Download PDF
ads:
Romeo und Juliette
William Shakespeare
The Project Gutenberg EBook of Romeo und Juliette, by William Shakespeare
#16 in our series by William Shakespeare
Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
copyright laws for your country before downloading or redistributing
this or any other Project Gutenberg eBook.
This header should be the first thing seen when viewing this Project
Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
header without written permission.
Please read the "legal small print," and other information about the
eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
important information about your specific rights and restrictions in
how the file may be used. You can also find out about how to make a
donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
Title: Romeo und Juliette
Author: William Shakespeare
Release Date: January, 2005 [EBook #7232]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on March 29, 2003]
Edition: 10a
Language: German
Character set encoding: ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMEO UND JULIETTE ***
This Etext is in German.
We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format,
known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email--
and one in 8-bit format, which includes higher order characters--
ads:
Livros Grátis
http://www.livrosgratis.com.br
Milhares de livros grátis para download.
which requires a binary transfer, or sent as email attachment and
may require more specialized programs to display the accents.
This is the 8-bit version.
This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg2000.de erreichbar.
Romeo und Juliette.
William Shakespeare
Ein Trauerspiel.
Uebersetzt von Christoph Martin Wieland
Personen.
Escalus, Fuerst von Verona.
Paris, ein junger Cavalier, dem Fuersten verwandt, und Juliettens
Liebhaber.
Montague und Capulet, die Haeupter von zween edlen Geschlechtern,
die in Feindschaft mit einander stehen.
Romeo, Montaguens Sohn.
Mercutio, ein Verwandter des Fuersten, und Romeos Freund.
Benvolio, Vetter und Freund des Romeo.
Tybalt, Neffe des Capulet.
Bruder Lorenz und Bruder Johann, Moenche.
Balthasar, Bedienter von Romeo.
Ein Edelknabe des Paris.
Sampson und) Gregorio(, Capulets Bediente.
Abraham, ein Bedienter von Montague.
Ein Apotheker.
Simon Kazen-Darm, Hug Leyermann und Samuel Windlade, Musicanten.
Peter, der Amme Diener.
Lady Montague.
Lady Capulet.
Julietta, Capulets Tochter.
Die Amme derselben.
Buerger von Verona, Masken, Trabanten, Wache, und andre stumme
Personen.
Die Scene ist im Anfang des fuenften Aufzugs in Mantua, und sonst
immer in Verona.
Erster Aufzug.
ads:
Erste Scene.
(Eine Strasse in Verona.)
(Sampson und Gregorio, zween Bediente der Capulets, treten mit
Schwerdtern und Schilden bewaffnet auf, und ermuntern einander sich
tapfer gegen die Montaegues zu halten; ihre ganze Unterredung ist
ein Gewebe von Wortspielen, Doppelsinn und Zoten.)
(Abraham und Balthasar zu den Vorigen.)
Gregorio (zu Sampson.)
Zieh vom Leder, hier kommen ein Paar von den Montaegischen--
Sampson.
Meine Fuchtel ist heraus; fang nur Haendel an, ich will dir den Weg
weisen--
Gregorio.
So? Willt du davon lauffen?
Sampson.
Sey ohne Sorge, ich will stehen wie eine Mauer; aber es ist doch
das Sicherste, wenn wir das Gesez auf unsrer Seite haben; wir
wollen sie anfangen lassen.
Gregorio.
Ich will die Nase ruempfen, indem ich bey ihnen vorbeygehe; sie
moegen's dann aufnehmen, wie sie es verstehen.
Sampson.
Oder wie sie das Herz dazu haben. Ich will meinen Daumen gegen sie
beissen, welches eine Beschimpfung fuer sie ist, wenn sie's leiden.
Abraham.
Beisst ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampson.
Ich beisse meinen Daumen, Herr.
Abraham.
Beisst ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampson (zu Gregorio leise.)
Ist das Gesez auf unsrer Seite, wenn ich sage, ja?
Gregorio.
Nein.
Sampson (laut.)
Nein, Herr, ich beisse meinen Daumen nicht gegen euch, Herr: Aber
ich beisse doch meinen Daumen, Herr.
Gregorio.
Sucht ihr Haendel, Herr?
Abraham.
Haendel, Herr? Nein, Herr.
Sampson.
Wenn ihr's thut, Herr, so bin ich auch da, ich diene einem so
brafen Mann als ihr.
Abraham.
Keinem bessern.
Sampson.
Gut, Herr. (Benvolio zu den Vorigen.)
Gregorio (zu Sampson leise.)
Sag, einem bessern: Hier kommt einer von unsers Herrn Neffen.
Sampson (laut.)
Ja, einem bessern, Herr.
Abraham.
Ihr luegt.
Sampson.
Zieht, wenn ihr Maenner seyd--Gregorio, das war eine Ohrfeige, die
du nicht einsteken must--
Benvolio.
Aus einander, ihr Narren, stekt eure Degen ein, ihr wisst nicht was
ihr thut. (Tybalt zu den Vorigen.)
Tybalt.
Wie, du ziehst deinen Degen gegen diese verzagten Hasen? Kehre dich
um, Benvolio, und sieh deinen Tod an.
Benvolio.
Ich mache nur Frieden; stek deinen Degen ein, oder brauch' ihn, mir
Friede unter diesen Leuten machen zu helfen.
Tybalt.
Wie, mit gezogenem Degen von Frieden schwazen? Ich hasse diess Wort
wie die Hoelle, wie alle Montaegues und dich--wehr dich, H**
(Sie fechten.)
(Drey oder vier Buerger mit Knitteln treten auf.)
Ein Buerger.
Knittel, Spiesse, Hellebarden her! Schlagt zu! Schlagt sie nieder!
Zu Boden mit den Capulets! Zu Boden mit den Montaegues! (Der alte
Capulet in einem Schlafrok, und Lady Capulet.)
Capulet.
Was fuer ein Lerm ist das? Gebt mir meinen langen Degen, he!
Lady Capulet.
Eine Krueke, eine Krueke--was wollt ihr mit einem Degen machen?
Capulet.
Meinen Degen, sag ich; da kommt der alte Montague, und fuchtelt mir
mit seiner Klinge unter die Nase--
(Der alte Montague, und Lady Montague.)
Montague.
Du nichtswuerdiger Capulet--Halt mich nicht, lass mich gehn!
Lady Montague.
Du sollt mir keinen Fuss ruehren, um einen Feind zu suchen.
(Der Fuerst von Verona mit seinem Gefolge tritt auf, erzuernt sich
gewaltig ueber diesen Unfug, wirft den beyden Alten vor, dass sie
ihrer Familien-Feindschaft wegen Verona schon dreymal in Aufruhr
gesezt, verbietet ihnen bey Todes-Straffe die Strassen nicht mehr
zu beunruhigen, und tritt, nachdem er sie geschieden, wieder ab.)
Zweyte Scene.
(Der alte Montague, Lady Montague, und Benvolio bleiben zuruek.)
Lady.
Wer brachte diesen alten Handel wieder in Bewegung? Redet, Neffe,
war't ihr dabey, wie er angieng?
Benvolio.
Hier fand ich die Bedienten euers Gegentheils, und die eurigen, die
sich mit einander herumschlugen, wie ich kam; ich brachte sie aus
einander: In dem nemlichen Augenblik kam der feurige Tybalt mit
gezognem Degen, den er unter drohenden Herausforderungen ueber
meinem Kopf schwang, und damit auf die Winde zuhieb, die so wenig
nach seinen Streichen fragten, dass sie ihn noch dazu auszischten.
Wie wir nun an einander waren, so kamen immer mehr Leute, und
fochten zu beyden Seiten, bis der Fuerst kam, und uns aus einander
sezte.
Lady.
O wo ist Romeo? Habt ihr ihn heute nie gesehen? Ich bin recht froh,
dass er nicht bey dieser Schlaegerey war.
Benvolio.
Madam, eine Stunde eh die* Sonne aufgieng, trieb mich ein
beunruhigtes Gemueth aufzustehen, und vor die Stadt hinaus zu gehen;
und da traf ich auf der West-Seite der Stadt euern Sohn einsam
unter einem Gang von Egyptischen Feigen-Baeumen an. Ich gieng auf
ihn zu; aber kaum ward er mich gewahr, so schlich er sich in das
dichteste Gehoelze. Ich urtheilte von seiner Gemueths-Beschaffenheit
nach der meinigen, (denn wir sind innerlich nie mehr beschaeftigst,
als wenn wir die Einsamkeit suchen,) und anstatt ihm nachzugehen,
gieng ich meinen Gedanken nach, und war so vergnuegt, dass er mich
ausgewichen hatte, als er selbst.
{ed.-* Im Original: "Eh die angebetete Sonne sich durch das goldne
Fenster des Osten sehen liess." Es ist nichts leichters, als durch
eine allzuwoertliche Uebersezung den Shakespear laecherlich zu machen,
wie der Herr von Voltaire neulich mit einer Scene aus dem Hamlet
eine Probe gemacht, die wir an gehoerigem Ort ein wenig naeher
untersuchen wollen. Indess erzuernt sich doch Herr Freron zu sehr
ueber diese und andre Alters-Schwachheiten des Autors der Zayre. Er
mag seine Ursachen dazu haben; aber die Welt urtheilt mit kaelterm
Blute; wenigstens werden die Briten, welche sehr wol wissen warum
sie auf ihren Shakespear stolz sind, es dem franzoesischen Poeten
sehr leicht zu gut halten koennen, dass er (in einem Alter, wo er
sich nicht mehr stark genug fuehlt, sich mit der Beute die er ihrem
Shakespear abgenommen zu bruesten) seine Freude daran hatte, durch
eine Schulknaben-maessige Nachaeffung den Narren mit ihm zu spielen,
und dadurch dem Publico wenigstens eben so viel Spass zu machen, als
er selbst von einer so kindischen Kurzweil nur immer haben kann.}
Montague.
Schon manchen Morgen ist er dort gesehen worden, wie er den
frischen Morgenthau mit seinen Thraenen, und die Morgen-Wolken mit
tieffen Seufzern vermehrte; aber kaum faengt die alles erfreuende
Sonne an, im fernsten Osten die Vorhaenge von Aurorens Bette
wegzuziehen, so schleicht sich der schwermuethige Juengling vom Licht
nach Hause und kerkert sich in sein Zimmer ein, versperrt seine
Fenster, schliesst das schoene Tageslicht hinaus, und macht sich
selbst eine erkuenstelte Nacht. Er muss nothwendig in einen schwarzen
und Ungluek-bruetenden Humor verfallen wenn nicht bey Zeiten darauf
gedacht wird, die Ursache des Uebels wegzuraeumen.
Benvolio.
Mein edler Oheim, kennt ihr die Ursache?
Montague.
Ich kenne sie nicht, und kan sie auch nicht aus ihm herausbringen.
Benvolio.
Habt ihr schon in ihn gedrungen?
Montague.
Durch euch selbst und durch viele andre Freunde, aber vergebens;
seines eignen Herzens geheimer Rathgeber, ist er gegen sich selbst,
ich will nicht sagen so getreu, aber doch so geheim und
verschwiegen, so entfernt sich selbst zu verrathen, oder nur einer
Muthmassung Grund zu geben, als eine Blumen-Knospe, die von einem
inwendig verborgnen Wurm gebissen worden, eh sie ihre zarten
Schwingen an der Luft ausspreiten, und ihre Schoenheit der Sonne
wiedmen konnte. Koennt' ich nur erfahren, woher sein Kummer
entspringt, es sollte ihm augenbliklich abgeholfen werden. (Romeo
tritt auf.)
Benvolio.
Hier kommt er selbst; wenn's euch beliebt, so gehet bey Seite; ich
will sein Geheimniss ausfuendig machen, oder ich muesste mich sehr
betruegen.
Montague.
Ich wuensche, dass du so glueklich seyn moegest--Kommt Madam, wir
wollen gehen.
(Sie gehen ab.)
Benvolio.
Guten Morgen, Vetter.
Romeo.
Ist der Tag noch so jung?
Benvolio.
Es hat eben neune geschlagen.
Romeo.
Weh mir! Wie lang scheinen uns Kummer-volle Stunden! War das mein
Vater, der so eilfertig sich entfernte?
Benvolio.
Er war's; aber was fuer ein Kummer verlaengert Romeo's Stunden?
Romeo.
Der Kummer, das nicht zu haben, was sie verkuerzen wuerde.
Benvolio.
Seyd ihr verliebt?
Romeo.
Ohne Hoffnung wieder geliebt zu werden.
Benvolio.
Wie Schade, dass die Liebe, die von Ferne so reizend anzusehen ist,
so grausam und tyrannisch seyn soll, so bald sie uns erreicht!
Romeo.
Wie Schade, dass die Liebe, mit verbundnen Augen, Pfade zu ihrem
Ungluek sehen soll!--Wo werden wir zu Mittag essen?--Weh mir!--Was
fuer ein Tumult war vorhin?--Doch sagt mir nichts davon, ich hab
alles schon gehoert. Der Hass macht hier viel zu thun, aber die Liebe
noch mehr: Wie dann, o misshellige Liebe! o liebender Hass! O
unwesentliches Etwas, und wuerkliches Nichts! So leicht und doch zu
Boden druekend! So ernsthaft und doch Tand! Du ungestaltes Chaos von
reizenden Phantomen! Bleyerne Feder, glaenzender Rauch, kaltes Feuer,
kranke Gesundheit, immer-wachender Schlaf--o! du wunderbares
Gemisch von Seyn und Nichtseyn!--Das ist die Liebe die ich fuehle,
ohne in dem was ich fuehle die Liebe zu erkennen--Lachst du nicht?
Benvolio.
Nein, Vetter, ich moechte lieber weinen.
Romeo.
Du gutes Herz! Worueber?
Benvolio.
Dein gutes Herz so beklemmt zu sehen.
Romeo.
Du vermehrest meinen Kummer durch den deinigen, anstatt ihn zu
erleichtern.**--Liebe ist ein Rauch, der vom Hauch der Seufzer
erregt wird, aber gereinigt ein Feuer das in der Liebenden Augen
schimmert--Ungluekliche Liebe ist eine See, die mit den Thraenen der
Liebenden genaehrt wird; was ist sie noch mehr? Eine vernuenftige
Tollheit, eine erstikende Galle, eine erquikende Herzstaerkung--Lebt
wohl, Vetter.
{ed.-** Es ist ein Ungluek fuer dieses Stuek, welches sonst so viele
Schoenheiten hat, dass ein grosser Theil davon in Reimen geschrieben
ist. Niemals hat sich ein poetischer Genie in diesen Fesseln
weniger zu helfen gewusst als Shakespear; seine gereimten Verse sind
meistens hart, gezwungen und dunkel; der Reim macht ihn immer etwas
anders sagen als er will, oder noethigt ihn doch, seine Ideen uebel
auszudrueken. Die Feinde des Reims werden dieses vielleicht als eine
neue Instanz anziehen, um diese vergebliche Fesseln des Genie den
Liebhabern und Lesern so verhasst zu machen, als sie ihnen sind.
Aber warum hat z. Ex. Pope die schoensten Gedanken, die
schimmerndste Einbildungskraft, den feinsten Wiz, den freyesten
Schwung, den lebhaftesten Ausdruk, die groeste Anmuth, Zierlichkeit,
Correction, und ueber alles dieses, den hoechsten Grad der
musicalischen Harmonie, deren die Poesie in seiner Sprache faehig
ist, in seinen Gedichten mit dem Reim durchaus zu verbinden gewusst?
Die Reime koennen vermuthlich nichts dazu, wenn sie fuer einige
Dichter schwere Ketten mit Fuss-Eisen sind; fuer einen Prior oder
Chaulieu sind sie Blumen-Ketten, womit die Grazien selbst sie
umwunden zu haben scheinen, und in denen sie so leicht und frey
herumflattern als die Scherze und Liebes-Goetter, ihre bestaendigen
Gefehrten. Shakespears Genie war zu feurig und ungestuem, und er
nahm sich zu wenig Zeit und Muehe seine Verse auszuarbeiten; das ist
die wahre Ursache, warum ihn der Reim so sehr verstellt, und seinen
Uebersezer so oft zur Verzweiflung bringt.}
(Er will gehen.)
Benvolio.
Sachte, ich will mitgehen. Ihr beleidigt meine Freundschaft, wenn
ihr mich auf eine solche Art verlasst.
Romeo.
Still! Ich habe mich selbst verlohren, ich bin nicht hier; das ist
nicht Romeo, er ist sonst irgendwo.
Benvolio.
--*** Aber wer ist dann die Person, die du liebst?
{ed.-*** Hier haben etliche (Non-Sensicalische) Zeilen ausgelassen
werden muessen.}
Romeo.
Ich will dir's sagen, Vetter; ich liebe--ein Weibsbild.
Benvolio.
Das errieth ich, sobald ich merkte, dass ihr verliebt waeret.
Romeo.
Du hast eine vortreffliche Gabe zum Errathen--und sie ist schoen,
die ich liebe.
Benvolio.
Ein schoenes Ziel ist desto leichter zu treffen.
Romeo.
Aber sie wird von Cupido's Pfeile nicht getroffen werden; sie hat
Dianens Sproedigkeit, und lebt in der wolgestaehlten Ruestung ihrer
Keuschheit sicher vor Amors kindischem Bogen. Sie sezt sich keinen
nachstellenden Bliken aus, sie oeffnet ihr Ohr keinen Liebes-
Erklaerungen, noch ihren Schooss dem Golde, das sonst oft die
Heiligen selbst verfuehrt. O! Sie ist reich an Schoenheit, und allein
darinn arm, dass der ganze Schaz der Schoenheit, in ihr versammelt,
sterblich ist.
Benvolio.
Hat sie denn geschworen, dass sie in ewiger Jungfrauschaft leben
will?
Romeo.
Sie hat, und macht sich durch diese Sparsamkeit einer ungeheuren
Verschwendung schuldig. Denn Schoenheit, die durch ihre eigne
Strenge umkommt, vernichtet auf einmal die Schoenheit einer ganzen
Nachkommenschaft. Sie ist zu weise um so schoen, oder zu schoen um so
weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit
verdienen zu wollen, dass sie mich zur Verzweiflung treibt--
Benvolio.
Lasst euch einen guten Rath geben, und vergesst, an sie zu denken.
Romeo.
O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu
erinnern.
Benvolio.
Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit
auf andre Schoenheiten.
Romeo.
Das waere das Mittel, alle Augenblike an den Vorzug der ihrigen
erinnert zu werden. Diese glueklichen Schleyer, die die Stirne
schoener Damen kuessen, erheben durch ihre Schwaerze, die Schoenheit,
so sie verbergen. Wer durch einen Unfall blind worden ist, kan
nicht vergessen, was fuer einen kostbaren Schaz er mit seinem
Gesicht verlohren hat. Zeigt mir ein Frauenzimmer, das unter
tausenden die schoenste ist; wozu kan mir ihre Schoenheit dienen, als
zu einem Spiegel, worinn ich diejenige erblike, die noch schoener
als die schoenste ist? Lebe wohl, und gieb' es auf, mich sie
vergessen zu lehren.
Benvolio.
Ich will diesen Unterricht bezahlen, oder als Schuldner sterben.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Capulet, Paris, und ein Bedienter treten auf.)
Capulet.
Montague ist so gut gebunden als ich; er hat die nemliche Straffe
zu befuerchten; und fuer alte Leute wie wir sind, sollt' es nicht
schwer seyn, Frieden zu halten.
Paris.
Ihr seyd beyde rechtschaffne Maenner, und es ist recht zu bedauren,
dass ihr so lang in Misshelligkeit gelebt habt--Aber nun, gnaediger
Herr, was sagt ihr zu meiner Anwerbung?
Capulet.
Ich kann euch nichts anders sagen, als was ich schon gesagt habe:
Mein Kind ist noch ein neu angekommener Fremdling in der Welt, sie
hat noch nicht vierzehn Jahre gesehen; lasst wenigstens noch zween
Sommer verbluehen, eh wir denken koennen, dass sie zum Braut-Stande
reif sey.
Paris.
Juengere als sie, sind schon gluekliche Muetter geworden.
Capulet.
Und verderben auch desto frueher, je fruehzeitigere Fruechte von ihnen
erzwungen werden. Die Erde hat alle meine andern Hoffnungen
verschlungen; ich habe kein Kind als sie; sie ist das einzige
Vergnuegen meines Alters, indess bewirb dich bey ihr selbst um sie,
mein lieber Paris, such ihr Herz zu gewinnen; wenn du ihren Beyfall
hast, so hast du meine Einwilligung. Diese Nacht geb' ich, einer
alten Gewohnheit nach, ein Gastmahl, wozu ich viele werthe Freunde
eingeladen habe: Vermehret ihre Anzahl, unter allen soll mir keiner
willkommner seyn. Ihr werdet diese Nacht in meinem armen Haus
irdische Sterne sehen, welche die himmlischen selbst verdunkeln
koennen.* Ihr werdet mit dem Vergnuegen, das muntre junge Leute
fuehlen wenn der schmuke April den hinkenden Winter vor sich
hertreibt, unter einem Fruehling voll neu entfalteter Maedchen-
Knospen wandeln; betrachtet sie alle, hoeret alle, und lasst euch
diejenige am besten gefallen, die es am meisten verdient; ihr
werdet so viele liebenswuerdigere finden, dass die meinige sich
unbemerkt in der Menge verliehren wird. Kommt, geht mit mir--Du,
Bursche, geh, trotte ganz Verona durch, und lade die Personen zu
mir ein, deren Namen auf diesem Zettel stehen--
{ed.-* Hr. Warbuerton ist der Welt als ein grosser Criticus bekannt, und
es ist gewiss, dass wir seiner Scharfsinnigkeit viele Verbesserungen
unsers durch die Schauspieler so uebel zugerichteten Autors zu
danken haben. Dem ungeachtet, scheint er zuweilen in den fast
allgemeinen Fehler der Verbal-Critiker zu fallen, und mit dem
Shakespear nicht viel besser zu verfahren, als der gelehrte Bentley
mit dem Horaz. Hier ist ein Beyspiel davon, das wir zur Probe
anfuehren wollen, ob es gleich sonst desto unnoethiger ist, die Leser
mit critischen Noten zu behelligen, da selbige die Kenntniss der
Englischen Sprache voraussezen, und diese Uebersezung nur fuer
diejenige gemacht ist, die das Original nicht lesen koennen.
Warbuerton nennt den Vers: (Earthtreading stars that make dark
heaven's Light), Unsinn, und will dass man lesen soll: (That make
dark Even light)--Eine Verbesserung im echten Bentleyischen
Geschmak! Die Verbesserung ist wahrer Unsinn, der Text aufs hoechste
eine weder ungewoehnliche noch unschikliche Hyperbole. Es ist etwas
sehr moegliches, dass die irdischen Sterne, welche Shakespear meynt,
bey einem Bal den Glanz der himmlischen in den Augen eines jungen
Liebhabers verdunkeln; und das ist der natuerlichste Sinn des Texts:
Aber dass eine ganze Schaar der schimmerndsten Schoenen durch den
blossen Glanz ihrer Augen, einen Tanzsaal so wol erleuchten sollte,
dass man die Lichter dabey ersparen koennte, ist mehr als man auch
der feurigsten Orientalischen Einbildungskraft zumuthen duerfte.
Wenn wir, wie schon oefters geschehen ist, die Lesart des Texts der
vermeynten Verbesserung des Hrn. Warbuertons vorziehen, so geschieht
es allemal mit so gutem Grund als dieses mal, obgleich manche von
denenjenigen, die wir verwerfen, seinem Wiz mehr Ehre machen, als
die gegenwaertige.}
(Capulet und Paris gehen ab.)
Bedienter.
Lade mir die Personen ein, die auf diesem Zettel stehen--Es steht
geschrieben, der Schuster soll sich mit seinem Ellen-Stab abgeben,
der Schneider mit seinem Leist, der Fischer mit seinem Pinsel, und
der Mahler mit seinem Nez. Aber ich soll die Personen finden, deren
Namen hier geschrieben sind, und kan doch nicht finden, was fuer
Namen die schreibende Person hieher geschrieben hat. Ich muss mich
bey den Gelehrten Raths erholen--Da lauffen mir gerad ihrer ein
Paar in die Haende--
(Benvolio und Romeo treten auf.)
Benvolio.
Still, Mann! Eine Hize treibt die andre aus, und die Pein eines
Schmerzens wird durch einen andern Schmerz vermindert; wenn dir
taumlicht ist, so hilfst du dir damit, dass du dich wieder zuruek
drehest, und deiner Hoffnungslosen Liebe kan nicht besser als durch
eine neue geholfen werden.
Romeo.
Wegbreit-Blaetter sind unvergleichlich fuer das.
Benvolio.
Fuer was, wenn man bitten darf?
Romeo.
Fuer euern Beinbruch.
Benvolio.
Wie, Romeo, bist du toll?
Romeo.
Nicht toll, aber fester angebunden als irgend einer im Tollhause;
in ein Gefaengniss eingesperrt, zur Hunger-Cur verurtheilt,
gepeitscht und gepeinigt: Und--guten Abend, Camerad--
(Zum Bedienten.)
Bedienter.
Einen guten Abend geb' euch Gott: Ich bitte euch, Herr, koennt ihr
lesen?
Romeo.
Ja, mein Schiksal in meinem Ungluek.
Bedienter.
Vielleicht habt ihr ohne Buch lesen gelernt; aber ich bitte euch,
koennt ihr alles lesen was ihr seht?
Romeo.
Ja, wenn ich die Buchstaben und die Sprache weiss.
Bedienter.
Das ist gesprochen wie ein Bidermann--Gott behuet' euern guten Humor!
(Er will gehen.)
Romeo.
Bleib, Bursche, ich kan lesen--(Er liesst das Papier.) Signor
Martino und seine Frau und Toechter: Graf Anselmo und seine schoenen
Schwestern; die verwittibte Donna Vitruvia; Signor Placentio und
seine liebenswuerdige Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentin;
mein Oheim Capulet mit Frau und Toechtern; meine schoene Nichte
Rosalinde; Livia, Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio,
und die lebhafte Signora Helena--
Eine huebsche Assamblee, und wohin sollen sie kommen?
Bedienter.
Herauf--
Romeo.
Wohin?
Bedienter.
Zum Nacht-Essen in unser Haus.
Romeo.
In wessen Haus?
Bedienter.
In meines Herren seines.
Romeo.
In der That, das haette ich dich vorher fragen sollen.
Bedienter.
Nein, ich will euch eine Mueh ersparen. Mein Herr ist der grosse
reiche Capulet, und wenn ihr keiner vom Haus der Montaegues seyd, so
bitt' ich euch, kommt, und helft uns die Glaeser ausleeren. Eine
gute Zeit.
(Geht ab.)
Benvolio.
Wie wohl sich das fuegt! die schoene Rosalinde, in die du so verliebt
bist, wird mit allem was das Schoenste in Verona ist, diesem
Familien-Gastmal der Capulets beywohnen. Geh du auch hin, vergleich
mit unpartheyischen Augen ihr Gesicht mit einigen, die ich dir
zeigen will, und du sollst finden, dass dein Schwan eine Kraehe ist.
Romeo.
**--Eine schoenere als meine Liebe! die allsehende Sonne sah niemals
ihres gleichen, seit die Welt begann.
{ed.-** Eine Lueke von vier abgeschmakten Reimen.}
Benvolio.
