geh' ich nach Strassburg, find' ich ihn in Strassburg nicht, so geh'
ich nacher Mainz." Die andern sagten das dazu und jenes und einer
fragte sie: "Was ist denn Euer Sohn bei der Armee? Major?" Da wurde
sie fast verschaemt in ihrem Inwendigen. Denn sie dachte, er koennte
wohl Major sein oder so etwas, weil er immer brav war, aber sie
wusste es nicht. "Wenn ich ihn nur finde", sagte sie, "so darf er
auch etwas weniger sein, denn er ist mein Sohn." Zwei Stunden
herwaerts Kolmar aber, als schon die Sonne sich zu den Elsaesser
Bergen neigte, die Hirten trieben heim, die Kamine in den Doerfern
rauchten, die Soldaten in dem Lager nicht weit von der Strasse
standen partienweise mit dem Gewehr beim Fuss, und die Generale und
Obersten standen vor dem Lager beisammen, diskurierten miteinander,
und eine junge, weissgekleidete Person von weiblichem Geschlecht und
feiner Bildung stand auch dabei und wiegte auf ihren Armen ein Kind.
Die Frau im Postwagen sagte: "Das ist auch keine gemeine Person, da
sie nahe bei den Herren steht. Was gilt's, der, wo mit ihr redet,
ist ihr Mann." Der geneigte Leser faengt allbereits an, etwas zu
merken, aber die Frau im Postwagen merkte noch nichts. Ihr
Mutterherz hatte keine Ahndung, so nahe sie an ihm vorbeigefahren
war, sondern bis nach Kolmar hinein war sie still und redete nimmer.
In der Stadt im Wirtshaus, wo schon eine Gesellschaft an der
Mahlzeit sass, und die Reisegefaehrten setzten sich auch noch, wo
Platz war, da war ihr Herz erst recht zwischen Bangigkeit und
Hoffnung eingeengt, da sie jetzt etwas von ihrem Sohn erfahren
koennte, ob ihn niemand kenne, und ob er noch lebe, und ob er etwas
sei, und hatte doch den Mut fast nicht zu fragen. Denn es gehoert
Herz dazu, eine Frage zu tun, wo man das Ja so gerne hoeren moechte,
und das Nein ist doch so moeglich. Auch meinte sie, jedermann merke
es, dass es ihr Sohn sei, nach dem sie frage, und dass sie hoffe, er
sei etwas geworden. Endlich aber, als ihr der Diener des Wirts die
Suppe brachte, hielt sie ihn heimlich an dem Rocke fest und fragte
ihn: "Kennt Ihr nicht einen bei der Armee, oder habt Ihr nicht von
einem gehoert, so und so?" Der Diener sagt: "Das ist ja unser
General, der im Lager steht. Heute hat er bei uns zu Mittag
gegessen", und zeigte ihr den Platz. Aber die gute Mutter gab ihm
wenig Gehoer darauf, sondern meinte, es sei Spass; der Diener ruft
den Wirt. Der Wirt sagt: "Ja, so heisst der General." Ein Offizier
sagte auch: "Ja, so heisst unser General", und auf ihre Fragen
antwortete er: "Ja, so alt kann er sein", und "Ja, so sieht er aus
und ist von Geburt ein Schweizer." Da konnte sie sich nicht mehr
halten vor inwendiger Bewegung und sagte "Es ist mein Sohn, den ich
suche"; und ihr ehrliches Schweizergesicht sah fast ein wenig
einfaeltig aus vor unverhoffter Freude und vor Liebe und Scham. Denn
sie schaemte sich, dass sie eines Generals Mutter sein sollte vor so
vielen Leuten, und konnte es doch nicht verschweigen. Aber der Wirt
sagte: "Wenn das so ist, gute Frau, so lasst herzhaft Eure Bagage
abladen ab dem Postwagen, und erlaubt mir, dass ich morgen in aller
Fruehe ein Kaleschlein anspannen lasse und Euch hinausfuehre zu Eurem
Herrn Sohn in das Lager." Am Morgen, als sie in das Lager kam und
den General sah, ja, so war es ihr Sohn, und die junge Frau, die
gestern mit ihm geredet hatte, war ihre Schwiegertochter, und das
Kind war ihr Enkel. Und als der General seine Mutter erkannte und
seiner Gemahlin sagte: "Das ist sie", da kuessten und umarmten sie
sich, und die Mutterliebe und die Kindesliebe und die Hoheit und die
Demut schwammen ineinander und gossen sich in Traenen aus, und die
gute Mutter blieb lange in ungewoehnlicher Ruehrung, fast weniger,
dass sie heute die Ihrigen fand, als darueber, dass sie sie gestern
schon gesehen hatte.--Als der Wirt zurueckkam, sagte er, das Geld
regne zwar nirgends durch das Kamin herab, aber nicht zweihundert