hier, und ich glaubte, es ihm ohne Schwierigkeit sagen zu
duerfen--
Adrast. Dem Theophan? Wie wird sich der Niedertraechtige gekitzelt
haben!
Der Wechsler. Gekitzelt? Er hat auf das nachdruecklichste fuer Sie
gesprochen. Und kurz, wenn ich Ihnen mein erstes Versprechen halte,
so geschieht es bloss in Betrachtung seiner.
Adrast. In Betrachtung seiner?--Wo bin ich?
Der Wechsler. Er hat mir schriftliche Versicherungen gegeben, die ich
als eine Buergschaft fuer Sie ansehen kann. Zwar hat er mir es zugleich
verboten, jemanden das geringste davon zu sagen: allein ich konnte es
unmoeglich anhoeren, dass ein rechtschaffener Mann so unschuldig
verlaestert wuerde. Sie koennen die verlangte Summe bei mir abholen
lassen, wann es Ihnen beliebt. Nur werden Sie mir den Gefallen tun
und sich nichts gegen ihn merken lassen. Er bezeugte bei dem ganzen
Handel so viel Aufrichtigkeit und Freundschaft fuer Sie, dass er ein
Unmensch sein muesste, wenn er die Verstellung bis dahin treiben koennte.-
-Leben Sie wohl! (Geht ab.)
Zweiter Auftritt
Adrast.--Was fuer ein neuer Streich!--Ich kann nicht wieder zur mir
selbst kommen!--Es ist nicht auszuhalten!--Verachtungen, Beleidigungen,
--Beleidigungen in dem Gegenstande, der ihm der liebste sein muss:--
alles ist umsonst; nichts will er fuehlen. Was kann ihn so verhaerten?
Die Bosheit allein, die Begierde allein, seine Rache reif werden zu
lassen.--Wen sollte dieser Mann nicht hinter das Licht fuehren? Ich
weiss nicht, was ich denken soll. Er dringt seine Wohltaten mit einer
Art auf--Aber verwuenscht sind seine Wohltaten, und seine Art! Und
wenn auch keine Schlange unter diesen Blumen laege, so wuerde ich ihn
doch nicht anders als hassen koennen. Hassen werde ich ihn, und wenn
er mir das Leben rettete. Er hat mir das geraubt, was kostbarer ist,
als das Leben: das Herz meiner Juliane; ein Raub, den er nicht
ersetzen kann, und wenn er sich mir zu eigen schenkte. Doch er will
ihn nicht ersetzen; ich dichte ihm noch eine zu gute Meinung an.--
Dritter Auftritt
Theophan. Adrast.
Theophan. In welcher heftigen Bewegung treffe ich Sie abermals Adrast?
Adrast. Sie ist Ihr Werk.
Theophan. So muss sie eines von denen Werken sein, die wir alsdann
wider unsern Willen hervorbringen, wann wir uns am meisten nach ihrem
Gegenteile bestreben. Ich wuensche nichts, als Sie ruhig zu sehen,
damit Sie mit kaltem Blute von einer Sache mit mir reden koennten, die
uns beide nicht naeher angehen kann.
Adrast. Nicht wahr, Theophan? es ist der hoechste Grad der List, wenn
man alle seine Streiche so zu spielen weiss, dass die, denen man sie
spielt, selbst nicht wissen, ob und was fuer Vorwuerfe sie uns machen
sollen?
Theophan. Ohne Zweifel.
Adrast. Wuenschen Sie sich Glueck: Sie haben diesen Grad erreicht.
Theophan. Was soll das wieder?
Adrast. Ich versprach Ihnen vorhin, die bewussten Wechsel zu bezahlen--
(spoettisch) Sie werden es nicht uebelnehmen, es kann nunmehr nicht sein.
Ich will Ihnen, anstatt der zerrissenen, andere Wechsel schreiben.
Theophan (in eben dem Tone). Es ist wahr, ich habe sie in keiner
andern Absicht zerrissen, als neue von Ihnen zu bekommen.--
Adrast. Es mag Ihre Absicht gewesen sein, oder nicht: Sie sollen sie
haben.--Wollten Sie aber nicht etwa gern erfahren, warum ich sie
nunmehr nicht bezahlen kann?
Theophan. Nun?
Adrast. Weil ich die Buergschaften nicht liebe.
Theophan. Die Buergschaften?
Adrast. Ja; und weil ich Ihrer Rechten nichts geben mag, was ich aus
Ihrer Linken nehmen muesste.
Theophan (beiseite). Der Wechsler hat mir nicht reinen Mund gehalten!
Adrast. Sie verstehen mich doch?
Theophan. Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen.
Adrast. Ich gebe mir alle Muehe, Ihnen auf keine Weise verbunden zu
sein: muss es mich also nicht verdriessen, dass Sie mich in den Verdacht
bringen, als ob ich es gleichwohl zu sein Ursache haette?
Theophan. Ich erstaune ueber Ihre Geschicklichkeit, alles auf der
schlimmsten Seite zu betrachten.