Gut, gut! Ihr habt sie nur gesehen, wenn keine andre dabey war, und
ihr sie, in beyden Augen, nur mit sich selbst abwoget; aber lasst
ihre Reizungen in diesen crystallnen Waagschaalen gegen ein
gewisses andres Maedchen, das ich euch bey diesem Gastmahl in seinem
vollen Glanze zeigen will, abgewogen werden; so wird euch diejenige
kaum noch ertraeglich vorkommen, die izt die beste scheint.
Romeo.
Ich will mit dir gehen, nicht weil ich dir glaube, sondern um das
Vergnuegen zu haben, dich von dem Triumph meiner Geliebten zum
Zeugen zu machen.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Lady Capulet und die Amme treten auf.)
Lady.
Amme, wo ist meine Tochter? Ruffe sie zu mir heraus.
Amme.
Nun, bey meiner Jungferschaft, (wie ich zwoelf Jahre alt war, meyn'
ich;) ich sagte ihr, sie moechte kommen; wie, Schaefchen--he! Mein
Daeubchen--dass uns Gott behuete! Wo ist das Maedchen? he! Juliette!
(Juliette zu den Vorigen.)
Juliette.
Was ists? Wer ruft?
Amme.
Eure Frau Mutter.
Juliette.
Madam, hier bin ich, was ist euer Wille?
Lady.
Das ist eben die Sache--Amme, verlass uns eine Weile, wir muessen
allein mit einander reden; Amme, komm wieder zuruek, ich habe mich
anders besonnen, du darfst wohl bey unsrer Unterredung zugegen seyn:
du weist, meine Tochter hat ein artiges Alter.
Amme.
Mein Treu, ich kan ihr Alter bey einer Stunde sagen.
Lady.
Sie ist noch nicht vierzehn.
Amme.
Ich will gleich vierzehn Zaehne daran sezen, (und doch muss ich's zu
meiner Schande sagen, ich habe nur noch vier,) sie ist nicht
vierzehn; wie lang ist es noch von izt bis an St. Peters-Tag?
Lady.
Vierzehn Tage, oder noch ein paar drueber.
Amme.
Sey es vierzehn Tage oder fuenfzehn, das thut nichts, kommt St.
Peters-Abend, so wird sie vierzehn seyn. Suesschen und sie (Gott
troest ihre Seele!) waren von gleichem Alter. Wohl, Suesschen ist im
Himmel, sie war zu gut fuer mich. Aber, wie ich sagte, an St. Peters-
Abend des Nachts wird sie vierzehn seyn, das wird sie, meiner Six,
ich erinnre mich's als ob's seit gestern waere. Es ist seit dem
Erdbeben nun eilf Jahre dass sie entwoehnt wurde; unter allen Tagen
im Jahr will ich den Tag nicht vergessen; ich hatte denselben Tag
Wermuth an meine Brust gestrichen, und sass in der Sonne an der
Mauer unter dem Dauben-Schlag; der Gnaedige Herr und Eu. Gnaden
waren damals zu Mantua--gelt, ich kan etwas im Kopf behalten?--Aber,
wie ich sagte, wie das Kind den Wermuth an meiner Brustwarze
kostete, und schmekte dass es bitter war, das artige Naerrchen, da
haettet ihr sehen sollen, wie es so gescheid war und augenbliklich
die Brust fahren liess. Schuettle dich, sagte der Dauben-Schlag--mein
Treu! es musste mir niemand sagen, dass ich hurtig lauffen sollte;
und seitdem ist es nun eilf Jahre, denn sie konnte damals schon
allein stehen; ja, bey meiner Treu, sie, konnte schon lauffen, und
watschelte schon allenthalben herum; dann just den Tag vorher, da
sie das Loch in ihre Stirne fiel, und da hub mein Mann (Gott troest
ihn, er war ein muntrer Mann) da hub er das Kind auf; so, sagt' er,
faellst du auf die Nase? Du wirst auf den Rueken fallen, wenn du mehr
Verstand haben wirst; wirst du nicht Julchen? Und, bey unsrer
lieben Frauen! Das artige Troepfchen hoerte auf schreyen, und sagte,
Ay--so dass man sehen kan, wie endlich aus Spass Ernst wird--Da steh
ich dafuer, und wenn ich tausend Jahre leben sollte, so vergess ichs
nicht: Wirst du nicht, Julchen, sagt' er? Und das artige Naerrchen,
es hoerte auf schreyen, und sagte, Ay!
Lady Capulet.
Genug hievon, ich bitte dich, stille!
Amme.
Ja, Gnaedige Frau; und doch kan ich mir nicht helfen, ich muss lachen,
wenn ich dran denke dass es aufhoerte zu schreyen, und Ay sagte; und
doch bin ich gut dafuer, dass es eine Beule an der Stirne hatte, so
dik wie ein junger Hahnen-Stein, eine recht gefaehrliche Beule, und
es weinte bitterlich. So, sagte mein Mann, faellst du auf die Nase?
Du wirst ruekwaerts fallen, wenn du aelter wirst, wirst du nicht,
Julchen? Und da schwieg es, und sagte, Ay.
Juliette.
Und schweig du auch, ich bitte dich, Amme, sag ich.
Amme.
Still, ich bin fertig: Gott zeichne dich zu seinem Segen aus! Du
warst das holdseligste Kind, das ich gesaeugt habe; und wenn ich nur
so lange lebe, dass ich dich verheurathet sehe, so wuensch' ich mir
nichts mehr.
Lady Capulet.
Diese Heurath ist eben die Sache, wovon ich reden wollte. Sagt mir,
Tochter Juliette, habt ihr Lust zum Heurathen?
Juliette.
Es ist eine Ehre, von der ich mir nicht traeumen lasse.
Amme.
Eine Ehre? Wenn ich nicht deine leibliche Amme waere, so wuerd' ich
sagen, du habst die Weisheit mit der Milch eingezogen.
Lady Capulet.
Gut, es ist nun Zeit daran zu denken; es giebt hier in Verona
juengere als ihr, und Frauenzimmer von Stand und Ansehen, die schon
Muetter sind. Bey meiner Ehre, in dem Alter worinn ihr noch ein
Maedchen seyd, war ich schon eure Mutter. Ich will's also kurz
machen, und euch sagen, dass sich der junge Paris um euch bewirbt.
Amme.
Ein Mann, junges Fraeulein, ein Mann, dessen gleichen in der ganzen
Welt--Sapperment! es ist ein Mann wie in Wachs bossiert.
Lady Capulet.
Verona's Sommer hat keine schoenere Blume.
Amme.
Das ist wahr, er ist eine Blume; mein Treu, eine wahre Blume.
Lady Capulet.
Was sagt ihr dazu? Gefaellt euch der Cavalier? Ihr werdet ihn diese
Nacht bey unserm Gastmahl sehen; beobachtet ihn recht, ihr werdet
gestehen muessen, dass nichts liebenswuerdigers seyn kan. Er ist eurer
wuerdig, und wird euch glueklich machen*--Doch, ihr habt ihn ja sonst
schon gesehen; sagt, mit einem Wort, koennt ihr euch seine Liebe
gefallen lassen?
{ed.-* Man hat gut gefunden diese Rede zu veraendern und
abzukuerzen. Sie ist im Original die Grundsuppe der abgeschmaktesten
Art von Wiz, und des Characters einer Mutter aeusserst unwuerdig.
Pope scheint zu vermuthen, dass sie von Schauspielern eingeflikt
worden sey.}
Juliette.
Ich will ihn erst genauer betrachten; alles was ich izt sagen kan,
ist, dass meine Augen allezeit durch euern Willen geleitet werden
sollen. (Ein Bedienter zu den Vorigen.)
Bedienter.
Gnaedige Frau, die Gaeste sind angekommen, das Essen ist aufgetragen,
man wartet auf Euer Gnaden und mein junges Fraeulein, man flucht auf
die Amme im Speissgewoelbe, und alles ist in der Extremitaet. Ich muss
wieder zur Aufwartung; ich bitte euch, kommet augenbliklich.
Lady Capulet.
Wir kommen--Juliette, es wird den Grafen nach dir verlangen.
Amme.
Geh, Maedchen, und suche zu deinen guten Tagen auch gluekliche Naechte.
(Sie gehen ab.)
Fuenfte Scene.
(Eine Strasse vor Capulets Haus.)
(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fuenf oder sechs andern Masken,
Fakel-Traegern und Trummeln.)
Romeo.
Wie, soll diese Rede unsre Entschuldigung machen, oder wollen wir
ohne Apologie auftreten?
Benvolio.
Diese Weitlaeufigkeiten sind nicht mehr Mode. Wir brauchen keinen
Cupido, mit einer Schaerpe von Flittergold und einem gemahlten
Tartar-Bogen von Schindeln, der die armen Maedchen, wie ein Voegel-
Schrek die Kraehen, zu fuerchten macht. Sie moegen von uns halten was
sie wollen, wenn wir ihnen nicht gefallen, oder sie uns nicht, so
gehen wir wieder.
Romeo.
Gebt mir eine Fakel; ich bin nicht im Humor, Spruenge zu machen.
Mercutio.
Nicht doch, mein lieber Romeo, ihr muesst eins tanzen.
Romeo.
Ich gewiss nicht, das glaubt mir; ihr habt Tanzschuhe mit duennen
Solen, ich habe eine Seele von Bley,* die mich so zu Boden zieht,
dass ich nicht von der Stelle kommen kan.
{ed.-* Wortspiel mit Sole, und Soul, welche fast gleich ausgesprochen
werden. }
Mercutio.
Ihr seyd ein Liebhaber; borgt dem Cupido seine Fluegel ab, und
schwingt euch damit empor.**
{ed.-** In dieser Rede, der Antwort des Romeo, und etlichen
folgenden Zeilen, die man gaenzlich weglassen musste, dreht sich
alles um Wortspiele mit (Bound) und (bound, soar) und(sore), und
ein paar eben so frostige Antithesen herum. Alles dieses armselige
Zeug findet sich, wie Pope bemerkt, nicht in der ersten Ausgabe
dieses Stueks von 1597.}
Romeo.
Ich bin zu hart von seinem Pfeil verwundet, als dass ich mich auf
seinen Fluegeln erheben koennte--
Mercutio.
Gebt mir ein Futteral, worein ich mein Gesicht steken kan--
(Er nimmt seine Maske ab.)
--Eine Maske fuer ein Frazen-Gesicht!--wozu brauch ich eine Maske?
Es wird niemand so vorwizig seyn, ein Gesicht wie das meinige genau
anzusehen.
Benvolio.
Kommt, wir wollen anklopfen und hineingehn; und wenn wir einmal
drinn sind, dann mag ein jeder seinen Fuessen zusprechen.
(Hier fallen noch etliche sinnreiche Wizspiele von der
grammaticalischen Art, zwischen Mercutio und Romeo weg.)
Romeo.
Wir gedenken uns bey diesem Ball eine Kurzweil zu machen, und doch
sind wir nicht klug, dass wir gehen.
Mercutio.
Warum, wenn man fragen darf?
Romeo.
Mir traeumte vergangne Nacht--
Mercutio.
Mir auch.
Romeo.
Gut, was traeumte euch?
Mercutio.
Dass Traeumer manchmal luegen.
Romeo.
Ja, in ihrem Bette,*** wo sie oft wahre Dinge traeumen.
{ed.-*** Wortspiel mit lie und lye, liegen, und luegen, welches sich
zu gutem Gluek uebersezen laesst.}
Mercutio.
O, dann seh ich, dass ihr einen Besuch von der Koenigin Mab gehabt
habt. Sie ist die Heb-Amme der Phantasie, kommt bey Nacht, nicht
groesser als ein Agtstein am Zeigfinger eines Aldermanns, und faehrt
euch mit einem Gespan von kleinen Atomen ueber die Nasen der
Schlafenden hin. Ihre Rad-Speichen sind von langen Spinnen-Beinen,
die Deken von Grashuepfers-Fluegeln, das Geschirr vom feinsten
Spinnen-Web, die Kummet von Mondscheins-Stralen; ihre Peitsche von
einem Grillen-Bein, und der Riemen von der feinsten Membrane; ihr
Kutscher eine duenne grau-rokichte Schnake, nicht halb so dik als
ein kleiner runder Wurm, den der schleichende Finger eines kleinen
Maedchens aufgestochert hat. Ihr Wagen ist eine leere Hasel-Nuss, von
Schreiner Eichhorn, oder Meister Wurm gemacht, die seit
unfuerdenklicher Zeit die Wagner der Feen sind: und in diesem Staat
galloppiert sie, Nacht fuer Nacht, durch das Gehirn der Verliebten,
und dann traeumen sie von Liebe; ueber die Kniee der Hofleute, welche
dann straks von Aufwartungen; ueber die Finger der Advocaten, die
straks von Sporteln; ueber die Lippen der Damen, die straks von
Kuessen traeumen, aber oft von der erzuernten Mab mit Hiz-Blattern
gestraft werden, wenn ihr Athem nach parfuemiertem Zuker-Werk riecht.
Zuweilen galloppiert sie ueber eines Hofschranzen Nase, und da
traeumt er, er hab' eine Pension ausgespuert: ein andermal kommt sie
mit dem Wedel eines Zehend-Schweins in der Hand, und kuezelt den
schnarchenden Pfarrer; straks traeumt er, dass er eine bessere
Pfruende bekommen habe. Zuweilen faehrt sie ueber eines Soldaten Hals,
und da traeumt er von auslaendischen Haelsen die er abgeschnitten, von
Friedens-Bruechen, Scharmuezeln, Spanischen Klingen, und fuenf-Faden-
tieffen Gesundheiten; dann trummelt sie wieder in seinen Ohren und
er faehrt erschroken auf, und erwacht, schwoert ein paar Stoss-Gebette,
und schlaeft wieder ein. Das ist die nemliche Mab, die den Kuehen
die Milch aussaugt, und den Pferden im Schlaf die Maehne verstrikt;
das ist die Drutte,
(der Alp,)
welche die Maedchens druekt, wenn sie Nachts auf dem Rueken ligen--
das ist--
Romeo.
Stille, Stille, Mercutio, wie lange kanst du von nichts reden?
Mercutio.
In der That, ich rede von Traeumen, diesen Kindern die ein muessiges
Hirn mit der eiteln Phantasie erzeugt, welche so wenig Leib hat als
die Luft, und unbestaendiger ist als der Wind, der nur eben um den
kalten Busen des Nords buhlte, und den Augenblik drauf, in einem
Anstoss von Laune, hinwegstuermt, und sein Gesicht dem thauichten Sud
zudreht.
Benvolio.
Dieser Wind von dem ihr euch so gelassen besprecht, blaesst uns von
uns selbst weg; das Gastmal ist indess vorbey, und wir werden zu
spaet kommen.
Romeo.
Ich fuerchte, nur zu frueh--Denn mein Gemueth weissagt mir irgend eine
schwarze noch in den Sternen hangende Begebenheit, die von den
Spielen dieser Nacht ihren furchtbaren Anfang nehmen, und
vielleicht das Ziel meines verhassten Lebens durch die gewaltsame
Hand eines fruehzeitigen Todes beschleunigen wird. Doch Er, der das
Steuer-Ruder meines Lauffes fuehrt, lenk' ihn nach seinem Gefallen!--
Wohlan, meine muntern Freunde!
Benvolio.
Ruehrt die Trummel!--
(Sie ziehen ueber den Schauplatz, und treten ab.)
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in eine Halle in Capulets Hause.)
(Etliche Bediente, mit Handtuechern.)
1. Bedienter.
Wo ist Potpan, dass er uns nicht aufraeumen hilft--er hat einen
Teller weggeschnappt! Er hat einen Teller mit sich gehen heissen!
2. Bedienter.
Wenn gute Manieren alle in eines oder zweener Haenden liegen, und
die noch dazu ungewaschen sind, das ist eine garstige Sache.
1. Bedienter.
Fort mit den Lehnstuehlen, das kleine Schenk-Tisch'gen aus dem Wege,
seht zu dem Silber-Geschirr; du, guter Freund, mache dass du mir ein
Stuek Marzipan auf die Seite kriegst; und wenn du mich lieb hast, so
sorge, dass der Thorhueter Susanna Muehlstein und Nell, Antoni und den
Potpan hereinlaesst--
2. Bedienter.
Gut, Junge, das will ich.
3. Bedienter.
Man sieht sich nach euch um, man ruft euch, man fragt nach euch,
man sucht euch, im grossen Saal.
2. Bedienter.
Wir koennen nicht an zween Orten zugleich seyn; hurtig, ihr Jungens;
seyd eine Weile munter, und wer alle andre ueberlebt, kriegt alles!--
(Sie gehen ab.)
(Die Gaeste und Damen, nebst den Masken treten saemtlich auf.)
1. Capulet.
Willkommen, meine Herren--Und ihr, meine Damen, ihr habt noch keine
Huener-Augen an den Zehen, wir wollen eins lustig mit einander
machen. Ich will doch nicht hoffen, meine Koeniginnen, dass mir eine
unter euch ein Taenzchen abschlagen wird--eine jede, die sich lange
bitten laesst, hat Huener-Augen, das schwoer' ich;--He? bin ich euch zu
nah gekommen?--Willkommen allerseits, ihr Herren; ich weiss die Zeit
auch noch, da ich eine Maske trug, und einem jungen Fraeulein
huebsche Sachen ins Ohr fluestern konnte; aber es ist vorbey, vorbey,
vorbey!
(Die Musik fangt an; man tanzt.)
Mehr Lichter her, ihr Schurken, und die Tische aus dem Weg; und
lasst das Feuer abgehen, es ist zu warm im Zimmer--Gelt, junger Herr,
ein unvermutheter Spass ist der angenehmste--Nun sezt euch, sezt
euch, mein guter Vetter Capulet, denn die Tanz-Zeit ist doch bey
euch und mir vorbey: Wie lang ist es wohl, seit ihr und ich das
leztemal auf einem Masken-Bal tanzten?
2. Capulet.
Bey unsrer Frauen! dreissig Jahre.
1. Capulet.
Wie, Mann? Es ist noch nicht so lang, es ist noch nicht so lang; es
war an Lucentio's Hochzeit; es wird auf kommende Pfingsten fuenf und
zwanzig Jahre, dass wir in Masken tanzten.
2. Capulet.
Es ist mehr, es ist mehr; sein Sohn ist aelter, Herr; sein Sohn hat
schon dreissig.
1. Capulet.
Das werdet ihr mir nicht weiss machen; sein Sohn war vor zwey Jahren
noch nicht muendig.
Romeo (in einem andern Theil des Saals.)
Wer ist die junge Dame, die dort jenem Ritter die Hand giebt?
Bedienter.
Ich weiss es nicht.
Romeo.
O, sie glaenzt mehr als alle diese Fakeln zusammen genommen; ihre
Schoenheit haengt an der Stirne der Nacht, wie ein reiches Kleinod an
eines Mohren Ohr: Und welch eine Schoenheit! Sie ist zu reich zum
Gebrauch, und zu kostbar fuer diese Erde. So glaenzt die schneeweisse
Daube aus einem Schwarm von Kraehen, wie dieses Fraeulein unter ihren
Gespielen glaenzt. Wenn der Tanz vorbey ist, will ich mir den Plaz
merken, wo sie steht, und ihr meine Hand geben. Welch eine
Gluekseligkeit ihre Hand zu beruehren!--Nein, ich habe noch nie
geliebt--Schwoer es, mein Auge; vor dieser glueklichen Nacht wusstest
du nicht, was Schoenheit ist.
Tybalt (der dem Romeo bey den lezten Worten sich naehert.)
Der Stimme nach sollte diess ein Montague seyn--hol mir einen Degen,
Junge--wie? der Sclave darf sich erfrechen in einer Maske hieher zu
kommen, und unsrer feyerlichen Lust zu spotten? Nein, bey der
bejahrten Ehre meines Geschlechts, es ist keine Suende, den
Nichtswuerdigen zu todt zu schlagen.
Capulet.
Wie, wie, Vetter? Warum so stuermisch?
Tybalt.
Oheim, hier ist einer unsrer Feinde, ein Montague; ein Bube der
gekommen ist, uns unter die Nase zu lachen, und unsre Familien-
Freude zu stoeren--
Capulet.
Ist es vielleicht der junge Romeo?
Tybalt.
Er selbst, der Schurke Romeo!
Capulet.
Gieb dich zu frieden, lieber Vetter, lass ihn gehen; er sieht einem
jungen wakern Edelmann gleich; und, wenn ich die Wahrheit sagen
soll, er hat den Ruf eines tugendhaften wohlgesitteten Juenglings,
der Verona Ehre macht. Ich wollte nicht um unsre ganze Stadt, dass
ihm in meinem Hause was zu Leide gethan wuerde. Seyd also ruhig,
thut als ob ihr ihn nicht kennet; ich will es so haben, und wenn
ihr einige Achtung fuer mich habt, so heitert eure Stirne auf, und
macht keine Gesichter, die sich so uebel zu einer Lustbarkeit
schiken.
Tybalt.
Sie schiken sich, wenn ein solcher Bube sich zum Gast aufdringt:
ich will ihn nicht dulden!
Capulet.
Das sollt ihr aber! Wie, Herr Junge?--Ihr sollt, sag ich--Geht,
geht, bin ich hier Meister oder ihr? Geht, geht--Ihr wollt ihn
nicht dulden? Hol mich Gott, ihr wuerdet mir einen feinen Lermen
unter meinen Gaesten anrichten! Ihr wollt mir hier den Eisenfresser
machen? Gelt, das wollt ihr?
Tybalt.
Wie, Oehm, es ist eine Schande--
Capulet.
Geht, geht, ihr seyd ein abgeschmakter Knabe--
(auf die Seite zu einem von der Gesellschaft.)
Ist es so, in der That?--
(zu Tybalt)
ihr koennt was anfangen, das euch gereuen wird, ich weiss was ich
sage--
(Seitwaerts;)
wohl gesprochen, meine Kinder--
(zu Tybalt,)
Ihr seyd ein Hasenfuss, geht--seyd ruhig, oder--
(seitwaerts.)
Mehr Lichter, mehr Lichter, es ist eine Schande, so dunkel ist's--
(zu Tybalt)
ich will euch ruhig machen--
(Seitwaerts:)
Wie, munter, meine Herzen!
Tybalt.
Geduld und Zorn vertragen sich nicht wohl bey mir zusammen; sie
stossen, indem sie sich begegnen, die Koepfe so hart an einander an,
dass mir alle Glieder davon wakeln. Ich will mich entfernen, aber er
soll mir diese Zudringlichkeit bezahlen!
(Tybalt geht ab.)
Romeo (zu Juliette.)
* [Wenn meine unwuerdige Hand diesen heiligen Leib entweiht hat, so
lass dir diese Busse gefallen: Meine Lippen, zween erroethende
Pilgrimme, stehen bereit den Frefel, mit einem zaertlichen Kuss
abzubuessen.
{ed.-* Dieser Dialogus ist im Original eine Elegie mit verschraenkten
Reimen.}
Juliette.
Ihr thut eurer Hand unrecht, mein lieber Pilgrim; sie hat nichts
gethan, als was die bescheidenste Andacht zu thun pflegt; Heilige
haben Haende, die von den Haenden der Wallfahrenden beruehrt werden,
und Hand auf Hand ist eines Pilgrims Kuss.
Romeo.
Haben Heilige nicht Lippen, und andaechtige Pilgrimme auch?
Juliette.
Ja, Pilgrim, sie haben Lippen, aber zum Beten.
Romeo.
O so erlaube, theure Heilige, erlaube den Lippen nur, was du den
Haenden gestattest; sie bitten, (und du, erhoere sie,) dass du den
Glauben nicht in Verzweiflung fallen lassest.
Juliette.
Heilige ruehren sich nicht, wenn sie gleich unser Gebet erhoeren.
Romeo.
O so ruehre du dich auch nicht, indem ich mich der Wuerkung meines
Gebets versichre--
(Er kuesst sie.)
Die Suende meiner Lippen ist durch die deinige getilgt.]
Juliette.
Also tragen nun meine Lippen die Suende, die sie von den deinigen
weggenommen haben.
Romeo.
Suende von meinen Lippen? O! angenehme Strenge! Gebt mir meine Suende
nur wieder zuruek.
Juliette.
Ihr habt kuessen gelernt; ich verstehe mich nicht darauf.
Amme.
Gnaediges Fraeulein, eure Frau Mutter moechte gern ein Wort mit euch
sprechen--
(Juliette entfernt sich.)
Romeo.
Wer ist ihre Mutter?
Amme.
Sapperment, junger Herr, ihre Mutter ist hier die Frau vom Hause,
und eine brave, gescheidte, tugendsame Frau. Ich saeugte ihre
Tochter, mit der ihr geredet habt; und ich sag euch, wer sie kriegt,
bekommt so gewiss eine Jungfer--
Romeo (indem er sich entfernt, vor sich.)
Eine Capulet? O Himmel! Mein Herz und mein Leben sind
unwiderbringlich in der Gewalt meiner Feindin.
Benvolio.
Weg, wir wollen gehen, der groeste Spass ist vorbey.
Romeo.
Das fuercht' ich selbst, das uebrige wird mich mehr als meinen Schlaf
kosten.
Capulet.
Nein, ihr Herren, geht noch nicht weg, wir haben noch ein kleines
schlechtes Nachtessen vor uns--Wie, muss es denn seyn? Nun dann, so
dank ich euch allen--Ich dank euch, meine liebe Herren, gute Nacht--
Mehr Fakeln her--
(Zu den uebrigen:)
Kommt hinein, und dann zu Bette.--Ah, guter Freund, bey meiner
Treu, es ist schon spaete. Ich will in mein Bette.
(Sie gehen nach einander ab.)
Juliette.
Ein wenig hieher, Amme--Wer ist der junge Herr dort?
Amme.
Der einzige Sohn des alten Tiberio.
Juliette.
Wer ist der, der eben izt zur Thuere hinausgeht?
Amme.
Das ist der junge Petrucchio, bild' ich mir ein.
Juliette.
Wer ist der, der ihm folgt, der nicht tanzen wollte?
Amme.
Ich kenn' ihn nicht.
Juliette.
Geh, frage nach seinem Namen
(leise.)
Wenn er schon vermaehlt ist, so ist sehr wahrscheinlich, dass mein
Grab mein Braut-Bette seyn wird.
Amme.
Er heisst Romeo, er ist ein Montague, der einzige Sohn von unserm
grossen Feind.
Juliette (vor sich.)
O Himmel! der, den ich einzig lieben kan, ist der, den ich einzig
hassen sollte--Zu frueh gesehn, eh ich ihn kannte; und zu spaet
erkannt; was fuer eine seltsame Missgeburt ist meine Liebe--ich liebe--
meinen verhasstesten Feind.
Amme.
Was sagtet ihr da? Was habt ihr?
Juliette.
Ein paar Reime, die ich eben von einem gelernt, mit dem ich tanzte.
(Man ruft hinter der Scene Juliette.)
Amme.
Gleich, gleich; Kommt, wir wollen gehen, die Fremden sind schon
alle fort.
(Sie gehen ab.)
([Zum Beschluss dieses Aufzugs tritt ein Chor auf, und sagt den
Zuschauern in vierzehn Reimen, was sie vermuthlich von selbst
errathen haetten--dass Romeo, seit der Nacht, da er die schoene
Juliette gesehen, seine erste Liebste nicht mehr schoen befunden--
dass er nun Julietten liebe, und von ihr wieder geliebt werde)--(dass
die toedtliche Feindschaft ihrer Haeuser zwar die Sympathie ihrer
Herzen nicht habe verhindern koennen, aber ihnen hingegen alle
Gelegenheit abschneide, sich zu sehen und zu sprechen, ohne dass
jedoch dieser harte Zwang eine andre Wuerkung gethan habe, als die
Heftigkeit ihrer Liebe und Sehnsucht zu verdoppeln.])
Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
(Die Strasse.)
(Romeo tritt allein auf.)
Romeo.
Kan ich weggehen, wenn mein Herz hier ist? Dreh dich zuruek, plumpe
Erde, und suche deinen Mittelpunct.
(Er geht ab.)
(Indem er sich entfernt, treten Benvolio und Mercutio von der
andern Seite auf und werden ihn gewahr.)
Benvolio.
Romeo, Vetter Romeo!
Mercutio.
Er ist klug, und schleicht sich, auf mein Leben, heim zu Bette.
Benvolio.
Nein er lief diesen Weg, und sprang dort ueber die Garten-Mauer. Ruf
ihm, Mercutio!
Mercutio.
Nicht nur das, ich will ihn gar beschwoeren. He! Romeo!
Grillenfaenger! Wetterhahn! Tollhaeusler! Liebhaber! Erscheine du,
erschein in der Gestalt eines Seufzer, rede, aber in lauter Reimen,
und ich bin vergnuegt. Aechze nur, Ach und O! reime nur Liebe und
Triebe, sag meiner Gevatterin Venus nur ein einziges huebsches
Woertchen, haeng' ihrem stokblinden Sohn und Erben nur einen einzigen
Ueber-Namen an, (dem jungen Abraham Cupido, ihm der so gut schoss,
als Koenig Cophetua um ein Bettel-Maedchen seufzte*--doch er hoert
nicht, er ruehrt sich nicht, er giebt kein Zeichen von sich; der
Affe ist todt, ich muss ihn schon beschwoeren--So beschwoer' ich dich
dann bey Rosalinens schoenen Augen, bey ihrer hohen Stirne, und bey
ihren Purpur-Lippen, bey ihrem niedlichen Fuss, schlanken Bein,
runden Knie, und bey den angrenzenden schoenen Gegenden, beschwoer'
ich dich, dass du uns in deiner eignen Gestalt erscheinest!
{ed.-* Eine doppelte Anspielung, auf eine alte Ballade, oder
Romanze, und einen damals bekannten Schuezen, der Abraham hiess.}
Benvolio.
Wenn er dich hoerte, wuerdest du ihn boese machen.
Mercutio.
Das kan ihn nicht boese machen: Das wuerd' ihn boese machen, wenn ich
einen Geist von irgend einer seltsamen Gestalt in seines Maedchens
Circel citierte, und ihn so lange dort stehen liesse, bis sie ihn
gelegt und zu Boden beschworen haette; das waere was, das er
vielleicht uebel nehmen koennte--Aber meine Citation ist ehrlich und
redlich, und ich beschwoer' ihn, in seiner Liebsten Namen, einzig
und allein zu seinem eignen Besten.
Benvolio.
Kommt, er hat sich vermuthlich hinter diese Baeume verstekt, um
keine andre Gesellschaft zu haben, als die schwermuethige Nacht; die
Liebe ist blind, und schikt sich am besten in die Dunkelheit.
Mercutio.
Izt wird er dir unter einem Mispeln-Baum sizen, und wuenschen, dass
seine Liebste von der Art von Fruechten seyn moechte, welche die
Maedchens Mispeln nennen, wenn sie allein zusammen schwazen--Gute
Nacht, Romeo, ich will in mein Roll-Bette, ich; dieses Feld-Bette
ist mir zu kalt; kommt, wollen wir gehen?
Benvolio.
Es wird klueger seyn, als hier jemand zu suchen, der sich nicht
finden lassen will.
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Garten.)
(Romeo tritt auf.)
Romeo.
Der lacht ueber Narben, die nie keine Wunde fuehlte--Aber stille! was
fuer ein Licht bricht aus jenem Fenster hervor? Es ist der Osten,
und Juliet ist die Sonne--
(Juliette erscheint oben am Fenster.)
Geh auf, schoene Sonne, und loesche diese neidische Luna aus, die
schon ganz bleich und krank vor Verdruss ist, dass du, ihr Maedchen,
schoener bist als sie. Sey nicht laenger ihre Aufwaerterin, da sie so
neidisch ist; ihre Vestalen-Livree ist nur blass und gruen, und wird
nur von Thoerinnen getragen; wirf sie ab--Sie spricht, und sagt doch
nichts; was ist das?--Ihr Auge redt, ich will ihm antworten--Wie
voreilig ich bin! Sie redt nicht mit mir: Zween von den schoensten
Sternen des ganzen Himmels, die anderswo Geschaefte haben, bitten
ihre Augen, dass sie, indessen bis sie wiederkommen, in ihren
Sphaeren schimmern moechten--Wie wenn ihre Augen dort waeren, und jene
in ihrem Kopfe? Der Glanz ihrer Wangen wuerde diese Sterne beschaemen,
wie Tag-Licht eine Lampe; ihre Augen, wenn sie am Himmel stuehnden,
wuerden einen solchen Strom von Glanz durch die Luft herabschuetten,
dass die Voegel zu singen anfiengen, und daechten, es sey nicht Nacht:
Sieh! sie lehnt ihre Wange an ihre Hand! O dass ich ein Handschuh an
dieser Hand waere, damit ich diese Wange beruehren moechte!
Juliette.
Ach! ich Ungluekliche!--
Romeo.
Sie redt. O, rede noch einmal, glaenzender Engel! Denn so ueber
meinem Haupt schwebend scheinst du diesen Augen so glorreich als
ein gefluegelter Bote des Himmels den weitofnen emporstarrenden
Augen der Sterblichen, die, vor Begierde ihn anzugaffen, auf den
Rueken fallen--wenn er die traegschleichenden Wolken theilend auf dem
Busen der Luft in majestaetischem Flug dahersegelt.
Juliette.
O Romeo, Romeo--Warum bist du Romeo?--Verlaeugne deinen Vater und
entsage deinem Namen--oder wenn du das nicht willt, so schwoere mir
nur ewige Liebe und ich will keine Capulet mehr seyn.
Romeo (leise.)
Soll ich laenger zuhoeren, oder auf dieses antworten?
Juliette.
Nicht du, bloss dein Nahme ist mein Feind; du wuerdest du selbst seyn,
wenn du gleich kein Montague waerest--Was ist Montague?--Es ist
weder Hand noch Fuss, weder Arm noch Gesicht, noch irgend ein andrer
Theil. Was ist ein Name; Das Ding das wir eine Rose nennen, wuerde
unter jedem andern Namen eben so lieblich riechen. Eben so wuerde
Romeo, wenn er schon nicht Romeo genannt wuerde, diese ganze
reizende Vollkommenheit behalten, die ihm, unabhaengig von diesem
Namen, eigen ist--Romeo, gieb deinen Namen weg, und fuer diesen
Namen, der kein Theil von dir ist, nimm mein ganzes Ich.
Romeo.
Ich nehme dich beym Wort; nenne mich nur deinen Freund, und ich
will meinem Taufnamen entsagen, ich will von nun an nicht mehr
Romeo seyn.
Juliette.
Wer bist du, der hier, in Nacht gehuellt, mein einsames
Selbstgespraeche belauscht?
Romeo.
Durch einen Namen weiss ich dir nicht zu sagen, wer ich bin; mein
Name, theure Heilige, ist mir selbst verhasst, weil er ein Feind von
dir ist. Ich wollt' ihn zerreissen, wenn ich ihn geschrieben haette.
Juliette.
So neu sie mir ist, so kenn' ich doch diese Stimme--Bist du nicht
Romeo, und ein Montague?
Romeo.
Keines von beyden, schoene Heilige, wenn dir eines davon missfaellt.
Juliette.
Wie kamst du hieher, sage mir das, und warum? Die Garten-Mauer ist
hoch und schwer zu ersteigen, und der Ort Tod, wenn dich einer von
meinen Verwandten gewahr wuerde.
Romeo.
Mit der Liebe leichten Fluegeln ueberflog ich diese Mauern, einen zu
schwachen Wall gegen den maechtigsten Gott; was die Liebe thun kan,
dazu hat sie auch den Muth; und desswegen koennen deine Verwandten
mich nicht abschreken.
Juliette.
Wenn sie dich sehen, so ermorden sie dich.
Romeo.
O Goetter! Es ist mehr Gefahr in deinem Aug als in zwanzig ihrer
Schwerdter; sieh nur du mich huldreich an, so verlache ich alles
was ihr Groll gegen mich unternehmen kan.
Juliette.
Ich wollte nicht um die ganze Welt, dass sie dich hier saehen.
Romeo.
Der Mantel der Nacht wird mich vor ihren Augen verbergen, und wenn
nur du mich liebst, so moegen sie mich immer finden; besser dass ihr
Hass mein Leben ende, als dass der Mangel deiner Liebe meinen Tod
verlaengre.
Juliette.
Wer gab dir Anweisung diesen Plaz zu finden?
Romeo.
Die Liebe, die mich antrieb ihn zu suchen; sie lehnte mir Wiz, und
ich lehnte ihr Augen--Ich bin kein Steuermann, aber waerst du so
fern als jenes vom entferntesten Ocean bespuelte Ufer, ich wuerd' um
ein solches Kleinod mein Leben wagen.
Juliette.
Die Maske der Nacht liegt auf meinem Gesicht, sonst wuerde meine
gluehende Wange dir zeigen, wie beschaemt ich bin, dass du mich reden
hoertest da ich allein zu seyn glaubte. Vergeblich wuerd' ich izt
mich befremdet stellen wollen, vergeblich, vergeblich laeugnen
wollen was ich gesprochen habe--So fahre dann wohl, Verstellung!
Liebst du mich? Ich weiss, du wirst sagen, ja; und ich will mit
deinem Wort zufrieden seyn--wenn du schwoerst, so koenntest du
meineydig werden; Jupiter lacht nur, sagen sie, zu den falschen
Schwueren der Verliebten. O werther Romeo, sey redlich, wenn du mir
sagst, du liebest mich: Oder wenn du denkst, ich lasse mich zu
leicht gewinnen, so will ich sauer sehen, und verkehrt seyn, und
dir nein sagen--aber anders nicht um die ganze Welt--In der That
liebenswuerdiger Montague, ich bin zu zaertlich; du koenntest deswegen
nachtheilig von meiner Auffuehrung denken; Aber glaube mir, edler
Juengling, du wirst mich in der Probe zuverlaessiger finden, als
diejenigen welche List genug haben sich zuverstellen und Umstaende
zu machen. Ich wuerde selbst mehr gemacht haben, ich muss es bekennen,
wenn der Zufall dich nicht, mir unwissend, zum Zeugen meiner
zaertlichen Gesinnungen gemacht haette. Vergieb mir also, und denke,
um dieser schleunigen Ergebung willen, nicht schlimmer von einer
Liebe, die dir die dunkle Nacht so unverhoft entdekt hat.
Romeo.
Fraeulein, bey jenem himmlischen Mond schwoer' ich, der alle diese
frucht-vollen Wipfel mit Silber mahlt--
Juliette.
O schwoere nicht bey dem Mond, dem unbestaendigen Mond, der alle
Wochen in seinem cirkelnden Kreise sich aendert--oder deine Liebe
koennte eben so veraenderlich werden.
Romeo.
Wobey soll ich denn schwoeren?
Juliette.
Schwoere gar nicht, oder wenn du ja willst, so schwoere bey deinem
anmuthsvollen Selbst, bey dem theuren Gegenstand meiner Anbetung,
und ich will dir glauben.
Romeo.
Wenn jemals meine redliche Liebe--
Juliette.
Gut, schwoere nicht--So angenehm du selbst mir bist, so ist mir doch
diese naechtliche Verbindung nicht angenehm; sie ist zu rasch, zu
unbesonnen, zu ploezlich zu aehnlich dem Bliz, der schon aufgehoert
hat zu seyn, eh man sagen kan, es blizt--Gute Nacht, mein Liebster.
Diese Knospe von Liebe kan durch des Sommers reiffenden Athem sich
zu einer schoenen Blume entfalten, bis wir wieder zusammen kommen.
Gute Nacht, gute Nacht--Eine so suesse Ruhe komme ueber dein Herz,
als die, so ich in meiner Brust empfinde!
Romeo.
O, willt du mich so unbefriediget verlassen?
Juliette.
Und was fuer eine Befriedigung kanst du noch verlangen?
Romeo.
Die Auswechslung des Geluebds deiner treuen Liebe gegen das Meinige.
Juliette.
Das that ich schon, eh du mich darum batest, und ich wollte lieber
ich haett' es nicht gethan.
Romeo.
Moechtest du dein Herz wieder zurueknehmen? Warum das, meine Liebe?
Juliette.
Nur damit ich dir's noch einmal geben koennte--und doch, was wuensch'
ich mir damit, als was ich schon habe? Meine Zaertlichkeit ist so
grenzenlos als die See, meine Liebe so tief; je mehr ich dir gebe,
je mehr ich habe, denn beyde sind unerschoepflich--Ich hoere ein
Getoese--Lebe wohl, mein Geliebter--
(Man ruft Julietten hinter der Scene.)
Gleich, gute Amme; lieber Romeo, sey getreu warte nur ein wenig,
ich komme gleich wieder.
(Sie geht weg.)
Romeo.
O, gluekliche, gluekliche Nacht! Ich besorge nur, weil es Nacht ist,
dass alles das nur ein Traum sey; es ist zu schmeichelnd-suess um
wuerklich zu seyn. (Juliette kommt wieder.)
Juliette.
Drey Worte, liebster Romeo, und dann gute Nacht, im Ernst--Wenn die
Absicht deiner Liebe rechtschaffen ist, und auf eine geheiligte
Verbindung abzielet, so lass mich durch jemand, den ich morgen an
dich schiken will, wissen, wann und wo du die Ceremonien verrichten
lassen willst, und ich bin bereit, mein ganzes Gluek zu deinen
Fuessen zu legen, und dir, mein Liebster, durch die ganze Welt zu
folgen.
(Man ruft Julietten hinter der Scene.)
Ich komme gleich--wenn du es aber nicht wohl meynst, so bitt' ich
dich--
(Man ruft wieder)
Den Augenblik--ich komme--gieb deine Bewerbung auf und ueberlass
mich meinem Gram--Morgen will ich schiken--
Romeo.
So moege meine Seele leben--
Juliette.
Tausendmal gute Nacht--
(Sie geht weg.)
Romeo.
Wie kann dein Wunsch erfuellt werden, da du mich verlaessest?--
Schmerzen-volles Scheiden!--Liebe zu Liebe eilt so freudig wie
Schulknaben von ihren Buechern--aber wenn Liebe sich von Liebe
scheiden soll, da geht's der Schule zu, mit schwermuethigen Bliken--
(Er entfernt sich.)
(Juliette kommt noch einmal zuruek.)
Juliette.
St! Romeo! St!--Wo nemm' ich eines Falkeniers Stimme her, um diesen
Terzelot sachte wieder zuruek zuloken--Ich darf nicht laut ruffen,
sonst wollt ich die Hoele wo Echo ligt zersprengen, und ihre helle
Zunge von Wiederholung meines Romeo heiser machen.
Romeo.
Ist es meine Liebe die mir bey meinem Namen ruft? welche Musik toent
so suess als die Stimme der Geliebten durch die Nacht hin dem
Liebenden toent!
Juliette.
Romeo!
Romeo.
Meine Liebe!
Juliette.
In welcher Stunde soll ich morgen zu dir schiken?
Romeo.
Um neun Uhr.
Juliette.
Ich will es nicht vergessen, es ist zwanzig Jahre bis dahin--Ich
habe vergessen, warum ich dich zuruekrief.
Romeo.
Lass mich hier stehen, biss es dir wieder einfaellt.
Juliette.
Deine Gegenwart ist mir so angenehm, dass ich vergessen werde, dass
ich dich zu lange hier stehen lasse.
Romeo.
Und ich stehe so gerne hier, dass ich mich nicht erinnre eine andre
Heimat zu haben als diese.
Juliette.
Es ist bald Morgen--Ich wollte du waerest weg, und doch nicht weiter
als der Vogel eines spielenden Maedchens, den sie ein wenig von
ihrer Hand weghuepfen laesst, aber aus zaertlicher Eifersucht ueber
seine Freyheit, wenn er sich zu weit entfernen will, den armen
kleinen Gefangnen gleich wieder an einem seidnen Faden zuruekzieht.
Romeo.
Ich wollt' ich waere dein Vogel.
Juliette.
Das wollt' ich auch, mein Herz, wenn ich nicht fuerchtete dass ich
dich gar zu tode liebkosen moechte. Gute Nacht, gute Nacht. Das
Scheiden kommt mich so sauer an, dass ich so lange gute Nacht sagen
werde, biss es Morgen ist.
(Sie geht weg.)
Romeo.
Schlummer ruhe auf deinen Augen, und suesser Friede in deiner Brust!
Moecht' ich der Schlaf und der Friede seyn, um so lieblich zu ruhen!--
Ich gehe nun in die Celle meines Geistlichen Vaters, ihm mein Gluek
zu entdeken und ihn um seinen Beystand zu bitten.
(ab.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in ein Kloster.)
(Pater Lorenz tritt mit einem Korb auf.)
Lorenz.
Der grau-augichte Morgen laechelt die runzelnde Nacht weg, und
zeichnet die oestlichen Wolken mit Streiffen von Licht; indem die
geflekte Finsterniss gleich einem Betrunknen, den brennenden Raedern
des Titan aus dem Wege taumelt. Nun ist es Zeit, dass ich, eh das
flammende Auge der Sonne naeher koemmt, dem Tag zu liebkosen, und den
naechtlichen Thau aufzutroknen, diesen Korb mit balsamischen
Kraeutern und Blumen von heilsamer Kraft anfuelle. Die Erde, die
Mutter der Natur, ist auch ihr Grab, und dieses fruchtbare Grab
ists, aus dessen Schoos alle diese verschiednen Kinder entspringen,
die wir saugend an ihrem muetterlichen Busen hangen sehen; jede Art
mit besondern Kraeften begabt, jede mit einer eignen Tugend
geschmuekt, und keine der andern gleich. Wie gross ist nicht die
manchfaltige Kraft die in Pflanzen, Kraeutern und Steinen ligt!
Nichts was auf der Erde sich findet, ist so schlecht, dass die Erde
nicht irgend einen besondern Nuzen davon ziehe; nichts so gut,
dessen Missbrauch nicht schaedlich sey. Die Tugend selbst, wird durch
Ueberspannung oder irrige Anwendung zum Laster, und das Laster
hingegen zuweilen durch die Art wie es ausgeuebt wird, geadelt--In
dieser kleinen Blume hier liegt Gift und Heil-Kraft beysammen; ihr
Geruch staerkt und ermuntert alle Lebens-Kraefte; gekostet hingegen,
raubt sie den Sinnen alle Empfindung, und das Leben selbst. Zween
eben so feindselige Gegner ligen allezeit in jedes Menschen Brust,
die Gnade, und der verdorbne Wille, und wo dieser die Oberhand
gewinnt, da hat der krebsartige Tod nur gar zu bald die ganze
Pflanze aufgefressen. (Romeo zu dem Vorigen.)
Romeo.
Guten Morgen, Vater.
Bruder Lorenz.
Benedicite! Was fuer eine fruehe Zunge gruesst mich so freundlich?--
Junger Sohn, es zeigt einen verstoerten Kopf an, dass du dein Bette
so frueh schon verlaessest. Sorgen wachen wohl in alter Leute Augen,
und wo Sorge wohnt, wird der Schlaf nie sein Nachtlager nehmen:
Aber wo kummerfreye Jugend mit unbeladnem Hirn ihre Glieder ruhen
laesst, da herrschst der goldne Schlaf. Dein fruehes Aufseyn ist mir
also ein Zeichen dass irgend eine aufruehrische Leidenschaft deine
innerliche Ruhe stoert--oder wenn dieses nicht ist, nun, so ist's
bald errathen, dass unser Romeo diese Nacht gar nicht zu Bette
gegangen ist.
Romeo.
Das leztere ist wahr, weil mir eine suessere Ruhe zu theil ward.
Bruder Lorenz.
Gott verzeihe dir deine Suende! warst du bey Rosalinen?
Romeo.
Bey Rosalinen, mein geistlicher Vater? Nein. Ich habe sie bis auf
ihren Namen vergessen.
Bruder Lorenz.
Das ist mein guter Sohn! Aber wo bist du denn gewesen?
Romeo.
Ich will es aufrichtig gestehen; ich befand mich vor einiger Zeit,
unerkannt, bey einem Gastmal meines Feindes; dort wurd' ich
unversehens, von einer Person verwundet, die ich zu gleicher Zeit
verwundet habe; du besizest die geheiligte Arzney, die uns allein
helfen kan; du siehest, heiliger Mann, dass ich keinen Hass in meinem
Herzen hege, da meine Bitte sich auf meinen Feind erstrekt.
Bruder Lorenz.
Rede gerad und ohne Umschweiffe mit mir, mein Sohn; eine
raethselhafte Beicht' erhaelt auch nur einen raethselhaften Ablass.
Romeo.
So wisse dann, dass ich des reichen Capulets schoene Tochter liebe;
ihr Herz haengt an meinem, wie das meinige an dem ihrigen: Alles ist
schon unter uns verglichen, und um gaenzlich vereinigt zu seyn,
fehlt uns nichts, als der Knoten, den du machen kanst. Wenn, wo,
und wie, wir einander zuerst gesehen, geliebt, und unsre Herzen
ausgetauscht haben, will ich dir hernach erzaehlen; alles warum ich
izt bitte, ist, dass du einwilligest uns heute noch zu vermaehlen.
Bruder Lorenz.
Heiliger Franciscus! Was fuer eine Veraenderung ist das! Ist Rosaline,
die du so zaertlich liebtest, so schnell vergessen? So sizt wohl
die Liebe junger Leute bloss in ihren Augen und nicht im Herzen!
Jesu, Maria! Was fuer Fluthen von Thraenen haben deine Wangen um
Rosalinen willen ueberschwemmt! Die Sonne hat deine Seufzer noch
nicht vom Himmel weggewischt, dein Gewinsel hallt noch in meinen
alten Ohren; sieh, hier sizt auf deiner Wange noch der Flek von
einer alten Thraene, die noch nicht weggewaschen ist. Wenn du damals
du selbst warst, so gehoerst du Rosalinen--und du bist ihr untreu
worden? So gestehe dann, dass es unbillig ist, auf den Leichtsinn
der Weiber zu schmaehlen, da in Maennern selbst keine Standhaftigkeit
ist.
Romeo.
Und doch beschaltest du mich so oft, dass ich Rosalinen liebe?
Bruder Lorenz.
Dass du in sie vernarrt warst, nicht dass du sie liebtest, mein Kind--
Romeo.
Und befahlst mir, meine Liebe zu begraben?
Bruder Lorenz.
Aber nicht eine neue aus ihrem Grab heraus zu holen.
Romeo.
Ich bitte dich, schohne meiner; Sie die ich liebe, erwiedert meine
Zuneigung durch die ihrige; das that die andre nicht.
Bruder Lorenz.
Ohne Zweifel sagte ihr Herz ihr vorher, wie unzuverlaessig das
deinige sey! Doch komm nur, junger Flattergeist, folge mir; dein
Wankelmuth kan vielleicht gute Folgen nach sich ziehen. Diese
Verbindung kan das gesegnete Mittel werden, den alten Hass eurer
Familien auszuloeschen--und in dieser einzigen Betrachtung will ich
dir behuelflich seyn.
Romeo.
O lass uns gehen, ich habe keine Zeit zu versaeumen--
Bruder Lorenz.
Bedaechtlich und langsam! Wer zu schnell lauft, stolpert leicht.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in die Strasse.)
(Benvolio und Mercutio treten auf.)
Mercutio.
Wo, zum T**, mag denn dieser Romeo seyn? Kam er verwichene Nacht
nicht nach Hause?
Benvolio.
Sein Bedienter sagt, nein.
Mercutio.
Wie, zum Henker, dieses bleichsuechtige, hartherzige Mensch, diese
Rosaline quaelt ihn, dass er endlich zum Narren d'rueber werden wird.
Benvolio.
Tybalt, des alten Capulets Neffe, hat einen Brief in seines Vaters
Haus geschikt.
Mercutio.
Eine Ausforderung, auf mein Leben!
Benvolio.
Romeo wird ihm antworten, wie sich's gebuehrt.
Mercutio.
Auf einen Brief kan endlich ein jeder antworten, der Schreiben
gelernt hat.
Benvolio.
Nein, ich meyne, Tybalt wird seinen Mann in Romeo finden.
Mercutio.
Wollte Gott! Aber ach, der arme Romeo! er ist schon tod; von einer
weissen Dirne schwarzem Aug zu tod gestochen! mit einem Liebes-
Liedchen durch und durch--die Ohren gestossen! Der kleine blinde
Bogenschueze hat ihm den Herz-Bendel abgeschossen; und er soll der
Mann seyn, sich mit einem Tybalt zu messen?
Benvolio.
Wie, was ist denn Tybalt--
Mercutio.
Mehr als der Fuerst der Kazen; das glaube mir--O, das ist der
herzhafte Obrist-Leutenant aller Complimente; er ficht dir so
leicht als du einen Gassen-Hauer singst, und bohrt dir nach der
Cadenz, troz dem besten Tanzmeister--mit eins, zwey, drey, sein
Federmesser in den Busen, dass es eine Lust zu sehen ist--ein wahrer
Moerder eines seidnen Knopfs, ein Duellist, ein Duellist! Ein Mann,
der immer zu foerderst an der Spize seines hohen Hauses steht, ein
Mann der sich nach den Noten schlaegt--ah, der unsterbliche
(Passado), der (Punto reverso), der--Hey! --
Benvolio.
Der--was?
Mercutio.
Der Henker hohle diese frazigten, lispelnden, affectierten Narren!
Diese suessen Buerschchen, die mit einem halbauslaendischen Accent
ausruffen: Jesu! die allerliebste Klinge!--Der allerliebste
Grenadier!--die allerliebste H**!--Wie, ist es nicht erbaermlich,
Grossvater, dass wir mit diesen Schmetterlingen, mit diesen Mode-
Frazen, diesen (pardonnes-moi's) heimgesucht seyn sollen, die so
steiff auf der neuen Mode halten, dass sie unmoeglich auf dem alten
Bank ruhig sizen koennen?--O! ihre (bons), ihre (bons!) (Romeo zu
den Vorigen.)
Benvolio.
Hier kommt Romeo, hier kommt er--
Mercutio.
Ohne seinen Rogen, wie ein gedoerrter Haering--O Fleisch, Fleisch,
wie bist du fischificiert!--Izt ist er in den Harmonien vertieft,
worinn Petrarch daherfliesst: Laura war gegen sein Fraeulein nur ein
Kuechen-Mensch--Zum Henker, sie hatte einen Liebhaber der sie besser
bereimen konnte--Dido war gegen sein Maedchen nur eine dike Saeug-
Amme, Helena und Hero Mezen und Landstreichers-Waare, Thisbe ein
kazen-augichtes Ding, oder so was--Aber nun zur Sache! Signor Romeo,
(bon jour); das ist ein franzoesischer guter Morgen fuer eure
franzoesischen Hosen--Ihr spieltet uns einen artigen Streich lezte
Nacht--
Romeo.
Guten Morgen--meine Freunde: Was fuer einen Streich spielt' ich euch
dann?