Adrast. Und wie Sie gehoert haben, so bin ich ueber die Ihrige erstaunt,
diese schlimme Seite so vortrefflich zu verbergen. Noch weiss ich
selbst nicht eigentlich, was ich davon denken soll.
Theophan. Weil Sie das Natuerlichste davon nicht denken wollen.
Adrast. Dieses Natuerlichste, meinen Sie vielleicht, waere das, wenn
ich daechte, dass Sie diesen Schritt aus Grossmut, aus Vorsorge fuer
meinen guten Namen getan haetten? Allein, mit Erlaubnis, hier waere es
gleich das Unnatuerlichste.
Theophan. Sie haben doch wohl recht. Denn wie waere es immer moeglich,
dass ein Mann von meinem Stande nur halb so menschliche Gesinnungen
haben koennte?
Adrast. Lassen Sie uns Ihren Stand einmal beiseite setzen.
Theophan. Sollten Sie das wohl koennen?--
Adrast. Gesetzt also, Sie waeren keiner von den Leuten, die, den
Charakter der Froemmigkeit zu behaupten, ihre Leidenschaften so geheim,
als moeglich, halten muessen; die anfangs aus Wohlstand heucheln lernen,
und endlich die Heuchelei als eine zweite Natur beibehalten; die nach
ihren Grundsaetzen verbunden sind, sich ehrlicher Leute, welche sie die
Kinder der Welt nennen, zu entziehen, oder wenigstens aus keiner
andern Absicht Umgang mit ihnen zu pflegen, als aus der
niedertraechtigen Absicht, sie auf ihre Seite zu lenken; gesetzt, Sie
waeren keiner von diesen: sind Sie nicht wenigstens ein Mensch, der
Beleidigungen empfindet? Und auf einmal alles in allem zu sagen:--
Sind Sie nicht ein Liebhaber, welcher Eifersucht fuehlen muss?
Theophan. Es ist mir angenehm, dass Sie endlich auf diesen Punkt
herauskommen.
Adrast. Vermuten Sie aber nur nicht, dass ich mit der geringsten
Maessigung davon sprechen werde.
Theophan. So will ich es versuchen, desto mehrere dabei zu brauchen.
Adrast. Sie lieben Julianen, und ich--ich--was suche ich lange noch
Worte?--Ich hasse Sie wegen dieser Liebe, ob ich gleich kein Recht auf
den geliebten Gegenstand habe; und Sie, der Sie ein Recht darauf haben,
sollten mich, der ich Sie um dieses Recht beneide, nicht auch hassen?
Theophan. Gewiss, ich sollte nicht.--Aber lassen Sie uns doch das
Recht untersuchen, das Sie und ich auf Julianen haben.
Adrast. Wenn dieses Recht auf die Staerke unserer Liebe ankaeme, so
wuerde ich es Ihnen vielleicht noch streitig machen. Es ist Ihr Glueck,
dass es auf die Einwilligung eines Vaters, und auf den Gehorsam einer
Tochter ankoemmt.--
Theophan. Hierauf will ich es durchaus nicht ankommen lassen. Die
Liebe allein soll Richter sein. Aber merken Sie wohl, nicht bloss
unsere, sondern vornehmlich die Liebe derjenigen, in deren Besitz Sie
mich glauben. Wenn Sie mich ueberfuehren koennen, dass Sie von Julianen
wiedergeliebet werden--
Adrast. So wollen Sie mir vielleicht Ihre Ansprueche abtreten?
Theophan. So muss ich.
Adrast. Wie hoehnisch Sie mit mir umgehen!--Sie sind Ihrer Sachen
gewiss, und ueberzeugt, dass Sie bei dieser Rodomontade nichts aufs Spiel
setzen.
Theophan. Also koennen Sie mir es nicht sagen, ob Sie Juliane liebet?
Adrast. Wenn ich es koennte, wuerde ich wohl unterlassen, Sie mit
diesem Vorzuge zu peinigen?
Theophan. Stille! Sie machen sich unmenschlicher, als Sie sind.--Nun
wohl! so will ich,--ich will es Ihnen sagen, dass Sie Juliane liebt.
Adrast. Was sagen Sie?--Doch fast haette ich ueber das Entzueckende
dieser Versicherung vergessen, aus wessen Munde ich sie hoere. Recht
so! Theophan, recht so! Man muss ueber seine Feinde spotten. Aber
wollen Sie, diese Spoetterei vollkommen zu machen, mich nicht auch
versichern, dass Sie Julianen nicht lieben?
Theophan (verdriesslich). Es ist unmoeglich, mit Ihnen ein vernuenftiges
Wort zu sprechen. (Er will weggehen.)
Adrast (beiseite). Er wird zornig?--Warten Sie doch, Theophan.
Wissen Sie, dass die erste aufgebrachte Miene, die ich endlich von
Ihnen sehe, mich begierig macht, dieses vernuenftige Wort zu hoeren?
Theophan (zornig). Und wissen Sie, dass ich endlich Ihres
schimpflichen Betragens ueberdruessig bin?
Adrast (beiseite). Er macht Ernst.--
Theophan (noch zornig). Ich will mich bestreben, dass Sie den Theophan
so finden sollen, als Sie ihn sich vorstellen.
Adrast. Verziehen Sie. Ich glaube in Ihrem Trotze mehr
Aufrichtigkeit zu sehen, als ich jemals in Ihrer Freundlichkeit
gesehen habe.
Theophan. Wunderbarer Mensch! Muss man sich Ihnen gleichstellen, muss
man ebenso stolz, ebenso argwoehnisch, ebenso grob sein, als Sie, um
Ihr elendes Vertrauen zu gewinnen?
Adrast. Ich werde Ihnen diese Sprache, ihrer Neuigkeit wegen,
vergeben muessen.
Theophan. Sie soll Ihnen alt genug werden!
Adrast. Aber in der Tat--Sie machen mich vollends verwirrt. Muessen
Sie mir Dinge, worauf alle mein Wohl ankoemmt, mit einem froehlichen
Gesichte sagen? Ich bitte Sie, sagen Sie es jetzt noch einmal, was
ich vorhin fuer eine Spoetterei aufnehmen musste.
Theophan. Wenn ich es sage, glauben Sie nur nicht, dass es um
Ihretwillen geschieht.
Adrast. Desto mehr werde ich mich darauf verlassen.
Theophan. Aber ohne mich zu unterbrechen: das bitte ich.--
Adrast. Reden Sie nur.
Theophan. Ich will Ihnen den Schluessel zu dem, was Sie hoeren sollen,
gleich voraus geben. Meine Neigung hat mich nicht weniger betrogen,
als Sie die Ihrige. Ich kenne und bewundere alle die Vollkommenheiten,
die Julianen zu einer Zierde ihres Geschlechts machen; aber--ich
liebe sie nicht.
Adrast. Sie--
Theophan. Es ist gleichviel, ob Sie es glauben oder nicht glauben.--
Ich habe mir Muehe genug gegeben, meine Hochachtung in Liebe zu
verwandeln. Aber eben bei dieser Bemuehung habe ich Gelegenheit gehabt,
es oft sehr deutlich zu merken, dass sich Juliane einen aehnlichen
Zwang antut. Sie wollte mich lieben, und liebte mich nicht. Das Herz
nimmt keine Gruende an, und will in diesem, wie in andern Stuecken,
seine Unabhaengigkeit von dem Verstande behaupten. Man kann es
tyrannisieren, aber nicht zwingen. Und was hilft es, sich selbst zum
Maertyrer seiner Ueberlegungen zu machen, wenn man gewiss weiss, dass man
keine Beruhigung dabei finden kann? Ich erbarmte mich also Julianens--
oder vielmehr, ich erbarmte mich meiner selbst: ich unterdrueckte meine
wachsende Neigung gegen eine andre Person nicht laenger und sahe es mit
Vergnuegen, dass auch Juliane zu ohnmaechtig oder zu nachsehend war, der
ihrigen zu widerstehen. Diese ging auf einen Mann, der ihrer ebenso
unwuerdig ist, als unwuerdig er ist, einen Freund zu haben. Adrast
wuerde sein Glueck in ihren Augen laengst gewahr geworden sein, wenn
Adrast gelassen genug waere, richtige Blicke zu tun. Er betrachtet
alles durch das gefaerbte Glas seiner vorgefassten Meinungen, und alles
obenhin; und wuerde wohl oft lieber seine Sinne verleugnen, als seinen
Wahn aufgeben. Weil Juliane ihn liebenswuerdig fand, konnte ich mir
unmoeglich einbilden, dass er so gar verderbt sei. Ich sann auf Mittel,
es beiden mit der besten Art beizubringen, dass sie mich nicht als eine
gefaehrliche Hinderung ansehen sollten. Ich kam nur jetzt in dieser
Absicht hieher; allein liess mich Adrast, ohne die schimpflichsten
Abschreckungen, darauf kommen? Ich wuerde ihn, ohne ein weiteres Wort,
verlassen haben, wenn ich mich nicht noch derjenigen Person wegen
gezwungen haette, der ich, von Grund meiner Seelen, alles goenne, was
sie sich selbst wuenscht.--Mehr habe ich ihm nicht zu sagen. (Er will
fortgehen.)
Adrast. Wohin, Theophan?--Urteilen Sie aus meinem Stilleschweigen,
wie gross mein Erstaunen sein muesse!--Es ist eine menschliche
Schwachheit, sich dasjenige leicht ueberreden zu lassen, was man heftig
wuenscht. Soll ich ihr nachhaengen? soll ich sie unterdruecken?
Theophan. Ich will bei Ihrer Ueberlegung nicht gegenwaertig sein.--
Adrast. Wehe dem, der mich auf eine so grausame Art aufzuziehen denkt!
Theophan. So raeche mich denn Ihre marternde Ungewissheit an Ihnen!
Adrast (beiseite). Jetzt will ich ihn fangen.--Wollen Sie mir noch
ein Wort erlauben, Theophan?--Wie koennen Sie ueber einen Menschen
zuernen, der mehr aus Erstaunen ueber sein Glueck, als aus Misstrauen
gegen Sie, zweifelt?--
Theophan. Adrast, ich werde mich schaemen, nur einen Augenblick
gezuernt zu haben, sobald Sie vernuenftig reden wollen.