Mercutio.
Dass ihr so davon schluepftet, wie wir euch ruften.
Romeo.
Um Vergebung, mein lieber Mercutio, mein Geschaefte war wichtig, und
in einem solchen Fall wie der meinige, ist es einem ehrlichen Mann
erlaubt, eine kleine Ausnahme von den Regeln der Hoeflichkeit zu
machen--* (Die Amme, mit Peter, ihrem Diener, zu den Vorigen.)
{ed.-* Hier faengt sich bis zum Auftritt der Amme eine Art von wizigem
Duell mit Wortspielen, und abgeschmakt-sinnreichen Einfaellen
zwischen Romeo und Mercutio an, welcher leztere zuweilen auch noch
mit schmuzigen Scherzen um sich wirft, wenn er sich nicht anders
mehr zu helfen weiss--Man kennt schon diese Mode-Seuche von unsers
Autors Zeit, und erlaubt uns, eine Lueke zu machen, wo es in unsrer
Sprache unmoeglich ist so wizig zu seyn wie seine Spass-Macher.}
Amme.
Peter--
Peter.
He?
Amme.
Meinen Faecher, Peter--
Mercutio.
Thu es, guter Peter, damit sie ihr Gesicht verbergen kan; ihr
Faecher ist doch das schoenste von beyden.
Amme.
Guten Tag geb euch Gott, ihr Herren.
Mercutio.
Ein gutes Mittag-Essen geb euch Gott, schoenes Frauenzimmer.
Amme.
Ist es schon Mittag-Essens-Zeit?
Mercutio.
Es ist nicht weniger, sag ich euch; denn die--** ([Nachdem diese
drey jungen Herren eine Zeitlang ihren geistreichen Spass mit der
Amme gehabt haben, welche dem Romeo sagt, dass sie einen Auftrag an
ihn habe, so fuehren sich endlich die beyden andern ab, und Romeo
bleibt bey der Amme zuruek.])
{ed.-** Eine abermalige Lueke, die sich von einer Zote des sinnreichen
Mercutio anhebt, und im Original mit dem albersten Zeug von der
Welt ausgefuellt ist.}
Amme.
Ich bitte euch, Gnaediger Herr, wer war der grobe Geselle da, der so
voller Raupereyen stekte?
Romeo.
Ein junger Edelmann, Amme, der sich selber gerne reden hoert, und in
einer Minute mehr sagt, als er in einem Monat zu verantworten im
Sinn hat.
Amme.
Wenn er etwas wider mich sagte, so wollt' ich ihn auf den Boden
kriegen, und wenn er noch einmal so muthig waer' als er ist, und
zwanzig solche Hansen; und wenn ich nicht kan, so will ich die wol
finden, die es koennen--der Schurke, der! Ich bin keine von seinen
Fleder-Wischen; ich bin keine von seinen Unter-Pfuelben! Und du must
so da stehn, und zusehen, wie ein jeder Flegel seine Lust an mir
buesst?
Peter.
Ich sah niemand seine Lust an euch buessen; wenn ich so was gesehen
haette, ich wollte bald mit der Fuchtel heraus gewesen seyn, das
versichr' ich euch. Ich habe so viel Herz als ein andrer, wenn ich
Sicherheit in einem Handel sehe, und das Gesez auf meiner Seite ist.
Amme.
Nun, bey Gott, ich bin so uebel, dass alles an mir zittert--der
garstige Mensch! Ich bitte euch, Gnaediger Herr, ein einziges Wort;
und wie ich euch sagte, mein junges Fraeulein befahl mir euch
aufzusuchen; was sie mir sagte, dass ich sagen sollte, will ich bey
mir behalten; aber ich will nur so viel sagen, wenn ihr sie ins
Narren-Paradies fuehren wuerdet, wie man zu sagen pflegt, so waer' es
gewisslich eine grosse Suende, denn das Fraeulein ist jung, und wenn
ihr sie also nur betruegen wolltet, so waer' es in der That nicht
huebsch mit einem jungen Fraeulein umgegangen--
Romeo.
Empfiehl mich deiner Fraeulein; ich protestiere dir--
Amme.
Das gute Herz! Wohl, meiner Treue, das will ich ihr sagen: Herr,
Gott, sie wird sich vor Freude kaum zu lassen wissen--
Romeo.
Was willt du ihr denn sagen, Amme? Du hoerst mich ja nicht an.
Amme.
Ich will ihr sagen, Gnaediger Herr, dass ihr protestiert, welches,
wie ich's verstehe, ein recht honnettes Anerbieten von einem jungen
Cavalier ist--
Romeo.
Sag ihr, sie moechte ein Mittel ausfindig machen, diesen Nachmittag
zur Beichte zu gehen; so solle sie in Bruder Lorenzens Celle zu
gleicher Zeit absolviert und copuliert werden--Hier ist was fuer
deine Muehe.
Amme.
Nein, wahrhaftig, Gnaediger Herr, nicht einen Pfenning.
Romeo.
Geh, geh, mach keine Umstaende, du must--
Amme.
Diesen Nachmittag, Gnaediger Herr? Gut, wir wollen uns einfinden.
Romeo.
Noch eins, gute Amme; warte hinter der Kloster-Mauer, mein Diener
soll binnen dieser Stunde bey dir seyn, und dir eine Strik-Leiter
bringen, die mich diese Nacht auf den Gipfel meiner Gluekseligkeit
fuehren soll. Lebe wohl, sey getreu, und ich will deine Muehe
reichlich belohnen.
Amme.
Nun, Gott im Himmel segne dich! Hoert einmal, Gnaediger Herr--
Romeo.
Was willt du mir sagen, meine liebe Amme?
Amme.
Ist euer Bedienter auch verschwiegen? Hoertet ihr niemal sagen,
zween koennen ein Geheimniss am besten bey sich behalten, wenn man
einen davon thut?
Romeo.
Ich stehe dir davor, mein Kerl ist so zuverlaessig als Stahl und
Eisen.
Amme.
Gut, Gnaediger Herr, mein Fraeulein ist das holdseligste Fraeulein von
der Welt--Herr Gott! wie sie noch ein kleines plapperndes Ding war--
O,--es ist ein Edelmann in der Stadt, ein gewisser Paris, der
seinen Mann gar zu gern bey ihr anbringen moechte; aber sie, die
gute Seele, sie saeh eben so gern eine Kroete als sie ihn sieht: Ich
erzuerne sie manchmal und sag ihr, Paris sey der schoenere von beyden--
aber das versichr' ich euch, wenn ich so rede, so wird sie so
bleich wie ein weisses Tuch--Fangen nicht Rosmarin und Romeo beyde
mit einem Buchstaben an?
Romeo.
Ja, Amme, warum fragst du das? Beyde mit einem R.
Amme.
Ah, Spottvogel! Das ist ja ein Hunds-Name--Nein, nein, ich weiss, es
fangt mit einem andern Buchstaben an, und sie sagt die artigsten
Sentenzien darueber, ueber euch und den Rosmarin, dass es euch im
Herzen wohlthaete, wenn ihr's hoertet.
Romeo.
Meine Empfehlung an dein Fraeulein--
(Romeo geht ab.)
Amme.
O, tausendmal, Peter--
Peter.
He?
Amme.
Nimm meinen Faecher, und geh voran.
(Sie gehen ab.)
Fuenfte Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Juliette tritt auf.)
Juliette.
Die Gloke schlug neun, wie ich die Amme ausschikte: und sie
versprach in einer halben Stunde wieder zu kommen. Vielleicht kan
sie ihn nicht finden--Das kan es nicht seyn--Oh, sie ist lahm. Die
Boten der Liebe sollten Gedanken seyn, die zehnmal schneller
fortschluepfen als Sonnenstralen, wenn sie von daemmernden Huegeln die
Schatten der Nacht vertreiben. Desswegen ziehen leicht-gefluegelte
Dauben die Liebes-Goettin, und desswegen hat der Wind-schnelle Cupido
Schwingen. Die Sonne hat bereits den hoechsten Gipfel ihrer
taeglichen Reise erstiegen; von neun bis zwoelf sind drey lange
Stunden--und doch ist sie noch nicht da--O, haette sie warmes
jugendliches Blut und ein geruehrtes Herz, sie wuerde so schnell seyn
als ein Ball; meine Worte wuerden sie zu meinem Geliebten stossen,
und die seinigen zu mir--
(Die Amme und Peter treten auf.) O Gott, sie kommt--O Zuker-Amme,
was bringst du mir fuer eine Zeitung? Hast du ihn angetroffen?--
Schik deinen Diener weg.
Amme.
Peter warte vor der Tuer auf mich.
(Peter geht ab.)
Juliette.
Nun, gute liebe Amme--O Himmel, warum siehst du so finster? Wenn
deine Zeitung boese ist, so solltest du doch freundlich dazu
aussehen; und ist sie gut, so verderbst du ihre Musik, wenn du sie
mir mit einem sauern Gesicht vorspielst.
Amme.
Ich bin muede, lasst mich ein wenig ausruhen--Fy, meine Beine
schmerzen mich, was das fuer ein Gang war!
Juliette.
Ich wollte du haettest meine Beine, und ich deine Zeitung. Nein,
komm, ich bitte dich, rede--Gute, liebe Amme rede.
Amme.
Jesu! was fuer eine Ungeduld! Koennt ihr denn nicht ein wenig warten?
Seht ihr nicht, dass ich ganz ausser Athem bin.
Juliette.
Wie bist du ausser Athem, da du Athem genug hast mir zu sagen, dass
du ausser Athem bist? Die Entschuldigung die du fuer dein Zaudern
machst ist laenger als die Erzaehlung, auf die du mich warten laessst.
Ist deine Zeitung gut oder boese? Antworte mir nur das; Sag eines
von beyden, und ich will auf die Umstaende warten; lass mich nicht in
der Unruh, ist sie gut oder boese?
Amme.
Wohl, wohl, ihr habt eine feine Wahl getroffen; ihr wisst nicht wie
man sich einen Mann auslesen muss: Romeo nein, er nicht; und doch,
wenn sein Gesicht gleich nicht besser ist als andrer Leute ihres,
so hat er doch die schoensten Waden, die man sehen kan; und was eine
Hand, einen Fuss, und einen Leib anbetrift, wenn man schon nicht
davon redt, so sind sie doch unvergleichlich. Er ist kein
Complimenten-Narr nicht, aber ich bin gut davor, dass er so sanft
ist wie ein Lamm--Geh deines Wegs, Maedchen, und danke Gott--Wie,
habt ihr schon zu Mittag gegessen?
Juliette.
Nein, nein aber das alles wusst' ich schon vorher; was sagt er von
unsrer Verheurathung? was sagt er davon?
Amme.
Herr, wie mir der Kopf weh thut! was ich fuer einen Kopf habe! Es
schlaegt nicht anders drinn, als ob er in zwanzig Stueke fallen
sollte--Und mein Rueken--O mein Rueken, mein Rueken! Gott verzeih' es
euch, dass ihr mich ausgeschikt, mit auf- und ablauffen mein Leben
einzubuessen.
Juliette.
Bey meiner Treue, es ist mir leid, dass du so uebel bist. Liebe,
liebe, liebe Amme, ich bitte dich, was sagt mein Romeo?
Amme.
Euer Romeo redt wie ein rechtschaffner Edelmann, und ein artiger,
und ein freundlicher, und ein huebscher, und, ich bin gut dafuer,
auch ein tugendhafter--Wo ist eure Mutter?
Juliette.
Wo meine Mutter ist? Wie, sie ist in ihrem Zimmer; wo soll sie
sonst seyn? Wie wunderlich du fragst? Euer Liebhaber redt wie ein
rechtschaffner Edelmann--wo ist eure Mutter! --
Amme.
O heilige Mutter Gottes, wie hizig ihr seyd! Wahrhaftig, ihr macht
mir's, dass es nicht recht ist. Ist das der Lohn fuer meine Schmerzen
in den Beinen? Ein andermal ruestet eure Gesandschaften selbst aus--
Juliette.
Was du fuer einen Lerm machst? Komm, was sagt Romeo?
Amme.
Habt ihr Erlaubniss gekriegt, heut zur Beichte zu gehen?
Juliette.
Ja.
Amme.
So macht euch, sobald ihr koennt, nach Bruder Lorenzens Celle; dort
wartet ein Mann auf euch, der euch zu einem Weibe machen will--Nun
rennt das muthwillige Blut wieder in eure Wangen--Man kan euch kaum
was neues sagen, so sind sie lauter Scharlach. Geht ihr zur Kirche;
ich muss einen andern Weg, eine Leiter zu holen, auf der euer
Liebhaber zu einem Vogel-Nest hinaufklettern soll, so bald es
dunkel seyn wird. Ich bin den ganzen Tag mit euerm Vergnuegen
geplagt, aber heute Nacht werdet ihr die Last selber tragen. Geht,
ich will zum Mittag-Essen, macht ihr dass ihr in die Celle kommt.
Juliette.
Wie glueklich bin ich! Leb wohl indessen, gute Amme!
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in das Kloster.)
(Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)
Bruder Lorenz.
So laechle der Himmel auf diese heilige Handlung, dass keine
nachfolgende Unglueks-Stunden uns zur Reue zwingen moegen!
Romeo.
Amen, Amen! Doch komme was fuer ein Ungluek auch will, es kan die
Wonne nicht ueberwiegen, die mir eine einzige kurze Minute in ihrem
Anblik giebt: Vereinige du nur mit heiligen Worten unsre Haende, und
dann mag der Tod selbst sein aergstes thun; es ist genug, wenn ich
sie nur mein nennen kann.
Bruder Lorenz.
Diese heftigen Entzuekungen nehmen gemeiniglich ein ploezliches Ende,
und sterben in ihrem Triumph; wie Feuer und Pulver, die sich, indem
sie sich begegnen, verzehren. Des suessesten Honigs wird man um
seiner Suessigkeit willen zulezt ueberdruessig. Liebe also maessig,
damit du lange lieben koennest; zu schnell kommt eben so spaet an,
als zu langsam.
(Juliette zu den Vorigen.)
Hier kommt das Fraeulein. Wie munter, wie leicht auf den Fuessen sie
ist! Ein Verliebter koennte das leichte Pflaum-Federchen besteigen,
das in der ueppigen Sommer-Luft herumflattert, und wuerde doch nicht
fallen, so leicht ist Eitelkeit.
Juliette.
Guten Abend, mein geistlicher Vater.
Bruder Lorenz.
Romeo, meine Tochter, soll dir fuer uns beyde danken.
Juliette.
Ich wuensche ihm eben so viel, sonst waere sein Dank zu viel.
Romeo.
Ah! Juliette, wenn das Maass deiner Freude so aufgehaeuft ist als das
meinige, und du faehiger bist als ich, sie auszudrueken, o so
versuesse durch deinen Athem diese umgebende Luft, und lass die
zauberische Musik deiner Zunge die Gluekseligkeit entfalten, die wir
beyde von dieser frohen Zusammenkunft erhalten.
Juliette.
Mein Herz ist zu voll von seinem Gluek, als dass es sich in Worte
ergiessen koennte--Die sind nur arm, welche sagen koennen, wie reich
sie sind--Meine Zaertlichkeit ist zu einem solchen Uebermaass
gestiegen, dass ich nicht die Haelfte meines Reichthums anzugeben
vermag.
Bruder Lorenz.
Kommt, kommt mit mir, und wir wollen kurze Arbeit machen; denn, mit
eurer Erlaubniss, sollt ihr nicht allein beysammen bleiben, bis die
heilige Kirch aus beyden (Einen) Leib gemacht hat.
(Sie gehen ab.)
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
(Die Strasse.)
(Mercutio und Benvolio mit ihren Bedienten treten auf.)
Benvolio.
Ich bitte dich, lieber Mercutio, lass uns gehen, der Tag ist heiss,
und die Capulets schwaermen in den Strassen herum; wenn wir ihnen
begegnen, so wird es unfehlbar Haendel absezen; denn in diesen
heissen Tagen ist das tolle Blut aufruehrisch.
Mercutio.
Du kommst mir gerade so vor, wie einer von den tapfern Maennern, die,
wenn sie in ein Weinhaus kommen, gleich ihren Degen auf den Tisch
schmeissen und sagen: Gott gebe dass ich dich nicht noethig habe!
aber sobald ihnen die zweyte Flasche in den Kopf gestiegen ist, ihn
gegen den Keller-Jungen ziehen, welches sie in der That nicht
noethig hatten.
Benvolio.
Und einem solchen Burschen bin ich gleich?
Mercutio.
Komm, komm, wenn du aufgebracht bist, bist du ein so hiziger
Klingen-Fresser als irgend einer in Italien--und das schlimmste
dabey ist, dass du eben so schnell aufzubringen bist, als du hizig
bist, wenn man dich aufgebracht hat.
Benvolio.
Wie koemmt das?
Mercutio.
Wahrhaftig, wenn zween solche waeren wie du, wir wuerden gar bald gar
keinen haben, denn einer wuerde den andern in der ersten Stunde
aufreiben. Du? du faengst ja Haendel mit einem an, weil er ein Haar
mehr oder weniger in seinem Bart hat, als du; du wuerdest mit einem
anbinden, der Nuesse aufknakte, ohne eine andre Ursache angeben zu
koennen, als weil du nussbraune Augen hast. Dein Kopf ist so voller
Haendel, als ein Ey voll von Dotter und Eyer-Klar--und doch ist dir
dieser nemliche Kopf, um deiner Schlaegereyen willen, schon so weich
geschlagen worden, als ein gesottnes Ey. Du hast dich mit einem
geschlagen, der auf der Strasse hustete, weil er deinen Hund damit
aufgewekt habe, der in der Sonne schlafend lag. Fiengst du nicht
mit einem Schneider Haendel an, weil er sein neues Wams vor Ostern
trug? und mit einem andern, weil er seine neue Schuhe mit einem
alten Nestel zugeknoepft hatte? Und du willt hier den Hofmeister mit
mir machen, und mich vor Haendeln warnen!
Benvolio.
Wenn ich so haendelsuechtig waere wie du, es wuerde mir niemand zwo
Stunden um mein Leben geben--
(Tybalt, Petrucchio und andre von den Capulets treten auf.) Bey
meinem Kopf, hier kommen die Capulets--
Mercutio.
Bey meiner Ferse, ich frage nichts darnach.
Tybalt.
Haltet euch dicht an mir, ich will mit ihnen reden--Guten Tag,
meine Herren, ein Wort mit einem von euch.
Mercutio.
Warum nur Ein Wort? Kuppelt es mit einem leibhaftern Ding zusammen,
macht dass ein Wort und eine Ohrfeige draus wird.
Tybalt.
Ihr sollt mich willig genug dazu finden, Herr, wenn ihr mir
Gelegenheit dazu geben wollt.
Mercutio.
Koennt ihr denn keine Gelegenheit nehmen, ohne dass man sie euch
geben muss?
Tybalt.
Mercutio, du ziehst immer mit Romeo herum--
Mercutio.
Herumziehen! wie, machst du Bier-Fidler aus uns? Wenn du Bier-
Fidler aus uns machst, so erwarte nichts bessers als Misstoene zu
hoeren--Hier ist mein Fiddel-Bogen--Hier ist was, das euch tanzen
machen soll!--Hoell-Teufel! Herumziehen!
(Er legt die Hand an seinen Degen.)
Benvolio.
Wir sind hier mitten unter den Leuten. Entweder zieht euch an einen
abgelegnen Ort zuruek, oder macht euren Zwist mit kaltem Blut aus;
hier gaffen uns alle Augen an.
Mercutio.
Die Leute haben ihre Augen drum, damit sie sehen sollen; lass sie
gaffen; ich will niemand zum Gefallen von der Stelle gehen, ich.
(Romeo zu den Vorigen.)
Tybalt.
Gut! Ihr koennt Friede haben, Herr! Hier kommt mein Mann.
Mercutio.
Aber ich will gehangen seyn, Herr, wenn er euere Liverey traegt;
geht nur zuerst zu Felde, er wird euch auf dem Fusse folgen; in
diesem Sinn kan Eu. Gnaden ihn wol einen Mann heissen.
Tybalt.
Romeo, die Liebe die ich zu dir trage, giebt mit keinen bessern
Gruss fuer dich als diesen, du bist ein nichtswuerdiger Kerl--
Romeo.
Tybalt, die Ursache die ich habe dein Freund zu seyn, ist gross
genug, mich gegen die beleidigende Wuth eines solchen Grusses
unempfindlich zu machen--Ich bin nicht was du sagst--Also, lebe
wohl; ich sehe, du kennst mich nicht.
Tybalt.
Junge, damit sollst du nicht fuer die Beleidigungen davon kommen,
die ich von dir empfangen habe; kehr um, und zieh.
Romeo.
Ich schwoere dir, dass ich dich nie beleidigt habe; ich liebe dich
mehr als du dir einbilden kanst; und bis du die Ursach erfahren
wirst, warum ich dich liebe, guter Capulet,
(leiser)
--dessen Name mir so theuer ist als mein eigner--gieb dich
zufrieden.
Mercutio.
Wie? So gelassen? O schimpfliche, niedertraechtige Gelassenheit!--
Tybalt, du Razenfaenger, willt du mit mir kommen?
Tybalt.
Was willst du von mir?
Mercutio.
Guter Kazen-Koenig, nichts als eines von deinen neun Leben, um ein
bisschen lustig damit zu machen, und je nach dem ihr euch kuenftig
auffuehren werdet, euch auch die uebrigen auszuklopfen. Wollt ihr
euern Degen ziehen? Macht hurtig--
Tybalt.
Ich bin zu euern Diensten.
(Er zieht.)
Romeo.
Liebster Mercutio, stek dein Rapier ein.
Mercutio.
Wolan, Herr, einen kleinen Gang.
(Mercutio und Tybalt fechten.)
Romeo.
Zieh, Benvolio--hilf mir ihnen die Degen aus den Haenden schlagen--
Meine Herren--Um's Himmels willen, haltet ein--Tybalt--Mercutio--
Ihr wisst das ausdruekliche Verbot des Fuersten--Halt, Tybalt--armer
Mercutio--
(Tybalt geht ab.)
Mercutio.
Ich bin verwundet--Verderben ueber eure beyde Haeuser! Ich habe
meinen Theil. Ist er weg, und hat nichts?
Benvolio.
Wie, bist du verwundet?
Mercutio.
Ja, ja, eine Rize, eine Nadelrize--Zum Henker, es ist genug, wo ist
mein Diener? Geh, Schurke, hol einen Wund-Arzt.
Romeo.
Gutes Muths, Mann, die Wunde wird nicht viel zu bedeuten haben.
Mercutio.
Nein, sie ist nicht so tief als ein Zieh-Brunnen, noch so weit als
eine Kirchen-Thuer, aber sie ist eben recht, so viel ich brauche;
fragt morgen wieder nach mir. Ich bin gepfeffert fuer diese Welt,
das glaubt mir; der Henker hole eure beyden Haeuser! Wie? ein Hund,
eine Raze, eine Maus, eine Kaze soll einen Mann zu tod krazen? Eine
feige Hure, ein Schurke, ein Lumpen-Kerl, der nach dem Rechenbuch
ficht? Warum zum Teufel kam't ihr zwischen uns? Ich wurde unter
euerm Arm gestossen--
Romeo.
Ich that es aus der besten Absicht.
Mercutio.
Hilf mir in irgend ein Haus, Benvolio, oder ich werde umsinken--Die
Pest ueber eure Haeuser! Sie haben eine Wurms-Mahlzeit aus mir
gemacht; ich hab' es, und bald genug--Den Teufel ueber eure Haeuser!--
(Mercutio und Benvolio gehen ab.)
Zweyte Scene.
Romeo.
Dieser Edelmann, ein naher Verwandter des Prinzen, mein bester
Freund, muss um meinetwillen sein Leben lassen--meine Ehre ist durch
Tybalts Laesterungen beflekt, Tybalts, der kaum seit einer Stunde
mein Vetter ist: O suesse Juliette, deine Schoenheit hat mich
weibisch gemacht--Wuerd' ein Mann soviel leiden und gelassen
bleiben? (Benvolio tritt auf.)
Benvolio.
O Romeo, Romeo, der brave Mercutio ist todt--
Romeo.
Dieser ungluekselige Tag, es ahnet mir, wird mehr andre nach sich
ziehen--
(Tybalt zu den Vorigen.)
Benvolio.
Hier kommt der rasende Tybalt wieder zuruek.
Romeo.
Lebend, im Triumph? und Mercutio ist erschlagen? Hinweg gen Himmel,
zuruekhaltende Sanftmuth, und du, feuer-augichte Wuth, sey nun meine
Fuehrerin! Nun, Tybalt nimm den nichtswuerdigen Kerl zuruek, den du
vorhin mir gabst--Mercutio's Seele schwebt nicht weit ueber unsern
Haeuptern und wartet auf die deinige--Du oder ich, einer von uns muss
ihm Gesellschaft leisten.
Tybalt.
Du, armseliger Junge, der hier mit ihm zu lauffen gewohnt war, du
sollst mit ihm.
(Sie fechten; Tybalt faellt.)
Benvolio.
Romeo, hinweg, fliehe--die Buerger lauffen zusammen, und Tybalt ist
erschlagen--Steh nicht so sinnlos da--der Prinz wird dein Todes-
Urtheil sprechen, wenn du ergriffen wirst--Hinweg, fliehe, fort!
Romeo.
O! Ich ungluekseliger Ball des Glueks--
Benvolio.
Wie, du zoegerst noch?
(Romeo entweicht.)
Dritte Scene.
(Einige Buerger treten auf.)
Buerger.
Welchen Weg floh Tybalt, der den Mercutio ermordet hat? Wo floh er
hin?
Benvolio.
Hier ligt Tybalt.
Buerger.
Auf, Herr, geht mit mir--ich befehle dir's in des Fuersten Namen,
gehorche. (Der Prinz, Montague, Capulet, ihre Weiber, u. s. w.
treten auf.)
Prinz.
Wo sind die schaendlichen Urheber dieser Unruh?
Benvolio.
Gnaedigster Herr, ich kan den ganzen unglueklichen Hergang dieses
fatalen Zwists erzaehlen; hier ligt, vom jungen Romeo erschlagen,
der Mann der den tapfern Mercutio, euern Vetter erschlug.
Lady Capulet.
Tybalt, mein Neffe! O meines Bruders Kind! Ungluekseliger Anblik! O
weh mir, das Blut meines liebsten Neffen ist vergossen--Prinz, so
wahr du diesen Namen verdienst, so lass unser Blut durch das Blut
des moerdrischen Montague gerochen werden.
Prinz.
Benvolio, wer war der Anfaenger des Handels?
Benvolio.
Tybalt, der hier von Romeo's Hand erschlagen ligt, von Romeo, der
ihm freundlich zuredete, ihn bat die Gefaehrlichkeit der Haendel, die
er anfieng, zu bedenken, und dass er sich die schaerfste Ahndung von
Eurer Durchlaucht zuziehen werde; aber alles was er mit sanfter
Stimme, ruhigen Bliken, und demuethig gebognen Knien sagte, war
nicht vermoegend die wuethende Galle des tauben Tybalts zu
besaenftigen--noch ihn abzuhalten, den scharfen Stahl nach des
kuehnen Mercutio Brust zu zueken, der gleich hizig ihm Stoss um Stoss
wiedergab, und mit furchtlosem Kaltsinn, mit der einen Hand den
kalten Tod auf die Seite schlug, mit der andern ihn zu Tybalt zuruek
sandte, von dessen geschikter Faust er gleich wieder auf seinen
Gegner zuruekprallte.--Romeo ruft was er kan: haltet ein! Freunde!