Adrast. Wenn es wahr ist, dass Sie Julianen nicht lieben, wird es
nicht noetig sein, dass Sie sich dem Lisidor entdecken?
Theophan. Allerdings.
Adrast. Und Sie sind es wirklich gesonnen?
Theophan. Und zwar je eher, je lieber.
Adrast. Sie wollen dem Lisidor sagen, dass Sie Julianen nicht lieben?
Theophan. Was sonst?
Adrast. Dass Sie eine andere Person lieben?
Theophan. Vor allen Dingen; um ihm durchaus keine Ursache zu geben,
Julianen die rueckgaengige Verbindung zur Last zu legen.
Adrast. Wollten Sie wohl alles dieses gleich jetzo tun?
Theophan. Gleich jetzo?--
Adrast (beiseite). Nun habe ich ihn!--Ja, gleich jetzo.
Theophan. Wollten Sie aber auch wohl eben diesen Schritt tun?
Wollten auch Sie dem Lisidor wohl sagen, dass Sie Henrietten nicht
liebten?
Adrast. Ich brenne vor Verlangen.
Theophan. Und dass Sie Julianen liebten?
Adrast. Zweifeln Sie?
Theophan. Nun wohl! so kommen Sie.
Adrast (beiseite). Er will?--
Theophan. Nur geschwind!
Adrast. Ueberlegen Sie es recht.
Theophan. Und was soll ich denn noch ueberlegen?
Adrast. Noch ist es Zeit.--
Theophan. Sie halten sich selbst auf. Nur fort!--(Indem er
vorangehen will.) Sie bleiben zurueck? Sie stehen in Gedanken? Sie
sehen mich mit einem Auge an, das Erstaunen verraet? Was soll das?--
Adrast (nach einer kleinen Pause). Theophan!--
Theophan. Nun?--Bin ich nicht bereit?
Adrast (geruehrt). Theophan!--Sie sind doch wohl ein ehrlicher Mann.
Theophan. Wie kommen Sie jetzt darauf?
Adrast. Wie ich jetzt darauf komme? Kann ich einen staerkern Beweis
verlangen, dass Ihnen mein Glueck nicht gleichgueltig ist?
Theophan. Sie erkennen dieses sehr spaet--aber Sie erkennen es doch
noch.--Liebster Adrast, ich muss Sie umarmen.--
Adrast. Ich schaeme mich--lassen Sie mich allein; ich will ihnen bald
folgen.--
Theophan. Ich werde Sie nicht allein lassen.--Ist es moeglich, dass ich
Ihren Abscheu gegen mich ueberwunden habe? Dass ich ihn durch eine
Aufopferung ueberwunden habe, die mir so wenig kostet? Ach! Adrast,
Sie wissen noch nicht, wie eigennuetzig ich dabei bin; ich werde
vielleicht alle Ihre Hochachtung dadurch wieder verlieren:--Ich liebe
Henrietten.
Adrast. Sie lieben Henrietten? Himmel! so koennen wir ja hier noch
beide gluecklich sein. Warum haben wir uns nicht eher erklaeren muessen?
O Theophan! Theophan! ich wuerde Ihre ganze Auffuehrung mit einem
andern Auge angesehen haben. Sie wuerden der Bitterkeit meines
Verdachts, meiner Vorwuerfe nicht ausgesetzt gewesen sein.
Theophan. Keine Entschuldigungen, Adrast! Vorurteile und eine
unglueckliche Liebe sind zwei Stuecke, deren eines schon hinreichet,
einen Mann zu etwas ganz anderm zu machen, als er ist.--Aber was
verweilen wir hier laenger?
Adrast. Ja, Theophan, nun lassen Sie uns eilen.--Aber wenn uns
Lisidor zuwider waere?--Wenn Juliane einen andern liebte?--
Theophan. Fassen Sie Mut. Hier koemmt Lisidor.
Vierter Auftritt
Lisidor. Theophan. Adrast.
Lisidor. Ihr seid mir feine Leute! Soll ich denn bestaendig mit dem
fremden Vetter allein sein?
Theophan. Wir waren gleich im Begriff zu Ihnen zu kommen.
Lisidor. Was habt ihr nun wieder zusammen gemacht? gestritten?
Glaubt mir doch nur, aus dem Streiten koemmt nichts heraus. Ihr habt
alle beide, alle beide habt ihr recht.--Zum Exempel: (zum Theophan)
Der spricht, die Vernunft ist schwach; und der (zum Adrast) spricht,
die Vernunft ist stark. Jener beweiset mit starken Gruenden, dass die
Vernunft schwach ist; und dieser mit schwachen Gruenden, dass sie stark
ist. Koemmt das nun nicht auf eins heraus? schwach und stark, oder,
stark und schwach: was ist denn da fuer ein Unterscheid?
Theophan. Erlauben Sie, wir haben jetzt weder von der Staerke, noch
von der Schwaeche der Vernunft gesprochen--
Lisidor. Nun! so war es von etwas anderm, das ebensowenig zu
bedeuten hat.--Von der Freiheit etwa: Ob ein hungriger Esel, der
zwischen zwei Buendeln Heu steht, die einander vollkommen gleich sind,
das Vermoegen hat, von dem ersten von dem besten zu fressen, oder, ob
der Esel so ein Esel sein muss, dass er lieber verhungert?--
Adrast. Auch daran ist nicht gedacht worden. Wir beschaeftigten uns
mit einer Sache, bei der das Vornehmste nunmehr auf Sie ankoemmt.
Lisidor. Auf mich?
Theophan. Auf Sie, der Sie unser ganzes Glueck in Haenden haben.
Lisidor. Oh! ihr werdet mir einen Gefallen tun, wenn ihr es so
geschwind, als moeglich, in eure eignen Haende nehmt.--Ihr meint doch
wohl das Glueck in Fischbeinroecken? Schon lange habe ich es selber
nicht mehr gern behalten wollen. Denn der Mensch ist ein Mensch, und
eine Jungfer eine Jungfer; und Glueck und Glas wie bald bricht das!
Theophan. Wir werden zeitlebens nicht dankbar genug sein koennen, dass
Sie uns einer so nahen Verbindung gewuerdiget haben. Allein es stoesst
sich noch an eine sehr grosse Schwierigkeit.
Lisidor. Was?
Adrast. An eine Schwierigkeit, die unmoeglich vorauszusehen war.
Lisidor. Nu?
Theophan und Adrast. Wir muessen Ihnen gestehen--
Lisidor. Alle beide zugleich? Was wird das sein? Ich muss euch
ordentlich vernehmen.--Was gestehen Sie, Theophan?--
Theophan. Ich muss Ihnen gestehen,--dass ich Julianen nicht liebe.
Lisidor. Nicht liebe? habe ich recht gehoert?--Und was ist denn Ihr
Gestaendnis, Adrast?--
Adrast. Ich muss Ihnen gestehen,--dass ich Henrietten nicht liebe.
Lisidor. Nicht liebe?--Sie nicht lieben, und Sie nicht lieben; das
kann unmoeglich sein! Ihr Streitkoepfe, die ihr noch nie einig gewesen
seid, solltet jetzo zum ersten Male einig sein, da es darauf ankoemmt,
mir den Stuhl vor die Tuere zu setzen?--Ach! ihr scherzt, nun merke
ich's erst.
Adrast. Wir? scherzen?
Lisidor. Oder ihr muesst nicht klug im Kopfe sein. Ihr meine Toechter
nicht lieben? die Maedel weinen sich die Augen aus dem Kopfe.--Aber
warum denn nicht? wenn ich fragen darf. Was fehlt denn Julianen, dass
Sie sie nicht lieben koennen?
Theophan. Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich glaube, dass ihr Herz
selbst fuer einen andern eingenommen ist.
Adrast. Und eben dieses vermute ich mit Grunde auch von Henrietten.
Lisidor. Ho! ho! dahinter muss ich kommen.--Lisette! he! Lisette!--
Ihr seid also wohl gar eifersuechtig, und wollt nur drohen?
Theophan. Drohen? da wir Ihrer Guete jetzt am noetigsten haben?
Lisidor. He da! Lisette!
Fuenfter Auftritt
Lisette. Lisidor. Theophan. Adrast.
Lisette. Hier bin ich ja schon! Was gibt's?
Lisidor. Sage, sie sollen gleich herkommen.
Lisette. Wer denn?
Lisidor. Beide! hoerst du nicht?
Lisette. Meine Jungfern?
Lisidor. Fragst du noch?
Lisette. Gleich will ich sie holen. (Indem sie wieder umkehrt.)
Kann ich ihnen nicht voraus sagen, was sie hier sollen?
Lisidor. Nein!
Lisette (geht und koemmt wieder). Wenn sie mich nun aber fragen?
Lisidor. Wirst du gehen?
Lisette. Ich geh.--(Koemmt wieder.) Es ist wohl etwas Wichtiges?
Lisidor. Ich glaube, du Maulaffe, willst es eher wissen, als sie?
Lisette. Nur sachte! ich bin so neugierig nicht.
Sechster Auftritt
Lisidor. Theophan. Adrast.
Lisidor. Ihr habt mich auf einmal ganz verwirrt gemacht. Doch nur
Geduld, ich will das Ding schon wieder in seine Wege bringen. Das
waere mir gelegen, wenn ich mir ein Paar andere Schwiegersoehne suchen
muesste! Ihr waret mir gleich so recht, und so ein Paar bekomme ich
nicht wieder zusammen, wenn ich mir sie auch bestellen liesse.
Adrast. Sie sich andre Schwiegersoehne suchen?--Was fuer ein Unglueck
drohen Sie uns?
Lisidor. Ihr wollt doch wohl nicht die Maedel heiraten, ohne sie zu
lieben? Da bin ich auch euer Diener.
Theophan. Ohne sie zu lieben?
Adrast. Wer sagt das?
Lisidor. Was habt ihr denn sonst gesagt?
Adrast. Ich bete Julianen an.
Lisidor. Julianen?
Theophan. Ich liebe Henrietten mehr, als mich selbst.