Freunde, haltet ein! und schneller als seine Zunge schlaegt sein
behender Arm beyder toedtliche Klingen nieder, und stuerzt sich
zwischen sie: Aber in eben diesem Augenblik durchbort, unter seinem
Arm, ein unglueklicher Stoss von Tybalt des unbaendigen Mercutio's
Herz; Tybalt entflieht, aber bald kommt er wieder zu Romeo zuruek,
den eines Freundes Tod zur Rache anspornt, und wie der Bliz sind
sie an einander: Denn eh ich sie von einander reissen konnte, war
Tybalt erschlagen, und so wie er fiel, begab sich Romeo auf die
Flucht. Diss ist die Wahrheit, oder lasst Benvolio sterben.
Lady Capulet.
Er ist ein Verwandter von den Montaguen, die Freundschaft macht ihn
verdaechtig, er sagt nicht die Wahrheit. Es waren ihrer wenigstens
zwanzig gegen den einzigen Tybalt, weniger als diese zwanzig haetten
nichts ueber ihn vermocht. Ich verlange Justiz, Prinz, und es ist
nicht in deiner Gewalt sie abzuschlagen. Romeo toedtete Tybalt,
Romeo soll nicht leben!
Prinz.
Romeo erschlug ihn, und er erschlug den Mercutio--von wem soll dann
ich das werthe Blut meines Anverwandten fordern?
Lady Montague.
Nicht von Romeo, Prinz, er war Mercutio's Freund: Sein ganzer
Fehler war, dass er dem Moerder Tybalt das Leben nahm, welches ihm
das Gesez ohnehin genommen haette.
Prinz.
Und dieses Verbrechens wegen verbannen wir ihn von Stund an aus
Verona--Euere Feindschaft, euer ungezaehmter Groll kostet mich mein
eignes Blut, es ist hohe Zeit um meiner eignen Sicherheit willen
ihm Einhalt zu thun. Ich will es, ich will durch den Zwang der
Straffen erhalten, was Drohung nicht vermocht hat. Keine
Entschuldigungen! Keine Vorbitten! weder Thraenen noch Fussfaelle
sollen die ermuedete Gerechtigkeit versoehnen--Lasst Romeo
unverzueglich fliehen, oder die Stunde, worinn er ergriffen wird,
ist seine lezte--Traget diesen Leichnam von hinnen, und erwartet
meinen fernern Willen--Gnade wird selbst zur Moerderin, wenn sie
Moerdern vergiebt.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in ein Zimmer in Capulets Haus.)
(Juliette tritt allein auf.)
Juliette.
Eilet, eilet davon, ihr feurigen Rosse der Sonne, euerm Nachtlager
zu--ein solcher Fuehrer, wie Phaeton war, wuerde euch bald nach
Westen gepeitscht, und in einem Augenblik den Tag in duestre Nacht
verwandelt haben--Spreite deinen dichten Vorhang aus,
Liebebefoerdernde Nacht! dass die Augen des mueden Phoebus niken, und
unbesprochen und ungesehn Romeo in diese Arme fliege. Liebende
sehen genug zu ihren zaertlichen Geheimnissen beym Glanz ihrer
eignen Schoenheiten: Oder wenn die Liebe blind ist, so taugt sie am
besten zur Nacht. Komm, stille Nacht, gleich einer sittsamen
Matrone ganz in Schwarz gekleidet; komm und lehre mich ein
gewinnreiches Spiel verliehren, das um ein paar unbeflekte
Jungferschaften gespielt wird--Verhuelle das unbemannte Blut, das
meine Wangen erhizt, in deinen schwarzen Schleyer, bis die
ungewohnte Liebe kuehner wird, und in ihren bruenstigsten Ausbruechen
nichts als Unschuld findt. Komm, Nacht, komm, Romeo, komm du Tag in
der Nacht, denn du wirst auf den Fluegeln der Nacht weisser als
Schnee auf eines Raben Rueken ligen; komm, holde Nacht, komm,
liebende, schwarz-augichte Nacht! Gieb mir meinen Romeo, und wenn
er einst sterben muss, so nimm ihn und schneid ihn in kleine Sterne
aus, und er wird dem Antliz des Himmels eine so reizende Anmuth
geben, dass die ganze Welt in die Nacht verliebt werden, und den
Flitter-Glanz der Sonne nichts mehr achten wird--O wie lang, wie
verdriesslich lang ist dieser Tag, so lang, wie die Nacht vor einem
Festtag einem ungeduldigen Kinde, das neue Kleider bekommen hat,
und sie noch nicht tragen darf. O, hier kommt meine Amme--
(Die Amme mit einer Strik-Leiter.) und bringt mir Nachrichten--
jede Zunge, die meines Romeo Namen ausspricht, ist die Zunge eines
Engels fuer mich--Nun Amme, was giebt's neues? Was hast du hier? Die
Strik-Leiter die Romeo dich holen hiess?
Amme.
Ja, ja, die Strik-Leiter--
Juliette.
Weh mir! was ist begegnet? warum ringst du die Haende?
Amme.
Ach! dass's Gott erbarm'! er ist todt, er ist todt, er ist todt! wir
sind verlohren, Fraeulein, wir sind verlohren!--Ach, dass's Gott
erbarm! er ist hin, er ist umgebracht, er ist todt!
Juliette.
Kan der Himmel so missguenstig seyn?
Amme.
Was der Himmel nicht kan, kan Romeo--O Romeo! Romeo! Wer haette sich
das einbilden koennen, Romeo?
Juliette.
Was fuer ein Teufel bist du, der mich so martert? Diese Folter
sollte im Abgrund der Hoelle geheult werden! Hat Romeo sich selbst
ermordet? Sag nur ja, und diese einzige Sylbe wird mich schneller
vergiften als das todtschiessende Auge des Basilisken.
Amme.
Ich sah die Wunde, ich sah sie mit meinen Augen, Gott behuete mich!
Hier--auf seiner maennlichen Brust. Eine erbaermliche Leiche, eine
blutige erbaermliche Leiche, bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut
beschmiert, lauter geronnen Blut--es wurde mir ohnmaechtig wie ich
es sah.
Juliette.
O brich mein Herz--schliesst euch zu, meine Augen; oeffnet euch nicht
mehr--stirb, arme Ungluekliche, dass dich und Romeo Eine Baare drueke!
Amme.
O Tybalt, Tybalt, der beste Freund den ich hatte: O freundlicher,
wakrer, edler Tybalt, dass ich leben musste, dich todt zu sehen!
Juliette.
Was fuer ein Sturm ist das, der von so entgegenstehenden Seiten
blaest. Ist Romeo erschlagen, und ist Tybalt todt? Mein
vielgeliebter Vetter, und mein geliebterer Gemahl? Wenn das ist, so
mag die Posaune zum allgemeinen Gerichts-Tag blasen--Denn wer lebt
noch, wenn diese zween nicht mehr sind?
Amme.
Tybalt ist todt, und Romeo verbannt; Romeo, der ihn erschlug, ist
verbannt.
Juliette.
O Gott! Romeo's Hand vergoss Tybalts Blut?
Amme.
Das that sie, das that sie, leider Gott erbarm's, das that sie.
Juliette.
O Schlangen-Herz, unter einem bluehenden Gesicht verborgen! wohnte
jemals ein Drache in einer so schoenen Hoehle? Liebreizender Unmensch,
Englischer Teufel!--O Natur, was hast du in der Hoelle zu thun,
wenn du den Geist eines solchen Teufels in ein irdisches Paradies
herbergest? War jemals ein Buch von so schaendlichem Inhalt so schoen
eingebunden? O, dass in einem so praechtigen Palast gleissnerisches
Laster wohnen soll!
Amme.
Es ist weder Treu, noch Glauben, noch Ehrlichkeit in diesen
Mannsleuten; sie sind alle meineydig, alle Verraether, lauter Nichts,
alle Heuchler--Ah! wo ist mein Diener? Gieb mir ein wenig Aquavit--
Dieser Jammer, diese Noth, diese Sorgen machen eins vor der Zeit
grau--Schaam ueber diesen Romeo!
Juliette.
Verflucht sey deine Zunge durch einen solchen Wunsch! Er ward nicht
zur Schaam gebohren, sie untersteht sich nicht auf seine Stirne zu
sizen: Sie ist ein Thron, wo die Ehre zum allgemeinen Monarchen der
ganzen Welt gekroent werden sollte! O was fuer eine Ungluekliche war
ich, so wider ihn auszubrechen!
Amme.
Wolltet ihr gut von dem Moerder euers Verwandten reden?
Juliette.
Soll ich uebel von meinem Ehemann reden? Ach, armer Gemahl, was fuer
eine Zunge soll deinem Namen liebkosen, da ich, dein dreystuendiges
Weib, ihn misshandelt habe?--Aber warum, Unglueklicher, toedtetest du
meinen Vetter? Dieser Vetter, der Ungluekselige! wuerde sonst meinen
Gemahl getoedtet haben. Zuruek, thoerichte Thraenen, zuruek in eure
Quelle; ihr seyd ein Zoll der dem Kummer gebuehrt, und ihr bietet
ihn aus Irrthum der Freude dar? Mein Gemahl lebt, den Tybalt
ermorden wollte, und Tybalt ist todt, der meinen Gemahl gern
getoedtet haette; alles dieses ist Trost; warum wein' ich dann? Ach!
es war noch ein Wort, schlimmer als Tybalts Tod, das mich ermordet
hat; ich streb' umsonst es zu vergessen, ach! es dringt sich meinem
Gedaechtniss auf, wie das Bewusstseyn boeser Thaten dem Gemuethe des
Suenders; Tybalt ist todt und Romeo verbannt; dieses (verbannt),
dieses einzige Wort verbannt, hat zehntausend Tybalts ermordet;
Tybalts Tod war fuer sich allein Unglueks genug--Oder wenn das Ungluek
ja Gesellschaft haben will, warum folgte, wie sie sagte--Tybalt ist
todt--warum folgte nicht, dein Vater, oder deine Mutter, oder gar
beyde? Aber mit diesem graesslichen Nachklang: auf, Tybalt ist todt--
Romeo ist verbannt--Durch dieses einzige Wort ist Vater, Mutter,
Tybalt, Romeo, Juliet, alles erschlagen, alles todt!--Romeo
verbannt! Es ist weder Ziel, noch Maass, noch Ende in dem Tod dieses
Worts--es sind keine Worte die den Jammer ausdrueken, den es in sich
haelt. Wo ist mein Vater und meine Mutter, Amme?
Amme.
Weinend und jammernd ueber Tybalts Leiche. Wollt ihr zu ihnen? Ich
will euch hinfuehren.
Juliette.
Waschen sie seine Wunden mit Thraenen? Meine sollen, wenn die
ihrigen vertroknet sind, ueber Romeo's Verbannung fliessen. Nimm
diese Strike zu dir--arme Strike, ihr seyd verrathen, ihr und ich;
Romeo ist verbannt! Er wollte sich auf euch einen Weg zu meinem
Bette machen; aber nun werd' ich als eine verwittwete Jungfrau
sterben. Komm, Strik-Leiter; komm, Amme; ich will in mein Braut-
Bette, um dem Tod, nicht meinem Romeo in die Arme zu sinken.*
{ed.-* Im Original sagt Juliette: (And Death, not Romeo, take my
Maidenhead!)--Shakespear musste einen Reim auf den vorhergehenden
Vers haben, und es ist kein Unsinn, keine Unanstaendigkeit, die er
sich nicht erlauben sollte, um sich nicht lang auf einen Reim
besinnen zu duerfen.}
Amme.
Geht in euer Zimmer; ich will den Romeo aufsuchen, der euch troesten
soll. Ich weiss wol wo er ist; ich will zu ihm, er ist in Bruder
Lorenzens Celle.
Juliette.
O such ihn, find ihn, gieb ihm diesen Ring, und bitt' ihn dass er
komme, sein leztes Lebewohl zu nehmen.
(Sie gehen ab.)
Fuenfte Scene.
(Verwandelt sich in das Kloster.)
(Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)
Bruder Lorenz.
Romeo, komm hervor, hervor du furchtsamer Mann; der Kummer ist in
deine Schoenheit verliebt, und du bist mit der Wiederwaertigkeit
verheurathet.
Romeo.
Was bringt ihr mir neues, mein Vater? Was ist des Prinzen Urtheil?
Was fuer ein noch unbekanntes Elend will Bekanntschaft mit mir
machen?
Lorenz.
Nur allzuvertraut ist mein theurer Sohn mit so beschwerlicher
Gesellschaft. Ich bringe dir Nachricht von des Prinzen Urtheil.
Romeo.
Was weniger kan mein Urtheil seyn als der Tod?
Lorenz.
Ein milderer Spruch ergieng von seinen Lippen--Nicht dein Tod, nur
deine Verbannung.
Romeo.
Ha! Verbannung! Sey mitleidiger, sage, Tod; denn Verbannung hat
weit mehr schrekliches in ihren Bliken als der Tod selbst. Sage
nicht, Verbannung.
Lorenz.
Hier aus Verona bist du verbannt; sey geduldig, die Welt ist weit
und breit.
Romeo.
Ausser Verona's Mauern ist keine Welt, sondern nichts als Fegfeuer,
Abgrund und Hoelle. Von hier verbannt ist aus der ganzen Welt
verbannt, und aus der Welt verbannt seyn, ist Tod. Dieses
(verbannt) ist nur ein unrecht benannter Tod; wenn du den Tod
Verbannung nennst, so ist das nichts bessers als ob du mir den Kopf
mit einem goldnen Beil abhautest und zu dem Streich laecheltest,
womit du mir das Leben nimmst.
Lorenz.
O Todsuende! O rohe Undankbarkeit! Auf dein Vergehen sezt unser
Gesez den Tod; der guetige Fuerst tritt dazwischen, stoesst das Gesez
auf die Seite, und verwandelt das schwarze Wort Tod in Verbannung;
welch eine Gnade, und du siehst sie nicht?
Romeo.
Marter ist's, nicht Gnade! Der Himmel ist da, wo Juliette lebt;
jede Kaze, jeder Hund, jede kleine Maus, jedes unwuerdige Ding lebt
hier im Himmel, und kan sie ansehen, nur Romeo nicht. Armselige
Schmeis-Fliegen haben mehr Recht, sind achtbarer, edler, glueklicher
als Romeo; sie koennen sich auf die weisse Hand meiner theuren
Juliette sezen, und unsterbliche Wonne von ihren Lippen stehlen--
Fliegen koennen das thun, indess dass ich von ihr fliehen muss; und
sagst du noch, dass Verbannung nicht Tod ist?--Sie koennen's, nur
Romeo kan nicht, denn er ist verbannt--Hast du keinen Gift-Trank,
keinen Dolch, kein ploezliches Todes-Werkzeug, (so elend es seyn mag,
kan es doch nicht so elend seyn als verbannt) mir das Leben zu
nemmen? Ha! Verbannt! O Vater, die Verdammten in der Hoelle brauchen
dieses Wort, und Heulen folgt darauf--Wie kanst du so unbarmherzig
seyn, du ein Mann Gottes, ein geistlicher Vater, ein Beichtiger,
und mein erklaerter Freund, mich mit diesem verfluchten Wort, zu
zerschmettern?
Lorenz.
Wahnwiziger, liebeskranker Thor, hoere mich reden--
Romeo.
O du willst wieder von Verbannung anfangen--
Lorenz.
Ich will dir Waffen geben, wodurch du dieses Wort von dir abhalten
kanst; die suesse Milch der Wiederwaertigkeit--Philosophie, die dich
beruhigen wird, ob du gleich verbannt bist.
Romeo.
Immer noch verbannt? An den Galgen mit Philosophie; wenn
Philosophie nicht eine Juliette machen, eine Stadt versezen, die
Urthel eines Prinzen aufheben kan, so hilft sie nicht, so nuezt sie
nichts, sagt mir nichts mehr davon--
Lorenz.
Nun dann, tolle Leute haben keine Ohren, wie ich sehe.
Romeo.
Wie sollten sie, wenn kluge Leute keine Augen haben?
Lorenz.
Komm, lass uns vernuenftig von deinen Umstaenden reden--
Romeo.
Du kanst von dem nicht reden was du nicht fuehlst; waerest du so jung
wie ich, und waere Juliette deine Liebste, waerst du vor einer Stunde
mit ihr verheurathet, und haettest in dieser Stunde Tybalten
umgebracht, und liebtest bis zum Wahnwiz wie ich, und waerest wie
ich verbannt--dann moechtest du reden, dann moechtest du dir die
Haare ausrauffen, und dich auf den Boden werfen, wie ich izt thue,
und das Maas zu deinem Grabe nemmen.
(Er wirft sich auf den Boden.)
Lorenz.
Steh auf--es klopft jemand:
(Man hoert klopfen.)
Guter Romeo, verbirg dich.
Romeo.
Nein wahrhaftig, wenn nicht der Dampf Herzzersprengender Seufzer,
mich wie ein Nebel vor den Augen der Leute verbirgt.
Lorenz.
Horche! was das fuer ein Klopfen ist! wer ist da?--
(leise.)
Romeo steh auf, du wirst ergriffen werden--
(laut.)
--Nur einen Augenblik Geduld!--
(leise.)
Steh auf,
(Man klopft immer lauter.)
lauf in meine Celle--
(laut.)
Gleich, gleich--Um Gottes willen, was fuer eine Halsstarrigkeit ist
das!--
(Man klopft.)
Ich komme, ich komme. Wer klopft so stark? Wer seyd ihr? Was wollt
ihr?
Amme (hinter der Scene.)
Lasst mich nur ein, so sollt ihr gleich erfahren, worinn mein
Auftrag besteht--Ich komme von Fraeulein Juliette--
Lorenz.
So seyd willkommen--
(Er macht auf.)
(Die Amme tritt auf.)
Amme.
O ehrwuerdiger Herr, o sagt mir, ehrwuerdiger Herr, wo ist meiner
Fraeulein ihr Herr? Wo ist Romeo?
Bruder Lorenz.
Hier, auf dem Boden, den seine Thraenen ueberschwemmen.
Amme.
O, so macht er's gerade wie mein Gnaediges Fraeulein, sie macht's
gerade auch so; o trauervolle Sympathie! Gerade so ligt sie,
schluchzend und weinend, und weinend und schluchzend--Die Baken
sind ihr ganz davon aufgeschwollen--Steht auf, steht auf--Steht,
wenn ihr ein Mann seyd--Um Juliettens willen, um ihrentwillen, auf
vom Boden und steht! warum sollt ihr in ein so tiefes O!--fallen? --
Romeo.
Amme!--
Amme.
Ach, Gnaediger Herr, Gnaediger Herr!--Mit dem Tod hoert alles auf.
Romeo.
Redst du von Julietten? Wie steht es um sie? Glaubt sie nicht, ich
sey ein verhaertetet Ruchloser, ein Moerder vom Handwerk, da ich die
Kindheit unsrer Freude mit ihr so nahverwandtem Blut beflekt habe?
Wo ist sie? Was macht sie? Was sagt meine neuangetraute Gemahlin zu
den unverhoften Hinternissen unsrer Liebe?
Amme.
O, sie sagt nichts, Gnaediger Herr; sie thut nichts als weinen und
weinen, und sinkt dann auf ihr Bett hin, und faehrt dann wieder auf,
ruft Tybalt, und dann Romeo,--und sinkt dann wieder von neuem hin--
Romeo.
--Als ob dieser Name wie aus dem toedtlichen Canal einer Flinte
geschossen, sie ermorde, wie dieses Namens verfluchte Hand ihren
Verwandten ermordet hat--Sag mir, Vater, sag mir, in was fuer einem
verworfnen Theil dieses Koerpers mein Name wohnt? Sag mir's, damit
ich die verhasste Wohnung zerstoeren kan.
(Er zuekt seinen Degen.)
Bruder Lorenz.
Halt deine verzweifelnde Hand. Deine Thraenen sind unmaennlich und
deine wilden Bewegungen die Ausbrueche der vernunftlosen Wuth eines
wilden Thiers--Unweibliches Weibsbild in Gestalt eines Manns,
wildes Thier in der schoenen Gestalt eines vernuenftigen Geschoepfs--
Du sezst mich in Erstaunen. Bey meinem heiligen Orden! Ich traute
dir mehr Muth, mehr geseztes Wesen zu. Du hast Tybalten erschlagen--
Willt du nun auch dich, auch deine Geliebte, die in dir lebt,
ermorden? Verachtest du so, was deine Geburt, was Himmel und Erde
fuer dich gethan haben; alle drey vereinigten sich, dich gross und
glueklich zu machen, und du willt alles durch einen Streich
verliehren? Fy, fy, du entehrst deine Gestalt, deine Liebe, deine
Vernunft, da du, wie ein Wucherer, an allen dreyen so reich bist,
und keines zu dem edeln Gebrauch anwendest wozu du es empfiengest.
Deine schoene Gestalt ist ohne den tapfern Muth eines Mannes, nur
ein waechsernes Bild--Deine heilig beschwohrne Liebe nur treuloser
Meineyd, da du eben diese Liebe toedten willst, die du zu ernaehren
angelobet hast. Deine Vernunft, welche beyde regieren und
verschoenern sollte, wird wie Pulver in eines unachtsamen Soldaten
Beutel, durch deine eigne Unbesonnenheit in Feuer gesezt, und du
durch dasjenige aufgerieben, was dich beschuezen sollte. Wie, stehe
auf, Mann, deine Julia lebt noch, um derentwillen du todt warest:
Hierinn bist du glueklich. Tybalt wollte dir das Leben nehmen, aber
du nahmst es ihm; hierinn bist du auch glueklich. Das Gesez, das dir
den Tod draeute, wurde dein Freund, und verwandelte ihn in
Verweisung; auch darinn bist du glueklich. Wie viel Gluekseligkeiten--
und du erkennst sie nicht? Die Gluekseligkeit kleidet dich in ihren
schoensten Puz, und wie ein unartiges verdriessliches Maedchen,
schielst du dein Gluek und deine Liebe mit unzufriednen Bliken an.
Nimm dich in acht, nimm dich in acht, solche Leute nehmen meistens
ein elendes Ende. Geh, geh zu deiner Geliebten wie es abgeredet war,
steig in ihr Zimmer, weg, und troeste sie; aber siehe zu, dass du
dich nicht so lange verweilest, bis die Wache aufzieht; sonst
koenntest du nicht nach Mantua entrinnen, wo du dich so lange
aufhalten sollst, bis wir die gelegne Zeit ersehen, eure Heyrath
bekannt zu machen, euch mit euern Freunden auszusoehnen, des Prinzen
Verzeihung zu erlangen, und dich mit zwanzigtausendmal mehr Freude
zuruek zu beruffen, als izt der Schmerz ist mit dem du fortgehst.
Geh voran, Amme; gruesse mir dein Fraeulein, und bitte sie, sie soll
machen, dass das ganze Haus fein bald zu Bette komme, wozu die
allgemeine Betruebniss sie ohnehin geneigt machen wird. Romeo wird
bald nachfolgen.
Amme.
O Herre, ich haette die ganze Nacht hier stehen moegen, um so
gescheidte Sachen reden zu hoeren: O was das ist, wenn man
gestudiert ist! Gnaediger Herr, ich will meiner Fraeulein sagen, dass
ihr kommen werdet.
Romeo.
Thu das, und bitte sie, sie soll sich gefasst machen, mich
auszuschelten.
Amme.
Hier ist ein Ring, Gnaediger Herr, den sie mir fuer euch mitgab--
Eilet doch, macht hurtig, es ist schon sehr spaet--
Romeo.
Wie schnell diese Erwartung meinen Muth wiederaufleben macht!
Bruder Lorenz.
Halte dich in Mantua auf; ich will einen zuverlaessigen Mann fuer euch
ausfuendig machen, der euch von Zeit zu Zeit berichten soll, was fuer
guenstige Umstaende sich hier fuer euch ereignen. Gieb mir deine Hand,
es ist spaete, lebe wohl! Gute Nacht!
Romeo.
Rieffe mich nicht Freude ueber alle Freuden hinweg, wie schmerzlich
wuerde mir dieser schnelle Abschied seyn!
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Capulet, Lady Capulet und Paris treten auf.)
Capulet.
Es sind so ungluekliche Umstaende eingefallen, mein Herr, dass wir
keine Zeit gehabt haben, unsrer Tochter zuzureden. Seht ihr, sie
liebte ihren Vetter Tybalt gar herzlich, und das that ich auch--
Wohl, wir werden gebohren, um wieder zu sterben--Es ist sehr spaet,
sie wird diese Nacht nicht herunter kommen; ich versichre euch,
wenn mir eure Gesellschaft nicht so lieb waere, ich wuerde schon eine
Stunde im Bette seyn.
Paris.
Ich bescheide mich gerne, dass diese Trauer-Tage keine Zeit zu
Liebes-Bewerbungen sind. Gute Nacht, Gnaedige Frau--Empfehlt mich
eurer Tochter--
Lady Capulet.
Ich will, und morgen frueh nachforschen, wie sie gesinnt ist--Fuer
diese Nacht ist sie zu ihrer Traurigkeit eingeschlossen.
Capulet.
Signor Paris, ich getrau es auf mich zu nehmen, euch meines Kindes
Liebe zu versprechen: Ich denke, sie wird sich in allen Stueken von
mir regieren lassen--nichts weiter, ich zweifle gar nicht, Frau,
geh du noch zu ihr, eh du zu Bette gehst, gieb ihr Nachricht von
Signor Paris Liebe, und sag ihr, hoerst du, bis naechsten Mittwoch--
aber sachte--was ist heut fuer ein Tag? --
Paris.
Montag, Gnaediger Herr.
Capulet.
Montag? Ha, ha, gut, Mittwoch ist zu bald, lasst es den Donnerstag
seyn; naechsten Donnerstag, sag ihr, soll sie mit diesem edeln
Grafen vermaehlt werden--Wollt ihr bisdahin fertig seyn? Seyd ihr
mit dieser Eilfertigkeit zufrieden?--wir wollen kein grosses Wesen
nicht machen--Einen oder zween Freunde--Denn, seht ihr, da Tybalt
so kuerzlich erst ermordet worden, so wuerde es so herauskommen, als
ob wir wenig Antheil an seinem Unfall naehmen, wenn wir grosse
Freuden-Bezeugungen anstellen wollten--Desswegen wollen wir etwann
ein halb Duzend Freunde haben, und damit ist's aus. Aber was sagt
ihr zum Donnerstag?
Paris.
Gnaediger Herr, ich wollte der Donnerstag waere Morgen.
Capulet.
Gut, gut, geht izt zu Bette--auf Donnerstag sey es also--
(Zu Lady Capulet.)
Du, geh zu Julietten eh du zu Bette gehst, Weib--Bereite sie auf
ihren Hochzeit-Tag vor. Lebt wohl, Graf--Licht in mein Zimmer, he!--
Geht zu, geht zu, es ist schon so spaet, dass wir's bald frueh heissen
duerften. Gute Nacht--
(Sie gehen ab.)
Siebende Scene.
(Juliettens Zimmer, von der Garten-Seite.)
(Romeo und Juliette, oben an einem Fenster; woran eine Strik-
Leiter befestigt ist.)
Juliette.
Willt du schon gehen? Es ist noch lange bis zum Tag: Es war die
Nachtigall und nicht die Lerche, die dich vorhin erschrekte--sie
pflegt alle Nacht auf jenem Granatbaum zu singen; glaube mir, mein
Herz, es war die Nachtigall.
Romeo.
Es war die Lerche, die Heroldin des Morgens, nicht die Nachtigall.
Siehst du, meine Liebe, die neidischen Streiffen, die dort im Osten
die sich scheidenden Wolken umwinden: Die Kerzen der Nacht sind
abgebrannt, und der froeliche Tag gukt auf den Zehen stehend ueber
die Spizen der neblichten Berge. Ich muss gehen und leben, oder
bleiben und sterben.
Juliette.
Jenes Licht ist nicht Tag-Licht, glaube mir's, es ist irgend ein
Meteor, das die Sonne ausduenstet, um in dieser Nacht deine Reise
nach Mantua zu beleuchten; bleibe noch ein wenig, du sollst nicht
so frueh gehen.
Romeo.
Lass mich ergriffen, lass mich zum Tod verurtheilt werden; ich bin
zufrieden, wenn du es haben willst. Ich will sagen, jenes Grau sey
nicht des Morgens Auge, sondern nur der blasse Gegenschein von
Cynthia's Stirne; und es sey nicht die Lerche, deren Noten so hoch
ueber unserm Haupte zu den himmlischen Gewoelben hinauftoenen. Nichts
als die Sorge um unsre Sicherheit kan mich aus deinen Armen reissen;
aber Juliette will's, und der Tod soll mir willkommen seyn. Wie
ists, meine Seele? Lass uns schwazen, es ist noch nicht Tag.
Juliette.
Es ist, es ist; verlass mich, fliehe, mein Geliebter; es ist die
Lerche, die so tonloss singt, ihr misslautendes, unangenehm-scharfes
Gurgeln ruft dich weg--O gehe, gehe, es wird immer heller und
heller.
Romeo.
Sage, immer finstrer und finstrer, da ich in wenigen Augenbliken
dich nicht mehr sehen werde. (Die Amme kommt herein.)
Amme.
Gnaedige Frau--
Juliette.
Amme?
Amme.
Euer Gnaden Frau Mutter ist im Begriff heraufzukommen: Der Tag
bricht an, nehmt euch in Acht, seht euch vor--
(ab.)
Juliette.
So muss ich dann von meinem Leben scheiden? --
Romeo.
Lebe wohl, lebe wohl; noch einen Kuss, und ich will gehen.
(Romeo steigt aus dem Fenster herab.)
Juliette.
Und gehst du dann so? O mein Liebster, mein Herr, mein Gemahl, mein
Freund! Ich muss alle Tage Nachricht von dir haben, alle Stunden,
denn in einer Minute ohne dich sind viele Tage. Ach! nach dieser
Rechnung werd' ich alt seyn, eh ich meinen Romeo wieder sehe.
Romeo.
Lebe wohl, meine Liebe: ich will keine Gelegenheit versaeumen,
wodurch ich dir meinen Gruss uebermachen kan.
Juliette.
Ach, denkst du, wir werden uns jemals wieder sehen?
Romeo.
Zweifle nicht; es wird eine Zeit kommen, wo alle diese
Wiederwaertigkeiten uns zum Stoff angenehmer Gespraeche dienen werden.
Juliette.
O Gott! ich hab' eine Ungluek-weissagende Seele--Mich duenkt, ich seh
dich, da ich so auf dich hinunter schaue, wie einen, der todt in
seinem Grabe ligt. Entweder werden meine Augen duester, oder du
siehst bleich--
Romeo.
Glaube mir, Liebe, du kommst mir eben so vor; der Kummer trinkt das
Blut in unsern Wangen auf--Lebe wohl, lebe wohl!--
(Romeo geht ab.)
Achte Scene.
Juliette.
O Gluek, Gluek, alle Leute nennen dich unbestaendig; wenn du
unbestaendig bist, was thust du mit dem, dessen Treue du kennen
solltest? Doch, sey immerhin unbestaendig, denn so hab ich Hoffnung,
dass du ihn nicht lange behalten, sondern mir bald zurueckschiken
wirst. (Lady Capulet tritt auf.)
Lady.
Wie, Tochter, seyd ihr schon auf?
Juliette.
Wer ist da, wer ruft? Ist es meine Gnaedige Mamma? Was fuer eine
ungewoehnliche Ursache fuehrt sie so frueh hieher?
Lady.
Wie, Juliette, wie steht's um dich?
Juliette.
Ich bin nicht wohl, Gnaedige Frau.
Lady.
Immer noch in Thraenen um deines Vetters Tod? Wie, hofst du ihn mit
deinen Thraenen aus seinem Grab herauszuwaschen? Wenn du es auch
koenntest, so koenntest du ihn doch nicht wieder lebendig machen.
Gieb dich also einmal zufrieden. Ein gemaessigter Schmerz ist ein
Beweis der Liebe; aber zuviel Schmerz beweist allemal zu wenig
Verstand.
Juliette.
Ich kan einen so empfindlichen Verlust nicht zuviel beweinen.
Lady.
Auf diese Art verewigst du das Gefuehl deines Verlusts, und kanst
doch den Freund nicht zuruek bringen, dessen Verlust du beweinst.
Juliette.
So wie ich den Verlust meines Freundes fuehle, kan ich nicht anders
als ihn immer beweinen.
Lady.
Gut, Maedchen, du weinst nicht so sehr um seinen Tod, als dass der
Boesewicht lebt, der ihn ermordet hat.
Juliette.
Was fuer ein Boesewicht, Gnaedige Frau?
Lady.
Was fuer ein andrer als Romeo?
Juliette
(leise.)
Boesewicht, und er, sind manche Meilen von einander.
(laut.)
Gott verzeih' ihm! Ich thue es von ganzem Herzen--Und doch ist
niemand der meinem Herzen empfindlichere Schmerzen verursacht als
er.
Lady.
Du meynst, weil der Verraether lebt--
Juliette.
Ich, gnaedige Frau,--
(leise.)
Ohne dass ihn diese meine Arme erreichen koennen--
(laut.)
Ich wollte nichts, als dass ich allein meines Vetters Tod raechen
duerfte.
Lady.
Wir wollen uns Rache verschaffen, sey du unbekuemmert; hoere nur auf
zu weinen. Ich will jemand nach Mantua, wo der verbannte Renegat
sich aufhaelt, senden, der ihn bald genug dem Tybalt nachschiken
soll; und dann, hoff ich, wirst du doch zufrieden seyn.
Juliette.
In der That, Gnaedige Frau, ich werde nie mit Romeo zufrieden seyn,
ich seh' ihn dann--todt--ist mein armes Herz fuer meinen
unglueklichen Freund.* Gnaedige Frau, wenn ihr mir nur einen Mann
finden koennt, der ihm einen Gift-Trank bringen wollte, ich wollte
ihn so mischen, dass Romeo, sobald er ihn eingenommen haette, im
Frieden schlafen sollte--O! wie mein Herz es verabscheut, dass ich
ihn nennen hoere--und nicht zu ihm kommen kan--um die Liebe, die ich
zu meinem ermordeten Vetter trug, an der Person desjenigen
auszulassen, der ihn ermordet hat.
{ed.-* Der Leser bemerkt ohne unsre Erinnerungen, den erkuenstelten
Doppelsinn in den Reden der Juliette, womit der Autor ein ziemlich
kindisches Spiel treibt. Man hat sie, so gut es moeglich war,
auszudrueken gesucht, obgleich die natuerliche Wortfuegung in unsrer
Sprache sich nicht recht dazu bequemen wollte.}
Lady.
Finde du nur das Mittel aus, und lass du mich fuer den Mann sorgen.
Aber nun will ich dir eine angenehme Zeitung sagen, Maedchen.
Juliette.
Sie kommt sehr zu gelegner Zeit, wenn sie angenehm ist. Und worinn
besteht sie dann, wenn ich Euer Gnaden bitten darf?
Lady.
Gut, gut, du hast einen sorgfaeltigen Vater, Kind; der, um dich von
deiner Schwermuth zu befreyen, einen unverhoften Freuden-Tag
angeordnet hat, an den keine von uns beyden dachte.
Juliette.
Und darf man fragen, was fuer ein Tag das ist, Gnaedige Frau?
Lady.
Den naechsten Donnerstag, mein Kind, frueh Morgens wird der junge,
edle, liebenswuerdige Graf Paris in St. Peters Kirche dich zu einer
glueklichen Braut machen.
Juliette.
Nun, bey St. Peters Kirch, und bey St. Peter selbst, das soll er
nicht. Ich bin sehr verwundert, dass ich mit so grosser
Eilfertigkeit vermaehlt werden soll, eh mein bestimmter Gemahl sich
die mindeste Muehe um mich gegeben hat. Ich bitte Eu. Gnaden, sagt
meinem Herrn und Vater, dass ich noch nicht heurathen will; und wenn
ichs thue, so soll es eher Romeo seyn, den ich hasse, wie ihr wisst,
als Paris--das sind neue Zeitungen, in der That!
Lady.
Hier kommt euer Vater, sagt ihm das selbst, und seht wie wohl ers
von euch aufnehmen wird. (Capulet und Amme zu den Vorigen.)
Capulet.
Nun, wie gehts? was machst du, Maedchen? Wie, immer noch Thraenen?
Immer regnerisch? Du stellst in deiner einzigen kleinen Person ein
Schiff, die See und den Wind vor; deine Augen, die eine immer
abwechselnde Ebbe und Fluth von Thraenen machen, sind die See; dein
Leib ist das Schiff das in dieser salzichten See dahersegelt; und
die Winde deine Seufzer, die, mit deinen Thraenen in die Wette
rasend, wenn nicht eine ploezliche Stille erfolgt, deinen vom Sturm
herumgewaelzten Leib endlich untergehen machen werden--Was ist's,
Frau? Habt ihr dem Maedchen unsern Entschluss bekannt gemacht?
Lady.
Ja, mein Herr; aber sie will nichts davon hoeren, sie bedankt sich
davor; ich wollte, die Naerrin waere mit ihrem Grabe verheurathet.
Capulet.
Sachte, nehmt mich mit, Frau, nehmt mich mit euch. Wie, sie will
nichts davon hoeren? Sie dankt uns nicht davor? Sie ist nicht stolz
darauf, sie schaezt sich nicht glueklich so unwuerdig als sie ist, dass
wir ihr einen so wuerdigen Edelmann zum Braeutigam auserkohren haben?
Juliette.
Nicht stolz darauf, dass ihr es gethan habt, aber doch dankbar;
stolz kan ich nicht seyn auf etwas das ich hasse, aber dankbar,
selbst fuer etwas Boeses das eure Liebe gut gemeynt hat.
Capulet.
Wie, was, wie, Distinctionen-Macherin? Was soll das bedeuten? Stolz!
und ich dank euch! und ich dank euch nicht! und doch nicht stolz!--
Wie, Fraeulein Wunderlich, Ihr, schwazt mir nichts von Dank und
Stolz und Unstolz und Undank daher, sondern legt eure schoensten
Kleider auf Donnerstag Morgen zurechte, um mit Paris zur St. Peters
Kirche zu gehen, oder ich will dich auf einer Schleiffe hinziehen
lassen. Aus meinem Gesicht, du bleichsuechtiges Raben-Aas! Fort, du
Sausoedel! du Talk-Gesicht!
Lady Capulet.
Fy, fy, wie, seyd ihr toll?
Juliette.
Liebster Herr Vater, ich bitte euch auf meinen Knien, hoert mich nur
ein einziges Wort mit Geduld an.
Capulet.
An den Galgen, du junge Meze! Ungehorsame, leichtfertige Creatur!
Ich will dir was sagen, geh mir auf den Donnerstag in die Kirche,
oder komm mir nimmer vor mein Angesicht. Sag nichts, replicier
nicht, antworte mir nichts; meine Finger juken mir. Weib, wir
hielten uns kaum fuer glueklich, weil uns Gott nur dieses einzige
Kind gegeben hatte; aber nun seh ich, dass dieses einzige zuviel ist,
und dass wir sie zu einem Fluch bekommen haben--Aus meinem Gesicht,
Bastart!
Amme.
Gott im Himmel segne sie! Ihr habt unrecht, Gnaediger Herr, dass ihr
so hart mit ihr verfahrt.
Capulet.
Und wie, My Lady Weisheit? Haltet ihr euer Maul, und schnattert mit
euern Gevattrinnen--pakt euch--
Amme.
Ich rede nichts unrechtes;--O, Gott gebe euch einen guten Tag--Darf
eins nicht mehr reden?
Capulet.
Still, still, ihr murmelnde Naerrin, spielt eure Gravitaet wenn ihr
mit euern Gevatterinnen zecht; hier haben wir ihrer nicht vonnoethen.
Lady.
Ihr seyd zu hizig.
Capulet.
Wie, Sakerlot! Soll einen das nicht wild machen? Tag und Nacht,
frueh und spat, daheim und ausser dem Haus, allein und in
Gesellschaft, wachend und schlafend ist immer meine einzige Sorge
gewesen, wie ich sie wohl verheurathen wolle: und izt, da ich einen
wakern jungen Edelmann, von schoenen Mitteln, von der ansehnlichsten
Verwandtschaft, fuer sie gefunden habe; der, wie alle Leute sagen,
Verdienste hat; kurz einen Mann, wie man sich einen wuenschen mag,
soll ich eine heillose alberne Troepfin, ein pinselndes Puepchen
haben, die, wenn das Gluek sie anlacht, antwortet: Ich will noch
nicht heurathen--Ich kan nicht lieben--Ich bin noch zu jung--ich
bitte um Vergebung--Gut, wenn ihr nicht heurathen wollt, so will
ich euch vergeben; grasst wo ihr wollt, aber mit mir sollt ihr nicht
in einem Hause leben; Ueberlegts, denkt ihm nach, es ist mein
Brauch nicht, zu spassen. Es ist nicht mehr lange bis Donnerstag;
leg die Hand auf dein Herz, bedenk dich; wenn du mein bist, so will
ich dich meinem Freunde geben; und bist du's nicht, so haeng dich,
bettle, verhungre, stirb auf der Strasse; bey meiner Seele, ich
will dich nicht fuer mein Kind erkennen, und du sollst von dem
meinigen nicht soviel bekommen, als du auf der Zunge spueren
koenntest--Verlass dich drauf, und bedenk dich, ich werde meinen Eyd
gewiss nicht brechen.
(Er geht ab.)
Juliette.
Ist denn hier kein mitleidiges Wesen, in den Wolken sizend, das in
den Grund meines Schmerzens hinabschaut?--O meine liebste Mutter,
werft mich nicht hinweg, verschiebt diese Heurath nur einen Monat--
nur eine Woche; oder, wenn ihr nicht wollt, so macht mein Braut-
Bette in das duestre Begraebniss, wo Tybalt ligt.
Lady Capulet.
Wende dich nicht an mich, ich will kein Wort reden: Thu, was du
willst, ich habe dir nichts mehr zu sagen.
(Sie geht ab.)
Juliette.
O Gott! O Amme, wie kan diesem vorgebaut werden? Mein Gemahl ist
auf Erden; meine Treue im Himmel; wie kan diese Treue wieder zuruek
kommen, wenn nicht mein Gemahl sie mir zuruekschikt, indem er die
Erde verlaesst?--Troeste mich, gieb mir einen Rath. O Jammer, Jammer,
dass der Himmel so hart, so streng mit einem so sanften Geschoepf als
ich bin, verfahren soll! Was sagst du? Hast du kein einziges
troestliches Woertchen? Nur einen kleinen Trost, Amme! --
Amme.
Ey ja, und hier ist er; Romeo ist verbannt: Ich wette die ganze
Welt gegen nichts, dass er das Herz nicht hat, zuruek zu kommen, und
Anspruch an euch zu machen; oder wenn ers thun wollte, so muesst er's
doch nur heimlich thun. Weil also die Umstaende so beschaffen sind,
so waere das beste, daeucht mich, ihr naehmet den Grafen. Oh, er ist
ein liebenswuerdiger junger Herr! Romeo ist nur ein Feg-Lumpen gegen
ihn; ein Adler hat kein so scharfes, so munteres, so schoenes Aug
als Paris hat. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn diese andre Partie
nicht besser ist als die erste; und wenn es auch nicht waere, so ist
ja euer erster Mann gestorben, oder so viel als gestorben, da er
fern von hier lebt, und euch zu nichts gut ist.
Juliette.
Redst du aus deinem Herzen?
Amme.
Und aus meiner Seele dazu, oder ich will beyde verlohren haben!
Juliette.
Amen.
Amme.
Was?
Juliette.
Gut; du hast mir einen vortrefflichen Trost gegeben; geh hinein,
und sag der Gnaedigen Frau, weil ich meinen Vater erzuernt habe, so
sey ich in Bruder Lorenzens Celle gegangen, um meine Beicht
abzulegen, und den Ablass zu empfangen.
Amme.
Meiner Six, das will ich; und es ist auch wohl gethan.
(Sie geht ab.)
Juliette.
Alte Todsuende! boeser verfuehrischer Teufel! Es ist wol eine groessere
Suende von dir, dass du mich treubruechig machen willst, und dass du
meinen Gemahl mit eben dieser Zunge laesterst, mit der du ihn so
viel tausendmal ueber alles erhoben hast? Geh, Rathgeberin--du und
mein Busen sollen von nun an keine Gemeinschaft mehr mit einander
haben: Ich will zu dem Pater, um zu hoeren, ob er mir zu helfen weiss;
und fehlt alles andre, so hab ich Muth zum Sterben.
(Sie geht ab.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene.
(Das Kloster.)
(Bruder Lorenz und Paris treten auf.)
Bruder Lorenz.
Auf den Donnerstag, Gnaediger Herr! Die Zeit ist sehr kurz.
Paris.
Mein Vater Capulet will es so haben, und seine Eilfertigkeit stimmt
zu sehr mit meinen Wuenschen ueberein, als dass ich sie aufzuhalten
gedenken koennte.
Bruder Lorenz.
Ihr gesteht doch, dass ihr die Gesinnungen der jungen Dame noch
nicht wisst--Diese Sache geht nicht wie sie gehen soll; es gefaellt
mir gar nicht.
Paris.
Sie ueberlaesst sich einer ganz unmaessigen Traurigkeit ueber Tybalts
Tod, und das war die Ursache, warum ich ihr noch wenig von Liebe
sagen konnte; denn Venus laechelt nicht in einem Trauer-Hause. Nun
haelt es ihr Vater fuer gefaehrlich, dass sie ihrem Kummer so viel Plaz
geben solle, und beschleuniget unsre Vermaehlung, in der Absicht,
dem Lauf ihrer Thraenen dadurch Einhalt zu thun; allein und sich
selbst ueberlassen, findet sie eine Art von Ergoezung darinn, eine
Traurigkeit zu naehren, von der nichts als die Gesellschaft sie
zerstreuen kan. Begreift ihr nun die Ursache dieser Eilfertigkeit?
Bruder Lorenz (bey Seite.)
Ich wollt', ich wisste nicht, warum ihr Einhalt gethan werden muss--
Seht, Gnaediger Herr, hier kommt das Fraeulein gegen meine Celle her.
(Juliette zu den Vorigen.)
Paris.
Willkommen, meine Liebe, meine Gebieterin, und mein Weib.
Juliette.
Das erste mag alsdann seyn, wenn das lezte seyn kan.
Paris.
Das wird, das muss naechsten Donnerstag seyn, meine Liebe.
Juliette.
Was seyn muss, das wird seyn.
Bruder Lorenz.
Das ist ein Text, ueber den kein Streit seyn kan.
Paris.
Kommt ihr, diesem Vater zu beichten?
Juliette.
Wenn ich diese Frage beantwortete, so wuerd' ich euch beichten.
Paris.
Laeugnet ihm wenigstens nicht, dass ihr mich liebet.
Juliette.
Ich will euch hiemit gebeichtet haben, dass ich ihn liebe.
Paris.
Das will ich auch; ich bin gewiss, dass ihr mich liebt.
Juliette.
Wenn ich das thue, so wuerd' es von groesserm Werth seyn, es hinter
euerm Rueken, als es euch ins Gesicht zu sagen.
Paris.
Arme Seele, dein Gesicht ist ganz von Thraenen entstellt.
Juliette.
Die Thraenen haben nur einen kleinen Sieg dadurch erhalten, denn es
war vorhin schon schlecht genug.
Paris.
Du thust ihm mehr Unrecht, mein Kind, indem du das sagst, als alle
deine Thraenen.
Juliette.
Was die blosse Wahrheit ist, mein Herr, ist keine Verlaeumdung; und
was ich da sagte, sagt' ich zu meinem Gesicht.
Paris.
Dein Gesicht ist mein, und du hast es verleumdet.
Juliette.
Es mag seyn, denn mein ist es in der That nicht--Ist es euch izt
gelegen, heiliger Vater, oder soll ich nach der Vesper wieder
kommen?
Bruder Lorenz.
Ich habe izt Musse, meine Gedanken-volle Tochter. Gnaediger Herr,
mit eurer Erlaubniss--
Paris.
Gott verhuete, dass ich eure Andacht stoeren wolle--Juliette, naechsten
Donnerstag will ich euch frueh genug weken--bis dahin, adieu, mit
diesem unschuldigen Kuss.
(Paris geht ab.)
Juliette.
Geh, verschliess die Thuer, und wenn du's gethan hast, so komm, und
weine mit mir--Mein Elend laesst keine Hoffnung, kein Mittel, keine
Rettung uebrig.
Bruder Lorenz.
O Juliette, ich kenne deine Noth, und es aengstigt mich, dass ich
kein Mittel kenne dir zu helfen. Bis naechsten Donnerstag, hoer' ich,
sollt ihr an diesen Grafen vermaehlt werden, und nichts kan es
hintertreiben.
Juliette.
Sage mir nichts davon, dass du das hoerst, wenn du mir nicht sagen
kanst, wie ich's vermeiden kan. Wenn deine Weisheit dir kein Mittel
an die Hand geben kan, so billige du nur meinen Entschluss, und ich
will mir auf der Stelle durch diesen Dolch helfen. Gott vereinigte
mein Herz und Romeo's; du, unsre Haende; und eh diese Hand, die du
meinem Romeo versiegelt hast, eh dieses Herz, das ihn allein fuer
seinen Herrn erkennt, verraethrischer Weise sich einem andern
ergeben soll, eh soll dieser Stahl beyden die Bewegung rauben.
Suche also in der Wissenschaft, womit die graue Erfahrung eines
langen Lebens dich bereichert hat, einen schleunigen Rath; oder
gestatte, dass dieses blutige Messer der Schiedrichter zwischen mir
und meinem grausamen Schiksal sey--Antworte mir kurz--ein jeder
Augenblik den ich noch lebe, ist mir verhasst, wenn das was du mir
sagen willst, kein Rettungs-Mittel ist.
Bruder Lorenz.
Halt ein, meine Tochter, ich entdeke eine Art von Hoffnung, die von
einem eben so verzweifelten Mittel abhaengt, als dasjenige ist, was
wir vermeiden wollen. Wenn du entschlossen bist dir eher selbst das
Leben zu nehmen, als den Grafen Paris zu heurathen, so ist zu
vermuthen, du werdest dir kein Bedenken machen etwas zu wagen, das
dem Tod aehnlich ist, um einer Schande zu entgehen, der du dich
durch den Tod selbst zu entziehen bereit bist. Wofern du also Muth
genug dazu hast, will ich dir ein Mittel geben.
Juliette.
O, befiehl mir, eher als dass ich mich dem Paris ueberlasse, von den
Zinnen jenes Thurms herabzuspringen, oder fessle mich an die
felsichte Spize eines steilen Gebuergs, wo heulende Baeren und Grimm-
volle Loewen schwaermen--Oder schliess mich eine ganze Nacht durch in
ein Beinhaus ein, bis an den Hals, mit morschen Todten-Knochen,
duerren Schien-Beinen, und kahlen gelben Schaedeln bedekt--oder
befiehl mir in ein neugemachtes Grab zu gehen, und mich zu einem
Todten unter sein Leichen-Tuch zu verbergen--Dinge, wovon der
blosse Gedanke mich zittern macht--befiehl mir's, und ich will es
ohne Zoegern thun, um meinem Geliebten eine unbeflekte Treue zu
erhalten.
Bruder Lorenz.
Wolan dann, so geh heim, sey aufgeraeumt, und thu, als ob du in
deine Vermaehlung mit dem Paris einwilligest; morgen ist Mittwoch;
morgen Nachts siehe, dass du dich von deiner Amme erledigest, und
allein ligen koennest; und wann du dann in deinem Bette bist, so
nimm diese Phiole, und trinke sie rein aus, so wird augenbliklich
ein erkaeltender einschlaefernder Dunst durch alle deine Adern
lauffen, und jeden deiner Lebens-Geister binden; der Kreislauf
deines Bluts wird stillstehen, keine Waerme, kein Athem wird
verrathen, dass du noch lebest; die Rosen auf deinen Lippen und
Wangen werden zu aschfarber Blaesse verwelken; deine Auglieder sich
schliessen, als ob der Tod selbst sie vorm Licht des Tages
verriegelt haette; jeder Theil, seiner elastischen Biegsamkeit
beraubt, wird steif, kalt und starr seyn; und in dieser
anscheinenden Todes-Gestalt wirst du zwo und vierzig Stunden
verharren, und dann wie aus einem suessen Schlaf erwachen. Wenn nun
der Braeutigam des Morgens kommt, dich aufzuweken, so bist du todt,
und wirst dann, nach dem Gebrauch unsers Landes, in deinem
schoensten Anzug in eine Baare ohne Dekel gelegt, und in das
Begraebniss deiner Familie gebracht--in eben diese alte Gruft, wo
alle Abkoemmlinge der Capulets ligen. In der Zwischen-Zeit bis du
erwachst, will ich durch Briefe den Romeo von unserm Anschlag
benachrichtigen, und ihn hieher beruffen; er und ich wollen dein
Erwachen abwarten, und in der nemlichen Nacht soll Romeo dich von
hier nach Mantua bringen. Hier hast du das Mittel, das dich von der
vorschwebenden Schande, die du fuerchtest, retten kan, wenn du frey
genug von weibischer Zagheit bist, es mit Entschlossenheit zu
gebrauchen.
Juliette.
Gieb mirs, o, gieb mir's, sag mir nichts von Furcht.
(Sie nimmt die Phiole.)
Bruder Lorenz.
Gut, geh izt, und bleibe standhaft bey diesem Entschluss; ich will
eilends einen vertrauten Ordensmann mit Briefen an deinen Gemahl
nach Mantua senden.
Juliette.
Liebe, gieb mir Staerke, und Staerke wird mir Huelfe geben--Lebet wohl,
mein theurer Vater!--
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in Capulets Haus.)
(Capulet, Lady Capulet, Amme, und zween oder drey Bediente treten
auf.)
Capulet.
Lade alle Gaeste ein, deren Namen auf diesem Papier sind--Du, geh
und bestelle mir zwanzig gute Koeche.
Bedienter.
Ihr sollt keinen schlechten kriegen, Gnaediger Herr, denn ich will
probieren, ob sie ihre Finger leken koennen.
Capulet.
Wie willst du das probieren?
Bedienter.
Sapperment, Gnaediger Herr, das muss ein schlechter Koch seyn, der
seine eigne Finger nicht leken kan; wenn also einer seine Finger
nicht leken kan, so soll er daheim bleiben.
Capulet.