Lisidor. Henrietten?--Uph! Wird mir doch auf einmal ganz wieder
leichte.--Ist das der Knoten? Also ist es weiter nichts, als dass sich
einer in des andern seine Liebste verliebt hat? Also waere der ganze
Plunder mit einem Tausche gutzumachen?
Theophan. Wie guetig sind Sie, Lisidor!
Adrast. Sie erlauben uns also--
Lisidor. Was will ich tun? Es ist doch immer besser, ihr tauscht vor
der Hochzeit, als dass ihr nach der Hochzeit tauscht. Wenn es meine
Toechter zufrieden sind, ich bin es zufrieden.
Adrast. Wir schmeicheln uns, dass sie es sein werden.--Aber bei der
Liebe, Lisidor, die Sie gegen uns zeigen, kann ich unmoeglich anders,
ich muss Ihnen noch ein Gestaendnis tun.
Lisidor. Noch eins?
Adrast. Ich wuerde nicht rechtschaffen handeln, wenn ich Ihnen meine
Umstaende verhehlte.
Lisidor. Was fuer Umstaende?
Adrast. Mein Vermoegen ist so geschmolzen, dass ich, wenn ich alle
meine Schulden bezahle, nichts uebrig behalte.
Lisidor. Oh! schweig doch davon. Habe ich schon nach deinem
Vermoegen gefragt? Ich weiss so wohl, dass du ein lockrer Zeisig gewesen
bist, und alles durchgebracht hast; aber eben deswegen will ich dir
eine Tochter geben, damit du doch wieder etwas hast.--Nur stille! da
sind sie; lasst mich machen.
Siebenter Auftritt
Juliane. Henriette. Lisette. Lisidor. Theophan. Adrast.
Lisette. Hier bringe ich sie, Herr Lisidor. Wir sind hoechst begierig,
zu wissen, was Sie zu befehlen haben.
Lisidor. Seht freundlich aus, Maedchens! ich will euch etwas
Froehliches melden: Morgen soll's richtig werden. Macht euch gefasst!
Lisette. Was soll richtig werden?
Lisidor. Fuer dich wird nichts mit richtig.--Lustig, Maedchens!
Hochzeit! Hochzeit!--Nu? Ihr seht ja so barmherzig aus? Was fehlt
dir, Juliane?
Juliane. Sie sollen mich allezeit gehorsam finden; aber nur diesesmal
muss ich Ihnen vorstellen, dass Sie mich uebereilen wuerden.--Himmel!
morgen?
Lisidor. Und du, Henriette?
Henriette. Ich, lieber Herr Vater? ich werde morgen krank sein,
todsterbenskrank!
Lisidor. Verschieb es immer bis uebermorgen.
Henriette. Es kann nicht sein. Adrast weiss meine Ursachen.
Adrast. Ich weiss, schoenste Henriette, dass Sie mich hassen.
Theophan. Und sie, liebste Juliane, Sie wollen gehorsam sein?--Wie
nahe scheine ich meinem Gluecke zu sein, und wie weit bin ich
vielleicht noch davon entfernt!--Mit was fuer einem Gesichte soll ich
es Ihnen sagen, dass ich der Ehre Ihrer Hand unwert bin? dass ich mir
bei aller der Hochachtung, die ich fuer eine so vollkommene Person
hegen muss, doch nicht getraue, dasjenige fuer Sie zu empfinden, was ich
nur fuer eine einzige Person in der Welt empfinden will.
Lisette. Das ist ja wohl gar ein Korb? Es ist nicht erlaubt, dass
auch Mannspersonen welche austeilen wollen. Hurtig also, Julianchen,
mit der Sprache heraus!
Theophan. Nur ein eitles Frauenzimmer koennte meine Erklaerung
beleidigen; und ich weiss, dass Juliane ueber solche Schwachheiten so
weit erhaben ist,--
Juliane. Ach Theophan! ich hoere es schon: Sie haben zu scharfe
Blicke in mein Herz getan.--
Adrast. Sie sind nun frei, schoenste Juliane. Ich habe Ihnen kein
Bekenntnis weiter abzulegen, als das, welches ich Ihnen bereits
abgelegt habe.--Was soll ich hoffen?
Juliane. Liebster Vater!--Adrast!--Theophan!--Schwester!--
Lisette. Nun merke ich alles. Geschwind muss das die Grossmama
erfahren. (Lisette laeuft ab.)
Lisidor (zu Julianen). Siehst du, Maedchen, was du fuer Zeug angefangen
hast?
Theophan. Aber Sie, liebste Henriette, was meinen Sie hierzu? Ist
Adrast nicht ein ungetreuer Liebhaber? Ach! wenn Sie Ihre Augen auf
einen getreuern werfen wollten! Wir sprachen vorhin von Rache, von
einer unschuldigen Rache--
Henriette. Top! Theophan: ich raeche mich.
Lisidor. Fein bedaechtig, Henriette! Hast du schon die Krankheit auf
morgen vergessen?
Henriette. Gut! Ich lasse mich verleugnen, wenn sie koemmt.
Lisidor. Seid ihr aber nicht wunderliches Volk! Ich wollte jedem zu
seinem Rocke egales Futter geben, aber ich sehe wohl, euer Geschmack
ist bunt. Der Fromme sollte die Fromme, und der Lustige die Lustige
haben: Nichts! der Fromme will die Lustige, und der Lustige die
Fromme.
Achter Auftritt
Frau Philane mit Lisetten und die Vorigen.
Frau Philane. Kinder, was hoere ich? Ist es moeglich?
Lisidor. Ja, Mama; ich glaube, Sie werden nicht dawider sein. Sie
wollen nun einmal so--
Frau Philane. Ich sollte dawider sein? Diese Veraendrung ist mein
Wunsch, mein Gebet gewesen. Ach! Adrast, ach! Henriette, fuer euch
habe ich oft gezittert! Ihr wuerdet ein unglueckliches Paar geworden
sein! Ihr braucht beide einen Gefaehrten, der den Weg besser kennet,
als ihr. Theophan, Sie haben laengst meinen Segen; aber wollen Sie
mehr als diesen, wollen Sie auch den Segen des Himmels haben, so
ziehen Sie eine Person aus Henrietten, die Ihrer wert ist. Und Sie,
Adrast, ich habe Sie wohl sonst fuer einen boesen Mann gehalten; doch
getrost! wer eine fromme Person lieben kann, muss selbst schon halb
fromm sein. Ich verlasse mich seinetwegen auf dich, Julchen.--Vor
allen Dingen bringe ihm bei, wackern Leuten, rechtschaffnen
Geistlichen, nicht so veraechtlich zu begegnen, als er dem Theophan
begegnet.--
Adrast. Ach! Madame, erinnern Sie mich an mein Unrecht nicht.
Himmel! wenn ich mich ueberall so irre, als ich mich bei ihnen,
Theophan, geirret habe: was fuer ein Mensch, was fuer ein abscheulicher
Mensch bin ich!--
Lisidor. Habe ich's nicht gesagt, dass ihr die besten Freunde werden
muesst, sobald als ihr Schwaeger seid? Das ist nur der Anfang!
Theophan. Ich wiederhole es, Adrast: Sie sind besser, als Sie glauben;
besser, als Sie zeither haben scheinen wollen.
Frau Philane. Nun! auch das ist mir ein Trost zu hoeren.--(Zum
Lisidor.) Komm, mein Sohn, fuehre mich. Das Stehen wird mir zu sauer,
und vor Freuden habe ich es ganz vergessen, dass ich Araspen allein
gelassen.
Lisidor. Ja, wahrhaftig! da gibt's was zu erzaehlen! Kommen Sie,
Mama.--Aber keinen Tausch weiter! keinen Tausch weiter!
Lisette. Wie uebel ist unsereinem dran, das nichts zu tauschen hat!
(Ende des Freigeists.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Freigeist, von Gotthold
Ephraim Lessing.
End of Project Gutenberg's Der Freigeist, by Gotthold Ephraim Lessing
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER FREIGEIST ***
This file should be named 7frig10.txt or 7frig10.zip
Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7frig11.txt
VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7frig10a.txt
Produced by Delphine Letttau
Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
We are now trying to release all our eBooks one year in advance
of the official release dates, leaving time for better editing.
Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
even years after the official publication date.
Please note neither this listing nor its contents are final til
midnight of the last day of the month of any such announcement.
The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
preliminary version may often be posted for suggestion, comment
and editing by those who wish to do so.
Most people start at our Web sites at:
http://gutenberg.net or
http://promo.net/pg
These Web sites include award-winning information about Project
Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
Those of you who want to download any eBook before announcement
can get to them as follows, and just download by date. This is
also a good way to get them instantly upon announcement, as the
indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
Just search by the first five letters of the filename you want,
as it appears in our Newsletters.
Information about Project Gutenberg (one page)
We produce about two million dollars for each hour we work. The
time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
projected audience is one hundred million readers. If the value
per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
If they reach just 1-2% of the world's population then the total
will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
which is only about 4% of the present number of computer users.
Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
eBooks Year Month
1 1971 July
10 1991 January
100 1994 January
1000 1997 August
1500 1998 October
2000 1999 December
2500 2000 December
3000 2001 November
4000 2001 October/November
6000 2002 December*
9000 2003 November*
10000 2004 January*
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
We need your donations more than ever!
As of February, 2002, contributions are being solicited from people
and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
that have responded.
As the requirements for other states are met, additions to this list
will be made and fund raising will begin in the additional states.
Please feel free to ask to check the status of your state.
In answer to various questions we have received on this:
We are constantly working on finishing the paperwork to legally
request donations in all 50 states. If your state is not listed and
you would like to know if we have added it since the list you have,
just ask.
While we cannot solicit donations from people in states where we are
not yet registered, we know of no prohibition against accepting
donations from donors in these states who approach us with an offer to
donate.
International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
ways.
Donations by check or money order may be sent to:
Project Gutenberg Literary Archive Foundation
PMB 113
1739 University Ave.
Oxford, MS 38655-4109
Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
method other than by check or money order.
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
requirements for other states are met, additions to this list will be
made and fund-raising will begin in the additional states.