Geh, geh--Wir werden schlecht genug auf einen solchen Anlass
versehen seyn--He? ist meine Tochter zu Bruder Lorenzen gegangen?
Amme.
Ja, wahrlich.
Capulet.
Gut; vielleicht kan er etwas gutes bey ihr ausrichten: die unartige,
eigensinnige Beze, die sie ist! (Juliette zu den Vorigen.)
Amme.
Seht, da kommt sie von der Beichte; sie sieht ganz froelich aus--
Capulet.
Was giebts, Starr-Kopf? Wo seyd ihr herumgeschwaermt?
Juliette.
Ich war an einem Ort, wo ich die Suende des Ungehorsams gegen euch
und eure Befehle bereuen lernte, und wo mir auferlegt wurde, auf
meine Knie zu fallen und euch um Vergebung zu bitten--Vergebet mir
also, ich bitte euch; von nun an soll euer Wille allezeit meine
Richtschnur seyn.
Capulet.
Schikt nach dem Grafen, geht, sagt ihm das; ich will diesen Knoten
gleich morgen zusammengeknuepft haben.
Juliette.
Ich traf ihn in Bruder Lorenzens Celle an, und begegnete ihm so
freundlich als ich konnte, ohne die Grenzen der Anstaendigkeit zu
ueberschreiten.
Capulet.
Gut, das hoer' ich gerne, es ist gut, steh auf; es ist wie es seyn
soll; ich muss den Grafen sehen--He, zum Henker, geht, sag' ich, und
holt ihn her--Nun, bey Gott, dieser Pater ist in der That ein
ehrwuerdiger heiliger Mann, und ein Mann, dem unsre ganze Stadt viel
zu danken hat.
Juliette.
Amme, wollt ihr mit mir in mein Zimmer gehen, und mir den Puz
aussuchen helfen, den ihr auf den morgenden Tag schiklich findet?
Lady Capulet.
Es ist noch Zeit genug bis Donnerstag.
Capulet.
Geh, Amme, geh mit ihr; morgen soll die Ceremonie vor sich gehen.
(Juliette und Amme gehen ab.)
Lady Capulet.
Aber wo sollen wir auf diese Weise Zeit zu den Vorbereitungen
hernehmen? Es ist schon beynahe Nacht.
Capulet.
Still, ich will selbst ausgehen, und es soll fuer alles gesorgt
werden, Frau, ich stehe dir davor. Geh du zu Julietten, hilf sie
aufpuzen; ich will heute nicht zu Bette gehen, lass mich allein: Ich
will einmal in meinem Leben die Hausmutter vorstellen--he! holla!--
Sie sind alle fort; gut, ich will selbst zu Graf Paris gehen, damit
er sich auf morgen gefasst mache. Es ist mir recht leicht um's Herz,
seitdem sich das Hexen-Maedchen so zum Ziel gelegt hat.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Juliettens Zimmer.)
(Juliette und die Amme treten auf.)
Juliette.
Ja, dieser Anzug ist der beste; aber, liebe Amme, ich bitte, lass
mich heute Nacht allein; ich werde einen guten Theil davon mit
beten zubringen, um den Himmel zu bewegen, dass er mein Vorhaben
beguenstige--Du kennst meine suendhaften Umstaende, und weissst also
wol, dass ichs noethig habe. (Lady Capulet zu den Vorigen.)
Lady.
Wie, so geschaeftig? Kan ich euch was helfen?
Juliette.
Nein, Gnaedige Mamma, wir haben alles zusammengesucht, was wir auf
unsern morgenden Umstand noethig haben koennen; wenn ihr's erlauben
wolltet, so wuenscht' ich izt allein gelassen zu werden, und dass ihr
die Amme bey euch aufbleiben liesset; denn ich bin gewiss, dass ihr
bey diesem unverhoften Vorfall alle Haende voll zu thun haben werdet.
Lady Capulet.
Gute Nacht, geh du zu Bette und schlafe; du hast es vonnoethen.
(Lady Capulet und Amme gehen ab.)
Juliette.
Gute Nacht--Gott weiss, wenn wir uns wieder sehen werden!--Ich weiss
nicht was fuer ein kalter schrekhafter Schauer durch meine Adern
faehrt--Ich will sie zuruekruffen, dass sie mir einen Muth einsprechen--
Amme!--Aber was soll sie hier? Ich muss meine schrekenvolle Scene
nothwendig allein spielen--Komm, Phiole--Wie wenn diese Tinctur
keine Wuerkung thaete? Soll ich mich dann mit Gewalt an den Grafen
verheurathen lassen? Nein, nein, diss soll es verwehren--Lig' du
hier--
(Sie weisst auf einen Dolch.)
Wie, wenn es ein Gift waere, das mir der Pater auf eine feine Art
beybringen will, um mich aus dem Wege zu schaffen, aus Furcht seine
Ehre moechte unter dieser Heurath leiden, da er mich schon vorher
mit dem Romeo getrauet hat? Ich fuercht', es ist so, und doch,
daeucht mich, kan es nicht seyn, denn er ist immer als ein heiliger
Mann befunden worden. Wie, wenn ich, nachdem man mich in die Gruft
geleget, eher erwache als Romeo gekommen ist, mich abzuholen? Das
ist ein fuerchterlicher Umstand: Werd ich nicht in diesem Gewoelbe,
dessen fauler Mund keine gesunde Luft einathmet, von dem
verpesteten Schwall erstikt werden, eh mein Romeo kommt? Und wenn
ich auch lebe, ist es nicht ganz natuerlich, dass die grauenvolle
Scene von Tod und Nacht, die Vorstellung des Orts, wo ich bin--in
diesem uralten Gewoelbe, wo seit so vielen hundert Jahren die
Gebeine aller meiner Vorfahren zusammengehaeuft ligen--wo der
blutige Tybalt in gaehnender Verwesung in seinen Grabtuechern ligt--
wo, wie man sagt, zu gewissen Stunden in der Nacht Geister gehen--O!
Himmel, ist es nicht wahrscheinlich, dass die scheuslichen
Ausduenstungen, das graessliche Geheul der Gespenster, (gleich den
Alraunen, wenn sie aus der Erde gerissen werden,) Toene, von deren
Anhoeren lebende Menschen den Verstand verliehren--mich vor der Zeit
erweken werden; oder wenn ich erwache, werd' ich von allen diesen
Schreknissen umringt, von Sinnen kommen, wahnwiziger Weise mit
meiner Voreltern Gebeinen spielen, den halbverfaulten Tybalt aus
seinen Tuechern reissen, und in dieser Raserey, mit den Knochen
irgend eines grossen Ahnherrn, wie mit einer Keule, mir mein
verzweifelndes Gehirn ausschlagen?--O! Sieh, mich daeucht ich sehe
meines Vetters Geist, der diesen Romeo bey mir sucht, seinen Moerder!
und meinen Gemahl!--Halt, Tybalt, halt! Romeo, ich komme! Diss
trink ich dir zu.
(Sie trinkt die Phiole aus, und wirft sich auf ihr Bette.)
Vierte Scene.
(Ein Vorsaal in Capulets Hause.)
(Lady Capulet und die Amme treten auf.)
Lady Capulet.
Warte, nimm diese Schluessel, und hole mehr Gewuerz, Amme.
Amme.
Sie ruffen um Datteln und Quitten in die Tarte? (Capulet zu den
Vorigen.)
Capulet.
Auf, munter, hurtig, regt euch, der Hahn hat schon zum andern mal
gekraeht, die Morgen-Gloke ist schon gelaeutet worden, es ist drey
Uhr--Sieh zu dem Bakwerk, gute Angelica--Spar't nur nichts an den
Sachen--
Amme.
Geht, geht, und mengt euch nicht in Weiber-Sachen--geht in euer
Bett, ihr werdet morgen krank dafuer seyn, dass ihr diese Nacht nicht
geschlaffen habt.
Capulet.
Nein, nichts weniger--was? Ich denke wol der Zeit, da ich ganze
Naechte durch um einer schlechtern Ursache willen gewacht habe, und
bin nie krank geworden.
Lady.
Ja, ja, ihr seyd ein feiner Maeuse-Jaeger in eurer Jugend gewesen--
aber heutigs Tags will ich euch schon bewachen, dass ihr nicht so
wachen sollt.
(Lady Capulet und Amme gehen ab.)
Capulet.
Eifersucht, pure Eifersucht! Nun, Bursche, was giebt's hier zu
thun? (Drey oder viere mit Bratspiessen, Koerben, Holz, u. s. w.
treten auf.)
Bedienter.
Sachen fuer den Koch, Gnaediger Herr, aber ich weiss nicht was.
Capulet.
Macht hurtig, macht hurtig; Schurke, hole trokneres Holz, ruf dem
Peter, er wird dir weisen wo es ligt.
Bedienter.
Gnaediger Herr, um Kloeze zu finden, hab' ich selber Kopfs genug, ich
brauche keinen Peter dazu.
Capulet.
Sakerlot! wol gegeben,--du hast Wiz, Bursche, ha, ha--Aber bey
meiner Treue, es ist schon Tag--
(Man hoert Musik von Ferne.)
Der Graf wird bald mit Musicanten hier seyn--er hat es versprochen--
Ich hoer ihn schon kommen. Amme--Frau--wie, holla, he! Amme, sag
ich! (Die Amme kommt.) Geh, weke Julietten, geh und puze sie auf,
ich will gehn und indess mit Paris schwazen: Fort, mach hurtig, mach
hurtig, der Braeutigam ist schon da--Mach hurtig, sag ich--
(Sie gehen ab.)
Fuenfte Scene.
(Verwandelt sich in Juliettens Schlaf-Zimmer; Juliette ligt auf
dem Bette.)
(Die Amme tritt wieder auf.)
Amme.
Gnaediges Fraeulein he! Fraeulein! Juliette Das heisst geschlaffen, das
gesteh ich--he, Daeubchen--he, Fraeulein--fy, ihr Sieben-Schlaeferin--
he! Liebchen, sag ich--Fraeulein--Herzchen--Braut--wie? nicht ein
Wort? Ich seh, ihr nehmt fuer eure drey Pfenninge zum Voraus; ihr
schlaft vor die ganze Woche; gut, in der naechsten Nacht, da bin ich
gut dafuer, wird Graf Paris Mann dafuer seyn, dass ihr wenig genug
schlafen sollt--Gott verzeih mir's--heilige Marie! und Amen!--was
fuer einen gesunden Schlaf sie hat! Ich muss sie aufschreyen--
Fraeulein, Fraeulein, Fraeulein--Nun, wahrlich, lasst nur den Grafen
euch in sein Bette kriegen, er wird euch aufruetteln, mein Treu--
Kan's denn nicht seyn? Wie, angezogen, in euern Kleidern--und
wieder zuruek!--Ich muss Ernst brauchen--Fraeulein, Fraeulein, Fraeulein--
O Gott! o Gott! helft, helft, helft! Mein Fraeulein ist todt! O
Herzenleid! O! warum musst ich gebohren werden!--O, einen Schluk
Aquavit--he!--Gnaediger Herr! Gnaedige Frau! (Lady Capulet.)
Lady Capulet.
Was ist hier fuer ein Geschrey?
Amme.
O ungluekseliger Tag!
Lady Capulet.
Was ist's, was ist's?
Amme.
Da seht--O unglueklicher Tag!
Lady Capulet.
O Gott, o Gott! mein Kind, mein einziges Leben! leb wieder auf,
sieh mich an, oder lass mich mit dir sterben. Huelfe, Huelfe! schrey
um Huelfe! (Capulet zu den Vorigen.)
Capulet.
Schaemt euch doch, warum bringt ihr Julietten so lange nicht; ihr
Gemahl ist gekommen.
Amme.
Sie ist todt, gestorben ist sie, sie ist todt: O! dass es Gott
erbarme!
Capulet.
Ha! lasst mich sehen--O Himmel! es ist aus, sie ist kalt, ihr Blut
ist gestockt und ihre Gelenke sind starr--ihre Lippen sind ohne
Leben, der Tod ligt auf ihr, wie ein fruehzeitiger Frost auf der
angenehmsten Blume des ganzen Gefildes. Verfluchter Unfall!
Ungluekseliger alter Mann!
Amme.
O des klaeglichen Hochzeit-Tags!
Lady Capulet.
Arme trostlose Mutter!
Capulet.
Der Tod, der mir die Freude meines Alters geraubt hat, bindet meine
Zunge, und will mich nicht reden lassen. (Bruder Lorenz und Paris
mit Musicanten.)
Bruder Lorenz.
Kommt, ist die Braut fertig zum Kirchgang?
Capulet.
Zum Kirchgang, aber nicht zur Heimholung. O Sohn, in der Nacht vor
deinem Hochzeit-Tag ist der Tod bey deinem Weibe gelegen. Sieh,
hier ligt sie, die holde Blume die sie war, nun von ihm ihres
Schmuks beraubt: Der Tod ist mein Tochter-Mann.
Paris.
Hab ich so lange mich gesehnt, diesen Morgen zu sehen, und giebt er
mir nun einen solchen Anblik?
Lady Capulet.
Verfluchter, elender, unseliger, verhasster Tag! Jammervolleste
Stunde, die jemals die Zeit auf ihrer immerwaehrenden Pilgrimschaft
erblikte! Nur ein einziges, ein armes, einziges, liebes, zaertliches
Kind; nur ein einziges, das mir zur Freude und zum Trost war, und
der unbarmherzige Tod hat es mir weggenommen.*
{ed.-* Paris hat hier im Original eine Rede, die vollkommner (Non-
Sense) ist, und durch die er die Amme abloesst, die sich mit
unaufhoerlichen Ausruffungen "O weh, o weh; o Tag, o Tag," heiser
geschrien. Man hat beyde dem Genius des Shakespears aufgeopfert.}
Capulet.
Unseliger Zufall!--Musste unsre Freude auf eine so meuchelmoerdrische
Art ermordet werden! O mein Kind, mein Kind! Meine Seele, nicht
mein Kind, sollst du todt seyn? O Gott, todt!--Mein Kind ist todt--
alle meine Hoffnungen sinken mit ihm ins Grab.
Bruder Lorenz.
Nun, so hemmt doch endlich diesen Ausbruch der Ungeduld und
Verzweiflung! Alle diese trostlosen Klagen koennen euer Weh nicht
heilen: Der Himmel und ihr hattet Antheil an diesem liebenswuerdigen
Maedchen; nun hat der Himmel Alles, und desto besser ist es fuer sie.
Euern Antheil an ihr konntet ihr nicht vor dem Tode bewahren: Aber
der Himmel erhaelt den seinen bey ewigem Leben. Alles was ihr
suchtet, war ihre Erhebung--und ihr weint nun, sie ueber die Wolken,
so hoch als der Himmel selber ist, erhoben zu sehen? Was fuer eine
verkehrte Liebe zu euerm Kind ist das, dass ihr von Sinnen kommen
wollt, da ihr seht dass sie glueklich ist! Troknet eure Thraenen,
umstekt diese schoene Leiche mit Rosmarin, und traget sie, wie es
der Gebrauch ist, in ihrem besten Anzug in die Kirche.
Capulet.
Alle Zuruestungen, die wir zu unserm Fest gemacht haben, verwandeln
sich nun in ein trauervolles Leichen-Gepraenge. Unsre musicalischen
Instrumente in melancholische Todten-Gloken, unser hochzeitliches
Gastmahl in ein schwermuethiges Leichen-Mahl, unsre festlichen
Lobgesaenge in bange Klaglieder, und unsre hochzeitlichen Blumen-
Kraenze dienen nun eine Todten-Baare zu schmueken--O der klaeglichen
Verwandlung!
Bruder Lorenz.
Gnaediger Herr, geht hinein, und ihr, Madam, geht mit ihm, und ihr,
Signor Paris; ein jedes bereite sich, diese schoene Leiche zu ihrem
Grabe zu begleiten; und huetet euch, durch murrende Ungeduld den
ueber euch schwebenden Zorn des Himmels noch mehr zu reizen.
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
(Die Amme und die Musicanten bleiben, wie natuerlich, zuruek. Die
leztern sind so fein, es von sich selbst zu merken, dass sie hier zu
nichts mehr nuzen, und die weise Amme sagt es ihnen noch zum
Ueberfluss; sie steken also ihre Pfeiffen ein, und wollen gehen.
Aber zu grossem Vergnuegen der Zuschauer in den obersten Gegenden
kommt Peter, und verlangt, dass sie ihm ein lustiges Stuekchen
aufspielen sollen; dieses giebt dann den Anlass zu einem kleinen)
Divertissement (von Wortspielen und Spaessen im Geschmak des Wiener-
Harlequins; einer Abwechslung, die freylich, (wie der sinnreiche
Herr von Voltaire weislich bemerkt,) dem Geschmak unsers Autors und
seiner Zeitgenossen wenig Ehre macht, aber doch den Vortheil mit
sich fuehrt, dass die Zuschauer, (welche ans Ende doch in die Comoedie
gegangen sind, um sich einen Spass zu machen,) durch die klaeglichen
Scenen nicht gar zu sehr geruehrt werden.)
Fuenfter Aufzug.
Erste Scene.
(Mantua.)
(Romeo tritt auf.)
Romeo.
Wenn ich den schmeichelnden Eingebungen des Schlafs trauen duerfte,
so wuerden mir meine Traeume angenehme Neuigkeiten vorbedeuten. Ein
ungewoehnlicher Geist der Froelichkeit erfuellt meinen Busen, und hebt
mich mit angenehmen Gedanken ueber den Boden empor: Ich traeumte,
meine Geliebte kaeme und faende mich todt--(Was fuer ein seltsames
Ding ein Traum ist, dass er todten Leuten doch noch die Erlaubniss
giebt zu denken!)--und hauchte durch ihre Kuesse ein solches Leben
in meine Lippen, dass ich wieder von den Todten auferstand und ein
Kayser wurde. O Himmel! wie suess ist der wuerkliche Genuss der Liebe,
da ihre Schatten schon so reich an Wonne sind! (Balthasar tritt auf.)
Neue Zeitungen von Verona--Wie steht's Balthasar? Bringst du mir
Briefe vom Pater? Was macht meine Geliebte? Ist mein Vater wohl?
Was macht meine Juliette? Das muss ich noch einmal fragen; denn wenn
sie wohl ist, so ist nichts uebel.
Balthasar.
So ist sie denn wohl und nichts ist uebel. Ihr Leichnam schlaeft in
dem Begraebniss der Capulets, und ihr unsterblicher Theil lebt mit
Engeln. Ich sah sie in das Gewoelb ihrer Familie legen, und nahm
sogleich die Post es euch zu berichten. Vergebung, Gnaediger Herr,
dass mein Dienst mich noethigt, euch eine so boese Zeitung zu bringen!
Romeo.
Ist es wuerklich so?--So biet' ich euch Troz, ihr Sterne!--Du kennst
meine Wohnung, geh, hole mir Dinte und Papier, und bestelle Post-
Pferde--Ich will diese Nacht noch fort.
Balthasar.
Um Vergebung, Gnaediger Herr, ich darf euch nicht so verlassen. Eure
Blike sind duester und wild, und bedeuten nichts Gutes.
Romeo.
Stille! du betruegst dich. Verlass mich und thu was ich dir sage:
Hast du keine Briefe vom Pater an mich?
Balthasar.
Nein, gnaediger Herr.
Romeo.
Das hat nichts zu bedeuten: geh, und bestelle die Pferde; ich will
gleich bey dir seyn.
(Balthasar geht ab.)
Gut, Juliette, heute Nacht will ich bey dir ligen--Lass sehen, wie
machen wir das? Wie schnell findet Unheil den Eingang in ein
verzweifelndes Gemueth!--Ich erinnre mich eines Apothekers, der hier
irgend wohnt, und den ich lezthin in einem zerlumpten Kittel, mit
ueberhangenden Augbrauen, Kraeuter suchend fand. Ich fasste den Mann
ins Auge; seine Blike sahen mager und verhungert aus, Kummer und
Elend schien ihn bis auf die Knochen abgenuzt zu haben; in seiner
armseligen Bude hieng eine Schildkroete, ein ausgestopfter Alligator,
und ein paar andre Haeute von missgeschaffnen Fischen; und rings um
auf dem Gestelle stuhnd ein bettelhaftes Gepraenge von leeren
Buechsen, gruenen irdnen Toepfen, Blasen, muffigen Saamen, Resten von
Pakfaden, und alte Rosen-Kuchen duenn genug zerstreut, damit es doch
etwas gleich sehen sollte. In dem Augenblik da mir dieser armselige
Zustand in die Augen fiel, dacht' ich bey mir selbst, wenn izt
einer Gift brauchte, dessen Verkauff in Mantua ohne Gnad' am Leben
gestraft wird, so lebt hier ein armseliger Tropf, der ihm's zu
kauffen gaebe. O! dieser Gedanke war eine Ahnung, dass ich diesen
Mann bald selber noethig haben wuerde. So viel ich mich erinnere,
sollte diss das Haus seyn; weil heut ein Feyertag ist, so ist des
Bettlers Bude geschlossen. Holla! he! Apotheker. (Der Apotheker
kommt heraus.)
Apotheker.
Wer ruft so laut?
Romeo.
Komm hervor, Mann! Ich sehe, du bist arm; sieh, da sind vierzig
Ducaten, gieb mir eine Drachme Gift davor, von so schneller Wuerkung,
dass es sich in einem Augenblik durch alle Adern verbreite, und der
Lebens-ueberdruessige, der es einnimmt, so ploezlich und mit solcher
Gewalt des Athemholens entladen werde, als das unaufhaltsame Pulver,
sobald es sich entzuendet, aus dem fatalen Bauch einer Canone
losbricht.
Apotheker.
Dergleichen toedtliche Praeparata hab' ich; aber das Gesez ist Tod
fuer den, welcher sie hergiebt.
Romeo.
Bist du so nakend und mit Elend beladen, und fuerchtest den Tod?
Hunger sizt auf deinen Wangen, Mangel und Kummer schauen aus deinen
holen Augen hervor, Verachtung und Betteley hangen auf deinem Rueken,
und du fuerchtest den Tod? Die Welt ist nicht dein Freund, und ihr
Gesez auch nicht; die Welt giebt kein Gesez dich reich zu machen;
sey also klueger, brich es, und nimm mein Gold.
Apotheker.
Meine Duerftigkeit williget ein, nicht mein Wille.
Romeo.
Auch bezahl' ich nicht deinen Willen, sondern deine Duerftigkeit.
Apotheker.
Giesst dieses in was fuer einen Liquor ihr wollt, und trinkt es aus;
und wenn ihr die Staerke von zwanzig Maennern haettet, so wird es euch
in die andre Welt schiken.
Romeo.
Hier ist dein Gold; ein schaedlichers Gift fuer die Seelen der
Menschen, und welches mehr Mordthaten in dieser heillosen Welt
verursacht, als diese arme Quaksalbereyen, die du nicht verkauffen
kanst: Ich habe dir Gift verkauft, nicht du mir--fahre wohl, kauf
dir zu essen, und mach, dass du zu Fleisch kommst--Komm, Herz-
Staerkung, nicht Gift; komm mit mir, wo ich dich brauche, zu
Juliettens Grab.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in das Kloster zu Verona.)
(Bruder Johann tritt auf.)
Johann.
Ehrwuerdiger Sohn des heiligen Franciscus, Bruder! he! (Bruder
Lorenz kommt heraus.)
Lorenz.
Das sollte Bruder Johanns Stimme seyn--Willkommen von Mantua; was
sagt Romeo? Oder habt ihr mir einen Brief von ihm?
Johann.
Da ich abreisen wollte, gieng ich, einen Baarfusser-Bruder von
unserm Orden zum Reise-Gefaehrten zu suchen, der hier in der Stadt
war, um Kranken beyzustehen. Ich fand ihn; aber wie wir aus dem
Hause gehen wollten, kamen die Visitatoren der Stadt, und weil sie
einen Argwohn hatten, dass in dem Hause worinn sie uns fanden, eine
anstekende Krankheit grassiere, versiegelten sie die Thueren und
liessen uns nicht fort; so dass also meine Reise nach Mantua
unterbleiben musste.
Lorenz.
Wer brachte dann dem Romeo meinen Brief?
Johann.
Ich konnt' ihn nicht fortschiken, hier ist er wieder; ich konnte
nicht einmal jemand finden, der ihn dir wiedergebracht haette, so
gross war ihre Furcht, sie moechten angestekt werden.
Lorenz.
Das ist ein unglueklicher Zufall! Bey meinem Ordens-Geluebd, der
Brief enthielt Sachen von der groessesten Wichtigkeit, und diese
Versaeumung kan boese Folgen haben. Bruder Johann, geh, schaff mir
ein Brech-Eisen und bring mirs in meine Celle.
Lorenz.
Nun muss ich allein in die Gruft; in den naechsten drey Stunden wird
die schoene Juliette erwachen--Wie wird sie ueber mich schmaehlen, dass
ihr Romeo von allen diesen Vorfaellen keine Nachricht bekommen hat!
Aber ich will noch einmal nach Mantua schreiben, und sie indess in
meiner Celle verbergen, bis Romeo kommt. Arme lebende Leiche, ich
eile, dich aus deiner Todten-Gruft zu ziehen!--
(Er geht ab.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in einen Kirchhof--auf demselben die Familien-
Gruft der Capulets.)
(Paris und sein Edelknabe, mit einer Fakel, treten auf.)
Paris.
Gieb mir deine Fakel, Junge: Geh und steh von Ferne. Doch nein,
loesche sie aus, ich moechte nicht gesehen werden--Leg dich, so lang
du bist, unter jenen Taxus-Baeumen hin, und halte dein Ohr dicht an
den hohlen Boden, so wird kein Fuss auf diesen Kirchhof treten
koennen, ohne dass du es hoerst; und sobald du hoerst, dass sich etwas
naehert, so zische mir zu; das soll das Zeichen seyn. Gieb mir diese
Blumen--thu, was ich dir sage, geh.
Edelknabe.
Ich fuerchte mich herzlich, so allein hier auf dem Kirchhof zu seyn,
und doch will ich es wagen.
(Geht ab.)
Paris
(geht an die Gruft, und streut Blumen ueber sie.)
Anmuthsvolle Blume! So bestreu' ich mit Blumen dein Brautbette:
Schoene Juliette, nun die Gespielin der Engel, nimm dieses lezte
Merkmal der Liebe, von einem der im Leben dich verehrte, und nun im
Tode--
(der Knabe zischt)
Der Junge giebt ein Zeichen, es naehert sich was--was fuer
verfluchte Fuesse wandern in dieser spaeten Nacht hieher, mich in den
zaertlichen Gebraeuchen der traurenden Liebe zu stoeren?--Wie? ein
Licht? Verhuelle mich eine Weile, o Nacht--
(Er geht bey Seite.)
Vierte Scene.
(Romeo und Balthasar mit einem Lichte.)
Romeo.
Gieb mir den Karst und das Heb-Eisen. Hier, nimm diesen Brief, und
sieh dass du ihn morgen frueh meinem Herrn und Vater ueberlieferst.
Gieb mir das Licht; so lieb dir dein Leben ist, befehl' ichs dir,
du magst hoeren oder sehen, was du willst, so bleib von ferne stehen,
und unterbrich mich nicht in meinem Vorhaben. Warum ich in diese
Gruft herabsteige, ist, theils meine Geliebte noch einmal zu sehen,
hauptsaechlich aber um von ihrem todten Finger einen kostbaren Ring
zu ziehen, einen Ring den ich zu einem wichtigen Gebrauch noethig
habe; entfern dich also von hier, geh--unterfaengst du dich aber aus
Fuerwiz zuruekzukehren, um zu sehen, was ich noch mehr zu thun im
Sinn habe, beym Himmel, so will ich dich Gelenk fuer Gelenk in Stueke
reissen, und diesen hungrigen Kirchhof mit deinen Gliedern
bestreuen. Die Zeit und meine Absichten sind grausam und wild,
grimmiger und unerbittlicher als blut-lechzende Tyger und die
heulende See.