We need your donations more than ever!
You can get up to date donation information online at:
http://www.gutenberg.net/donation.html
***
If you can't reach Project Gutenberg,
you can always email directly to:
Michael S. Hart <[email protected]>
Prof. Hart will answer or forward your message.
We would prefer to send you information by email.
**The Legal Small Print**
(Three Pages)
***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
They tell us you might sue us if there is something wrong with
your copy of this eBook, even if you got it for free from
someone other than us, and even if what's wrong is not our
fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
disclaims most of our liability to you. It also tells you how
you may distribute copies of this eBook if you want to.
*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
sending a request within 30 days of receiving it to the person
you got it from. If you received this eBook on a physical
medium (such as a disk), you must return it with your request.
ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
through the Project Gutenberg Association (the "Project").
Among other things, this means that no one owns a United States copyright
on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
distribute it in the United States without permission and
without paying copyright royalties. Special rules, set forth
below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
any commercial products without permission.
To create these eBooks, the Project expends considerable
efforts to identify, transcribe and proofread public domain
works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
medium they may be on may contain "Defects". Among other
things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged
disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
codes that damage or cannot be read by your equipment.
LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
all liability to you for damages, costs and expenses, including
legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.
If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
you paid for it by sending an explanatory note within that
time to the person you received it from. If you received it
on a physical medium, you must return it with your note, and
such person may choose to alternatively give you a replacement
copy. If you received it electronically, such person may
choose to alternatively give you a second opportunity to
receive it electronically.
THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
PARTICULAR PURPOSE.
Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
the exclusion or limitation of consequential damages, so the
above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
may have other legal rights.
INDEMNITY
You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
and its trustees and agents, and any volunteers associated
with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
texts harmless, from all liability, cost and expense, including
legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
following that you do or cause: [1] distribution of this eBook,
[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
or [3] any Defect.
DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
You may distribute copies of this eBook electronically, or by
disk, book or any other medium if you either delete this
"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
or:
[1] Only give exact copies of it. Among other things, this
requires that you do not remove, alter or modify the
eBook or this "small print!" statement. You may however,
if you wish, distribute this eBook in machine readable
binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
including any form resulting from conversion by word
processing or hypertext software, but only so long as
*EITHER*:
[*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and
does *not* contain characters other than those
intended by the author of the work, although tilde
(~), asterisk (*) and underline (_) characters may
be used to convey punctuation intended by the
author, and additional characters may be used to
indicate hypertext links; OR
[*] The eBook may be readily converted by the reader at
no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
form by the program that displays the eBook (as is
the case, for instance, with most word processors);
OR
[*] You provide, or agree to also provide on request at
no additional cost, fee or expense, a copy of the
eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
or other equivalent proprietary form).
[2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this
"Small Print!" statement.
[3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
gross profits you derive calculated using the method you
already use to calculate your applicable taxes. If you
don't derive profits, no royalty is due. Royalties are
payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
the 60 days following each date you prepare (or were
legally required to prepare) your annual (or equivalent
periodic) tax return. Please contact us beforehand to
let us know your plans and to work out the details.
WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form.
The Project gratefully accepts contributions of money, time,
public domain materials, or royalty free copyright licenses.
Money should be paid to the:
"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
If you are interested in contributing scanning equipment or
software or other items, please contact Michael Hart at:
[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
they hardware or software or any other related product without
express permission.]
*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
Livros Grátis
( http://www.livrosgratis.com.br )
Milhares de Livros para Download:
Baixar livros de Administração
Baixar livros de Agronomia
Baixar livros de Arquitetura
Baixar livros de Artes
Baixar livros de Astronomia
Baixar livros de Biologia Geral
Baixar livros de Ciência da Computação
Baixar livros de Ciência da Informação
Baixar livros de Ciência Política
Baixar livros de Ciências da Saúde
Baixar livros de Comunicação
Baixar livros do Conselho Nacional de Educação - CNE
Baixar livros de Defesa civil
Baixar livros de Direito
Baixar livros de Direitos humanos
Baixar livros de Economia
Baixar livros de Economia Doméstica
Baixar livros de Educação
Baixar livros de Educação - Trânsito
Baixar livros de Educação Física
Baixar livros de Engenharia Aeroespacial
Baixar livros de Farmácia
Baixar livros de Filosofia
Baixar livros de Física
Baixar livros de Geociências
Baixar livros de Geografia
Baixar livros de História
Baixar livros de Línguas
Baixar livros de Literatura
Baixar livros de Literatura de Cordel
Baixar livros de Literatura Infantil
Baixar livros de Matemática
Baixar livros de Medicina
Baixar livros de Medicina Veterinária
Baixar livros de Meio Ambiente
Baixar livros de Meteorologia
Baixar Monografias e TCC
Baixar livros Multidisciplinar
Baixar livros de Música
Baixar livros de Psicologia
Baixar livros de Química
Baixar livros de Saúde Coletiva
Baixar livros de Serviço Social
Baixar livros de Sociologia
Baixar livros de Teologia
Baixar livros de Trabalho
Baixar livros de Turismo