Balthasar.
Ich will gehen, Gnaediger Herr, und euch nicht stoeren.
Romeo.
So kanst du mir deine Freundschaft beweisen--Nimm du das; leb und
sey glueklich, fahrwohl, guter Junge.
Balthasar (im Weggehen vor sich.)
Das alles ist mir ein desto staerkerer Beweggrund, mich hier in der
Naehe zu verbergen. Ich fuerchte seine Blike, und zweifle, dass er was
Gutes im Sinn habe.
Romeo.
Du abscheulicher Schlund, verfluchter Rachen des Todes, der das
kostbarste was die Welt hatte, verschlungen hat, so zwing ich deine
morschen Kinnbaken sich zu oefnen,
(er bricht die Gruft auf)
um dich mit Gewalt mit noch mehr Speise vollzustopfen.
Paris (kommt hervor.)
Diss ist der verbannte uebermuethige Montague, der den Vetter meiner
Geliebten erschlug, (welches durch den Kummer den sie darueber hatte,
wie man glaubt, die Ursach ihres Todes gewesen ist), und nun ist
er gekommen, irgend eine niedertraechtige Schmach an ihren
Leichnamen auszuueben: Ich will ihn anhalten--Halt ein mit deiner
verdammlichen Arbeit, nichtswuerdiger Montague: Willt du deine Wuth
bis auf die Todten ausdehnen? Verurtheilter Boesewicht, ich
bemaechtige mich deiner; gehorche, geh mit mir, du must sterben.
Romeo.
Ich muss, in der That, und darum kam ich hieher--Guter junger Mensch,
reize nicht einen verzweifelnden Mann; flieh von hinnen, und lass
mich: Denk an diese, die hier ligen, und lass sie dich schreken. Ich
bitte dich, Juengling, haeuffe nicht noch eine neue Suende ueber mein
Haupt, treibe mich nicht zur Wuth. O geh! Beym Himmel! ich liebe
dich besser als mich selbst; denn ich bin gegen mich bewaffnet
hieher gekommen. Verweile nicht, geh, und sage, dass du dein Leben
der Barmherzigkeit eines rasenden Mannes zu danken habest.
Paris.
Ich verschmaehe dein Mitleiden, und arrestiere dich hier als einen
Hochverraether.
Romeo.
So willst du mich denn mit Gewalt reizen? Hab es dann an dir selber,
Junge.
(Sie fechten. Paris faellt.)
Edelknabe.
O Gott, sie fechten, ich will gehen und die Wache holen.
Paris.
Oh, ich bin des Todes; wenn du einiger Erbarmung faehig bist, so
oeffne die Gruft und lege mich zu Julietten.
(Er stirbt.)
Romeo.
Auf meine Ehre, das will ich: Lass mich dieses Gesicht in der Naehe
besehen--Mercutio's Vetter! der edle Graf Paris! was sagte mir mein
Diener unterwegs, indem meine im Sturm herumgewaelzte Seele nicht
darauf Acht gab, was er sagte--Mich daeucht, er erzaehlte mir, Paris
habe Julietten heurathen sollen. Sagte er das nicht? oder traeumte
mir's nur? Oder bin ich unsinnig, dass ich mir einbilde es sey so,
weil ich ihn so zaertlich von Julietten reden hoerte?--O gieb mir
deine Hand, du, den das Schiksal in mein Ungluek verflochten hat,
ich will dir ein beneidenswuerdiges Grab gewaehren--Ein Grab? O nein,
eine Glorie, ermorderter Juengling; denn Juliette ligt hier, und
ihre Schoenheit erfuellt diese grauenvolle Gruft mit Licht und
Herrlichkeit; Todter, lige du hier, von einem Todten begraben.
(Er legt ihn in die Gruft.)
Wie oft ist es schon begegnet, dass Sterbende kurz vor ihrem lezten
Augenblik noch aufgeraeumt gewesen sind--O goenne mir noch einen
solchen Augenblik!--Meine Geliebte, mein Weib, der Tod, der den
Honig deines Athems aufgesogen, hat noch keine Gewalt ueber deine
Schoenheit gehabt; du bist nicht besiegt; noch schwebt die purpurne
Fahne der Schoenheit auf deinen Lippen und Wangen, und die blasse
Flagge des Todes ist hier noch nicht aufgestekt--Tybalt, ligst du
hier in deinem blutigen Leichen-Tuch? O was kan ich mehr thun, wie
kan ich dich besser raechen, als eben diese Hand, die dein
jugendliches Leben geendigt hat, gegen deinen Moerder zu gebrauchen?
Vergieb mir, theurer Vetter!--Ach! liebste Juliette, warum bist du
noch so schoen? Soll ich glauben, der unwesentliche Tod sey in dich
verliebt worden, und das duerre scheussliche Ungeheuer unterhalte
dich hier im Dunkeln, um seine Liebste zu seyn? Aus Furcht es
moechte so seyn, will ich immer bey dir bleiben, und von diesem
Augenblik diesen Palast der duestern Nacht nimmermehr verlassen;
hier, hier will ich bleiben, bey den Wuermern, die deine Kammer-
Maedchen sind; hier will ich eine immerwaehrende Ruhe finden, wenn
ich das tyrannische Joch erbosster Sterne von diesem Lebens-
ueberdruessigen Fleisch abgeschuettelt habe--Mein Auge, sieh' sie zum
leztenmal an; umfanget sie zum leztenmal, meine Arme, und ihr,
siegelt, o meine Lippen, mit dem lezten Kuss dem wuchernden Tod eine
Verschreibung, die nie wieder abgeloesst werden kan--Diss, meine Liebe,
trink ich dir zu!--o ehrlicher Apotheker,
(er trinkt das Gift aus,)
Deine Traenke wuerken gut--Noch diesen Kuss.
(Er stirbt.)
(Bruder Lorenz mit einer Laterne, einem Brech-Eisen, und einer
Spathe.)
Bruder Lorenz.
St. Franciscus steh mir bey! Wie manchmal haben schon in spaeter
Nacht meine alten Fuesse an Graebern gestolpert! Wer ist hier?
(Balthasar kommt hervor.)
Balthasar.
Ein Freund, der euch wol kennt.
Lorenz.
Heil sey dir! Sage mir, guter Freund, was fuer eine Fakel seh ich
dort, die ihr Licht so vergeblich Wuermern und auglosen Schaedeln
leiht? Wie mich daeucht, so brennt sie in der Gruft der Capulets.
Balthasar.
Es ist wuerklich so, heiliger Vater, und derjenige, der darinn ist,
ist mein Herr, einer von euern liebsten Freunden.
Lorenz.
Wie nennt er sich?
Balthasar.
Romeo.
Lorenz.
Wie lang ist er schon da?
Balthasar.
Eine volle halbe Stunde.
Lorenz.
Geh mit mir in die Gruft.
Balthasar.
Ich habe das Herz nicht, ehrwuerdiger Herr--Mein Herr weiss nichts
anders als dass ich weggegangen sey, und bedraeute mich auf eine
fuerchterliche Art, dass er mich umbringen wolle, wenn ich
zuruekbleiben und sein Vorhaben belauschen wuerde.
Lorenz.
So bleibe du hier, ich will allein gehen--mich kommt ein Grauen an--
ich fuercht', ich fuercht' es ist ein Ungluek geschehen.
Balthasar.
Wie ich unter diesem Taxus-Baum schlief, da traeumte mir mein Herr
und ein andrer fechten mit einander und mein Herr habe ihn
erschlagen.
Lorenz (bey dem Eingang der Gruft.)
Romeo! O Himmel! was bedeutet dieses Blut das den steinernen
Eingang dieser Gruft beflekt? Was bedeuten diese herrenlose
Schwerdter, die mit geronnenem Blut beschmizt an diesem Ort des
Friedens ligen? Romeo! o Gott, ohne Leben! und dieser?--Wie? Paris?--
im Blute schwimmend? Ha, was fuer eine unselige Stunde ist an
diesem jammervollen Zufall schuldig?--Das Fraeulein ruehrt sich--
Juliette (erwachend.)
O Trostbringender Vater! wo ist mein Gemahl? Ich erinnre mich wohl,
wo ich seyn soll, und ich bin da--Aber wo ist Romeo?
Lorenz.
Ich hoer ein Getoese--Fraeulein, komm hervor aus dieser Hoele des Todes,
der Verwesung und des unnatuerlichen Schlafs; eine groessere Macht,
als der wir wiederstreben koennten, hat unsern Entwurf
durchschnitten; komm, komm mit mir--dein Gemahl ligt todt hier, und
Paris auch--Komm, ich will dich in ein Kloster von heiligen
Schwestern fuehren: Halte dich nicht mit Fragen auf, ich sehe die
Wache kommen--Komm, geh, liebste Juliette; ich kan nicht laenger
bleiben--
(Er geht.)
Juliette.
Geh, geh du, und lass mich hier bleiben--Was ist hier? Ein Becher,
in meines Geliebten Hand?--Gift, wie ich seh, ist sein unzeitiger
Tod gewesen--O du Unfreundlicher, alles auszutrinken, und nicht
einen freundschaftlichen Tropfen uebrig zu lassen, der mir dir nach
helfe! Ich will deine Lippen kuessen; vielleicht haengt noch so viel
Gift daran, als ich noethig habe--Deine Lippen sind noch warm--
(Der Edelknabe, mit der Wache treten auf.)
Wache.
Weis' uns den Weg, Junge.
Juliette.
So? Kommt jemand? So will ich's kurz machen--
(sie findt einen Dolch.)
O glueklicher Dolch! hier ist deine Scheide, hier roste und lass
mich sterben.
(Sie ersticht sich.)
Knabe.
Hier ist der Ort; dort, wo die Fakel brennt.
Wache.
Der Boden ist voller Blut. Sucht auf dem ganzen Kirchhof, geht,
etliche von euch, macht feste wen ihr findet. Erbaermlicher Anblik!
Hier ligt der Graf erschlagen, und Juliette in ihrem Blut, noch
warm, und kaum entseelt, die doch diese zween Tage schon hier
begraben gelegen ist. Geht, zeigt es dem Fuersten an, rennt zu den
Capulets, wekt die Montaguen auf--Und ihr andere sucht--Die
Umstaende allein koennen diese klaegliche Begebenheit begreiflich
machen. (Etliche Waechter mit Balthasar.)
2. Waechter.
Hier ist ein Bedienter von Romeo, den wir auf dem Kirchhof gefunden
haben.
1. Waechter.
Haltet ihn auf, bis der Fuerst kommt. (Ein andrer Waechter, mit
Bruder Lorenzen.)
3. Waechter.
Hier ist ein Franciscaner, der zittert, aechzt und weint; wir fanden
dieses Brech-Eisen und diese Spathe bey ihm, und er kam von dieser
Seite des Kirchhofs her.
1. Waechter.
Das ist sehr verdaechtig; haltet ihn auch auf.
Fuenfte Scene.
(Der Fuerst und sein Gefolge, treten vorn auf der Schaubuehne auf.)
Fuerst.
Was fuer ein Unheil ist so frueh auf, dass es uns aus unserm Morgen-
Schlaf wekt? (Capulet und Lady Capulet, treten auf der andern Seite
auf.)
Capulet.
Was mag das seyn, dass ein so graessliches Geschrey auf den Strassen
ist?
Lady Capulet.
Die Strassen sind voll Volks das Romeo schreyt; einige schreyen,
Juliette; einige Paris; und alle rennen mit Entsezen und Geschrey
unserm Begraebniss zu.
Fuerst.
Was fuer Toene des Schrekens stuerzen sich in unser Ohr?
1. Waechter.
Gnaedigster Herr, hier ligt der Graf Paris ermordet, und Romeo todt,
und Juliette, die zuvor todt war, warm, und vor wenigen Minuten
umgebracht.
Fuerst.
Sucht, forscht nach, und spaeht aus, woher diese scheussliche
Mordthaten kommen?
1. Waechter.
Hier ist ein Moench, und des erschlagnen Romeo's Diener, die mit
Werkzeugen, diese Todten-Graeber aufzubrechen, ertappt worden sind.
Capulet.
O Himmel!--O Weib! Sieh, wie unsre Tochter blutet! Dieser Dolch hat
sich verfehlt; sieh, die Scheide ligt auf dem Rueken des Montaguen,
und die entbloesste Klinge in meiner Tochter Busen--
Lady Capulet.
O Gott, dieser Anblik ist wie eine Todten-Gloke, die meinem grauen
Alter zu Grabe laeutet. (Montague zu den Vorigen.)
Fuerst.
Komm, Montague--und sieh hier deinen einzigen Sohn und Erben--
Montague.
Weh mir!--Mein Weib, Gnaedigster Herr, ist in dieser Nacht
verschieden--Der Gram ueber ihres Sohnes Verbannung hat ihr das Herz
gebrochen--Was fuer ein neues Weh verschwoert sich gegen mein graues
Alter?
Fuerst.
Schau hieher, so wirst du's sehen.
Montague.
O du Uebelgezogner, was fuer Lebens-Art war das, dich vor deinem
Vater so in's Grab zu draengen?
Fuerst.
Haltet noch mit euern Klagen ein, bis wir diese verworrene
Geschichte ins Klare gesezt, und ihren Ursprung und wahren Hergang
herausgebracht haben; alsdann will ich selbst der Anfuehrer euers
Klag-Geschreys seyn--Bis dahin, haltet inn!--bringet die
verdaechtigen Personen herbey!
Bruder Lorenz.
Ich, der unvermoegendste, bin derjenige, den der staerkste Verdacht
druekt; Zeit und Ort scheinen mich dieses graesslichen Mords
anzuklagen; und hier steh ich, zugleich mein eigner Anklaeger und
Advocat zu seyn.
Fuerst.
So sage dann, ohne Umschweiffe, was dir davon bekannt ist.
Bruder Lorenz.
Ich will kurz seyn, mein Athem ist ohnehin nicht lang genug fuer
eine langweilige Historie. Romeo, der hier todt ligt, war
Juliettens Gemahl, und Sie, die hier todt ligt, Romeo's getreues
Weib: Ich segnete ihre Ehe ein; und der Tag ihrer heimlichen
Vermaehlung war Tybalts Sterb-Tag, dessen unzeitiger Tod den neuen
Braeutigam aus dieser Stadt verbannte, und dieses, nicht Tybalts Tod,
war die Ursache von Juliettens Gram. Ihr,
(zu Capulet)
um ihr diesen Kummer aus dem Sinn zu bringen, versprachet sie dem
Grafen Paris, und waret im Begriff, sie zu dieser Heurath mit
Gewalt zu zwingen. In diesen Umstaenden kommt sie zu mir, und, mit
wilden Bliken, bittet sie mich dass ich ihr ein Mittel an die Hand
gebe, diese zweyte Heurath zu vermeiden, oder sie wolle sich in
meiner Celle selbst ums Leben bringen. In diesem schwuerigen
Augenblik kam mir meine Wissenschaft zu Huelfe; ich gab ihr einen
Schlaf-Trunk, dessen Wuerkung meiner Absicht vollkommen antwortete--
denn er sezte sie in einen Zustand, der dem Tode so gleich sah, dass
sie fuer eine Leiche angesehen, und so behandelt wurde. Inmittelst
schrieb ich an Romeo, und bestellte ihn, dass er in eben dieser
schreklichen Nacht, als der Zeit, worinn die Wuerkung des Tranks zu
Ende gehen wuerde, hieher kommen, und mir helfen moechte, sie aus
ihrem geborgten Grabe heraus zu holen. Allein, Bruder Johann, der
ihm meinen Brief ueberbringen sollte, wurde durch einen Zufall
aufgehalten, und gestern kam mein Brief mir wieder zu; ich war also
genoethigt, um die bestimmte Zeit ihres Erwachens ganz allein hieher
zu kommen, und sie aus der Gruft ihrer Familie zu befreyen: Des
Vorhabens, sie so lange in meiner Celle verborgen zu halten, bis
ich Gelegenheit faende, den Romeo hieher zu beruffen. Aber wie ich
kam, (wenige Minuten vor ihrem Erwachen) da lag der edle Paris hier
erschlagen, und der allzugetreue Romeo todt. Sie erwacht, und ich
bitte sie instaendigst mit mir zu gehen, und diese Schikung des
Himmels mit Geduld zu tragen: Allein ein Getoese, das ich gleich
darauf hoerte, scheuchte mich von der Gruft weg, und sie,
verzweifelnd und entschlossen zu sterben, wollte nicht mit mir
gehen, sondern legte, wie es scheint, gewaltsame Hand an sich
selbst. Alles dieses weiss ich, und von der heimlichen Heurath kan
auch ihre Amme Zeugniss geben: Ist aber in allem diesem etwas durch
meine Schuld gefehlt und zu diesem unglueklichen Ausgange gebracht
worden, so lasst immer mein altes Leben, etliche Stunden vor meiner
bestimmten Zeit, der Strenge des Gesezes aufgeopfert werden.
Fuerst.
Wir haben dich jederzeit als einen heiligen Mann gekannt. Wo ist
Romeo's Diener? Was kan Er von der Sache berichten?
Balthasar.
Ich brachte meinem Herren die Zeitung von Julia's Tod, und sogleich
kam er mit Post-Pferden von Mantua hieher, unmittelbar hieher, zu
dieser nehmlichen Gruft; uebergab mir diesen Brief an seinen Vater,
und draeute mir, indem er auf die Gruft zugieng, den Tod, wenn ich
nicht weggehen und ihn allein lassen wollte.
Fuerst.
Gieb mir den Brief, ich will ihn uebersehen--Wo ist des Grafen Knabe,
der die Wache herbeyholte? Bursche, was machte dein Herr an diesem
Orte?
Knabe.
Er kam, das Grab seiner Geliebten mit Blumen zu bestreuen, und
befahl mir von Ferne stehn zu bleiben, wie ich auch that; bald
darauf kommt einer mit einem Licht, die Gruft zu oeffnen, und
augenbliklich zieht mein Herr den Degen gegen ihn; und da lief ich
und holte die Wache.
Fuerst.
Dieser Brief bekraeftiget die Erzaehlung des Ordens-Manns--und hier
schreibt er, dass er Gift von einem armen Apotheker gekauft, und
damit in diese Gruft gekommen sey, um zu sterben und in Juliettens
Grab zu ligen--Wo sind diese Feinde? Capulet! Montague! Seht hier
die Ruthe, womit euere Unversoehnlichkeit gezuechtiget wird; seht wie
der Himmel Mittel findet, durch die Liebe selbst die Freuden euers
Lebens zu toedten. Auch ich, weil ich zuviel Nachsicht gegen euere
Uneinigkeiten hatte, habe zween Verwandte verlohren: Wir sind alle
gestraft!
Capulet.
O Bruder Montague, gieb mir deine Hand; das ist meiner Tochter
Witthumb--mehr kan ich nicht verlangen.
Montague.
Aber ich kann dir mehr geben; denn ich will ihre Bild-Saeule von
gediegnem Gold aufstellen, dass, so lange Verona diesen Namen traegt,
kein Denkmal dem Denkmal der zaertlichen und getreuen Juliette
gleich geschaezt werde!
Capulet.
Eben so glaenzend soll Romeo bey seiner Gattin ligen; theure,
ungluekliche Opfer unsrer unseligen Feindschaft!
Fuerst.
Dieser Morgen bringt uns einen duestern Frieden, und die Sonne
selbst scheint trauernd ihr Haupt verhuellt zu haben--Geht, und
erwartet unsre Entscheidung, was in diesem unglueklichen Handel
Strafe und was Verzeihung verdient--[Ihr aber, getreue Liebende,
die ein allzustrenges Schiksal im Leben getrennt, und nun ein
freiwilliger Tod auf ewig vereiniget hat, lebet, Juliette und Romeo,
lebet in unserm Andenken, und die spaeteste Nachwelt moege das
Gedaechtniss eurer unglueklichen Liebe mit mitleidigen Thraenen ehren!]
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Romeo und Juliette, von William
Shakespeare (Uebersetzt von Christoph Martin Wieland).
End of Project Gutenberg's Romeo und Juliette, by William Shakespeare
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMEO UND JULIETTE ***
This file should be named 7gs1610a.txt or 7gs1610a.zip
Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7gs1611a.txt
VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7gs1610b.txt
Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
We are now trying to release all our eBooks one year in advance
of the official release dates, leaving time for better editing.
Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
even years after the official publication date.
Please note neither this listing nor its contents are final til
midnight of the last day of the month of any such announcement.
The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
preliminary version may often be posted for suggestion, comment
and editing by those who wish to do so.
Most people start at our Web sites at:
http://gutenberg.net or
http://promo.net/pg
These Web sites include award-winning information about Project
Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
Those of you who want to download any eBook before announcement
can get to them as follows, and just download by date. This is
also a good way to get them instantly upon announcement, as the
indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
Just search by the first five letters of the filename you want,
as it appears in our Newsletters.
Information about Project Gutenberg (one page)
We produce about two million dollars for each hour we work. The
time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
projected audience is one hundred million readers. If the value
per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
If they reach just 1-2% of the world's population then the total
will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
which is only about 4% of the present number of computer users.
Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
eBooks Year Month
1 1971 July
10 1991 January
100 1994 January
1000 1997 August
1500 1998 October
2000 1999 December
2500 2000 December
3000 2001 November
4000 2001 October/November
6000 2002 December*
9000 2003 November*
10000 2004 January*
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
We need your donations more than ever!
As of February, 2002, contributions are being solicited from people
and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
that have responded.
As the requirements for other states are met, additions to this list
will be made and fund raising will begin in the additional states.
Please feel free to ask to check the status of your state.
In answer to various questions we have received on this:
We are constantly working on finishing the paperwork to legally
request donations in all 50 states. If your state is not listed and
you would like to know if we have added it since the list you have,
just ask.
While we cannot solicit donations from people in states where we are
not yet registered, we know of no prohibition against accepting
donations from donors in these states who approach us with an offer to
donate.
International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
ways.
Donations by check or money order may be sent to:
Project Gutenberg Literary Archive Foundation
PMB 113
1739 University Ave.
Oxford, MS 38655-4109
Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
method other than by check or money order.
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
requirements for other states are met, additions to this list will be
made and fund-raising will begin in the additional states.
We need your donations more than ever!
You can get up to date donation information online at:
http://www.gutenberg.net/donation.html
***
If you can't reach Project Gutenberg,
you can always email directly to:
Michael S. Hart <[email protected]>
Prof. Hart will answer or forward your message.
We would prefer to send you information by email.
**The Legal Small Print**
(Three Pages)
***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
They tell us you might sue us if there is something wrong with
your copy of this eBook, even if you got it for free from
someone other than us, and even if what's wrong is not our
fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
disclaims most of our liability to you. It also tells you how
you may distribute copies of this eBook if you want to.
*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
sending a request within 30 days of receiving it to the person
you got it from. If you received this eBook on a physical
medium (such as a disk), you must return it with your request.
ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
through the Project Gutenberg Association (the "Project").
Among other things, this means that no one owns a United States copyright
on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
distribute it in the United States without permission and
without paying copyright royalties. Special rules, set forth
below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
any commercial products without permission.
To create these eBooks, the Project expends considerable
efforts to identify, transcribe and proofread public domain
works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
medium they may be on may contain "Defects". Among other
things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged
disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
codes that damage or cannot be read by your equipment.
LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
all liability to you for damages, costs and expenses, including
legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.
If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
you paid for it by sending an explanatory note within that
time to the person you received it from. If you received it
on a physical medium, you must return it with your note, and
such person may choose to alternatively give you a replacement
copy. If you received it electronically, such person may
choose to alternatively give you a second opportunity to
receive it electronically.
THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
PARTICULAR PURPOSE.
Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
the exclusion or limitation of consequential damages, so the
above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
may have other legal rights.
INDEMNITY
You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
and its trustees and agents, and any volunteers associated
with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
texts harmless, from all liability, cost and expense, including
legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
following that you do or cause: [1] distribution of this eBook,
[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
or [3] any Defect.
DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
You may distribute copies of this eBook electronically, or by
disk, book or any other medium if you either delete this
"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
or:
[1] Only give exact copies of it. Among other things, this
requires that you do not remove, alter or modify the
eBook or this "small print!" statement. You may however,
if you wish, distribute this eBook in machine readable
binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
including any form resulting from conversion by word
processing or hypertext software, but only so long as
*EITHER*:
[*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and
does *not* contain characters other than those
intended by the author of the work, although tilde
(~), asterisk (*) and underline (_) characters may
be used to convey punctuation intended by the
author, and additional characters may be used to
indicate hypertext links; OR
[*] The eBook may be readily converted by the reader at
no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
form by the program that displays the eBook (as is
the case, for instance, with most word processors);
OR
[*] You provide, or agree to also provide on request at
no additional cost, fee or expense, a copy of the
eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
or other equivalent proprietary form).
[2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this
"Small Print!" statement.
[3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
gross profits you derive calculated using the method you
already use to calculate your applicable taxes. If you
don't derive profits, no royalty is due. Royalties are
payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
the 60 days following each date you prepare (or were
legally required to prepare) your annual (or equivalent
periodic) tax return. Please contact us beforehand to
let us know your plans and to work out the details.
WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form.
The Project gratefully accepts contributions of money, time,
public domain materials, or royalty free copyright licenses.
Money should be paid to the:
"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
If you are interested in contributing scanning equipment or
software or other items, please contact Michael Hart at:
[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
they hardware or software or any other related product without
express permission.]
*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
Livros Grátis
( http://www.livrosgratis.com.br )
Milhares de Livros para Download:
Baixar livros de Administração
Baixar livros de Agronomia
Baixar livros de Arquitetura
Baixar livros de Artes
Baixar livros de Astronomia
Baixar livros de Biologia Geral
Baixar livros de Ciência da Computação
Baixar livros de Ciência da Informação
Baixar livros de Ciência Política
Baixar livros de Ciências da Saúde
Baixar livros de Comunicação
Baixar livros do Conselho Nacional de Educação - CNE
Baixar livros de Defesa civil
Baixar livros de Direito
Baixar livros de Direitos humanos
Baixar livros de Economia
Baixar livros de Economia Doméstica
Baixar livros de Educação
Baixar livros de Educação - Trânsito
Baixar livros de Educação Física
Baixar livros de Engenharia Aeroespacial
Baixar livros de Farmácia
Baixar livros de Filosofia
Baixar livros de Física
Baixar livros de Geociências
Baixar livros de Geografia
Baixar livros de História
Baixar livros de Línguas
Baixar livros de Literatura
Baixar livros de Literatura de Cordel
Baixar livros de Literatura Infantil
Baixar livros de Matemática
Baixar livros de Medicina
Baixar livros de Medicina Veterinária
Baixar livros de Meio Ambiente
Baixar livros de Meteorologia
Baixar Monografias e TCC
Baixar livros Multidisciplinar
Baixar livros de Música
Baixar livros de Psicologia
Baixar livros de Química
Baixar livros de Saúde Coletiva
Baixar livros de Serviço Social
Baixar livros de Sociologia
Baixar livros de Teologia
Baixar livros de Trabalho
Baixar livros de Turismo